Mein Traum geht in die Verlängerung

Seit fast 30 Jahren bewegt mich nun schon dieser Traum von einer fröhlichen, bunten und vielfältigen Jesus-Bewegung, die gemeinsam für diese eine Botschaft steht: Jesus ist Herr! Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben! Sein Blut reinigt uns von unserer Schuld! Komm und lass Dich von ihm retten!

Im Juni 1994 fühlte ich mich diesem Traum so nahe wie nie. Gemeinsam mit etwa 70.000 Christen aus den verschiedensten Kirchen und Prägungen zogen wir mit dieser Botschaft singend und betend durch Berlin. Und im Olympiastation bekannten wir gemeinsam: „Ich nehme die Bibel an als das heilige und ewige Wort Gottes. Die ganze Schrift ist inspiriert durch den Heiligen Geist; sie ist Gottes verbindliche Offenbarung.“

Seitdem ist einiges passiert. Ich habe viel Versöhnung und wachsende Einheit erlebt – sogar mit damaligen Kritikern von diesem „Marsch für Jesus“. Und trotzdem muss ich mir eingestehen: Mein Traum ist nicht wahr geworden.

Es ist etwas geschehen, das ich damals für unmöglich gehalten hätte. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass ich einmal unter Evangelikalen die Leiblichkeit der Auferstehung oder das stellvertretende Sühneopfer verteidigen muss. Niemals hätte ich gedacht, dass auch unter uns in Frage gestellt wird, was wir damals doch gemeinsam hochhalten wollten: Die Bibel als das verbindliche und vom Heiligen Geist inspirierte Wort Gottes. Aber jetzt muss ich feststellen: Neben alten Spaltpilzen ist leider auch der verbindende Konsens in zentralen Glaubensfragen dahingeschmolzen – und damit auch die Basis für unsere Einheit.

Und jetzt das: Martin Grabe, der pietistisch geprägte Leiter der Klinik Hohe Mark, kündigt den uralten und bis heute weltweit vorherrschenden christlichen Konsens auf, dass praktizierte Homosexualität nicht mit Gottes Wort vereinbar ist. Stattdessen legt er einen neuen „Vorschlag für eine Einigung“ auf den Tisch: „Homosexuelle Christen dürfen ebenso wie heterosexuelle Christen eine verbindliche, treue Ehe unter dem Segen Gottes und der Gemeinde eingehen.“ Mit Michael Diener und Thorsten Dietz springen ihm gleich 2 bekannte „Schwergewichte“ aus dem evangelikalen Raum öffentlich bei.

Martin Grabes „Einigungsvorschlag“ verlangt von mir, dass ich gegen mein Gewissen etwas segnen soll, von dem ich in der Bibel lese, dass Gott das nicht segnet. Das wird ja oft übersehen: Bei diesem Thema geht es nicht nur um Meinungen. Es geht auf beiden Seiten um eine Gewissensfrage. Deshalb polarisiert das Thema auch so sehr. In meiner evangelischen Kirche musste ich gerade erst damit umgehen lernen, dass sämtliche Tübinger Theologieprofessoren meine Position nicht nur für falsch halten sondern darin eine „Diskriminierung“ sehen, die sie für „unerträglich“ halten. Wie soll da noch eine Verständigung möglich sein?

Jetzt begegnen mir auch in den Äußerungen von Martin Grabe solche polarisierenden Klischees: Wer sich für die neue Position öffnet, schürft tiefer und will die Wahrheit. Wer an der traditionellen Position festhält, ist in Angst und unguten alten Traditionen gebunden, diskriminiert, grenzt aus und hat womöglich noch nicht mal richtig die Bibel gelesen. Spätestens wenn man sich die Kommentare unter den Facebook-Posts von Michael Diener und Thorsten Dietz durchliest, merkt man: Jetzt tut sich auch mitten in der evangelikalen Welt dieser unüberbrückbare garstige Graben auf, der meine evangelische Kirche schon lange spaltet.

Umso mehr klopft eine Frage an die Tür meines Herzens: Ist die Einheit nicht doch wichtiger als das Beharren auf einer Position? Ist das nicht wirklich eine Randfrage? Und geht es nicht wirklich um wenige Bibelstellen, die man zudem historisch gar nicht so einfach einordnen kann? Sollte ich mir vielleicht doch einen Ruck geben und mit auf den Zug aufspringen, den Martin Grabe jetzt aufs Gleis gesetzt hat? Angesichts der vielen Likes unter den Posts von Diener und Dietz scheint mir: Ich bin nicht der Einzige, der sich solche Gedanken macht. Und offenkundig steigen nicht wenige geschätzte Mitchristen ein in diesen Zug, der jetzt wieder einmal lautstark zum Mitfahren lockt.

Aber nein. Ich werde nicht mitfahren.

Es zerreißt mir zwar das Herz, dass sich dadurch wohl auch Wege trennen müssen. Aber ich kann trotzdem nicht anders.

Es liegt nicht daran, dass ich unbedingt Recht behalten muss. Es liegt auch nicht daran, dass ich Angst vor Neuem hätte und ich nicht offen wäre für neue Einsichten in die Bibel. Gleich gar nicht liegt es daran, dass mir diese wertvollen, kostbaren Menschen, um die es bei diesem Thema ja geht, egal wären. Es liegt daran, dass ich mein Gewissen vor Gott auf Basis meiner Bibelerkenntnis nicht kompromittieren kann. Und es liegt daran, dass ich allzu deutlich sehe, dass dieser Zug ganz sicher nicht in Richtung dieses großen Traums fährt, für den mein Herz schon so lange schlägt.

Meine evangelische Kirche hat sich ja schon längst auf diese Schiene begeben. Und da sehe ich: Es ist naiv, zu glauben, dass wir Einheit und Frieden finden, wenn wir nur an diesem einen Punkt nachgeben. Wer A sagt, muss auch B sagen. Die Agenda der sogenannten „sexuellen Vielfalt“ ist lang. Die nächsten Tabubrecher klopfen längst schon an die Tür der Kirche. Sie werden keine Ruhe geben.

Außerdem ist meine Beobachtung: Dieser Zug bewegt sich ganz offenkundig in Richtung einer generellen theologischen Liberalisierung – auch wenn das oft noch bestritten oder verschwiegen wird. Ich habe mich mit einer Reihe von Versuchen befasst, praktizierte Homosexualität mit der Bibel zu vereinbaren. Sie wirkten auf mich bestenfalls bemüht, eher wunschgeleitet und spätestens im Licht der Gegenargumente wenig überzeugend. In der Mehrheit basierten sie angesichts der doch sehr klaren und durchgängigen biblischen Aussagen auch ganz offen darauf, dass die Apostel halt Kinder ihrer Zeit waren und wir es heute besser wissen. Dann sind aber wir zum Maßstab der Bibel geworden statt umgekehrt. Es wundert mich deshalb nicht, dass die Öffnung für gleichgeschlechtliche Trauungen vielerorts mit einem liberaleren Bibelverständnis einhergeht, bei dem schnell auch innerste Kernaussagen des Glaubens ins Wanken geraten. Mir ist bislang keine Gemeinschaft bekannt, die auf Dauer die Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren mit einem traditionell evangelikalen Bibelverständnis verbinden konnte.

Auch die bei dieser Debatte zu beobachtende Tendenz, biblisch-theologische Fragen jetzt mehr auf Basis persönlicher Erfahrungen statt mit biblisch-theologischen Argumenten entscheiden zu wollen, weckt in mir keine Reiselust. Ganz klar: Es ist wichtig, das Bibellesen mit dem Hören auf Gott und mit unserer Erfahrungswelt zu verbinden. Und natürlich sollen wir uns bei der Auslegung vom Geist leiten lassen. Aber wenn das, „was Gottes Geist mir sagt“, erst nach den theologischen Argumenten kommt und somit das letzte Wort hat, dann wird es bedenklich. Vor allem im charismatischen Umfeld habe ich (zum Glück nur selten!) erlebt: Wenn christliche Leiter anfangen, ihre Position primär mit persönlicher Geistesleitung zu begründen, wird es schräg. Ich kann nur inständig hoffen, dass wir Evangelikale uns nicht auf derart brüchige Gleise begeben sondern fest dabei bleiben, was Martin Luther so grundlegend wichtig war: „Dass allein die Heilige Schrift herrsche“.

Ich habe einfach keine Hoffnung, dass es einen echten geistlichen Aufbruch geben kann, wenn die Bibel nicht als verbindliches Wort Gottes hochgehalten wird. Ich kann nicht erkennen, dass progressive, liberale oder subjektiv-individualistische Theologie irgendwo auf der Welt dem Gemeindewachstum nachhaltige Dynamik verliehen, die Einheit gestärkt und das evangelistische Zeugnis beflügelt hätte. Im Gegenteil: Die liberalen Kirchen schrumpfen weltweit. Dieser Schaden scheint mir weitaus größer zu sein als das Problem, dass christlich-konservative Positionen immer mehr gesellschaftliche Ächtung erleben. Wir sollten es nie vergessen: Gesunde Erweckungsbewegungen waren immer auch Bibelbewegungen, die die Heilige Schrift als verbindliches Gotteswort gelesen und ausgelegt haben. Das hat ihnen oft Spott und Ausgrenzung eingebracht. Aber bis heute leben letztlich alle Kirchen von den Segensspuren, die diese Erweckungsbewegungen hinterlassen haben.

Es hilft wohl nichts. Ich werde diesen Zug nicht aufhalten können. Ich schaue hinterher und fühle mich ein wenig wie die Israeliten, die an der Grenze des gelobten Lands wieder zurückkehren mussten in die Wüste. Aber ich lasse mich nicht entmutigen. Ich glaube weiter fest daran: Die Nachfolger Jesu werden sich sammeln um ihren Herrn und um sein Wort. In aller Vielfalt an Prägungen und Konfessionen werden sie gemeinsam diese phantastische Botschaft in unserem Land bekannt machen. Mein Traum ist so lebendig wie eh und je. Er geht jetzt eben nur noch einmal in die Verlängerung.


Siehe auch: Homosexuell und bibeltreu – Das Zeugnis von Pfarrer Sam Allberry

10 Gedanken zu „Mein Traum geht in die Verlängerung“

  1. Lieber Markus,
    Ich bin so dankbar dass Du Gottes Wort höher achtest als Menschenwort.
    Jesus Christus sagte zu seinen Jüngern: Wollt Ihr auch weggehen?
    Petrus antwortete:“HErr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“.
    Wir müssen uns entscheiden, wem will ich mehr gehorchen Gott oder den Menschen. Und das ist mit Schmerzen verbunden. Aber der HErr belohnt Treue und Gehorsam.
    1. Sam. 15, 22-27

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    • Lieber Herr Till,
      wie Sie es immer wieder schaffen, die Dinge so klar und die Geister unterscheidend auf den Punkt zu bringen! Respekt! Mit jeder ihrer Aussage bin ich voll und ganz einverstanden! Auch ich gebe den Traum nicht auf! Vor allem der Schluss-Satz lässt mein Herz höher schlagen: “In aller Vielfalt an Prägungen und Konfessionen werden sie gemeinsam diese phantastische Botschaft in unserem Land bekannt machen.” – Herzlichen Dank! Gottes Segen Ihnen.

      Pfarrer Dr. Rolf Sons
      Kirchgasse 13
      74223 Flein

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  2. Satan schläft nicht und das Wort der Bibel hat alles prophezeit, Die Endzeit und die Nähe Widerkunft unseres Herrn bringt Satan auf den Plan, um zu verführen. Aber selbst die „ Welt“ stellt sich gegen die These von „glücklichen Ehen Homosexueller. Dieses Buch:Die Wissenschaft sagt NEIN: Der Betrug der Homo-“Ehe” https://www.amazon.de/dp/3869544333/ref=cm_sw_r_cp_tai_704gFb3PR94N5, ist ein wirklich lesenswertes Buch zu diesem Thema und zeigt, dass hinter dem zufriedenen und glücklichen Homosexuellen eigentlich Satan steckt, der sich über jeden irregeleiteten Menschen freut.

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  3. Lieber Bruder Till, danke für Ihren Beitrag. Ich hoffe es gibt noch mehr , die Gottes Wort höher stellen als alle menschliche Vernunft. Das Grauen kann einen schon überkommen was da alles noch kommt an theologischen Aussagen. Mit brüderlichen Gruss

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  4. Lieber Herr Dr. Till,
    Ihr Traum gefällt mir. Aber es ist ein Traum. Ich finde es wundervoll, dass Sie an der Bibel als Wort Gottes festhalten wollen. Was sagt das Wort Gottes aber über die Chancen, diesen Traum zu realisieren? Christen und Gemeinden stehen Im Kampf zwischen Licht und Finsternis. Dazu ließe sich auf viele Texte hinweisen. Nur zwei:
    Als Paulus sich endgültig von der Leitung der Gemeinde in Ephesus verabschiedet, sagt er: „Gebt Acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, die Gemeinde Gottes, zu deren Leitern euch der Heilige Geist eingesetzt hat. Sorgt für sie als gute Hirten; Gott hat sie ja durch das Blut seines eigenen Sohnes erworben. Ich weiß, dass nach meinem Abschied reißende Wölfe (Anmerkung: sie kommen manchmal in Schafpelzen oder verstellen sich wie im Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein) bei euch eindringen und erbarmungslos unter der Herde wüten werden. Sogar aus euren eigenen Reihen werden Männer auftreten, die die Wahrheit verdrehen, um die Jünger irrezuführen und auf ihre Seite zu ziehen. Seid also wachsam und denkt daran, dass ich drei Jahre lang unermüdlich, Tag und Nacht, jedem Einzelnen von euch den rechten Weg gewiesen habe, und das oft genug unter Tränen.“ (NGÜ)
    Mir ist keine heutige Gemeinde bekannt, die ein Mann wie Paulus so intensiv auf die Auseinandersetzungen mit den „Wahrheitsverdrehern“ und „Irreführern“ vorbereitet hätte.
    Der zweite Text: Wieder geht es um die Gemeinde in Ephesus, der Johannes im Auftrag des Herrn der Gemeinde einen Brief schreibt, wie auch sechs anderen Gemeinden. Alle Gemeinden erhalten ein Zeugnis. Bei einzelnen ist die Versetzung gefährdet, vielmehr wird sie angedroht: an Ephesus: „Wenn du nicht umkehrst, werde ich mich gegen dich wenden und deinen Leuchter von seinem Platz stoßen.“ Es gibt Lob und Tadel. Eine Gemeinde wird ausschließlich negativ beurteilt, zwei Gemeinden werden ausschließlich positiv beurteilt. Das ist mein Traum: Dass wir diesen Prozentsatz wieder erreichen: Zwei von sieben Gemeinden, an denen der Herr der Gemeinde nichts auszusetzen hat. Dieser Status lässt sich bei aller Unvollkommenheit erreichen, allerdings nur mit „guten Hirten“, die Gefährdungen von innen und außen zu begegnen wissen. Dazu gehört (zurück nach Ephesus): Intoleranz gegenüber Üblen (es ist sinnvoll, der Bedeutung nachzugehen, das Griechische unterscheidet „übel“ und „böse“) und: „Du hast die geprüft und als Lügner entlarvt, die behaupten, Apostel zu sein, und es gar nicht sind.“
    Die Frage ist: Wie kann „The Great Evangelical Disaster“ (wie es Francis Schaeffer in seinem Vermächtnis genannt und beschrieben hat) endlich beendet werden? (Deutsch „Die große Anpassung – Der Zeitgeist und die Evangelikalen“) „The Great Evangelical Disaster“ ist 10 Jahre vor Ihrem „Traummarsch“ durch Berlin erschienen.
    Die Evangelikalen und ihre Vorgänger haben, seitdem die Mainstream-Theologie vor etwa 200 Jahren das reformatorische Fundament verlassen hat, viel Gutes gesagt und geschrieben, aber sie haben bis auf wenige Ausnahmen die Konsequenzen gescheut. Deswegen werden sie von den „Liberalen“ seit langem nicht mehr ernst genommen.
    Zu den Ausnahmen gehört Spurgeon, der bereits Ende des 19. Jahrhunderts die Baptisten verließ, nach der „Downgrade-Kontroverse”, an deren Ende die entscheidende Weiche falsch gestellt wurde. Spurgeon war klar, wohin die Reise gehen und dass es kein Halten mehr geben würde. Heute wandelt der deutsche Baptistenbund längst auf den Spuren der EKD-Theologie und hat auch die homosexuelle Praxis in den Gemeinden gutgeheißen. Lediglich Pastoren wird sie noch vorenthalten, nach der bewährten Methode, die Temperatur nach und nach zu erhöhen, damit die Frösche nicht aus dem Topf springen. Zu den Ausnahmen gehört auch J. Gresham Machen, der vor 100 Jahren den Klassiker schrieb: „Christentum und Liberalismus – Wie die Liberale Theologie den Glauben zerstört“. Er wurde von „Christianity Today“ in die Liste der besten 100 christlichen Bücher des 20. Jahrhunderts gewählt. „Christentum und Liberalismus“ hat seit seiner Veröffentlichung 1923 nichts von seiner Bedeutung verloren, schreibt der deutsche Verlag. So ist es, auch wenn ich mit Machens Prädestinationsverständnis ganz und gar nicht übereinstimme. Zu den besonders interessanten, geradezu spannenden Ausnahmen und Lehrstücken gehört die Reformation der Southern Baptists in den USA.
    Prof. Friedhelm Jung hat kürzlich für ideaSpektrum „ein halbes Jahrhundert Evangelikale Bewegung in Deutschland“ bilanziert. Er beschreibt, was die Evangelikalen alles veranstaltet haben seit der Gründung der „Bekenntnisbewegung Kein anderes Evangelium“. Jung: „Alle evangelikalen Versuche, die evangelischen Landeskirchen zurück zu einer bibel- und bekenntnistreuen Lehre zu bringen, müssen als gescheitert betrachtet werden. Wie weit sich die evangelischen Landeskirchen inzwischen von Bibel und Bekenntnis entfernt haben, zeigt die Einführung der Trauung Gleichgeschlechtlicher: … Bis auch ehemals evangelikal geprägte Freikirchen diese Segnung bzw. Trauung einführen werden, wird wahrscheinlich nicht mehr viel Zeit vergehen. Denn es ist zu beobachten, dass einst evangelikal geprägte theologische Ausbildungsstätten der Freikirchen und des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, von denen einige inzwischen den Rang einer Fachhochschule erlangt haben, vom Virus der Bibelkritik infiziert worden sind und sich mehr und mehr von der Evangelikalen Bewegung distanzieren bzw. diese zu liberalisieren versuchen.“
    Wenn die Hirten immer wieder vor den Vertretern eines anderen Evangeliums warnen, aber personelle und institutionelle Konsequenzen scheuen, also letztlich immer wieder gemeinsame Sache mit denen machen, vor denen sie warnen, dann senden sie irritierende Signale an die Herde, die bis heute viele Schafe in die Irre geführt haben. Durch die praktizierte Einheit von Feuer und Wasser wird das Wasser wenigstens so lau, dass sich die theologisch konservativen Evangelikalen gerade noch wohlfühlen, und das Feuer wird erlöschen. Die Einheit von Wölfen und Schafen schadet den Wölfen nicht, im Gegenteil. In der Vergangenheit waren für Abgrenzungen regelmäßig sekundäre und tertiäre Fragen und Machtkämpfe maßgeblich, die verbrannte Erde hinterlassen haben. Das hat der Kirche Jesu Christi geschadet. Das andere Extrem, die de-facto-Entgrenzung entgegen den Proklamationen, schadet ihr genauso. Zum rechten Maß, zur rechten Motivation und zur rechten Praxis hat auch Francis Schaeffer das Notwendige geschrieben: „Das Geheimnis der Kraft und der Freude am Herrn – Die Notwendigkeit von Reinheit und Liebe im christlichen Leben“ (deutsch in glauben & denken heute 2/2009).
    Die Kirche Jesu Christi wird die schöne und schwierige Aufgabe, Licht der Welt und Salz der Erde zu sein, nur da erfüllen, wo die theologisch konservativen Evangelikalen aufhören, auf beiden Seiten zu hinken, wie es Elia dem Volk Gottes vorgehalten hat. J. Gresham Machen ist konsequent: Der Liberalismus ist eine andere Religion – auch im evangelikalen Gewande.
    Für die theologisch konservativen evangelikalen Meinungsführer und ihre irritierten Schafe stellt sich nicht die Frage, ob sie in den Zug in Richtung Liberalismus einsteigen, sondern ob sie endlich aussteigen. Der Gnadauer Verband mit der Hohen Mark, der (inzwischen) Fachhochschule Tabor (Dietz) und vor allem den Landeskirchlichen Gemeinschaften hat immer wieder entschieden: Für ihn gibt es extra EKD nulla salus. Er sitzt also ohnehin im Zug der EKD (also nicht im Zug Richtung Liberalismus, sondern im Zug des Liberalismus), wenn auch mit vereinzelten Protestanten im letzten Wagen. Michael Diener hat den Gnadauer Verband für die Akzeptanz homosexuellen Lebens (innerhalb des Verbandes) geöffnet. Das bleibt, auch wenn er jetzt geht, bevor er gegangen wird. (Michael Diener, Ex-Vorsitzender der Evangelischen Allianz und Mitglied des EKD-Rates, der dem Bundestag im Eilverfahren die Zustimmung zur „Ehe für alle“ bescheinigte, ist die Nummer 2 meiner Rangliste der einflussreichsten evangelikalen Irreführer.) Freikirchen wie die Baptisten haben sich längst an den Zug der EKD angekoppelt.
    Es würde mich sehr wundern, wenn die theologisch konservativen evangelikalen Meinungsführer in der Lage wären, auf Grabe – insbesondere auch auf seine üble Replik auf Parzany – angemessen zu reagieren, mit Wort und Tat. Mit angemessen meine ich, so unmissverständlich und schlagfertig wie Jesus, die Propheten, Johannes der Täufer und Paulus. Worte ohne Konsequenzen verlängern allerdings nur „The Great Evangelical Disaster“. „Als er (Jesus) die Scharen von Menschen sah, ergriff ihn tiefes Mitgefühl; denn sie waren erschöpft und hilflos wie Schafe, die keinen Hirten haben.“

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  5. Ich lese hier Hochmut und Rechthaberei versteckt hinter frommen Floskeln. Alle falsch, außer den wahren Bibeltreuen.
    Gehen sie mal ins Gespräch mit LBGTQ, die jahrelang unter Ausgrenzung ihrer ach so liebenden Geschwister in bibeltreuen Gemeinden gelitten haben.
    Diese Menschen haben es verdient, dass sie ihrer Liebe ernst genommen und falls gewünscht, auch als eheliche Gemeinschaft aufgenommen werden.
    Meinen sie all die Christen, die ihre Meinung geändert haben, haben nicht jahrelang mit ihrem Gewissen gerungen? sind sie der einzige, der die Bibel in dieser Frage ernst nimmt? Ich behaupte das ist der wahre Spaltpilz, das sie dieses Thema immer und immer wieder als Gretchenfrage aufmachen und als Lackmustest für die wahren Christen sehen.
    Anstatt sich hier hier hinter seitenlangen Anschuldigungen zu verstecken, sollten sie einfach mal den Kopf ins wahre Leben stecken, sich mit liberalen, post evangelikalen unterhalten. Die Welt ist nicht so schwarz-weiß, wie sie das ständig behaupten! Lassen sie das hinter sich und verschwenden sie ihre Energie eher für die Liebe, die ihnen als Bruder in Christus doch sicherlich nicht unbekannt ist.

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  6. Liebe ist tatsächlich der Schlüssel, nicht nur zu Gott sondern auch zu Menschen. Hierzu ein Zitat von Mark Hall: “Love earns the right to speak the truth. But truth proves that you really love.” Man kann keinen Menschen vollkommen lieben und ihm gleichzeitig die Wahrheit vorenthalten. Ebenso geschmacklos wäre es, jemandem die Wahrheit als Hauptgang zu servieren, ohne ihm auch göttliche Liebe in der Vor-, und Nachspeise zu kredenzen. Der Spaltpilz liegt in dem Versuch, Wahrheit und Liebe zu trennen. Das ist ungefähr so erfolgsversprechend wie gratis Impfstoffe zu verschenken, die keinen nachweisbaren Schutz liefern. Oder – auf der anderen Seite – Leuten eine Diagnose zu stellen ohne ihnen das notwendige Medikament zu verschreiben.

    Eine sehr interessante Vortragsreihe eines Insiders zum Thema Homosexualität und Christentum findet man auf Youtube unter “Gospeltribe David Bennett”

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  7. Sehr geehrter Hr. Dr. Till.
    Ich habe 2 Fragen:
    1) In ihrem Beitrag: http://biblipedia.de/2018/10/07/jubilate-endlich/
    Schreiben sie „Deshalb bin ich begeistert, wenn ich sehe, dass es wieder losgeht: Diskussionen und Auseinandersetzungen, die mit geöffneter Bibel geführt werden!“

    Die Professorinnen und Professoren der Evangelisch-Theologischen Fakultät Tübingen schreiben in dem von Ihnen verlinktem Offenen Brief: „Selbstverständlich bietet die Fakultät an, Befürwortern und Kritikern zum theologischen Diskurs zur Verfügung zu stehen.“

    Sie fragen wie Verständigung möglich sein soll?
    Wollen sie dieses Angebot annehmen? Das wäre Verständigung.

    2) Ich bin etwas verwirrt. Welche Diskussionskultur wollen sie?

    Sie schreiben: „Es ist etwas geschehen, das ich damals für unmöglich gehalten hätte. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass ich einmal unter Evangelikalen die Leiblichkeit der Auferstehung oder das stellvertretende Sühneopfer verteidigen muss.“

    In ihrem Jubilate-Beitrag schreiben sie aber: „Deshalb MÜSSEN wir Fragen wie diese gründlich miteinander besprechen:

    Ist Jesus leiblich auferstanden? War das Grab leer oder nicht?
    Hatte der Tod Jesu eine Heilsbedeutung? Wenn ja: Hatte er nur für uns Menschen eine Bedeutung oder auch für Gott?“

    Wie soll ich das verstehen? Sie wollen besprechen ob das Grab leer war oder nicht… sind dann aber überrascht wenn jemand die Gegenteilige Meinung einnimmt?

    Gruß

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