Streitpunkt Bibelverständnis: Wie gehen wir richtig mit dem Buch der Bücher um?

Die Frage nach dem richtigen Umgang mit der Bibel hat quer durch die Kirchengeschichte bis heute unendlich viel Streit und Spaltungen unter Christen produziert. Ist wirklich die ganze Bibel Gotteswort? Falls ja: Müssen wir dann alles wörtlich auf unser Leben anwenden, was in der Bibel steht, selbst wenn es uns fremdartig, unlogisch, falsch oder ungerecht erscheint? Nein, so kann das nicht gemeint sein. Gott hat uns einen Verstand gegeben, um ihn zu benutzen und auch beim Bibellesen nicht auszuschalten. Und ich habe schon zu viele Menschen erlebt, die mit der Bibel „erschlagen“ und verletzt worden sind statt in ihr der Liebe des Vaters zu begegnen.

Müssen wir dann also unterscheiden lernen zwischen menschlichen Irrtümern und Gottes ewigen Wahrheiten in der Bibel? Schließlich waren es ja Menschen, die die Bibel geschrieben haben. Aber wer entscheidet dann, was von Gott ist und was nicht? Auf welcher Grundlage? Nein, das kann auch nicht der richtige Weg sein. Denn dann landen wir in einer Beliebigkeit, in der sich jeder seine Privatwahrheit bastelt und es kein gemeinsames Fundament mehr gibt. Wir sehen am Niedergang unserer Kirche, wohin solch ein kritisches Bibelverständnis führt.

Mein Vorschlag lautet deshalb: Gehen wir mit der Bibel doch einfach so um, wie sie selbst es uns lehrt: Die ganze Bibel ist von Gott inspiriert (2. Tim. 3, 16). Aber unsere Erkenntnis, wie sie auszulegen ist, bleibt Stückwerk (1. Kor. 13, 9+12).

Das schützt sowohl vor dem Hochmut, wir wären gescheiter als die Bibel als auch vor dem Hochmut, wir wüssten besser als alle anderen, wie die Bibel auszulegen ist. Das verleiht uns eine respektvolle Liebe zur Bibel und hält uns gleichzeitig in der Abhängigkeit vom Geist Gottes, der uns allein in die Wahrheit leiten kann (Joh. 16, 13), denn der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig (2. Kor. 3, 6). Das schützt uns vor übereilten Schlüssen und vorschnellem Verurteilen anderer Christen. Das erinnert uns daran: Wir Christen sind nicht im Besitz der Wahrheit. Wir hoffen nur, dass die Wahrheit in Person (nämlich Jesus) immer mehr Besitz von uns ergreift!

Es ist höchste Zeit, dass die Theologie an den Universitäten vollends herunterkommt von ihrem hohen Ross der Vergötterung des menschlichen Verstands und dass sie sich wieder der Bibel unterordnet anstatt menschliche Meinungen zur letzten Instanz der Wahrheit zu machen. Es ist Zeit, der Bibel wieder zuzutrauen, dass sie besser über uns Menschen, Gott und die Welt Bescheid weiß als der Zeitgeist. Und es ist Zeit, dass Theologen und Kirchenfürsten aufhören, ihre speziellen Erkenntnisse zu unumstößlichen Dogmen zu erheben und durch Kirchengesetze Mauern aufzubauen, wo Gott niemals Mauern wollte.

Sola Scriptura – allein die Schrift! Die Schrift ist genug! Zusätzliche Wahrheitsinstanzen braucht kein Mensch. Aber die Bibel brauchen wir alle – mehr denn je! Gesundes Christsein und eine gesunde Kirche lebt von einer tiefen und respektvollen Liebe zur Bibel. Jeder Mensch und jede Generation ist gerufen, sie mit wachem Verstand zu lesen und ihre Schätze neu für sich zu heben. Unter ihr können wir uns alle treffen und uns miteinander auf den Weg machen zur Mitte und zum Autor der Bibel und zum Haupt der Kirche, das uns in die frei machende Wahrheit, zur Liebe des Vaters und zur Fülle des Lebens führt: Jesus!

Bibelpendel

5 Gedanken zu „Streitpunkt Bibelverständnis: Wie gehen wir richtig mit dem Buch der Bücher um?“

  1. Die Bibel ist natürlich NICHT Gottes Wort. Und das steht auch nicht in 1Tim 3,16. In 1Tim 3,16 steht weder irgendetwas von “Bibel” noch von “Wort Gottes”. Und selbst wenn: dann würde das nur bedeuten, dass der Schreiber von 1Tim die “Bibel” für “Gottes Wort” hielt, nicht, dass sie es tatsächlich “ist”. (Und was bedeutet das überhaupt: “Wort Gottes”?)

    I.a.W.: Jeder, der behauptet “Die Bibel ist Wort Gottes” steht automatisch in dem kleinen Bildchen mit dem grün-roten halbrunden Pfeil in der rechten oberen Ecke.

    Antworten
    • Stimmt, das steht auch nicht in 1. Timotheus 3, 16 sondern in 2. Timotheus 3, 16 (siehe Artikel). Und ob man glaubt, dass die Aussagen, die die Bibel über sich selber macht, wahr sind oder nicht, ist und bleibt halt eine Glaubensentscheidung. Insofern danke für die eindeutige Rückmeldung von jemand, der ganz links oben steht. Natürlich kann man an die Bibel als Wort Gottes (= Worte, die von Gott kommen) glauben ohne rechts oben zu stehen. Denn rechts oben stehen ja die, die glauben, alle diese Worte auch lückenlos richtig interpretieren zu können. Und zu denen gehöre ich z.B. nicht. Aber das steht ja alles schon im Artikel… 🙂

      Antworten
    • Natuerlich hatte Timotheus nicht die Bibel, wie wir sie heute haben in Haenden. Die “heiligen Schriften” waren die juedischen Schriften? Selbst der juedische Kanon war damals noch nicht vollstaendig abgeschlossen?, geschweige denn der christliche?!

      Wie waere es mit:
      Die (heutige) Bibel (AT+NT) ist eine bedeutende Sammlung von alten Schriften und Geschichten in denen
      – Gott sich zeigt wie sein Wesen ist
      – von Menschen steht, wie sie Beziehung zu Gott lebten oder nicht gelebt haben
      – ein Geschichtsbuch ueber die Juden (Gottes auserwaehltes Volk) und Christen (eingepfropfte “juedische Sekte” ;-))
      – eine Anleitung steht, wie die Beziehung zu Gott gut gelebt werden kann (Heilsgeschichte der Juden und Christen)
      – durch eine persoenliche Beziehung zu Gott, sich die Texte ggfs anders erschliessen, als nur vom Verstand allein her moeglich (geistgeleitete Auslegung, persoenliche Ansprache aus der Bibel durch Gott in unsere momentane Lebenssituation)
      – eine kontextbezogene Auslegung (Zusammenhang, je Kapitel/Buch/gesamte Bibel) ist wichtig
      – noch etwas?

      Weil die Entstehungsgeschichte der Bibel besonders und erstaunlich ist (Auswahl, welche Schriften aufgenommen wurden, welche nicht; Bewahrung in diversen Abschriften, bezueglich Anzahl und Genauigkeit/Uebereinstimmung ueber tausende Jahre) und eine sehr grosse Anzahl von Menschen das bis heute wuerdigt und anerkennt, ist die Bibel von herausragender Bedeutung und Anerkennung.

      Glaeubige Menschen nennen die Bibel deshalb “Wort Gottes”, weil es ein zentrales Element ihres Glaubens ist (Wegweiser, Richtschnur, Anker, Liebesbrief von Gott an die Menschen). Sie gehen von einer uebernatuerlichen (durch Gott selbst) Leitung der Schreiber, der Kanoniker, der Verbreiter aus.

      (Gottes)Beziehung ist vielschichtig, man kann selten nur die Eigenschaften beim Gegenueber bekommen, “die einem passen” sondern man muss den ganzen Gegenueber annehmen, wenn man Beziehung leben will.
      Aehnlich ist es mit “Gottes Wort”. Wenn man anfaengt nach 2000 Jahren am ein oder anderen herumzuflicken, macht man genau das: was mir womoeglich nicht in den Kram passt/ich (noch) nicht verstehe entkernen?
      Statt zu behaupten: dass hat Gott aber gewiss! so oder so gemeint, vielleicht: “nach bestem Wissen und Gewissen, scheint mir dass … oder was meint ihr anderen dazu)?

      So vielleicht? LG Joerg

      Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Erwin Wandel Antworten abbrechen