Die Auferstehung Jesu: Fakt oder Fiktion? Der Indizienprozess

Ist Jesus auferstanden? Hat er den Tod überwunden? Die Antwort auf diese Frage ändert einfach alles. Wenn Jesus nicht auferstanden ist, dann ist das Christentum der größte Fake der Weltgeschichte. Wenn die Ostergeschichte hingegen wahr ist, dann ist der Tod ein besiegter Feind – und die Worte Jesu sind von größter Bedeutung für jeden Menschen. Grund genug also, sich mit dieser Frage gründlich auseinanderzusetzen. Sie wird hier im Rahmen eines Indizienprozesses verhandelt.

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Richter: Sehr verehrte Anwesende, ich begrüße Sie im Gerichtssaal. Der Fall, um den es geht, ist Ihnen bekannt. Ich will zunächst betonen: Heute geht es nicht um Glauben! Vor Gericht zählen aus­schließlich Fakten. Ob die Geschichte von der Auferstehung stimmt oder nicht, können wir mit naturwissenschaftlichen Mitteln nicht klären, denn Naturwissenschaft arbeitet mit Beobachtung und mit reproduzierbaren Experimenten. Beide Instrumente taugen zur Klärung dieses Falles leider nur sehr eingeschränkt. Wenn Geschichts­wissen­schaftler heraus­finden wollen, ob ein Ereignis tatsächlich stattgefunden hat, müssen sie einen Indizienprozess führen – so wie in einem Straf­prozess geprüft wird, ob jemand ein Verbrechen begangen hat oder nicht. Dafür müssen Spuren und Hinweise gesammelt und auf ihre Beweiskraft geprüft werden. Zeugen müssen befragt und ihre Glaubwürdigkeit muss bewertet werden.

Genau das werden wir heute tun! Dabei werden wir 2 Dinge als Fakten voraussetzen, weil sie bereits zuvor ausführlich geprüft und eindeutig entschieden wurden:

  • Jesus hat gelebt.
  • Er ist in Jerusalem gekreuzigt worden.

Diese beiden Tatsachen sind heute auch unter sehr kritischen Theologen und Wissenschaftlern kaum noch umstritten. Denn neben den biblischen Berichten existieren zahlreiche außer­biblische Bestätigungen, z.B. vom römischen Geschichts­schreiber Tacitus, vom jüdischen Geschichts­schreiber Josephus Flavius und viele mehr.

Heute geht es um die Frage: Ist Jesus nach der Kreuzigung leiblich von den Toten auferstanden? Genau das wurde und wird bis heute von den Nachfolgern Jesu behauptet. Der Anwalt der Anklage hat eine ganze Reihe von Einwänden gegen diese These zusammengetragen. Herr Anwalt: Sie vertreten eine Gruppe ganz unter­schiedlicher Kläger, die sich gegen die Verbreitung der Auferstehungsbotschaft wenden. Könnten Sie bitte die Anklagepunkte kurz zusammenfassen.

Die Anklageschrift

Anklage: Sehr gerne. Zunächst möchte ich betonen: Es handelt sich hier um einen äußerst schwer­wiegenden Skandal! Die christlichen Kirchen dieser Welt haben Millionen Menschen hinters Licht geführt. Sie haben ihnen eine falsche Hoffnung eingeimpft mit einer Geschichte, die sie nicht beweisen können und die naturwissenschaftlich unhaltbar ist. Zahllose Menschen sind wegen diesem Unfug einen sinnlosen Märtyrertod gestorben. Was für ein Verbrechen! Vor diesem dramatischen Hintergrund hält die Anklage die Höchststrafe für mehr als angemessen.

Richter: Ich nehme das zur Kenntnis. Aber wenn Jesus nicht wirklich auferstanden ist, wie ist es dann aus Sicht der Anklage tatsächlich gewesen?

Anklage: Die Kläger, die ich vertrete, sind sich darin nicht völlig einig. Die unterschiedlichen Alternativszenarien der verschiedenen Klage­parteien lauten wie folgt:

  • Es war gar nicht Jesus, der ans Kreuz geschlagen wurde. Das vertritt zum Beispiel der Koran.
  • Jesus war gar nicht tot sondern er war nur betäubt oder scheintot.
  • Die Leiche wurde gestohlen oder ist auf andere Weise verschwunden. Das vertrat z.B. Johann Wolfgang von Goethe.
  • Die Jünger hatten nur Visionen und Halluzinationen.
  • Die ganze Geschichte ist erfunden und stellt eine große Lüge dar.

Richter: Vielen Dank. Somit schreiten wir zur Prüfung der Fakten. Was können wir zu dieser Geschichte heute sicher wissen? Welche Spuren hat sie hinterlassen?  Herr Verteidiger, welche Beweise können Sie uns zu diesen Fragen präsentieren?

Die schnelle Verbreitung in der Zeit und der Region der Augenzeugen

Verteidiger: In der Tat kann ich Ihnen heute eine ganze Reihe von Indizien und Beweisen präsentieren. Das erste Beweisstück, das ich dem Gericht vorlegen möchte, ist die rasend schnelle Ausbreitung des Auferstehungs­glaubens trotz allergrößter Widerstände. Nur wenig mehr als 30 Jahre nach der Kreuzigung (im Jahr 64 n.Chr.) hat sich der weit entfernt regierende römische Kaiser Nero vom Christentum bereits so bedroht gefühlt, dass er den Christen den Brand Roms in die Schuhe schob. Innerhalb von nur 270 Jahren hat sich dieser Glaube über den gesamten Mittelmeerraum ausgebreitet. Obwohl das römische Reich die Christen massiv bekämpft hat, musste es nach etwa 300 Jahren kapitulieren und hat schließlich selbst den christlichen Glauben angenommen. Diese extrem schnelle Ausbreitung einer neuen Religion gegen größte Widerstände, massive Gewalt und Verfolgung, ohne Machtinstrumente, ohne moder­ne Kommuni­kations- oder Verkehrsmittel und ohne jede Waffengewalt ist historisch absolut einmalig.

Richter: Vielen Dank. In der Tat müssen wir hier die Frage stellen: Woher kam diese unglaubliche Dynamik? Wie konnte eine solch ungewöhnliche Geschichte eine solche Bewegung auslösen? Das wird noch zu klären sein. Herr Verteidiger: Haben Sie noch mehr Beweisstücke?

Verteidiger: Ja. Das zweite Beweisstück lautet: Der tief­greifende Traditionsbruch. Bitte bedenken Sie, dass damals die Tradition eine ungeheuer prägende Kraft auf die Menschen ausübte. Aus der gemein­samen Tradition auszubrechen war damals – völlig anders als heute – kaum möglich, weil ein enormer gesellschaft­licher Druck die Bewahrung der Tradi­tion verlangte. Das galt ganz besonders für die jüdische Gesellschaft. Diese zeichnete sich vor allem durch ihre streng monotheistische Prägung aus. Die Tatsache, dass urplötzlich zahlreiche Juden begannen, einen Zeitgenossen als Gott anzubeten, ist deshalb höchst erstaunlich und verlangt nach einer überzeugenden Erklärung, zumal dieser neue Glaube mit völlig neuen Ritualen verbunden war wie dem Abendmahl oder der Feier am Sonntag in Erinnerung an die Auferstehung.

Richter: In der Tat. Die Anklage wird sich dieser Herausforderung stellen müssen. Aber fahren Sie zunächst fort, Herr Verteidiger.

Verteidiger: Gerne. Das dritte Beweisstück lautet: Der Glaube an die Auferstehung ist am Ort und in der Zeit der Augenzeugen entstanden! Er nahm seinen Ausgangspunkt dort, wo die Geschichte geschehen sein soll: In Jerusalem! Und zwar kurz nach der Kreuzigung. Das stützt die Glaubwürdigkeit der Osterbotschaft, denn Lügen (z.B. über ein leeres Grab) kann man nur schwer direkt am Ort des Geschehens verbreiten, wo viele Augenzeugen die Lüge direkt entlarven könnten.

Richter: Gibt es konkrete Belege dafür, dass sich dieser Glaube wirklich kurz nach der Kreuzigung in Jerusalem ausgebreitet hat?

Verteidiger: Ja, und zwar in der Bibel: In 1. Korinther 15, 3-4 zitiert Paulus ein Glaubensbekenntnis, das er nicht selbst geprägt hat, sondern das er selbst empfangen hat. Ich zitiere:

„Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferweckt worden ist am dritten Tage nach der Schrift. Er wurde von Petrus gesehen und dann von den zwölf Aposteln.“

Die Theologen sind sich einig: Die formelhafte Formulierung dieses Textes steht für ein fixiertes Glaubensbekenntnis, das Paulus gehört und gelernt haben muss, als er selbst nach Jerusalem kam, um die Gemeinde und die Apostel zu treffen. Das war etwa 3 – 5 Jahre nach der Kreuzigung.

Richter: Gibt es auch außerbiblische Zeugnisse dazu?

Verteidiger: Der römische Geschichtsschreiber Tacitus schrieb: Kaiser Nero verhängte „die aus­gesuchtesten Strafen über die wegen ihrer Verbrechen Verhassten, die das Volk ‚Chrestianer‘ nannte. Der Urheber dieses Namens ist Christus, der unter der Regierung des Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden war. Der Aberglaube verbreitete sich nicht nur in Judäa, wo das Übel aufgekommen war, sondern auch in Rom.“

Richter: Vielen Dank. Tacitus bestätigt hier in der Tat, dass der christliche Glaube ursprünglich aus Judäa kam, also der jüdischen Provinz, in der Jerusalem die Hauptstadt war. Herr Verteidiger: Bitte fahren Sie fort mit Ihren Beweisen!

Das leere Grab

Verteidiger: Das vierte Beweisstück ist das leere Grab. Das Grab Jesu wird bis heute in der Grabeskirche in Jerusalem verehrt, und die meisten Gelehrten gehen davon aus, dass es sich wirklich dort befunden hat. Seit das Grab verehrt wird, war es schon immer leer. Zu keiner Zeit gingen die Christen davon aus, dass dort der Leichnam Jesu liegt. Und was noch wichtiger ist: Es gibt keine einzige Quelle, weder innerhalb noch außerhalb der Bibel, die einen Hinweis darauf geben würde, dass die ersten Christen sich mit einem Leichnam Jesu hätten auseinandersetzen müssen oder dass irgendjemand behauptete, den Verbleib Jesu oder seines Leichnams zu kennen. Stattdessen gibt es lediglich eine sehr alte Behauptung, dass die Jünger den Leichnam gestohlen hätten. So berichtet es der Evangelist Matthäus:

„Sofort wurde eine Versammlung aller Ältesten einberufen. Sie beschlossen, die Soldaten zu bestechen, und gaben ihnen die folgende Anwei­sung: »Ihr müsst sagen: `Die Jünger von Jesus kamen in der Nacht, während wir schliefen, und haben seinen Leichnam gestohlen.´ Wenn der Statt­halter davon erfährt, werden wir euch beistehen. Ihr braucht nichts Schlimmes zu befürchten.« Die Sol­daten nahmen das Bestechungs­geld an und sagten, was ihnen aufgetragen worden war. Ihre Geschichte verbreitete sich unter den Juden, und sie erzählen sie noch bis zum heutigen Tag.“ (Matth. 28, 11-15)

Ganz offensichtlich rechnete Matthäus damit, dass seine Leser diese Legende kennen, sonst hätte er nicht die weite und anhaltende Verbreitung so betont. Somit muss sie wirklich existiert haben. Das beweist zweierlei:

Erstens war auch für die Gegner des Christentums das Grab wirklich leer. Sie konnten keinen Leichnam präsentieren, um die Botschaft der Christen zu entkräften.

Zweitens gab es offenkundig eine enorme Erklärungsnot der Gegner der Christen. Denn was ist das für eine absurde Geschichte! Die Soldaten sollen einge­schlafen sein? Einschlafen während der Wache wurde damals schwer bestraft. Deshalb musste man den Soldaten Beistand zusichern, sonst hätten sie das nie geäußert. Und dann sollen verschüch­terte, tief enttäuschte Jünger todesmutig direkt neben den schlafenden Wachen den schweren Grabstein beiseite gerollt und den Leichnam geklaut haben? Wer sich eine solche Geschichte ausdenkt, stand offenkundig unter Druck, das leere Grab irgendwie erklären zu müssen. Insgesamt kann man deshalb das leere Grab tatsächlich als historisch zuverlässig ansehen.

Anklage: Das ist aber noch längst kein Beweis für die Auferstehung! Selbst Lukas schildert ja, dass das leere Grab nur Verwirrung gestiftet hat und sogar von den Jüngern nicht als Beweis für die Auferstehung gewertet wurde!

Fünf unabhängige schriftliche Zeugen

Richter: Das ist richtig. Ich denke, es ist Zeit, sich den Zeugenaussagen zuzuwenden. Herr Verteidiger: Wie viele Zeugen haben wir denn?

Verteidiger: Viele glauben ja, es gäbe nur einen schriftlichen Zeugen, nämlich die Bibel. Aber die Bibel ist ja bekanntlich ein Sammelband verschiedener Bücher. In Wahrheit gibt es mindestens fünf verschiedene schriftliche Zeugen, die in der Bibel von Begegnungen mit dem Auferstandenen berichten: Matthäus, Markus, Lukas, Johannes und Paulus.

Anklage: Gut, aber die meisten Wissenschaftler gehen davon aus, dass Lukas und Matthäus von Markus abgeschrieben haben und dass auch der Schreiber des Johannesevangeliums diese Texte kannte. Die Evangelisten könnten somit alle dem gleichen Lügner aufgesessen sein!

Richter: Herr Verteidiger: Gibt es in den Texten einen Hinweis darauf, dass diese schriftlichen Zeugen letztlich alle aus der gleichen Quelle gespeist werden?

Verteidiger: Wir haben das natürlich geprüft. In der Tat gibt es zwischen den Evangelien von Lukas, Markus und Matthäus weitgehende Überein­stimmungen. Eine genaue Textanalyse hat jedoch gezeigt, dass vermutlich trotzdem alle Evangelien auf mündlichen Überlieferungen basieren und nicht voneinander abgeschrieben wurden. Es war damals nicht ungewöhnlich, dass Menschen sehr lange Texte auswendig lernen konnten. Bezeichnender­weise sind die Übereinstimmungen nicht in allen Textarten gleich. Am größten sind sie bei Zitaten aus dem Alten Testament, die viele Juden damals von Kind auf auswendig gelernt haben. Groß sind die Überein­stimmungen auch bei prosaartigen Reden und anschaulichen Geschichten Jesu. Geringer sind sie bei sonstigen Reden von Jesus, am geringsten bei der Schilderung von Rahmenhandlungen. Das heißt: Die Übereinstimmungen sind bei den Elementen am größten, die man sich am besten auswendig merken kann! Dieses Muster spricht klar dafür, dass es Menschen gab, die schon sehr früh die Geschichten und Reden von Jesus auswendig gelernt und weitergegeben haben, bis sie dann schlussendlich aufgeschrieben wurden.[1]

Anklage: Selbst wenn es so war, dann könnte es sich trotzdem um eine einzige ursprüngliche Quelle handeln.

Verteidiger: Dagegen spricht, dass die Schilderungen von der Auferstehung teilweise sehr unterschiedlich, ja scheinbar widersprüchlich sind.

Anklage: Widersprüche! Das beweist doch, dass diese Zeugenaussagen nicht zu gebrauchen sind!

Verteidiger: Nein, ganz im Gegenteil! Wenn mehrere Zeugen absolut identisch und wortgleich einen Vorfall schildern beweist das, dass sie sich untereinander abgesprochen haben. Dann hätten wir tatsächlich keine unabhängigen Zeugen. Diese fünf Zeugen unterscheiden sich aber erheblich. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie widersprüchlich sind. Wenn man sich intensiv mit den Texten beschäftigt, lassen sich die Schilderungen sehr wohl zusammenfügen zu einem stimmigen Gesamtgeschehen.

Aber eindeutig ist: Diese Zeugen schildern den Vorgang aus sehr individuellen, unterschiedlichen Perspektiven mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten. Und diese scheinbaren Wider­sprüche wurden auch nicht nachträglich geglättet, um verschiedene Versionen der Geschichte miteinander zu harmonisieren.[2]

Richter: Da muss ich den Verteidiger bestätigen. Wir kennen das ja von Unfallzeugen. Selbst wenn die Zeugen ganz ehrlich berichten scheinen sich ihre Berichte zu widersprechen, weil sie ganz unterschiedliche Perspektiven hatten und sich an ganz unterschiedliche Details erinnern. In der Tat sieht das hier genauso aus.

Anklage: Aber die große Frage ist doch jetzt: Wie glaubwürdig sind diese Zeugen? Schließlich handelt es sich durchgängig um tiefreligiöse Gläubige, die eine Geschichte berichten, die naturwissen­schaftlich vollkommen unmöglich ist! Solche Leute sind doch alles andere als glaubwürdig.

Richter: Ja, dem müssen wir jetzt zwingend nachgehen. Herr Verteidiger: Was können Sie uns über die Glaubwürdigkeit dieser fünf Zeugen sagen?

Der hohe Selbstanspruch der Autoren

Verteidiger: In der Tat haben wir ausschließlich gläubige Zeugen. Ganz offensichtlich sind die Erscheinungen des Auferstandenen extrem über­zeugend gewesen und haben keinen Raum für Zweifel gelassen. Wir haben die Glaubwürdigkeit der schriftlichen Zeugen ausführlich geprüft und dabei fünf wichtige Hinweise entdeckt:

Der erste Hinweis ist: Der hohe Selbstanspruch der Autoren. Die Eigenaussage der schriftlichen Zeugen ist, dass es sich hier nicht nur um Glaubens­zeugnisse sondern um eine historisch genaue Dokumentation der Ereignisse handelt, die auf der Auswertung von Augenzeugenberichten basieren. Dazu schreibt der Zeuge Lukas:

„Da es nun schon viele unternommen haben, Bericht zu geben von den Geschichten, die sich unter uns erfüllt haben, wie uns das überliefert haben, die es von Anfang an selbst gesehen haben und Diener des Wortes gewesen sind, habe auch ich’s für gut gehalten, nachdem ich alles von Anfang an sorgfältig erkundet habe, es für dich, hochgeehrter Theophilus, in guter Ordnung aufzuschreiben, auf dass du den sicheren Grund der Lehre erfährst, in der du unterrichtet bist. (Lukas 1, 1-4)

Anklage: Herr Verteidiger, Sie wissen genau, dass dieser Anspruch von Lukas oft kritisiert und in Frage gestellt worden ist. Viele Theologen sind der Meinung, dass Lukas sehr ungenau und hypothetisch geschrieben hat.

Verteidiger: Es gibt aber durchaus auch Forscher, die anderer Meinung waren. Dazu haben wir eine Zeugenaussage von Sir William Mitchell Ramsay. Er war Archäologe und gilt bis heute als einer der herausragenden Experten in der antiken Geografie Kleinasiens, also der Region, in der das Evangelium und die Apostelgeschichte von Lukas spielt. Er war so geschätzt, dass er sich einen Adelstitel und 9 Ehrendoktorwürden erworben hat. Und seine große Frage war genau die: Wie zuverlässig war Lukas in seinen historischen Angaben? Ramsay ging zu Beginn seiner Forschung davon aus, dass die Angaben von Lukas in der Apostelgeschichte oft unzuverlässig waren. Aber im Rahmen seiner Forschung kam er immer mehr zu einer anderen Überzeugung. In seinem Buch „The Bearing of recent Discovery“ schrieb er 1915:

„Weiteres Forschen … ergab, dass das Buch (von Lukas) der genauesten Prüfung bezüglich seiner Kenntnis über die Welt der Ägäis standhalten konnte, und dass es mit so viel Urteilsvermögen, Fähigkeit, Kunst und Wahrnehmung der Wahrheit geschrieben wurde, dass es ein Modell für ein historisches Werk darstellt.“ (S. 85)

Richter: Vielen Dank. Ohne in diesen Streit unter Forschern eingreifen zu wollen halten wir jedenfalls fest: Der Zeuge Lukas hielt sich selbst für einen Historiker, der sehr exakt aufschreiben wollte, was wirklich passiert ist. Herr Verteidiger: Was ist der nächste Hinweis zur Frage der Glaubwürdigkeit der schriftlichen Zeugen?

Die Berufung auf Augenzeugen

Verteidiger: Der zweite Hinweis ist: Die Berufung auf Augenzeugen. Am glaubwürdigsten ist ein Bericht natürlich dann, wenn der Autor auf das eigene Wissen der Leser verweisen kann! Genau dieses extrem schlagkräftige Argument hat Paulus benutzt, als er über den Auferstandenen schrieb: „Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben.“ (1. Kor. 15, 6) Paulus sagte hier also seinen Lesern: Überzeugt euch selbst! Fragt nach! Es gibt hunderte von Leuten, die das bezeugen können! So etwas tut man nicht, wenn man sich seiner Sache nicht sehr, sehr sicher ist.

Richter: Das ist in der Tat ein starker Hinweis für die Glaubwürdigkeit des Zeugen. Welche Belege können Sie noch präsentieren?

Die zeitliche Nähe zu den Ereignissen

Verteidiger: Der dritte Hinweis ist: Die zeitliche Nähe zu den Ereignissen. Diese Zeugen konnten sich deshalb auf Augenzeugen berufen, weil sie die Ereignisse sehr kurz nach ihrem Geschehen aufgeschrieben haben.

Anklage: Nun ist ja aber die Entstehungszeit der Bücher des neuen Testaments hoch umstritten! Es gibt viele Theologen und Experten, die behaupten, dass diese Schriften erst viel später entstanden sind.

Verteidiger: Ja, die Entstehungszeit des neuen Testaments ist umstritten. Aber Fakt ist: Das gesamte Neue Testament erwähnt folgende Ereignisse mit keinem Wort[3]:

  • Die Zerstörung Jerusalems und des Tempels im Jahr 70 nach Christus
  • Die Hinrichtung von Paulus etwa im Jahr 64 nach Christus
  • Die Hinrichtung von Petrus, spätestens 67 nach Christus

Alle diese Ereignisse waren für die ersten Christen mindestens so dramatisch und einschneidend wie für uns heute der Fall der Mauer, der 9/11-Anschlag oder die Ermordung von Präsident Kennedy. Das geradezu dröhnende Schweigen darüber spricht stark dafür, dass zumindest viele der Schriften vorher schon fertig gestellt wurden, d.h. also maximal 30 bis 35 Jahre nach der Kreuzigung und somit in einer Zeit, in der es noch viele Augen­zeugen gab, die die Angaben der Autoren prüfen und notfalls anfechten konnten.

Hinzu kommt: Eine Analyse der Evangelien hat gezeigt, dass diese Texte alle Eigenschaften von authentischen Augenzeugenberichten aufweisen.

Richter: Was meinen Sie damit?

Verteidiger: Die verwendeten Namen in den Evangelien entsprechen genau dem Muster üblicher Namen im Israel/Palästina aus der damaligen Zeit. In den Evangelien wird häufig der Name „Jesus“ (ohne Christus) und die Bezeichnung „Menschensohn“ verwendet, obwohl man in der Christenheit bald schon überwiegend von „Christus“ und nicht mehr vom Menschensohn sprach. Dazu kommen die zahlreichen korrekten Ortsnamen und die stimmigen Ortskenntnisse. Die deutlich später verfassten apokryphen Evangelien weisen im Vergleich dazu alle diese Eigenschaften nicht mehr auf.[4]

Die Daten stammen aus einem Vortrag von Dr. Peter J. Williams 03/2011

Richter: Herr Anwalt, was sagen Sie dazu?

Anklage: Schön und gut. Aber wer sagt mir, dass die Schriften nicht im Nachhinein gefälscht wurden? Das kann man ja auch im Nachhinein alles so aussehen lassen und hintricksen, wie es jetzt aussieht!

Richter: Das ist ein wichtiger Einwand! Herr Verteidiger: Gibt es vielleicht doch Hinweise auf eine nachträgliche Manipulation der Texte?

Die vielen sehr alten Quellen

Verteidiger: Zu dieser Frage ist der vierte Hinweis sehr wichtig: Die vielen sehr alten Quellen. Antike Schriften sind ja normalerweise sehr dünn belegt. Die Originale sind längst verschollen. Und normalerweise haben wir kaum mehr als 10 oder 20 historische Abschriften, die meist viele hundert Jahre jünger sind als die verschollenen Originale. Beim Neuen Testament ist das vollkommen anders: Die ältesten Textfragmente stammen schon aus dem Jahr 125 nach Christus, sind also nur wenige Jahrzehnte jünger als die Originale. Und wir verfügen heute über mehr als 5500 historische Abschriften, dazu viele tausend Übersetzungen sowie Zitate aus den Schriften der Kirchenväter! Das Neue Testament spielt also in Bezug auf die Überlieferungsqualität in einer völlig anderen Liga als alle anderen antiken Quellen.

Wir haben dazu einen Zeugen, der sich sehr intensiv mit diesen vielen Quellen auseinandergesetzt hat: Prof. Holger Strutwolf von der Universität Münster gilt weltweit als führend im Fach der sogenannten Textkritik. Herr Strutwolf hat alle diese Quellen digitalisiert und vergleicht sie nun, um heraus­zufinden, wie wohl der ursprüngliche Text gelautet hat. Denn klar ist: Wenn sehr viele Abschriften identisch sind, dann ist das ein sehr starkes Argument dafür, dass der Text ursprünglich so gelautet haben muss. Inzwischen ist er mit etwa 1/5 des Neuen Testaments durch. Und sein Zwischenergebnis lautet: 99,9 % der Texte haben sich als absolut zuverlässig erwiesen! Bei etwa 0,1% des Textes musste er kleine Korrekturen vornehmen. Und selbst diese 0,1% waren für den Sinn und v.a. für die theologischen Aussagen der Texte nicht relevant. Sein Zwischenfazit ist daher: “Insgesamt ist die Überlieferung der Bibel sehr gut und sehr treu. In den theologischen Punkten gibt es unter den Abertausenden Handschriften kaum Abweichungen.“ [5]

Mit anderen Worten: Wir können uns sehr sicher sein, dass der Text des Neuen Testaments, den wir heute vorliegen haben, sehr genau dem entspricht, den die Evangelisten und Apostel damals verfasst haben.

Richter: Danke, Herr Verteidiger. Waren das jetzt alle Ihre Hinweise?

Frauen als Zeugen

Verteidiger: Nein, wir haben noch einen fünften bedeutenden Hinweis: Frauen als Zeugen! Die Berichte über die Auferstehung nennen Frauen als die ersten Zeugen der Auferstehung.

Richter: Warum ist das wichtig?

Verteidiger: Die Aussage von Frauen galt im damaligen Kontext als absolut minderwertig. Der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus schrieb im 1. Jahrhundert: „Das Zeugnis der Frau ist nicht rechtsgültig wegen der Leichtfertigkeit und Dreistigkeit des weiblichen Geschlechts.“ Deshalb war es kein Wunder, dass auch in den biblischen Berichten die Jünger den Berichten der Frauen erst einmal nicht geglaubt haben! Hätte jemand damals diese Geschichte erfunden hätte er deshalb niemals Frauen als die ersten und wichtigsten Zeugen ausgesucht sondern selbstverständlich Männer, um glaubwürdig zu sein.

Visionen und Halluzinationen?

Anklage: Gut, aber es könnte ja trotzdem sein, dass diese Frauen keine wahre Geschichte erzählt haben, sondern dass es sich um Wunschträume, Visionen oder Halluzinationen handelte! Schließlich waren die Leute nach der Kreuzigung alle sehr aufgewühlt und durcheinander. Da kann es schon mal vorkommen, dass man etwas glaubt, was gar nicht wirklich passiert ist. Es gibt z.B. viele Berichte von Marienerscheinungen, in denen die Menschen auch alles Mögliche gehört und gesehen haben wollen. Bei der berühmten Marienerscheinung im portugiesischen Fatima im Jahr 1917 waren sogar Zehntausende von Menschen dabei, und sogar die Zeitungen haben darüber berichtet. Solche Einbildungen hat es also schon öfter gegeben.

Richter: Herr Verteidiger: Haben Sie sich mit diesem Vorwurf auseinandergesetzt?

Verteidiger: Ja, natürlich. Aber die schriftlichen Schilderungen geben überhaupt keinen Hinweis darauf, dass es sich nur um Visionen gehandelt hätte. Die Schilderungen in den Evangelien über die Begegnungen mit dem Auferstanden unterscheiden sich in mehreren Punkten grundlegend von solchen Marien­erscheinungen.

Eine Halluzination ist zunächst einmal ein Phänomen, das nur Einzelpersonen betrifft und nicht mehrere Menschen gleichzeitig. Dass mehrere Menschen behaupten, das gleiche zu sehen, ist sehr selten. Auch in Fatima waren es nur 3 kleine Kinder, die meinten, Maria hören und sehen zu können. Alle anderen sahen angeblich nur seltsame Sonnenphänomene. Und selbst von den 3 Kindern konnten nicht immer alle Maria sehen. Bei den Evangeliumsberichten war es völlig anders: Wenn Jesus auftauchte, wurde er von allen gleichermaßen wahrgenommen. Besonders außergewöhnlich ist der greifbare, physische Körper des Auferstandenen! Jesus hat gegessen und getrunken. Er ließ sich anfassen und begreifen im wahrsten Sinne des Wortes. Das passt nicht zu Halluzinationen und Erscheinungen. Die Jünger waren zudem nicht in einer Erwartungshaltung wie z.B. die Menschenmenge in Fatima, sondern sie wurden von den Begegnungen mit dem Auferstandenen völlig unerwartet getroffen und waren zudem extrem schwer von der Auferstehung zu überzeugen!

In ihren angeblichen Erscheinungen entspricht Maria fast immer dem jeweiligen Bild, das sich die Menschen von Maria gemacht hatten und sie wird meist in ein glorreiches, helles Licht getaucht. In den Evangeliums­berichten gibt es zwar strahlende Engel, aber Jesus selbst wird immer völlig nüchtern und normal gezeichnet. Von den Emmaus-Jüngern wurde er zuerst nicht einmal erkannt, er entsprach also überhaupt nicht ihren Erwartungen. Diese Schilderungen passen also in keinster Weise zu Halluzinationen oder visionären Erscheinungen. Hinzu kommt: Die Illusion hätte sich damals ja spätestens dann in Luft aufgelöst, wenn die vernünftig gebliebenen Realisten die Träumer daran erinnert hätten, dass Jesus nebenan im kühlen Grab verwest!

Und schließlich: Totenerscheinungen waren in der Antike nichts Ungewöhnliches. Aber sie bewiesen damals nur, dass die Person wirklich tot ist! Auf Basis des Berichts von einer Totenerscheinung wäre niemand in Wallung geraten. Die Begeisterung und Euphorie der Jünger lässt sich nur dadurch erklären, dass etwas völlig anderes geschehen sein muss als eine Erscheinung von einem Geist oder einem Verstorbenen.[6]

War Jesus nur scheintot?

Anklage: Gut, das mag sein. Aber wie Sie wissen gehen einige meiner Mandanten ohnehin davon aus, dass Jesus gar nicht wirklich tot war! Vielleicht war er nach der Kreuzigung nur scheintot gewesen!

Verteidiger: Im Ernst, Herr Anwalt, halten Sie das wirklich für wahrscheinlich? Selbst wenn – was extrem unwahr­scheinlich ist – die römischen Henker Mist gebaut und den Körper Jesu vorschnell abgehängt hätten, selbst wenn Jesus den massiven Blutverlust im Grab trotz fehlender Flüssigkeits­zufuhr überlebt hätte, selbst wenn er sich selbständig aus seinen Bandagen befreien, den schweren Stein beiseiteschieben und die Wachen hätte austricksen können: Wie um alles in der Welt hätte ein halb verbluteter, geschundener, trauma­tisierter und pflegebedürftiger Jesus die Jünger auf die Idee bringen können, dass er ein vom Tod auferstandener Gott und Messias ist? Das klingt doch alles extrem an den Haaren herbeigezogen.

Alles eine große Lüge?

Anklage: Mag sein, Herr Verteidiger. Aber was Sie definitiv nicht entkräften können ist der Vorwurf, dass es sich einfach um eine große Lüge gehandelt hat! Eine Verschwörung der frustrierten und enttäuschten Nachfolger Jesu. So etwas kann es doch geben, oder?

Verteidiger: Also nehmen wir einmal an, dass diese fünf Zeugen alle unabhängig voneinander eine umfangreiche, ausgeklügelte und dreiste Lügen­geschichte entweder frei erfunden oder von Jüngern Jesu übernommen haben. Sie haben sich dazu noch auf erfundene Augenzeugen berufen in der Hoffnung, dass ihre Lügen nicht auffliegen. Und sie hatten das Glück, das aus irgendeinem Grund das Grab leer war, vielleicht weil sie den Leichnam selber gestohlen haben, weil ihn jemand weggebracht hat, oder warum auch immer. Die große Frage ist doch: Wie glaubwürdig ist diese Lügentheorie? Dazu sollten wir nun neben den schriftlichen auch die mündlichen Zeugen berücksichtigen!

Richter: Was wissen wir denn über die mündlichen Zeugen?

Verteidiger: Zu den mündlichen Zeugen haben wir folgende Fakten vorliegen:

  • Es waren viele!
  • Sie standen für eine Botschaft, die abstoßend und unattraktiv war!
  • Sie waren extrem opferbereit!

Richter: Dass es viele waren ist ja klar, denn sonst hätte sich die Botschaft nicht so rasend schnell ausbreiten können. Aber was meinen sie damit, dass sie für eine Botschaft standen, die abstoßend und unattraktiv war?

Das fehlende Tatmotiv

Verteidiger: Die Botschaft von einem gekreuzigten und wieder auferstandenen Gott war damals äußerst seltsam. Helmut Frank, der Chefredakteur des bayrischen evangelischen allgemeinen Sonntagsblatts hat dazu etwas geschrieben, was heutzutage leider die wenigsten wissen:

„Die Kreuzigung galt in der Antike als entehrend und grausam, ekelerregend und abstoßend. Der hellenistische Schriftsteller Lukian wollte deshalb sogar den Buchstaben T aus dem Alphabet streichen. Das Kreuz wurde in der Urkirche nicht gezeigt. … Erst im 4. Jahrhundert … wurden Kreuzigungen … abgeschafft. Und erst weitere hundert Jahre später trat das Christusmonogramm als Symbol in den Hintergrund, und das Kreuz übernahm die Funktion.“

Das heißt: Das Kreuz war lange so unattraktiv, dass man es eher verschämt versteckt hat statt es in den Vordergrund zu rücken.

Richter: Heißt das, dass es gar keine älteren Kreuzesdarstellungen gibt?

Verteidiger: Die älteste bekannte Kreuzesdar­stellung stammt aus dem Jahr 125. Es ist eine Kritzelei an der Wand einer römischen Kaserne. Auf dem Kreuz hängt eine menschliche Gestalt mit einem Eselskopf. Darunter kniet ein Soldat. Und zu lesen ist der Spruch: “Alexa­menos betet seinen Gott an.“ Das heißt: Das Kreuz wurde ein­gesetzt, um die Christen zu ver­spotten und zu mobben!

Und für Juden war das Kreuz sogar ein noch größerer Skandal. In der Tora, dem mosai­schen, jüdischen Gesetz kann man lesen: „Ein Aufge­hängter ist verflucht bei Gott.“ (5. Mose 21, 23) Ein Gekreuzigter war für Juden also ein Verfluchter. Das war – vorsichtig ausgedrückt – nicht gerade eine gute Voraussetzung für diesen neuen Glauben. Kein Wunder, dass Paulus sagte: „Wir aber predigen Christus, den Gekreuzigten, den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit.“ (1. Kor. 1, 23) Es war also von vornherein klar, dass man sich mit so einer Botschaft keine Freunde sondern nichts als Feinde macht!

Richter: Das wirft natürlich die Frage auf: Warum und für wen hätten die Jünger so eine abstoßende Geschichte erfinden sollen, nachdem sie gerade erlebt hatten, dass ihr Prediger den verfluchten Tod am Kreuz gestorben ist? Für wen? Mit welchem Ziel? Das Tatmotiv liegt demnach vollkommen im Dunkeln.

Extreme Opferbereitschaft

Verteidiger: Genau so ist es. Zumal wir berücksichtigen müssen, dass die Zeugen extrem leidens- und opferbereit waren! Tatsächlich wurde die erste christliche Generation massiv verfolgt. Mehrere römische Historiker schildern eindrücklich, mit welch unfassbar grausamen Methoden die Christen massenhaft hingerichtet wurden. Tacitus schildert, wie Nero Christen in Tierfelle einwickeln ließ, damit sie sich besser als Löwenfutter eignen. Und er nutzte brennende Christen als Fest­beleuchtung. Angeblich starben die meisten der Jünger Jesu den Märtyrertod. Praktisch die gesamte erste Generation der Christen war direkt oder indirekt von massiver Bedrohung, Verfolgung und Märtyrertum betroffen. Dazu kam die Opfer­bereitschaft, sich in die ganze Welt aufzumachen und überall unter massiven Entbehrungen und Todesgefahr diese Botschaft von der Auferstehung weiter zu verbreiten. Denn Reisen war damals alles andere als ein Vergnügen!

Und das alles sollen diese Leute für eine Lüge auf sich genommen haben? Und dann gab es da nicht einen Einzigen, der im Angesicht seiner Henker schwach wurde und zugab, dass alles nur eine Lüge oder ein schöner Traum gewesen ist? Menschen riskieren ihr Leben für Überzeugungen – aber nicht für eigene Lügen! Nein, diese ersten Christen müssen zutiefst von der Auferstehung überzeugt gewesen sein, anders kann man sich ihren Enthusiasmus, ihre Ausstrahlung, ihren Erfolg in der Verbreitung ihrer Botschaft, ihre Leidens- und Opferbereitschaft und ihre fehlende Furcht vor dem Tod nicht erklären.

Anklage: Es gibt immer wieder religiöse Fanatiker, die in den Märtyrertod rennen. Die meisten dieser ersten Christen werden wohl wirklich überzeugt gewesen sein von diesem Glauben. Ob aber die Männer aus dem ursprünglichen Jüngerkreis, die diese Auferstehungs­geschichte erfunden haben könnten, wirklich den Märtyrertod gestorben sind, das wissen wir nicht wirklich. Auch diese Märtyrerlegenden könnten doch allesamt erfundene Heldengeschichten sein.

Sogar den eigenen Bruder überzeugt!

Verteidiger: Ich staune schon, wie viel Verschlagenheit und Lügenbereitschaft Sie den ersten Christen zutrauen, obwohl doch Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit für ihren Glauben so zentral wichtig war. Aber wenn Sie den ersten Christen nicht glauben wollen, dann glauben Sie vielleicht dem jüdischen Geschichtsschreiber Flavius Josephus. Auch er hat genau wie Sie den Christen nicht geglaubt. Etwa im Jahr 93 n.Chr. schrieb er über Jakobus, den leiblichen Bruder von Jesus folgendes:

„Er (der Hohepriester Hannas) versammelte den Hohen Rat zum Gericht und stellte vor diesen den Bruder des Jesus, der Christus genannt wird, mit Namen Jakobus, sowie noch einige andere, die er der Gesetzesübertretung anklagte und zur Steinigung führen ließ.“

Jakobus war in Jerusalem bekannt als einer der Hauptleiter der dortigen urchristlichen Gemeinde (Gal. 2, 9). Josephus berichtet hier, wie Jakobus im Jahr 62 n.Chr. für seinen Glauben hingerichtet wurde. Dieser Märtyrertod ist also gut belegt. Und er führt uns direkt zu einer weiteren Frage: Wie hat Jesus es geschafft, seinen kleinen Bruder Jakobus  davon zu überzeugen, dass er Gottes Sohn und der Retter der gesamten Menschheit ist?[7] Was hat diesen Jakobus kurz nach der Kreuzigung dazu gebracht, seinen ehemaligen Spielkameraden als Gott und Messias anzubeten, Lieder zu ihm zu singen, erfolgreich trotz größter Widerstände eine Gemeinde zu seinen Ehren zu bauen und schließlich für den Glauben an ihn in den Tod zu gehen? Welcher Mensch könnte je seine eigenen Familienangehörigen von seiner eigenen Göttlichkeit überzeugen?

Richter: Wir werden diese Frage heute wohl nicht mehr klären können. Es ist nun Zeit für die Abschlussplädoyers. Ich darf zunächst den Anwalt der Anklage bitten.

Die Schlussplädoyers

Anklage: Sehr geehrte Damen und Herren, die Naturwissenschaft beweist uns, dass eine Auferstehung von den Toten schlicht unmöglich ist. Der schottische Philosoph David Hume hat deshalb gelehrt: Alles ist plausibler als ein Wunder. Selbst wenn dargestellt werden würde, Jesus sei gekreuzigt worden, er war tot und war dann wieder am Leben, dann ist eben nicht die naheliegende Erklärung, dass er der Sohn von einem allmächtigen Wesen ist. Vielleicht haben die Jünger ja schlicht das Grab verwechselt oder vielleicht gab es ja einen Zwillingsbruder, der die ganze Zeit verheimlicht worden ist und dann nach der Kreuzigung das Geschäft übernommen und weiter gemacht hat? Auch das wäre eine viel plausiblere Erklärung als dass man plötzlich übernatürliche Angelegenheiten heranzieht.[8] Ich plädiere daher auf schuldig im Sinne der Anklage.

Verteidiger: Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie konnte die Geschichte von der Auferstehung entstehen? Wie konnte sie sich so rasend schnell verbreiten am Ort und in der Zeit der Augenzeugen der Kreuzigung Jesu? Warum war sie so erfolgreich trotz des massiven Widerstands? Warum konnte niemand die Geschichte entkräften? Warum gibt es so viele unterschiedliche und hervorragend überlieferte Zeugen dafür? Was brachte Zehntausende von streng monotheistisch geprägten Juden dazu, von heute auf morgen einen ihrer Zeitgenossen als Gott anzubeten, mit fest verankerten Traditionen zu brechen und neue Rituale einzuführen, die nicht etwa an das Leben des verehrten Meisters Jesus erinnern sollten, sondern stattdessen an seine grausame, entwürdigende Ermordung? Was hat dieses religiös / kulturelle Erdbeben ausgelöst, das bis heute den ganzen Erdball nachhaltig verändert und prägt? Und warum waren die Zeugen der Osterbotschaft so extrem opferbereit? Das sind Fragen über Fragen, die bis heute niemand befriedigend beantworten konnte.

Der Gelehrte für römische Geschichte Prof. Thomas Arnold, Autor des Standardwerks „Geschichte Roms“ und einst Inhaber des Lehrstuhls für moderne Geschichte an der Universität Oxford, war sehr gut vertraut im Umgang mit Beweisen zur Bestimmung historischer Tatsachen. Er sagte schon im 19. Jahrhundert:

“Ich bin seit Jahren daran gewöhnt die Geschichte anderer Zeiten zu studieren bzw. die Beweise derer zu untersuchen und abzuwägen, welche darüber schrieben, und mir ist keine einzige Tatsache der Geschichte der Menschheit bekannt, die besser und vollständiger bewiesen wäre, jedenfalls nach dem Verständnis einer fairen Untersuchung, als das große Zeichen, welches Gott uns gegeben hat, nämlich dass Christus gestorben ist und wieder auferstanden von den Toten.” [9]

Seit dieser Zeit wurden viele weitere beeindruckende Beweise für die Auferstehung vorgelegt. Warum werden sie trotzdem kaum gewürdigt? Das Schlussplädoyer der Anklage hat den Grund gezeigt: Die moderne wissenschaftliche Welt hat sich für die Annahme entschieden, dass Alles und Jedes immer eine natürliche Ursache haben muss und dass Wunder auch nicht ausnahmsweise denkbar sind.[10] Nur aufgrund dieser durch nichts belegbaren philosophischen Entscheidung werden selbst beeindruckendste Fakten nicht einmal beachtet, geschweige denn ernsthaft geprüft und abgewogen. Stattdessen folgt man lieber den abenteuerlichsten Ideen, wie es sich doch anders hätte zutragen können. Bei genauerer Betrachtung hat sich jedoch keine dieser alternativen Erklärungen als auch nur annähernd plausibel erwiesen.

Mein Plädoyer lautet deshalb nicht nur auf Freispruch. Ich fordere Sie auf, den Fakten zu folgen und sich den hervorragend belegten Überzeugungen der Kirche Jesu anzuschließen.

Richter: Danke, meine Herren. Sehr geehrte Schöffen: Es ist nun Zeit für Ihre Urteilsfindung…


Weiterführende Artikel:

Fußnoten:

[1] Ausführlich dargelegt in: Prof. Armin D. Baum „Der mündliche Faktor und seine Bedeutung für die synoptische Frage“ Francke 2008, (englische Zusammenfassung)

[2] Dazu schreibt der bekannte Theologe N.T.Wright: „Die Geschichten strahlen genau die Spannung aus, die wir gerade nicht mit künstlerisch erzählten Fabeln assoziieren, von Leuten geschrieben, die eifrig darauf bedacht sind, die Fiktion aufrecht zu erhalten und daher auch besorgt sind, dass alles richtig aussehen muss, sondern mit flüchtigen und verdutzten Berichten derer, die etwas mit ihren eigenen Augen gesehen haben, was sie komplett überraschte und verblüffte und sie sie noch immer nicht völlig einordnen konnten.“ „The resurrection of the son of God“, N.T.Wright (Minneapolis Fortress Press, 2003), Pg. 612

[3] Was es lediglich gibt sind vage prophetische Ankündi­gungen: Die Zerstörung des Tempels wurde von Jesus vorhergesagt (z.B. Matth. 24, 2). Aber nirgends wird im NT berichtet, dass und wie sie tatsächlich passiert ist. Im Gegensatz dazu hat Lukas z.B. in Apg. 11, 28 zuerst die Prophetie über eine kommende Hungersnot geschildert und dann sofort über die Erfüllung dieser Vorhersage berichtet. In Joh. 21, 19 macht Jesus eine Andeutung auf den zukünftigen Tod von Petrus, aber im Gegensatz zum Märtyrertod des viel unbekann­teren Stephanus wird über das Martyrium von Petrus nirgends etwas berichtet. Auch der Tod von Jakobus, der laut Gal. 2, 9 in der Jerusalemer Gemeinde eine zentrale Rolle spielte, wird im NT mit keinem Wort erwähnt. Warum haben die Autoren des NT nirgends über diese teilweise von Jesus extra angekündigten und für die Urgemeinde so einschneidenden Ereignisse berichtet, während so viele andere wesentlich unbedeu­tendere Ereignisse ausführlich geschildert werden? Diese und weitere Fragen haben v.a. seit John A.T. Robinson wieder mehr Theologen dazu bewogen, von einer Frühdatierung der Evangelien auszugehen.

[4] Ausführlich erläutert im AiGG-Artikel: Die Berichte des NT weisen alle Eigenschaften von frühen, authentischen Augenzeugenberichten auf

[5] Ausführlicher erläutert im AiGG-Artikel: Meister der Überlieferung – Forscher belegen: Der biblische Text ist korrekt!

[6] Dazu schreibt der renommierte Religionsphilosoph und Theologe William L. Craig: „Aufgrund des damaligen jüdischen Glaubens über das Leben nach dem Tod hätten die Jünger, wenn sie Jesus-Halluzinationen hatten, Jesus im Himmel oder in Abrahams Schoß gesehen, wo die Seelen der gerechten Toten dem jüdischen Glauben nach bis zur letzten Auferstehung verweilen würden. Und solche Visionen hätten nicht zu einem Glauben an Jesu Auferstehung geführt. Sie hätten höchstens dazu geführt, dass die Jünger behaupteten, Jesus wäre in den Himmel aufgenommen worden, und nicht von den Toten auferstanden.“ W. L. Craig (2015): On Guard. Mit Verstand und Präzision den Glauben verteidigen. S. 277

[7] Die erstaunliche Verwandlung des Jakobus wird noch ausführlicher erläutert im AiGG-Artikel „Mein Bruder: Mein Gott!?“ – Warum die Notiz eines jüdischen Geschichts­schreibers über Jakobus einer der größten außerbiblischen Belege für das Christentum ist

[8] Diese und weitere Spekulationten finden sich im „Ketzer-Podcast“ über den Film „Der Fall Jesus“ (ab Min. 44.40)

[9] Zitiert von McDowell, J. in: A Ready Defense, (p. 116), Th. Nelson Publ., Nashville 1993

[10] Ausführlicher erläutert im AiGG-Artikel: Stolz und Vorurteil? Wie wissenschaftlich ist die Bibelwissenschaft?

Stolz und Vorurteil? Wie wissenschaftlich ist die Bibelwissenschaft?

Beobachtungen aus der Sicht eines Naturwissenschaftlers

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Was war der größte Fehler Ihres Lebens?“ fragte der Journalist. Der alte Kunstkritiker lachte. „Als ich einmal unser Kind im Kindergarten abholte baten mich die Betreuerinnen, einen Blick auf die gesammelten Kunstwerke des Kindergartens zu werfen. Leider fiel mir nicht auf, dass zwischen den Kinderbildern ein abstraktes Werk eines bekannten Künstlers hing. Das brachte mir noch für lange Zeit ein spöttisches Grinsen ein – und lehrte mich viel darüber, wie leicht man durch Vorurteile etwas Wunderbares übersehen kann.“

In den vergangenen 150 Jahren ist etwas Dramatisches passiert: Die Theologie hat den Blick für das Wunder der Bibel verloren! Das offenbarte, autoritative, normative Wort Gottes ist menschlich geworden. Fehlerhaft. Widersprüchlich. Unhistorisch. Tendenziös. Nicht mehr vertrauenswürdig. Müssen wir das als aufgeklärte und rationale Menschen in Kauf nehmen, weil die wissenschaftliche Untersuchung der Bibel schlicht keine anderen Schlussfolgerungen zulässt? Oder könnte es sein, dass sich in der Theologie genau das gleiche Drama vollzieht wie in der kleinen einleitenden Episode unseres Kunstkritikers? Könnte es sein, dass auch in der modernen Bibelwissenschaft Vorurteile den Blick für das Wunder verstellen?

Auf Seite 3 des weit verbreiteten theologischen Grundlagenwerks „Arbeitsbuch zum Neuen Testament“ von Conzelmann & Lindemann[1] (im Folgenden als C&L bezeichnet) finden wir dazu einen interessanten Hinweis: „Die biblischen Texte werden methodisch nicht anders behandelt als andere literarische Zeugnisse, insbesondere solche der Antike.“ [2]

Der gleiche Blick auf die Bibel wie auf alle anderen Bücher? Wird man damit der Bibel gerecht? Oder kommt diese Theologie womöglich zu völlig falschen Schlussfolgerungen, weil sie die Bibel unter völlig falschen Voraussetzungen betrachtet? Bevor wir dieser Frage nachgehen muss ich als begeisterter Naturwissenschaftler zuerst einmal ein kleines Loblied auf die (Natur-) Wissenschaft singen:

Vom Erfolg des Ursache-Wirkungs-Prinzips

Der gewaltige Erfolg der Naturwissenschaften basiert hauptsächlich auf dem Vertrauen in das Ursache-Wirkungs-Prinzip, also der Annahme, dass alles, was geschieht, eine natürliche Ursache hat. Auf dieser Basis ging man z.B. davon aus, dass hinter dem Gewitterdonner keine launischen zornigen Götter stecken sondern physikalische Gesetze, die nach dem immer gleichen Schema ablaufen und die man gründlich erforschen und verstehen kann. Es waren nicht zuletzt Christen wie Isaac Newton, die sagten: Wenn Gott die Welt geschaffen hat, dann hat er ihr feste Gesetzmäßigkeiten gegeben, die wir mit Hilfe von Beobachtung und Experiment herausfinden können. Was für eine gute Entscheidung! Denn auf dieser Basis hat die Naturwissenschaft eine phantastische Erfolgsgeschichte geschrieben. Das Ursache-Wirkungs-Prinzip hat sich als eine phantastische Grundlage für die Erforschung der heutigen Welt erwiesen. Wir können dankbar sein für die rasante Entwicklung von Forschung und Technik, die auf dieser Basis gelungen ist.

Vom Segen der Bibelwissenschaft

Dankbar bin ich auch für die akribische Arbeit vieler Bibelwissenschaftler. Die möglichst genaue Rekonstruktion des biblischen Urtextes, die Erforschung des historischen und kulturellen Umfelds der biblischen Texte, die Ermittlung der genauen Wortbedeutungen und Textgattungen sowie die intensive Übersetzungsarbeit helfen uns, die sprachliche, zeitliche und kulturelle Kluft zwischen uns und den biblischen Texten zu überbrücken und so die ursprüngliche Aussageabsicht der biblischen Autoren immer besser verstehen zu können. Was für eine wichtige und wertvolle Arbeit!

Von der Notwendigkeit des wissenschaftlichen Zweifels

Zur Wissenschaft gehört immer auch der wissenschaftliche Zweifel: Haben wir das bislang richtig gesehen? Wurden alle Fakten und Erkenntnisse berücksichtigt? Oder müssen wir etwas neu überdenken? Wissenschaft muss nach Möglichkeit vorurteilsfrei arbeiten. Sie soll sich an den Fakten orientieren und eigene, außerwissenschaftliche Denkvoraussetzungen nicht absolut setzen. Das muss auch in der Bibelwissenschaft gelten: Fakten, die dem bisherigen Verständnis von biblischen Aussagen widersprechen (also z.B. Ausgrabungsergebnisse, inner- und außerbiblische Quellen) dürfen für Bibelwissenschaftler kein Grund sein, Scheuklappen aufzusetzen.

Andererseits wird jeder gute Bibelwissenschaftler die Aussagekraft solcher Fakten auch kritisch bewerten. Schließlich ist historische Wissenschaft nicht mit exakter Naturwissenschaft vergleichbar. Sie untersucht nicht die gesetzmäßig ablaufenden Dinge, wie das die Naturwissenschaften tun, sondern sie versucht, unwiederholbare Ereignisse der Vergangenheit zu rekonstruieren. Sie interpretiert dafür relevante Indizien, kann die wesentlichen Fragen aber nicht experimentell untersuchen. Die empirische Methode der Naturwissenschaften ist in den historischen Wissenschaften also nur untergeordnet anwendbar. Die Rekonstruktion vergangener Geschichte und Kulturen bleibt daher immer ein Stück weit vorläufig und mehr oder weniger unsicher. Sie hängt u.a. auch davon ab, welchen der (oft lückenhaften und widersprüchlichen) Quellen man mehr oder weniger Vertrauen schenkt.

Von der Fragwürdigkeit außer­wissenschaftlicher
Vorurteile

Spätestens wenn Prägungen, Erwartungen und außerwissenschaftliche Vorurteile (in der Wissenschaft „Prämissen“ genannt) die Interpretation, Bewertung und Gewichtung von Quellen beeinflussen, verlassen wir den Boden der vorurteilsfreien Wissenschaft. Das ist an sich nicht weiter schlimm, solange man sich offen und ehrlich dazu bekennt. Irreführend und tendenziös ist es aber, wenn sich solche außerwissenschaftliche Vorentscheidungen unter dem Deckmantel einer scheinbar objektiven Wissenschaft verstecken und andere Ansätze als unwissenschaftlich aus dem Rennen werfen, bevor sie überhaupt geprüft wurden.

Als Naturwissenschaftler fällt mir auf: Genau das geschieht offenbar leider in Teilen der modernen Bibelwissenschaft. Vor allem auf die folgenden drei folgenschweren Vorurteile bin ich gestoßen:

1. Vorurteil: Es kann keine Wunder geben

In der Biologie hat es in Bezug auf das Ursache-Wirkungs-Prinzip eine schwerwiegende Grenzüberschreitung gegeben: Spätestens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es nicht mehr nur auf die gegenwärtige Schöpfung angewandt, sondern auch auf die Ursprungsfrage ausgedehnt. Seither wurde (und wird bis heute) nicht nur bei der Frage „Wie funktioniert das?“ sondern auch bei der Frage „Woher kommt das?“ die Möglichkeit einer (Mit-)Wirkung einer übernatürlichen, höheren Intelligenz und Schöpferkraft nicht ergebnisoffen geprüft sondern von vornherein („a priori“) grundsätzlich ausgeschlossen.

Anders als bei der Erforschung der gegenwärtigen Welt hat dieser Ausschluss schöpferischer Eingriffe bei der Ursprungsfrage aber keine Erfolgsgeschichte nach sich gezogen, im Gegenteil: 150 Jahre nach Darwin sind noch immer zentrale und grundlegende Fragen zur Entstehung der Vielfalt der Baupläne der Lebewesen vollkommen ungeklärt. Bis heute kann kein Mensch beantworten, wie komplexe Systeme, Information, Schönheit und Bewusstsein ohne eine steuernde Intelligenz entstehen kann[3]. Der Glaube an ein allumfassendes Ursache-Wirkungs-Prinzip (Determinismus bzw. Naturalismus), der in der Blütezeit der Aufklärung die akademische Welt dominiert hat[4], ist als umfassendes, ausnahmslos geltendes Welterklärungsmodell krachend gescheitert. Er ist zudem philosophisch letztlich unhaltbar, wie z.B. Prof. Daniel von Wachter dargelegt hat.[5]

Diese Erkenntnis scheint jedoch in Teilen der Theologie bis heute nicht vollständig angekommen zu sein. Unter dem Eindruck der naturwissenschaftlichen Erfolgsgeschichte hatten prägende Theologen[6] noch im 20. Jahrhundert versucht, auch in der Theologie gänzlich ohne Wunder auszukommen. So schreibt z.B. Rudolf Bultmann:

„Der Gedanke des Wunders als Mirakels ist für uns heute unmöglich geworden, weil wir das Naturgeschehen als gesetzmäßiges Geschehen verstehen.“ [7]  „Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben.“ [8]

Auch bei Troeltsch, Schleiermacher und anderen einflussreichen Theologen lassen sich vergleichbare Zitate finden.[9] So wird verständlich, warum in der liberalen Theologie des 19. Jahrhunderts der Glaube an eine leibliche Dimension der Auferstehung Jesu weitgehend durch die Annahme ersetzt wurde, die Jünger hätten nur Visionen gehabt. Die treibende Kraft für diesen Umschwung waren nicht etwa irgendwelche neuen Forschungsergebnisse. Der Ausschluss von Wundern war vielmehr eine philosophische Entscheidung. Er wurde grundsätzlich vorausgesetzt, weil „man es einfach nicht glauben kann“, wie Bultmann ganz offen formuliert.

Seit Bultmann hat sich die universitäre Theologie weiter entwickelt. So scharf wie er würden heute wohl nur noch wenige Theologen den Ausschluss von Wundern formulieren. Eine grundsätzliche Wunderskepsis ist jedoch ganz offensichtlich geblieben. Das wird bei der Auferstehung Jesu, also dem zentralen Heilsereignis der Christenheit, besonders deutlich. So formulieren C&L zur Frage der Auferstehung: „Die immer wieder diskutierte Frage, ob die Auferstehung Jesu ein „historisches Ereignis“ sei, ist von vornherein abzuweisen.“[10] Eine sachliche Begründung für diese These wird nicht geliefert. Noch deutlich schärfer formuliert Prof. Stefan Schreiber in seinem „Worthaus“-Vortrag über den „historischen Jesus“ [11]. Die Vorstellung, dass Jesus nach der Auferstehung leiblich „über die Erde spaziert sei“ entspricht für ihn einem überreizten Gespensterglauben, bei dem er dringend einen Arztbesuch oder wenigstens ausgiebiges Ausschlafen empfiehlt.[12] Das „Sehen“ des Auferstandenen durch die Jünger setzt er mit dem „Sehen“ der alttestamentlichen Propheten gleich, obwohl sich die Berichte des Neuen Testaments über Begegnungen mit dem Auferstandenen grundlegend von prophetischen Visionen unterscheiden.

All das wirkt seltsam auf mich. Denn natürlich kann man sehr wohl mit (geschichts-)wissenschaftlichen Mitteln die verschiedenen Erklärungsmodelle für die Entstehung des Osterglaubens durchspielen, ihre Erklärungskraft bewerten und damit eine Aussage darüber treffen, welches Modell welche Wahrscheinlichkeit besitzt. Wenn man das ergebnisoffen tut, ist das Ergebnis aus meiner Sicht sehr eindeutig: Die Fakten sprechen klar dafür, dass die Auferstehung eine leibliche Dimension gehabt haben muss![13] Das ist für mich bislang die einzige schlüssige Erklärung, die zu den zahlreichen und vielfältigen historischen Fakten passt. Aber diese Debatte wird bei C&L leider überhaupt nicht geführt. Die Möglichkeit von Wundern wird hier aus philosophischen (nicht aus wissenschaftlichen!) Gründen von vornherein grundsätzlich ausgeschlossen.

2. Vorurteil: Es gibt keine Offenbarung

Die biblischen Autoren behaupten an zahlreichen Stellen, göttlich offenbarte Wahrheiten zu verkünden![14] Wer aber einem allumfassenden physikalischen Ursache-Wirkungsprinzip vertraut, kann natürlich auch nicht an göttliche Offenbarung glauben. Stattdessen geht man von vornherein davon aus, dass die Bibel ein Machwerk von Menschen sein muss.

Dass dieses Vorurteil tatsächlich in den liberaleren Zweigen der Bibelwissenschaft eine Rolle spielt, zeigt sich zum Beispiel bei der Frage nach der Datierung der Evangelien. Dazu schreiben C&L: „Ebenso wie Matthäus (und wohl auch Markus) ist Lukas jedenfalls nach 70 verfasst worden; in Lk. 21,10 ist unmissverständlich auf die Belagerung Jerusalems am Ende des Jüdischen Krieges und auf die Zerstörung der Stadt angespielt.“ [15] Tatsächlich lesen wir in Lukas 21, dass Jerusalem belagert und der Tempel komplett zerstört wird (so auch in Mark. 13,2 und Mt. 24,2). Aber das wird dort ja gerade nicht als Bericht, sondern als Vorhersage (Prophetie) Jesu dargestellt. Anders als z.B. in Apg. 11,28 erwähnen die Evangelisten dabei mit keinem Wort, dass Jesu Prophetie tatsächlich in Erfüllung gegangen ist. Das heißt: Das einzige Argument von C&L für eine Datierung nach 70 n.Chr. basiert auf der Annahme, dass es Prophetie nicht geben kann! Dieses Argument wiegt so stark, dass die zahlreichen Argumente für eine frühere Datierung gar nicht erst diskutiert werden:

  • Im ganzen Neuen Testament herrscht in Bezug auf die Zerstörung des Tempels, die für die Juden ein absolut prägendes und traumatisches Ereignis gewesen sein muss, ein geradezu dröhnendes Schweigen.
  • Auch die Märtyrertode von Paulus und vom Herrenbruder Jakobus (einem Ältesten der Urgemeinde in Jerusalem) in den 60er Jahren werden mit keinem Wort erwähnt, stattdessen wird der Märtyrertod des wesentlich unbedeutenderen Stephanus ausführlich geschildert.
  • Die Apostelgeschichte des Lukas, die er nach seinem Evangelium verfasst hat, bricht noch vor dem Tod von Paulus plötzlich ab.
  • Eine Textanalyse der Evangelien belegt: Diese Berichte weisen alle Eigenschaften von frühen, authentischen und kenntnisreichen Augenzeugenberichten auf. Aufgrund der vielen stimmigen Details können sie unmöglich das Ergebnis von langer mündlicher Tradition darstellen[16]. Somit fehlt auch die Zeit für umfangreiche Legendenbildungen.

Dass Theologen wie C&L diese Diskussion erst gar nicht führen ist tragisch. Denn natürlich hat die Datierung auch erhebliche Auswirkungen auf die Vertrauenswürdigkeit der biblischen Quellen, womit wir beim 3. Vorurteil wären:

3. Vorurteil: Die biblischen Autoren sind nicht vertrauenswürdig

Trotz des von Lukas selbst formulierten Anspruchs, einen genau recherchierten Bericht vorzulegen (Lk.1,1-4)[17], verwehren C&L sogar bei einem in Wir-Form geschriebenen Abschnitt der Apostelgeschichte (Apg. 16,11-40) die Möglichkeit, dass es sich um einen Augenzeugenbericht handeln könnte. Begründung: Der Bericht sei „stark mirakulös, also vermutlich kein Augenzeugenbericht.“[18] Das heißt: Die grundlegende Wunderskepsis wirkt sich auch auf die Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit der biblischen Autoren aus.

C&L sehen aber noch mehr Gründe, warum man den biblischen Autoren misstrauen muss. Ein Problem ist für sie der Glaube der biblischen Autoren. So lesen wir, „dass es für die Erscheinung des Auferstandenen niemals neutrale Zeugen gibt: Jede Erscheinung führte sofort zum Glauben.“ [19]. Diese Bemerkung ist nun wirklich skurril. Welcher Zeuge könnte wohl „neutral“ bleiben, wenn er den Gekreuzigten lebendig vor sich stehen sieht? Diskreditiert das etwa ihr Zeugnis? Wäre denn ein Zeuge, der nicht glaubt, was er sieht, glaubwürdiger? Oder ist es nicht gerade umgekehrt ein klarer Beweis für die leibliche Dimension der Auferstehung, dass es nach den „Erscheinungen“ eben überhaupt keine Zweifler mehr gab, sondern todesmutige Zeugen, die trotz massiver Verfolgung die Nachricht von der Auferstehung extrem erfolgreich verbreitet haben?

Das grundlegende Misstrauen gegenüber den biblischen Zeugen wird bei C&L auch im Kapitel über die „historische Jesusforschung“ besonders deutlich. Ausgangspunkt ist hier die Annahme, dass der reale, historisch über die Erde gegangene Jesus sich klar unterscheidet von dem Christus, den die Urgemeinde gezeichnet und bezeugt hat. Zwar traut man den ersten Christen durchaus zu, dass in ihre Aufzeichnungen auch historische Erinnerungen an den realen Jesus eingeflossen sind. Aber die Aufgabe der Bibelwissenschaft sei es nun, diese Erinnerung zu unterscheiden von nachträglich entwickelten Christusbildern und von Aussagen, die die ersten Christen Jesus später in den Mund gelegt[20] bzw. mit denen sie ihn nachträglich gedeutet hatten. Und welches Kriterium wendet man an, um diese Unterscheidung zwischen „echtem Jesus“ und nachträglicher Deutung zu machen? „Als erstes (Minimal-) Kriterium gilt, dass zunächst einmal nur solche Jesusworte als sicher […] „echt“ anzusehen sind, die […] nicht aus theologischen bzw. christologischen (oder ekklesiologischen) Tendenzen der nachösterlichen Gemeinde heraus erklärt werden können.“ [21] Im Klartext: Zuviel Übereinstimmung mit dem urchristlichen Jesusbild spricht dafür, dass das wohl nicht von Jesus stammt sondern ihm nachträglich von den ersten Christen in den Mund gelegt wurde.[22] Krasser kann man sein Misstrauen gegenüber der Überlieferungstreue der Urgemeinde kaum zum Ausdruck bringen. Nur auf Basis dieses Vorurteils wird verständlich, warum C&L auch der Meinung sind, dass „Jesus keinen der in den synoptischen Evangelien erwähnten christologischen Hoheitstitel in Bezug auf seine eigene Person gebraucht“ habe  [23]. Im Klartext: Da können die Evangelisten schreiben, so viel sie wollen: Das sagt uns alles nichts darüber, wie Jesus sich eigentlich selbst sah. Trotz der vielen anderslautenden Bibelstellen hielt Jesus sich selbst wohl nicht für den Messias. Das zeigt: Diesen Evangelisten kann man aus Sicht von C&L ganz offensichtlich nicht vertrauen.

Auch Prof. Stefan Schreiber weiß in seinem Vortrag über den historischen Jesus[24] letztlich nichts darüber zu sagen, ob Jesus sich selbst als Messias sah oder nicht. Insgesamt zeichnet er in seinem Vortrag ein völlig vermenschlichtes Jesusbild. Das ist kein Wunder. Denn auch für ihn wird der echte, historische Jesus erst dann sichtbar, wenn man sich auf die Jesus-Zitate konzentriert, die sich von der urchristlichen Christologie unterscheiden. Doch dieser Jesus hat dann nur noch wenig mit dem Christus des Neuen Testaments zu tun.

Die fehlende Debatte: Ist es auch heute noch vernünftig, der Bibel zu vertrauen?

Die Vorurteile von C&L drücken sich nicht nur in dem aus, was sie schreiben. Man erkennt sie auch in dem, was in ihrem Buch vollkommen fehlt, nämlich eine Debatte über Argumente, die den Selbstanspruch der biblischen Autoren, Gottes offenbarte Wahrheit zu verkünden, unterstützen könnten.

Im Artikel „10 Gründe, warum es auch heute noch vernünftig ist, der Bibel zu vertrauen“[25] habe ich einige dieser Argumente aufgelistet:

  • Die einzigartig hohe Qualität der Textüberlieferung
  • Das unerklärte Rätsel der Entstehung des extrem erfolgreichen Osterglaubens in der Region und in der Zeit der Augenzeugen samt der durchgängigen Bereitschaft der Zeugen, für diesen Glauben den Märtyrertod auf sich zu nehmen
  • Die zahllosen eingetroffenen biblischen Vorhersagen, die sich oft auch nicht durch nachträgliche Einfügung erklären lassen
  • Die stimmige, durchgängige Geschichte der Bibel, die über einen Zeitraum von 1600 Jahren von mindestens 40 äußerst unterschiedlichen Autoren geschrieben wurde, die völlig verschiedenen kulturellen und religiösen Einflüssen ausgesetzt waren und dabei nicht die Bibel als gemeinsame Glaubensgrundlage hatten
  • Die schonungslose Ehrlichkeit, die selbst vor den größten Königen und Glaubenshelden nicht Halt macht und zu keiner Zeit die Geschichte Israels verklärt
  • Das realistische Menschenbild, das bestätigte Weltbild und das einzigartige Gottesbild
  • Die herausragende Ethik, die bis heute weltweit prägend wirkt
  • Der göttliche Anspruch, der uns vor die herausfordernde Wahl stellt: Waren das Betrüger, durchgeknallte Spinner oder haben sie wirklich die Wahrheit gesagt?

Nichts davon wird bei C&L auch nur ansatzweise diskutiert. Wie schade!

Gesten grenzenloser Überlegenheit

Weder die genannten Argumente für die Glaubwürdigkeit der Bibel noch die dargelegten außerwissenschaftlichen Vorurteile halten manche Theologen davon ab, die universitäre Theologie für beinahe grenzenlos überlegen zu halten. So stellt z.B. Siegfried Zimmer in seinem Worthaus-Vortrag über die „Arbeitsweise der modernen Bibelwissenschaft“[26] die steile These auf):

  • Die gesamte weltweite Kirche hat die Gleichnisse Jesu 1800 Jahre lang falsch verstanden.
  • Noch heute legen weltweit Millionen von Christen, die keinen Kontakt zur Universitätstheologie haben, die Gleichnisse Jesu falsch aus (und Zimmer fragt seine Hörer: Bist Du auch noch in einer solchen Gruppe?).
  • Der Grund für dieses Desaster: Auch die Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas haben die Gleichnisse bereits nicht im Sinne Jesu ausgelegt. Indem sie ihre falsche Auslegung Jesus nachträglich in den Mund gelegt haben, haben sie die Kirche in die Irre geführt.

Zimmer stellt uns also vor die Wahl: Sollen wir in der Frage der richtigen Deutung der Gleichnisse den Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas vertrauen? Oder sollen wir stattdessen der modernen Universitätstheologie folgen?

Egal, wie Sie sich entscheiden, lieber Leser: Fakt ist jedenfalls, dass Zimmer damit den reformatorischen Grundsatz verlässt, dass die Schrift sich selbst auslegt („Sacra scriptura sui ipsius interpres“) und dass eine solche Theologie sich vollständig aus der Auslegungsgemeinschaft der weltweiten und der historischen Kirche verabschiedet mit allen schwerwiegenden Folgen, die das für die Theologie und für die von ihr geprägten Kirchen hat[27]:

Abschied aus der Auslegungsgemeinschaft der Kirche

Der christliche Glaube beruht nicht auf einer Sammlung von Ideen und Dogmen, auf einer Bewunderung für die Person Jesu oder auf einer gefühlten Begeisterung über die Liebe Gottes sondern zuerst einmal auf historischen Ereignissen[28], v.a. dem Leben, dem Sterben und der Auferstehung Jesu. Diese Ereignisse haben für Christen zentrale Heilsbedeutung. Sie standen deshalb im Zentrum der Verkündigung der ersten Christen (Joh. 20,30+31). Das führt natürlich zu der Frage: Was wird aus dem christlichen Glauben, wenn diese historischen Ereignisse in Frage gestellt werden?

Die Brisanz dieser Frage ist offenbar auch C&L bewusst. Sie schreiben deshalb: „So kann die Furcht aufkommen, die persönliche Glaubensüberzeugung werde beispielsweise durch die Infragestellung der historischen Zuverlässigkeit bestimmter Überlieferungen gefährdet. Dem steht die These gegenüber, Glaube und historische Erkenntnis gehörten grundsätzlich zwei verschiedenen Ebenen an.“[29] Diese These meint also: Der Glaube sei von historischen Erkenntnissen vollkommen unabhängig.

Die Formulierung ist wohl bewusst so vorsichtig gewählt. Denn natürlich ist diese These völlig unhaltbar. Selbstverständlich sind die theologischen Aussagen der Bibel immer mit dem historischen Handeln Gottes aufs engste und untrennbar miteinander verknüpft. Christliche Verkündigung ist ja gerade nicht primär ein moralischer Aufruf, etwas zu tun, sondern ein Zeugnis darüber, was Gott getan hat! Im Mittelpunkt steht die Tatsache: Christus starb für Dich! Das ist ein historisches Ereignis, ohne das alle sonstigen Lehren und Wahrheiten des Christentums nichts wert wären![30] Der Glaube wird entleert, wenn ihm der Bezug auf die historischen Ereignisse genommen wird, denn er kann sich dann auf nichts mehr beziehen. Auch unser Bild von Christus hängt untrennbar mit seinem Leben, seinen Wundern, seinem Sterben und seiner Auferstehung zusammen.[31] Wenn Christus nicht auferweckt ist, dann ist Predigt und Glaube vergeblich, sagt Paulus (1.Kor. 15,14). Das gilt auch heute noch. Wer die Historizität der biblischen Geschichten streicht, raubt dem Evangelium seine Basis, seine Kraft und verhindert den Gemeindebau.

Ein Christentum ohne Wunder und ohne Auferstehung ist deshalb ein Widerspruch in sich. Falls Schleiermacher und Co. die Theologie mit ihrer „Entmythologisierung“ tatsächlich retten wollten, so muss man heute feststellen: Sie haben der Theologie und der Kirche einen Bärendienst erwiesen. Sie haben den christlichen Glauben faktisch abgeschafft. Eine Theologie auf Basis der oben genannten Vorurteile rettet die Kirche nicht, sondern sie löst die zentralen Fundamente der Kirche auf. Sie hält die „Lehre der Apostel“ (Apg. 2,42) für menschlich und deshalb von vornherein für widersprüchlich, wie C&L schreiben: „Die Bibel enthält geschichtlich entstandene Dokumente, die – in großer Vielfalt theologischer Meinungen – den jüdischen bzw. christlichen Glauben bezeugen und darstellen.“ [32] Sie hält die Christologie der Urkirche für eine nachträgliche „Deutung“, kann aber gleichzeitig nichts Verlässliches sagen über die Christologie, die Jesus selbst hatte. Diese Theologie widerspricht also grundlegend den biblischen Aussagen und Bekenntnissen der weltweiten Kirche quer durch alle Jahrhunderte. Sie hat sich damit faktisch aus der Gemeinschaft der Kirche Jesu verabschiedet.

Katastrophale Folgen für die Kirche

Das Tragische ist, dass diese kirchenferne Theologie in weiten Teilen der westlichen Kirchen nach wie vor erheblichen Einfluss auf die Ausbildung der zukünftigen Gemeindeleiter ausübt. Da ist es keine Überraschung, was Christian Schwarz in seiner Analyse von tausenden von Gemeinden herausgefunden hat: „Das Theologiestudium hat eine stark negative Beziehung sowohl zum Wachstum als auch zur Qualität der Gemeinde.“ [33] Anders gesagt: Wenn ein Gemeindeleiter durch diese theologische Ausbildung gegangen ist, erhöht das messbar die Wahrscheinlichkeit, dass die Qualität und die Quantität der Gemeinde sinkt. Tatsächlich kenne ich kein Beispiel einer blühenden, wachsenden Gemeinde, in der der Pastor oder die Pastorin von der Kanzel predigt, dass Jesus gar nicht leiblich auferstanden ist, dass die biblischen Geschichten so gar nicht passiert sind und dass Gott in jeder Religion zu finden ist. Das rasche Schrumpfen aller westlichen Kirchen, die von dieser liberalen Theologie beeinflusst sind, untermauert dies eindrücklich.

Man kann deshalb nicht genug davor warnen, dass Formate wie Worthaus nun dafür sorgen wollen, dass diese Theologie auch noch in evangelikale Ausbildungsstätten, Gemeinschaften und Gemeinden hineingetragen wird.[34] Denn ganz sicher wird sie auch dort die gleiche Verwüstung hinterlassen, wie wir sie jetzt schon in den großen Volkskirchen mit ansehen müssen.

Die Bibel ermutigt uns, vor dieser Not zu warnen! Das Anprangern von Irrlehren ist in der Bibel eben keine „gnadenlose Frömmigkeit“ und keine „Suche nach schwarzen Schafen“ [35], sondern ein schützendes Eintreten für die intellektuell Schwachen, die nun einmal nicht durchschauen können, dass sich hinter vielen angeblich so objektiven, klugen und scheinbar wissenschaftlichen Lehren zutiefst unwissenschaftliche Vorentscheidungen verbergen, die man getrost ablehnen kann, ohne seinen Verstand an der Kirchengarderobe abgeben zu müssen.

Kann es eine konservative Bibel­wissenschaft geben?

Wie bereits dargelegt: Vorurteile („Prämissen“) sind grundsätzlich nichts Schlechtes, wenn man offen und ehrlich darüber spricht und transparent macht, auf welchen Grundlagen man zu welchen Schlussfolgerungen kommt. Das Problem bei C&L ist, dass die oben genannten Vorurteile kaum offen gelegt und praktisch überhaupt nicht diskutiert werden. Eine gute Bibelwissenschaft wird das anders machen. Wenn sie evangelikal und konservativ geprägt ist, wird sie offen über die Prämissen reden, die sie in ihrer Arbeit verwendet: Sie geht davon aus, dass Wunder und Offenbarungen möglich sind und dass die biblischen Autoren gemäß ihrem Selbstzeugnis tatsächlich verlässliche Wahrheit verkünden. Sie geht außerdem davon aus, dass sich die einzelnen Schriften theologisch nicht widersprechen, sondern ergänzen und insgesamt eine Einheit bilden[36]. Unter dieser Voraussetzung ist der verlässlichste Auslegungsschlüssel für die Bibel immer die Bibel selbst. Aus ihr können wir am besten lernen, wie die einzelnen Verse, Texte und Geschichten zu verstehen sind.

Eine weitere wichtige Hilfe wird in dieser Theologie nicht die Abkehr, sondern die bewusste Orientierung an den kirchlichen Bekenntnissen sein, die jeden Theologen einfügt in die Auslegungsgemeinschaft der ganzen Kirche Jesu in ihrem historischen Werdegang und ihm deshalb wertvolle Orientierung in der Auslegung der Bibel gibt.[37]

All das sind in gewissem Sinne „Vorurteile“ (Prämissen), für deren Sinnhaftigkeit man aber – wie oben geschildert – zahlreiche gute Argumente anführen kann. Schön wäre es, wenn es nun zu einem wissenschaftlichen Wettbewerb käme: Welche Prämissen führen zu einer schlüssigeren Integration aller vorliegenden Fakten? Wer kann die Daten in seinem Modell besser erklären? Das wäre echte, ergebnisoffene Wissenschaft, die es dem Außenstehenden auch leichter machen würde, die Argumente zu vergleichen und sich selbst ein Bild zu machen. Doch dafür müsste der evangelikale Ansatz erst einmal grundsätzlich anerkannt werden. Alle Bibelwissenschaftler müssten ihre „Vorurteile“ eindeutig und nachvollziehbar offenlegen und sich zugleich hüten vor der Gefahr des Stolzes, die natürlich in allen Lagern besteht. Gerade als Bibellehrer müssen wir alle den biblischen Ruf zur Demut immer wieder hören (Jak. 3,1; 1.Petr. 5,5; 1.Kor. 8,1!).

Der grundlegende Unterschied zwischen den theologischen Welten

Ein Kunsthistoriker, der davon ausgeht, dass ein Bild von einem kleinen Kind gemalt wurde, wird darin niemals eine ausgereifte Kunstfertigkeit erkennen. Ein Theologe, der in seiner wissenschaftlichen Arbeit Wunder und Offenbarung von vornherein ausschließt und seine Forschung so betreibt, als ob es Gott nicht gäbe („etsi Deus non daretur“ bzw. „methodischer Atheismus“) wird in der Bibel niemals Gottes verlässliches, offenbartes Wort erkennen. Wie grundlegend sich die aus diesen Vorurteilen resultierende Theologie von der traditionellen und reformatorischen Theologie unterscheidet, hat der Theologe J. Gresham Machen bereits im Jahr 1923 beschrieben:

„Wenn man die Wunder ablehnt, macht man aus Jesus die schönste Blume der Menschheit, die einen derartigen Eindruck auf seine Jünger machte, dass sie nach seinem Tod nicht glauben konnten, dass er wirklich tot war, sondern Halluzinationen hatten, die den Eindruck erweckten, er sei von den Toten auferstanden. Wenn man aber die Wunder annimmt, so glaubt man an einen Erlöser, der freiwillig auf diese Welt kam, um uns zu erlösen, am Kreuz für unsere Schuld litt, durch die Macht Gottes von den Toten auferstand und nun lebt, um für uns einzutreten. Der Unterschied zwischen diesen beiden Standpunkten ist der zwischen zwei vollkommen verschiedenen Religionen. Es ist höchste Zeit, das klarzustellen.“ [38]

Ist dieser tiefe Graben in der Theologie inzwischen kleiner geworden? 1999 gab Prof. A Lindemann, der Mitautor von C&L, dem  SPIEGEL ein eindrückliches Interview[39]. Darin sagte er: Im deutschsprachigen Raum kenne er keinen Exegeten, der die Evangelien für zuverlässige historische Zeugnisse hält. Seit Jahrzehnten würde kein ernst zu nehmender Exeget mehr behaupten, dass es sich bei den Evangelien um Lebensbeschreibungen Jesu handelt. Bis auf Ausnahmen würden die Exegeten übereinstimmen, dass kein Augen- oder Ohrenzeuge noch direkt zu uns spricht. Menschen mit Allgemeinbildung wüssten, dass die Geburtsgeschichten nicht wirklich geschehen sind. Nur wenige katholische Neutestamentler hielten noch an der Jungfrauengeburt fest. Jesus habe nicht an seine Existenz vor seiner Geburt geglaubt, sich nicht für Gottes Sohn gehalten, seinen Tod nicht als Sühnetod verstanden und das Abendmahl nicht eingesetzt. Keines der bekannten großen Wunder habe er tatsächlich vollbracht. Er sei nicht leiblich auferstanden, habe keinen Missionsbefehl erteilt und wollte keine Kirche gründen. Der christliche Glaube beziehe sich nicht auf das Selbstverständnis und die Verkündigung Jesu (diese habe dem christlichen Glauben z.T. sogar widersprochen). All das würden viele Exegeten so formulieren, weit mehr noch als vor 20, 30 Jahren.

Der evangelikale Theologe Armin D. Baum kommt aufgrund dieser Aussagen – ganz ähnlich wie J.G. Machen fast 100 Jahre zuvor – zu dem Schluss[40]: „Prof. Lindemann […] bestreitet in seinem SPIEGEL-Interview die christologische Kernaussage des Neuen Testaments, dass Jesus der Sohn Gottes war […] Und er bestreitet die Zentralaussage der neutestamentlichen Soteriologie, Jesus sei historisch von den Toten auferstanden […] Ob zwei Menschen den gleichen Glauben haben, lässt sich meines Erachtens nicht einfach daran ablesen, ob sie die gleichen Begriffe verwenden. Ein solches Urteil hängt davon ab, welche Inhalte sie mit den Begriffen meinen. Inhaltlich sind die Aussagen, die Prof. Lindemann und ich über das Heil in Christus treffen, bis zur Gegensätzlichkeit verschieden. Uns trennt ein garstiger breiter Graben, weil Prof. Lindemann das Christentum aus meiner Sicht in seinem Zentrum entkernt.“

Wenn Prof. Lindemann auch nur teilweise recht haben sollte mit seiner Behauptung, dass solche Ansichten die universitäre Theologie dominieren, dann bewegt mich eine grundlegende Frage: Warum verlangt meine evangelische Kirche von ihren zukünftigen Gemeindeleitern, bei der Ordination ein Gelübde auf Bibel und Bekenntnis abzulegen[41], lässt sie aber zuvor zumindest zum Teil von Theologen ausbilden, die den Bekenntnissen inhaltlich derart grund­legend und weitreichend widersprechen? Auf mich wirkt das so, wie wenn eine Metzgereikette seine Azubis zu überzeugten Veganern in die Lehre schickt und sich nachher wundert, warum die Kunden kein Fleisch mehr kaufen. Wie sollen unsere Gemeindeleiter Glauben wecken, wenn sie von Menschen ausgebildet werden, die selbst elementarste Botschaften der Bibel in Frage stellen oder – wie Prof. Lindemann – sogar offen ablehnen? Ich meine: Das kann nicht funktionieren. Und deshalb bin ich überzeugt: Ohne eine grundlegende theologische Erneuerung bleiben alle sonstigen Reformbemühungen der Kirche zwangsläufig zum Scheitern verurteilt.


Danke an Dr. Reinhard Junker, Prof. Dr. Dr. Daniel von Wachter und Dr. Gerrit Hohage für die fachlich kompetente Prüfung des Artikels und alle guten Anregungen, Kommentare und Korrekturen. 

Besonders zu empfehlen sind in diesem Zusammenhang die beiden Vorträge, die Prof. Dr. Dr. Daniel von Wachter (Direktor der internationalen Akademie für Philosophie am Fürstentum Liechtenstein) am 9.12.2017 in der STH Basel gehalten hat:

Im AiGG-Blog sind zu diesem Thema u.a. folgende weiterführende Artikel erschienen:


 

[1] Prof. Hansjörg Schmid hat das unter Theologen weit verbreitete Arbeitsbuch von C&L als „Bestseller und Klassiker“ bezeichnet (Christ in der Gegenwart 54 (2002) 41, S. 336f.). An der Humboldt-Universität Berlin wird aktuell an der 15. Auflage gearbeitet. Es wird also vermutlich auch zukünftig das Studium vieler Theologiestudenten prägen.

[2] H.Conzelmann A.Lindemann, Arbeitsbuch zum Neuen Testament 14. Auflage 2004, S. 3

[3] Siehe dazu mein Artikel: „4 Dinge, für die ich Atheisten bewundere“ (AiGG-Blog 2015)

[4] Immer wieder hört man die Aussage, nach der Aufklärung könne man nicht mehr so glauben und christlich lehren wie zuvor. In seinem äußerst empfehlenswerten Vortrag „Gab es die Aufklärung“ zeigt Prof. Daniel von Wachter, dass die dominierenden Thesen der Aufklärung letztlich ein Mythos und ein eingebürgertes Narrativ sind und keineswegs unser Verständnis des christlichen Glaubens beeinflussen oder gar zerstören müssen.

[5] Prof. Daniel von Wachter 2017: „Wunder sind keine Verletzung der Naturgesetze“

[6] Es ist natürlich gewagt, den Begriff der „liberalen Theologie“ zu verwenden und schwierig, ihn zu definieren. Insbesondere in den letzten Jahrzehnten ist der Begriff sehr zerfleddert. In diesem Artikel lehne ich mich an die Definition von Prof. Daniel von Wachter an, der in seinem Vortrag „Die Schlüsselvoraussetzung der liberalen Theologie“ die liberale Theologie als markante theologische Schule bezeichnet, die in etwa das vertritt, was die Theologen Schleiermacher, Troeltsch und Bultmann gemeinsam haben.

[7] Rudolf Bultmann 1933, 84f

[8] Rudolf Bultmann: Neues Testament und Mythologie. 1941, 18

[9] Fridrich Schleiermacher im Jahr 1829: „Der Begriff des Wunders wird in seiner bisherigen Art und Weise nicht fortbestehen können.“ Ernst Troeltsch im Jahr 1889: „[Es kann] keine Veränderung an einem Punkte eintreten […] ohne vorangegangene und folgende Änderungen an einem anderen, so dass alles Geschehene in einem beständigen korrelativen Zusammenhange steht und notwendig einen Fluss bilden muss, in dem Alles und Jedes zusammenhängt.“ (Über historische und dogmatische Methode in der Theologie) Zitiert im Vortrag „Die Schlüsselvoraussetzung der liberalen Theologie“ von Prof. Dr. Dr. Daniel von Wachter

[10] H.Conzelmann A.Lindemann, Arbeitsbuch zum NT 14. Auflage 2004, S. 524

[11] Worthaus-Vortrag „Auf der Suche nach dem historischen Jesus“ von Prof. Stefan Schreiber 2014

[12] Im Wortlaut formuliert Prof. Schreiber: „Diese Menschen, und zwar nicht nur einer sondern viele, waren der Meinung oder waren davon überzeugt, ihnen ist Jesus von Nazareth erschienen. Sie haben gesehen, dass er lebt. Sie haben erfahren, dass er lebt. Deswegen muss der noch lange nicht auf der Erde rumspaziert sein wie ein Gespenst oder so etwas. Das wäre dann eher wieder die alberne Variante. Also wenn ich jetzt meine Oma hier sehen würde, dann würde ich zum Arzt gehen, verstehen Sie? Da würde ich irgendwie denken, jetzt sollte ich mal wieder richtig schlafen oder so etwas. Darum geht’s nicht. Darum geht’s auch bei der Erweckung Jesu nicht. Die waren nicht einfach alle überreizt oder so etwas.“ (ab 1:23:28)

[13] Ausführlich erläutert in meinem Artikel: „Die Auferstehung Jesu: Fakt oder Fiktion? Der Indizienprozess“ (AiGG-Blog 2016)

[14] So sahen sich Mose und die alttestamentlichen Propheten als direkte Sprachrohre Gottes (z.B. Jer. 1,9). Jesus und die Autoren des NT haben diese Sichtweise voll bestätigt (Mt. 5,18; Hebr. 1,1; 2.Petr. 1,21). Paulus betonte, dass seine Lehre nicht menschlich, sondern eine direkte Offenbarung Gottes ist (Gal. 1,11-12). Und Johannes warnte eindringlich davor, auch nur minimale Änderungen an seinem Text vorzunehmen (Offb. 22,18-19).

[15] H. Conzelmann & A. Lindemann, Arbeitsbuch zum NT 14. Auflage 2004, S. 343

[16] Siehe dazu mein Artikel „Die Berichte des NT weisen alle Eigenschaften von frühen, authentischen Augenzeugenberichten auf“ (AiGG-Blog 2017)

[17] Dazu schreibt Armin D. Baum in Bibel und Gemeinde 100, Band 4 (2000): Wollten die Evangelisten Geschichte schreiben? […] Prof. Lindemann hat […] eine deutliche Antwort gegeben […]: „Es ist … ein Missverständnis der biblischen Texte, wenn sie als Tatsachenberichte aufgefasst werden”. Diese These halte ich für falsch. Einer der Evangelisten hat sich dazu, ganz im Stil der antiken Historiographie, ausdrücklich geäußert: „Es erschien mir gut, nachdem ich allem bis auf die Anfänge nachgegangen war, es exakt und der Reihe nach aufzuschreiben” (Lk 1,3). Und es ist meines Wissens kein einziger antiker Leser nachweisbar, der den Evangelien eine historische Absicht abgesprochen hätte.“

[18] H. Conzelmann & A. Lindemann, Arbeitsbuch zum NT 14. Auflage 2004, S. 354

[19] H. Conzelmann & A. Lindemann, Arbeitsbuch zum NT 14. Auflage 2004, S. 524

[20] Die These, dass die ersten Christen Jesus massenhaft Zitate nachträglich untergeschoben hätten kommentiert Prof. G. Schröter: „Ich halte es nicht für die feine Art, Jesus etwas in den Mund zu legen, damit der Text als wirkungsvoller empfunden wird. […] Natürlich gibt es bis heute hier und da Kujaus, Plagiatoren, Abschreiber und „Als-ob-Formulierer”. Aber sollten gerade die ersten Christen, die zu strikter Wahrheitsliebe aufriefen, so gehandelt haben? Mitnichten!“ (in „Und die intellektuelle Redlichkeit?“, Bibel und Gemeinde 100, Band 2, 2000)

[21] H. Conzelmann & A. Lindemann, Arbeitsbuch zum NT 14. Auflage 2004, S. 464

[22] Dem hier vorgestellten „Differenzkriterium“ wird heute meist das „Kriterium der vielfachen Bezeugung“ (Erscheinen in verschiedenen Gattungen/unabhängigen Quellen) sowie das „Kohärenzkriterium“ (Ähnlichkeit zu anderen Stellen, die den beiden erstgenannten Kriterien entsprechen) beigestellt. Auch das neuere „historischen Plausibiltätskriterium“ überwindet das Differenzkriterium nicht, es erscheint dort unter den Namen „Tendenzwidrigkeit“ und „kontextuelle Individualität“ (nachzulesen z.B. hier).

[23] H. Conzelmann & A. Lindemann, Arbeitsbuch zum NT 14. Auflage 2004, S. 495

[24] „Auf der Suche nach dem historischen Jesus“ Worthaus-Vortrag von Prof. Stefan Schreiber 2014

[25] „10 Gründe, warum es auch heute noch vernünftig ist, der Bibel zu vertrauen“ (AiGG-Blog 2016)

[26] Worthaus 5.8.2 Prof. S. Zimmer 2015

[27] Dazu schreibt der Theologe Holger Lahayne in seinem grundlegenden Artikel von 2016 „Solo oder sola scriptura“: „Es wäre völlig töricht, all die in zweitausend Jahren angesammelten theologischen Lehren in Gänze beiseite zu schieben. Denn darin würde sich ein ungeheurer Hochmut ausdrücken. Schon immer haben Menschen die Bibel interpretiert, und sehr oft haben sie das Wort Gottes richtig gedeutet. […] Wenn die Tradition verachtet wird, wird es auch kaum möglich sein, an der Wahrheit Gottes in der Heiligen Schrift festzuhalten.“

[28] Der Begriff „historisch“ wird hier im Sinne von „was wirklich geschehen ist“ verwendet. In der klassischen historisch kritischen Methode gilt nach Troeltsch aber nur das als historisch, was den Kriterien der Kritik, Analogie und Korrelation (Begriffsdefinition siehe z.B. hier) standhält. Wunder wie die Auferstehung sind nach dieser Definition grundsätzlich von vornherein „unhistorisch“ und nicht wirklich geschehen. Zurecht sieht Prof. Rainer Mayer darin den Versuch, „ein rein innerweltliches, mithin atheistisches Wissenschaftsverständnis für die Theologie verbindlich zu machen. […] Diese Prinzipien behindern unvoreingenommene historische Untersuchung, weil sie aller Erkenntnis ein „Filter“ vorschalten, das von vornherein alles das als „unhistorisch“ aussondert, was nicht in das vorgefasste Wissenschaftsparadigma passt.“ Spätere Theologen haben den Wunderausschluss abgeschwächt mit der Aussage: Wunder könnten zwar geschehen sein, aber die Wissenschaft könne aus methodischen Gründen nichts über sie sagen. Damit wird aber nach wie vor die Möglichkeit, dass real geschehene Wunder die beste Erklärung für die historischen Fakten liefern könnten, von vornherein ohne Sachgründe aus dem wissenschaftlichen Diskurs ausgeschlossen und damit abgewertet.

[29] H. Conzelmann & A. Lindemann, Arbeitsbuch zum NT 14. Auflage 2004, S. 3

[30] Siehe dazu mein Artikel „Das Kreuz – Stolperstein der Theologie“ (AiGG-Blog 2018)

[31] Dazu schreibt Armin D. Baum in in Bibel und Gemeinde 101, Band 1 (2001): „Die Christologie der Evangelien ruht auf der Überzeugung, dass Jesus Wunder getan hat: Jesus von Nazareth hat sich seinen Zeitgenossen gegenüber durch Wundertaten ausgewiesen (Apg 2,22), und zwar sowohl als der in den Schriften verheißene Messias als auch als der einzigartige Sohn Gottes. Der Täufer ließ Jesus aus dem Gefängnis zweifelnd fragen, ob er der verheißene Messias sei. In seiner Antwort an den Täufer spielte Jesus darauf an, dass der Messias Jes 35,5-6 zufolge nicht nur einzelne Heilungswunder tun würde, wie die Propheten vor ihm, sondern sehr viele. Der Messias sollte an der enormen Fülle seiner Machttaten erkannt werden, die weit über alles hinausging, was man aus den heiligen Schrift über wundertätige Propheten wusste. Eine Identifizierung Jesu als Messias wäre diesem biblischen Konzept zufolge ohne Wunder nicht möglich gewesen.“

[32] H. Conzelmann & A. Lindemann, Arbeitsbuch zum NT 14. Auflage 2004, S. 3

[33] Christian Schwarz in  „Natürliche Gemeindeentwicklung“ 4. Auflage 2006, S. 25, in dem er die Ergebnisse seiner systematischen Untersuchung von 45.000 Gemeinden aus der ganzen Welt präsentiert

[34] So schreibt Christoph Schmieding in seinem Artikel „Was ist eigentlich „post-evangelikal?“: „Das von Siegfried Zimmer initiierte Worthaus Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, moderne Bibelwissenschaft in die evangelikalen Biotope zu tragen – und das mit Erfolg!“

[35] Jürgen Mette in seiner pro-Kolumne „Von Lämmern, Leithammeln und schwarzen Schafen“.

[36] Dazu schreibt Dr. Armin D. Baum: Im Unterschied zu dieser von ZIMMER befürworteten Hermeneutik geht ein evangelikales Schriftverständnis von der Annahme aus, dass die Bibel – bei aller Unterschiedlichkeit der innerbiblischen Gesprächsbeiträge – nicht nur in ihren zentralen Aussagen, sondern insgesamt eine theologische Einheit darstellt und als solche respektiert werden will.“ Ichthys 46 (2008), S. 82-83

[37] „Die Krise des Schriftprinzips ist also immer auch eine Krise des Bekenntnisprinzips.“ Holger Lahayne 2016 in „Solo oder sola scriptura

[38] J. Gresham Machen „Christentum und Liberalismus“ S. 129

[39] „Ist Jesus dem Glauben im Weg? SPIEGEL-Interview mit Prof. A. Lindemann vom 13.12.1999

[40] In „Geschichtsschreibung, Wunder und der christliche Glaube: eine Antwort an Prof. Lindemann“ in Bibel und Gemeinde 101, Band 1 (2001), S.30-37

[41] Aus der Urkunde über das Ordinationsgelübde der Nordelbischen Kirche: „…Er hat gelobt, […] das Evangelium von Jesus Christus zu predigen, wie es in der Heiligen Schrift gegeben und im Bekenntnis unserer evangelisch-lutherischen Kirche bezeugt ist…”

nonbiblipedia

Lasst mir bloß die Schatzkarte in Ruhe!

Oder: Warum ich liberale Theologie so belanglos finde

Der große Moment war gekommen. Die Schatzkarte wurde auf dem Tisch ausgebreitet. Und tatsächlich: Tief im Inneren der Insel war die Stelle markiert, an der der sagenhafte Schatz vergraben sein musste. Doch die leuchtenden Augen verdunkelten sich. Der Weg zum Schatz schien eng, steil und gefährlich zu sein. Gemurmel ging durch den Raum. „Gibt’s da eigentlich Geländer?“ „Da müssten wir ja erst mal trainieren.“ „Das kann man doch niemand zumuten.“ Erste grundlegende Zweifel wurden formuliert: „Man kann doch so eine alte Schatzkarte nicht einfach auf heute übertragen!“ „Mir kann doch keiner erzählen, dass es nur EINEN Weg zum Schatz geben soll!“ Dann wurde die Kritik grundsätzlicher: „Mit unseren heutigen Möglichkeiten finden wir sicher einen besseren Weg.“ „Und vielleicht ja auch ein besseres Ziel!” „Eben! Wer definiert überhaupt, was ein Schatz ist? Schöne Strände sind doch auch ein großer Schatz, oder?“ „Solange es ein schöner Weg ist, ist doch auch alles gut!” Jetzt waren sich alle einig: Diese Karte konnten sie unmöglich einfach so als Reiseroute verwenden. Stifte wurden gezückt. Doch bevor jemand etwas auf die Karte zeichnen konnte schlug Fred auf den Tisch. „Glaubt ihr ernsthaft, dass ihr den Weg besser kennt als der, der den Schatz vergraben hat? Lasst mir bloß die Schatzkarte in Ruhe! Ich gehe diesen Weg. Ich finde den Schatz. Ihr dürft euch solange gerne um schöne Wege und Strände kümmern. Dafür braucht ihr die Karte nicht. Im Internet gibt es Pläne ohne Ende.“ Mit diesen Worten nahm er die Karte und ging, um sich auf den Weg zu machen.

Der sagenumwobenste Schatz dieser Welt heißt: Ewiges Leben! Jeder hofft darauf. Aber kein Mensch weiß etwas Genaues darüber. Paulus hingegen hat behauptet:

„Ich bin ein Apostel von Jesus Christus, dazu berufen, […] die Wahrheit zu verbreiten, die zum Glauben führt. Diese Wahrheit schenkt die Hoffnung auf ewiges Leben.“
(Titus 1, 1-2a)

Ich will ehrlich mit Ihnen sein, lieber Leser: Mich interessiert halt nun mal vor allem dieser Schatz. Andere dürfen gerne für den Tierschutz, Klimaschutz, Gleichberechtigung, Karriere, Erfolg, Schönheit usw. leben. Ich will in erster Linie ewiges Leben haben. Und zwar nicht nur für mich (das wäre ja egoistisch) sondern auch für die Menschen um mich herum. Und da wir Menschen nun mal keine Ahnung über das Leben nach dem Tod haben und da es am Ende eben nur 1 objektive Wahrheit geben kann interessiert mich letztlich nur eins: Was hat Gott dazu gesagt?

Und jetzt kenne ich halt nur 1 Gruppe von Menschen, denen ich wirklich abnehme, dass sie tatsächlich Gott gehört haben: Die Autoren der Bibel! Sie behaupteten nicht nur ständig, das wahre Wort Gottes zu predigen. Sie waren auch noch bereit, für ihre Botschaft in den Tod zu gehen. Ihre Worte waren so kraftvoll, dass sie bis heute die Welt verändern – im Gegensatz zu so vielen hochtrabenden theologischen Theorien, von denen nach kurzer Zeit kein Mensch mehr spricht.

Ihr lieben Theologen, ihr habt so eine wichtige Aufgabe! Ich wünsche mir von euch, dass ihr mir helft, die Bibel, die Schatzkarte Gottes, besser lesen und verstehen zu können. Bitte fordert mich heraus, diesen biblischen Weg zu gehen. Konfrontiert mich damit, welche meiner Wege nicht zur biblischen Schatzkarte passen. Wenn ich eine Bibelstelle falsch verstehe dann zeigt mir bitte eine andere, die mich korrigiert. Und bitte warnt mich vor falschen Lehren und Lehrern, die mir Wege empfehlen, die von der Bibel abweichen. Ich finde es offen gesagt traurig, dass das so wenige von euch tun.

Aber wenn ihr euch stattdessen mehr mit anderen Theologen und theologischen Gedankengebäuden statt mit der Bibel beschäftigt, hilft mir das nicht wirklich weiter. Und wenn ihr euch über die Bibel stellt und anfangt, euren Verstand, eure Meinung, eure Erfahrung, den Zeitgeist, menschliche Erkenntnisse oder Bedürfnisse zum Schiedsrichter über richtig und falsch in der Bibel zu machen, dann bin ich raus. Denn ich glaube einfach nicht, dass ihr besser über das (ewige) Leben Bescheid wisst als die Apostel und Propheten, die uns Gottes Wort verkündigt haben.

Geradezu lächerlich finde ich es, wenn manche von euch meinen, sie könnten biblische Lehren mit ihrer Logik widerlegen. Mal ernsthaft: Wer von uns will denn beurteilen, ob die Möglichkeit einer ewigen Verdammnis, vor der Jesus uns so intensiv gewarnt hat, nicht doch auch Ausdruck von Gottes Liebe und Gerechtigkeit sein kann? Wer von uns wollte beurteilen, ob es nicht doch einen blutigen Sühnetod brauchte, um uns vor dieser Verdammnis zu bewahren? Wir verstehen ja nicht mal wie eine winzige lebende Zelle funktioniert. Und dann wollen wir definieren, wie Schuld, Vergebung, Erlösung, Gerechtigkeit und die Ewigkeit konstruiert sein muss, damit es für unsere erbärmlichen logischen Fähigkeiten akzeptabel ist? Ich finde: Hochmut ist gar kein Ausdruck für so eine menschliche Selbstüberschätzung.

Deshalb seid mir bitte nicht böse, dass theologische Theorien, die man nicht klar und deutlich mit der Bibel belegen kann, bei mir nur Schulterzucken auslösen (und übrigens nicht nur bei mir, wie man an den rapide schrumpfenden Kirchenmitgliederzahlen sieht). Feministische Theologie, Befreiungstheologie, transformative Theologie, tiefenpsychologische Theologie: Alle diese kurzlebigen theologischen Modewellen finde ich einfach nur belanglos, wenn sie primär menschlich und nicht biblisch getrieben sind. Ich liebe biblische Theologie! Die Bibel soll sich selber auslegen und selber definieren, wie sie richtig zu verstehen ist! Deshalb schlage ich von allen Büchern immer noch am liebsten die Bibel auf und hebe aus ihr die kostbaren Schätze, die mir verbrieft und verlässlich das Leben bringen. DAS finde ich spannend ohne Ende.

P.S. an alle die jetzt glauben, mir wäre die Not dieser Welt egal und mir ginge es nur ums Seelenheil: Mein Jesus hat gesagt, dass die in den Himmel kommen, die den Hungrigen zu essen geben, die Fremden aufnehmen, den Armen helfen und die Kranken und Kriminellen besuchen (Matth. 25, 31-45). Interessanterweise waren es ja gerade die Jesusnachfolger mit biblischer Perspektive, die so ungeheuer viel für unser aller Wohlstand, Gesundheit und Bildung getan haben (wie Vishal Mangalwadi in seinem „Buch der Mitte“ eindrücklich nachgewiesen hat). Vielleicht ja deshalb, weil genau diese biblische Ewigkeitsperspektive nicht nur an die Symptome sondern an die Wurzel der Nöte dieser Welt geht, nämlich an unsere Sündhaftigkeit und unseren Egoismus. Vielleicht wächst Gerechtigkeit in einer Gesellschaft ja viel mehr durch erneuerte Herzen statt nur durch Politik. Also bevor ihr euch über meine angebliche Weltflucht lustig macht würde ich sagen: Abwarten, wer am Ende wirklich mehr gegen die Not der Welt getan hat… J

Siehe auch:

C.H. Spurgeon: Ein Manifest für die Kirche von heute

Charles Haddon Spurgeon war ein englischer Baptistenpastor und gilt als einer der bekanntesten Prediger des 19. Jahrhunderts. 1891, 1 Jahr vor seinem Tod, nahm er zum letzten Mal an einer Konferenz seines Predigerseminars teil und hielt dort eine 3-teilige Predigt, die als sein „finales Manifest“ gilt.

Obwohl der Text mehr als 100 Jahre alt ist wirkt er brandaktuell. Die letzte Phase des Dienstes von Spurgeon war stark geprägt von seinem Kampf gegen die Ausbreitung der modernen Bibelkritik. Spurgeon war überzeugt davon, dass es für die Kirche von existenzieller Bedeutung ist, am Glauben an eine „wahre und wirkliche Inspiration der Heiligen Schrift“ festzuhalten. Für diese Überzeugung musste er viel Kritik einstecken und schmerzhafte Konflikte durchleiden. Zuletzt trat er aus dem Baptistenbund aus, weil er dort keine klare Abgrenzung mehr gegen das Vordringen der bibelkritischen Strömungen erkennen konnte.

Ich habe noch nie ein so glühendes, leidenschaftliches Plädoyer für das konsequente Festhalten an der Gültigkeit von Gottes Wort gelesen. Kleine Kostprobe gefällig?

„Man sagt uns, wir sollten einen Teil unserer altmodischen, überholten Theologie aufgeben, um den Rest zu retten. Wir sitzen in einem Wagen und fahren durch die russische Steppe. Die Peitschen knallen, und die Pferde galoppieren wie wild, aber die Wölfe sind uns auf den Fersen! Siehst du nicht die feurigen Augen? Wir sind in großer Gefahr. Was sollen wir tun?

Jemand schlägt vor, ein Kind hinauszuwerfen oder auch zwei. Solange sie das Baby fressen, können wir einen Vorsprung herausholen, aber wenn sie uns wieder einholen, was dann? Nun, sei ein Mann, wirf deine Frau hinaus! „Ein Mensch gibt alles her, was er besitzt, wenn er damit sein eigenes Leben retten kann.“
Du kannst fast alle Wahrheiten aufgeben in der Hoffnung, eine zu retten. Wirf die Inspiration hinaus, und lass die Kritiker sie verschlingen. […] Wirf die angeborene Verderbnis menschlicher Natur hinaus, die ewige Strafe und dann die Macht des Gebets.
Die Kutsche ist wunderbar erleichtert. Nun noch eins: Opfere das große Sühneopfer! Schluss mit der Sühne!
Brüder, dieser Rat ist niederträchtig und mörderisch. Diesen Wölfen entkommen wir ganz oder gar nicht. Wir wollen „die Wahrheit, die ganze Wahrheit, und nichts als die Wahrheit“ oder überhaupt nichts. Wir werden niemals versuchen, die Hälfte der Wahrheit zu retten, indem wir schließlich jeden Teil der Wahrheit hinauswerfen. Der „weise“ Rat, den man uns gegeben hat, bedeutet, Gott zu verraten und zu verkaufen und uns selbst bitter zu enttäuschen. Wir stehen mit allem, oder wir fallen. (S. 90-92)“

So viel Leidenschaft Spurgeon für dieses Thema auch hatte: Die Wichtigkeit der Gemeinde und die zentrale Bedeutung des Heiligen Geistes hielt er für noch wichtiger. Seine Überzeugung war: „Wenn der Heilige Geist gegangen ist, regiert der Tod, und die Kirche wird zum Friedhof.“ (S. 141) Immer wieder wird in solchen Zitaten deutlich: Hier spricht ein Praktiker, der nur 1 Ziel hat: Gott zu verherrlichen und Menschen mit diesem Gott bekannt zu machen.

Spurgeons „Finales Manifesto“ wurde 2014 an über zehntausend Pfarrer und Pastoren in England verteilt. Man kann sich nur wünschen, dass auch die deutsche Kirche die Worte dieses Kämpfers für das Evangelium hört. Sie hat es mehr als nötig. Spurgeon hat nicht mehr miterleben dürfen, dass die Bibelkritik zurückgedrängt wird. Hätte er gewusst, dass die westliche Kirche 120 Jahre später noch viel mehr als damals davon überschwemmt ist, wäre er sicher entsetzt gewesen. Denn eigentlich war er zuversichtlich, dass es eine Wende geben wird: „Wenn die Herrscher der Stunde dem viel erduldenden Volk nicht mehr den Mund verbieten können, gibt es eine Rückkehr zum früheren Glauben, und dann werden sie stärker als zuvor daran kleben.“ (S. 34) Könnte es sein, dass diese Stunde der Rückkehr doch noch kommt? Jetzt, da das Internet es ermöglicht, dass auch unstudierte Laien sich informieren, sich vernehmbar öffentlich äußern und liberalen Theologen entgegentreten können? Jetzt,  da immer offensichtlicher wird, in welchen Verfall die moderne Bibelkritik die Kirche führt? Es wäre sehr zu wünschen. Um der Kirche und um Gottes Ehre willen. Darum „Vorwärts, Christi Streiter, mit dem Schwert des Geistes, welches das Wort Gottes ist. Vorwärts in der lebendig machenden Kraft des Heiligen Geistes. Eine andere Kraft habt ihr nicht.“ (S. 156)

Das Buch „Finales Manifesto“ ist erschienen im fontis-Verlag.

Weitere Zitate von C.H. Spurgeon …

… zur Gültigkeit von Gottes Wort

Wenn wir im Wort Gottes keinen unfehlbaren Standard der Wahrheit haben, sind wir Seefahrer ohne Kompass. (S. 23)

Die Heilige Schrift ist im Reich Gottes wie Gott im Universum – vollkommen genug. In ihr ist alles Licht, ist alle Kraft geoffenbart, die der Mensch in geistlichen Fragen jemals brauchen könnte. (Seite 49)

Wir haben die Ernte gesehen, die auf unsere Aussaat folgt, und wir werden unser Saatgut nicht tauschen, nur weil das launische Diktat des Zeitgeistes es so will. (S. 59)

Die Menschen brauchen Predigten, die aus der Bibel gewachsen sind. (S. 74)

Wir wollen überzeugend sprechen, und deshalb sprechen wir schriftgemäß. Außerdem sind wir entschlossen, nichts zu predigen außer das Wort Gottes. (S. 75)

Man kann nicht den dunklen und ernsten Teil der Wahrheit auslassen, ohne die Kraft aller anderen Wahrheiten, die man predigt, zu schwächen. Wenn man den kommenden Zorn verschweigt, beraubt man die Wahrheit von der Errettung ihrer Strahlkraft und ihrer Dringlichkeit. (S. 95)

… zum Wesen und zum Auftrag von Gemeinde:

Eine Gemeinde ist ein seelenrettendes Unternehmen, oder sie ist nichts. (S. 118)

Wenn die Herde unter unserer Obhut nicht wächst, sollte es uns das Herz brechen. (S. 111)

Es war nie der Auftrag der Kirche, der Welt Unterhaltung zu bieten. (S. 26)

Glaubt mir, wenn eine Gemeinde nicht betet, ist sie tot. Das gemeinsame Gebet sollte nicht an letzter Stelle stehen, es sollte das Wichtigste sein. Eine Gemeinde steht und fällt mit ihrer Gebetsmacht. (S. 112)

In unseren Gemeinden sollte jeder Gott dienen. (S. 112)

… zur Bedeutung des Heiligen Geistes:

Wenn der Geist Gottes fehlt, wird sogar die Wahrheit zum Eisberg. (S. 139)

Immerzu, am Anfang, im Fortsetzen und beim Beenden jedes guten Werkes, verlasst euch ganz bewusst und wirklich und wahrhaftig auf den Heiligen Geist. Alles muss von ihm kommen, sogar das Bewusstsein dafür, dass ihr ihn braucht. Auch die Gebete, mit denen ihr ihn anfleht, müssen von ihm kommen. Ihr tut ein so geistliches Werk, so hoch erhaben über alle menschliche Macht, dass es euch eine garantierte Niederlage einbringt, wenn ihr den Heiligen Geist außer Acht lasst. Lasst den Heiligen Geist für eure Bemühungen die Conditio sine qua non sein. Geht so weit, ihm zu sagen: „Wenn du nicht selbst voranziehst, dann schick uns nicht von hier fort.“ (2. Mose 33, 15) (S. 143/144)

Wir sollten die Predigt so vorbereiten, als hinge alles von uns allein ab, und dann dem Heiligen Geist vertrauen im Wissen, dass alles nur von ihm abhängt. (S. 152)

Der Geist Gottes ist mit der Kraft der Arbeiter, er ist kein Freund der Faulenzer. (S. 152)

Siehe auch:

  • Pfusch am Bau – Wilhelm Busch erklärt den richtigen Umgang mit der Bibel

Mein Bruder: Mein Gott!?

Niemand kennt meine Schwächen und Fehler so gut wie meine Frau, meine Kinder, meine Eltern und meine Geschwister. Sie haben alle meine großen und kleinen Katastrophen live miterlebt. Sie haben darunter gelitten, wenn ich schusselig, vergesslich, faul, schlecht gelaunt, unordentlich, arrogant, egoistisch oder ängstlich war. Mein großes Glück ist: Sie lieben mich trotzdem! Aber was würde geschehen, wenn ich ihnen ab sofort erzählen würde, dass ich in Wahrheit ihr Gott und der Erlöser der ganzen Menschheit bin? Zuerst würden sie sich über mich lustig machen. Dann würden sie mich vermutlich zum Psychiater schicken – zur Not mit Zwangseinweisung.

Schon Jesus hat erlebt: Das Prinzip, dass ein Prophet nichts gilt im eigenen Land, gilt in der eigenen Familie potenziert (Matthäus 13, 57). Fremden Leuten kann man vielleicht etwas vormachen, aber den nächsten Verwandten auf keinen Fall. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein normaler Mensch jemals seine Familie davon überzeugen könnte, dass er nicht von dieser Welt ist.

Umso erstaunlicher ist deshalb, was der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus etwa im Jahr 93 n.Chr. über Jakobus, den leiblichen Bruder von Jesus, geschrieben hat:

„Er (d.h. der Hohepriester Hannas) versammelte den Hohen Rat zum Gericht und stellte vor diesen den Bruder des Jesus, der Christus genannt wird, mit Namen Jakobus, sowie noch einige andere, die er der Gesetzesübertretung anklagte und zur Steinigung führen ließ.“

Jakobus war in Jerusalem bekannt als einer der Hauptleiter der dortigen urchristlichen Gemeinde (Gal. 2, 9). Josephus berichtet hier, wie Jakobus im Jahr 62 n.Chr. für seinen Glauben hingerichtet wurde. Das führt uns direkt zur großen 1-Million-Euro-Frage:

Wie um alles in der Welt hat Jesus es geschafft, seinen kleinen Bruder Jakobus derart felsenfest davon zu überzeugen, dass er Gottes Sohn und der Retter der gesamten Menschheit ist?

Laut Wikipedia beantworten die meisten Gelehrten diese Frage wie folgt: „Im Hinblick auf 1. Korinther 15, 7 wird zumeist angenommen, dass Jakobus nach einer Auferstehungserscheinung zum Glauben gekommen ist.“ Hm, da frage ich mich: Wenn Jesus nur ein Mensch war, was für eine „Erscheinung“ könnte das dann gewesen sein? Die Theorie, dass „Visionen“ zum Glauben an die Auferstehung führten, ist schon bei den Jüngern Jesu extrem abenteuerlich. Aber bei Jakobus ist das noch einmal eine andere Nummer: Schließlich hatte er als Kind noch mit Jesus gespielt. Wahrscheinlich ist, dass er zumindest immer wieder auch ziemlich genervt war von ihm (so wie auch seine Eltern). Kein Wunder also, dass Jakobus zu Jesu Lebzeiten kein Nachfolger von Jesus wurde (siehe z.B. Joh. 7, 5). Und obwohl Jesus dann auch noch den verfluchten Tod am Kreuz starb soll eine „Erscheinung“ ihn plötzlich so umgedreht haben, dass er begann, seinen ehemaligen Spielkameraden als Gott und Messias anzubeten, Lieder zu ihm zu singen, erfolgreich trotz größter Widerstände eine Gemeinde zu seinen Ehren zu bauen und schließlich für den Glauben an ihn in den Tod zu gehen??

Ich will ganz offen sein: Dass “Erscheinungen” so etwas bewirken können kann glauben wer will, ich kann es nicht. Alles andere als eine echte, reale Begegnung mit dem von den Toten auferstandenen Jesus taugt nicht einmal ansatzweise, um einen derart drastischen Sinneswandel logisch nachvollziehbar erklären zu können.

Flavius Josephus war kein Freund des Christentums. Aber auch wenn er es ganz sicher nicht wollte: Mit seinem kleinen Bericht über Jakobus hat Josephus einen der stärksten außerbiblischen Beweise für die Wahrheit des Christentums geliefert, die wir kennen.

Siehe auch:

Die Bibel ist das Herzstück der westlichen Kultur

Wie ein Inder dem Westen sein wahres Erfolgsgeheimnis zeigt

Mit seinem “Buch der Mitte” hat der indische Philosoph, Sozialreformer und Theologieprofessor Vishal Mangalwadi ein einzigartiges Zeugnis für die Wirkungsgeschichte der Bibel in der westlichen Kultur vorgelegt. Da musste offenbar erst ein Inder kommen, um uns Europäern klar zu machen, wie entscheidend wichtig die Bibel für die Entwicklung praktisch aller Errungenschaften unserer westlichen Kultur war:

  • Lange Zeit (und in vielen Kulturen auch heute noch) galten die als Helden, die viele andere unterjochen konnten. Heute hingegen ehren wir Mitmenschlichkeit und den Einsatz für Schwache, Kranke und Arme. Dieser Wandel geht auf die biblische Lehre zurück, dass ALLE Menschen nach Gottes Ebenbild geschaffen und so sehr geliebt sind, dass sogar Gott selbst für jeden Menschen starb. Daraus wuchs die (von engagierten Christen betriebene) Abschaffung der Sklaverei, die Entwicklung des Gesundheitswesens und unser technischer Fortschritt – denn in anderen Kulturen wurde kein Bedarf gesehen, die unteren gesellschaftlichen Schichten von schwerer, entwürdigender Arbeit zu entlasten.
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  • Zum technischen und wirtschaftlichen Aufschwung trug entscheidend auch die biblische Lehre bei, dass für Christen ihr Beruf auch Berufung und „Gottesdienst“ ist und dass Geld klug und weitsichtig verwaltet werden muss. Eine entscheidende Basis für eine florierende Wirtschaft ist zudem Vertrauen und Ehrlichkeit – Werte, die in Europa erst durch die Bibel (genauer gesagt durch die großen postreformatorischen Erweckungsbewegungen) groß geworden sind, während in anderen Kulturen die Korruption grassiert, die jede wirtschaftliche Entwicklung blockiert.
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  • Die Allgemeinbildung aller gesellschaftlichen Schichten war in vielen Kulturen eine direkte Folge der Übersetzung der Bibel in die Landessprachen. Zahlreiche Gründungen von Schulen und Universitäten lassen sich auf Christen zurückführen.
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  • Die biblische Idee einer sinnvoll geordneten Schöpfung sowie der Auftrag an die Menschen, die Schöpfung zu verwalten, war die Basis für die fulminante Entwicklung der Naturwissenschaft im postreformatorischen Westen (die im Wesentlichen von gläubigen Christen begonnen wurde!), während Pantheismus, Fatalismus und die Abschätzigkeit gegenüber allem Materiellen in anderen Kulturen den wissenschaftlichen Aufstieg über Jahrtausende blockiert haben.
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  • Gerade die biblische Forderung nach Monogamie, vorehelicher Keuschheit und lebenslanger Treue hat die Frauen des christlichen Westens so frei, unabhängig und stark gemacht, dass eine Frauenrechtsbewegung entstehen konnte, was in diesem Ausmaß in keiner anderen Kultur je gelungen ist. Und vor allem hat die Bibel damit die Familien stark gemacht, die die Keimzelle einer gesunden Gesellschaft sind!
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  • Unsere Demokratie geht nicht – wie oft behauptet – auf die Griechen zurück (deren Idee, dass das Volk regieren soll, hat schnell im Chaos geendet). Sie entwickelte sich vielmehr aus dem biblischen Prinzip, dass das Gesetz regiert, dem sich sowohl das Volk als auch jeder Herrscher beugen muss. Entsprechend waren an der Entwicklung demokratischer Verfassungen zahlreiche Christen entscheidend beteiligt. Sie haben auch das Ideal eingeführt, dass Minister (=“Diener“) gemäß dem Vorbild Jesu dem Volk dienen müssen statt es zu unterjochen und auszubeuten.
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  • Toleranz und Freiheit entsteht in einer Gesellschaft nur auf dem Fundament einer gemeinsam akzeptierten höheren Wahrheit (die Humanismus und Aufklärung allein niemals hervorbringen kann). Atheismus und Relativismus verdammen eine Gesellschaft hingegen dazu, unter dem Meinungsdiktat fehlerhafter Menschen zu leben – was letztlich zwangsläufig in Konflikten endet.

Vishal Mangalwadi weist detailliert nach, wie sehr die Bibel das westliche Denken durchdrungen hat bis hinein in Kunst, Kultur, Musik und Literatur. Er zeigt auf Basis vieler Untersuchungen und persönlicher Erlebnisse, wie positiv die Bibel gewirkt hat und wie im Vergleich dazu Gesellschaften unter dem Einfluss anderer Religionen oder Ideologien gescheitert sind. Mit diesem Buch räumt Mangalwadi auch auf mit der irrigen und naiven Vorstellung, alle Kulturen wären gleich und die ungleiche weltweite Verteilung von Wohlstand und Menschenrechten wären primär ein Produkt von westlichem Imperialismus. Dabei kommt ihm zugute: Er ist nicht nur ein akademischer Theoretiker sondern hat selbst aufopferungsvolle Entwicklungshilfe im ländlichen Indien geleistet und dabei die Auswirkungen von Kultur und Religion praktisch erlebt.

Nachdem die mittelalterlichen westlichen Eliten bis zur Reformation mit Gewalt verhindert hatten, dass das normale Volk in seiner Sprache die Bibel lesen kann, ist es heute eine neue Elite, die dem Volk die Bibel dadurch wegnimmt, dass sie ihre Glaubwürdigkeit bestreitet und behauptet, dass man die Bibel nur mit wissenschaftlichen Mitteln richtig verstehen könne. An die Stelle von Gottes Wahrheit hat sie einen alles beherrschenden Relativismus gesetzt. Muss deshalb die Sonne über dem Westen wieder untergehen?

Das Buch der Mitte macht klar: Politiker können den Abstieg des Westens nicht verhindern. Was der Westen vielmehr braucht ist eine neue Erweckung und eine Hinwendung zu Gottes Wort, wie er sie unter Männern wie Jonathan Edwards und John Wesley schon mehrfach erlebt hat. Wer dieses Buch gelesen hat kann schon aus Liebe zur nächsten Generation gar nicht anders, als sich mit Leidenschaft für Erweckung und für die Hinwendung zur Bibel einzusetzen.

Für mich heißt das: Unsere Gesellschaft braucht wieder mutige Männer und Frauen, die den Zeitgeist mit Gottes ewiggültiger Offenbarung konfrontieren, die gegen alle Widerstände Gottes Wort lehren und verbreiten und die Menschen zur Umkehr rufen. Je länger wir im angepassten Kirchenschlaf verharren, umso herausfordernder und existenzieller wird auch im Westen die Auseinandersetzung zwischen Gottes Wahrheit und dem Zeitgeist, in die die Christen zu allen Zeiten und in allen Kulturen hineingestellt waren und sind. Packen wir’s an! Ein guter Beitrag dazu wäre, dieses außergewöhnliche und augenöffnende Buch selbst zu lesen und nach Kräften weiter zu verbreiten.

“Das Buch der Mitte” von Vishal Mangalwadi ist 2014 im Fontis-Verlag erschienen.

Siehe auch:

Die Berichte des NT weisen alle Eigenschaften von frühen, authentischen Augenzeugenberichten auf

Wie glaubwürdig sind die Texte des Neuen Testaments? Handelt es sich um authentische Augenzeugenberichte? Oder wurden die Berichte der Augenzeugen erst über viele Stationen weitergegeben und dabei (wie bei einem Telefonkettenspiel) immer stärker verfälscht, bevor sie aufgeschrieben wurden? Stammen Sie womöglich aus einer deutlich späteren Zeit und sogar aus einem anderen Land?

In seinen Vorträgen* belegt der Theologe und Direktor des Tyndale Studienzentrums in Cambridge Dr. Peter J. Williams, dass die Texte des Neuen Testaments alle Merkmale authentischer, unverfälschter und kenntnisreicher Augenzeugenberichte aufweisen:

1. Das passende Namensmuster

Jede Gesellschaft hat ihr eigenes Muster von besonders gängigen und häufig verwendeten Namen. Die im NT verwendeten Namen entsprechen sehr genau dem Muster üblicher Namen im Israel/Palästina aus der Zeit zwischen 330 v.Chr. und 200 n.Chr., wie man es aus antiken Schriften und Grabstätten rekonstruieren konnte (Quelle: Bauckham, Jesus and the Eyewitnesses).

Dass das NT exakt das richtige Namensmuster verwendet ist ein besonders guter Beleg für seine Authentizität. Namen haben keinen logischen Zusammenhang mit Personen, deshalb werden sie besonders leicht vergessen! Es war zur damaligen Zeit praktisch unmöglich, ein fremdes Namensmuster aus einem fremden Land und einer fremden Zeit so exakt zu imitieren. Tatsächlich weichen die Namensmuster der deutlich später entstandenen apokryphen Evangelien auch deutlich ab.

2. Die häufige Verwendung des Namens „Jesus“ statt „Christus“

Es gibt viele Hinweise darauf, dass schon ab dem Jahr 50 n.Chr. Jesus immer häufiger primär als „Christus“ und nicht mehr in erster Linie als „Jesus“ bezeichnet wurde (z.B. schon sichtbar in den Briefen von Paulus). Die Tatsache, dass in den Evangelien aber noch sehr häufig die ursprüngliche Bezeichnung „Jesus“ steht, spricht für den frühen Ursprung der zugrundeliegenden Quellen. Die apokryphen Evangelien Philippus, Judas, Petrus und Maria verwenden im Gegensatz dazu den Namen Jesus kaum noch oder gar nicht mehr.

3. Die Bezeichnung Jesu als „Menschensohn“

Jesus bezeichnet sich in den Evangelien immer wieder als „Menschensohn“ – ein Begriff, der in späteren Zeiten deutlich seltener bzw. z.T. überhaupt nicht mehr verwendet wurde und entsprechend in den meisten apokryphen Evangelien weit überwiegend fehlt. Auch das spricht für den frühen Ursprung der 4 Evangelien des NT.

4. Die authentischen Namenszusätze

Jesus war damals der sechsthäufigste Name in Israel. Um ihn von seinen vielen gleichnamigen Zeitgenossen unterscheiden zu können mussten die Menschen damals Namenszusätze machen (z.B. J. aus Nazareth, J. aus Galiläa etc.). In den Evangelien lässt sich beobachten: Die Autoren legen tatsächlich den Menschen aus dem Volk, die über Jesus reden, immer solche Namenszusätze in den Mund – eine Feinheit, an die man aus der Distanz heraus kaum denkt, wenn man später solche Geschichten über Jesus erfindet.

5. Die Bezeichnung der Nachfolger Jesu als „Christen“

Die Bezeichnung „Christ“ für einen Nachfolger Jesu stammt nicht aus der christlichen Bewegung selbst, sie wurde vielmehr von außenstehenden Beobachtern erfunden und erst später von den Christen selbst übernommen (so wie es auch z.B. bei den Quäkern oder den Methodisten war). Das Neue Testament verwendet den Begriff „Christ“ lediglich an 3 Stellen (Apg. 11, 26; Apg. 26, 28; 1. Petr. 4, 16), wobei es in den beiden Stellen in der Apostelgeschichte Außenstehende sind, die diesen Begriff verwenden. Das ist ein starkes Argument dafür, dass die Texte des NT noch aus der frühen Zeit stammen, in der die Christen diese Bezeichnung noch nicht für sich selbst übernommen hatten.

6. Die Verwendung von Gleichnissen

Jesus lehrt in den Evangelien immer wieder in Gleichnissen. Dieses Stilmittel kommt schon in den Briefen des NT praktisch nicht mehr vor. In der Lehre der Urkirche waren Gleichnisse nicht üblich und nicht gängig. Spätere Autoren hätten Jesus deshalb wohl keine Gleichnisse in den Mund gelegt.

7. Die häufigen Ortsnamen und die genauen Ortskenntnisse

Die 4 Evangelien verwenden – ganz im Gegensatz zu den apokryphen Evangelien – häufig Ortsnamen, auch von sehr kleinen und unbedeutenden Orten. In den 4 Evangelien kommen jeweils 12 – 14 Ortsnamen vor (insgesamt 23). Unter den zahlreichen apokryphen Evangelien finden sich außer der ganz vereinzelten Verwendung von Jerusalem und Nazareth praktisch überhaupt keine Ortsnamen.

Bemerkenswert ist, dass das Verhältnis zwischen der Anzahl der Wörter und der Ortsnamen in allen 4 Evangelien praktisch identisch ist:

Das ist eigentlich nur dadurch erklärbar, dass alle 4 Evangelien den gleichen Charakter haben, nämlich dass sie alle gleichermaßen auf authentischen Berichten kenntnisreicher Augenzeugen beruhen.

8. Gute Ortskenntnisse

Außer der Verwendung vieler Ortsnamen beweisen die Evangelisten auch, dass sie gut vertraut sind mit den örtlichen Gegebenheiten. So wurde z.B. nachgewiesen, dass es in Jericho (im Gegensatz zu anderen Regionen) tatsächlich Maulbeerfeigenbäume gab, wie der Evangelist Lukas in der Geschichte von Zachäus berichtet (Lukas 19, 4). Viele weitere Schilderungen örtlicher Gegebenheiten konnten inzwischen durch archäologische Forschungen bestätigt werden.

9. Frauen, Zweifel, strahlende Engel: Elemente, die niemand erfinden würde

Die Auferstehungsberichte enthalten Elemente, die damals niemand verwendet hätte, wenn er einen Auferstehungsbericht erfunden hätte: So sind in allen Evangelien Frauen die ersten Zeugen der Auferstehung, obwohl Frauen damals als Zeugen keinerlei Glaubwürdigkeit zugebilligt wurde. Die Evangelien berichten, dass die Jünger selbst dann noch Zweifel an der Auferstehung hatten, als sie Jesus sahen. Das würde niemand betonen, wenn er bei seinen Lesern Zweifel zerstreuen möchte. Seltsam ist weiterhin, dass in den Auferstehungsberichten zwar die Engel strahlend und leuchtend dargestellt werden, nicht aber Jesus, obwohl er doch die Hauptperson ist und nicht die Engel. Alle das würde man in erfundenen Geschichten nicht erwarten.

10. Unterschiedliche Erzählungen, aber identische Kernaussagen und Zitate

Wenn Zeugen sich untereinander absprechen merkt man das an den allzu identischen Zeugenaussagen. Echte unabhängige Zeugenaussagen sind normalerweise ziemlich unterschiedlich aufgrund der verschiedenen Perspektiven und der verschiedenen Wahrnehmung. Wären die Auferstehungsberichte der 4 Evangelien vollkommen identisch müsste man davon ausgehen, dass sie entweder geglättet oder alle von 1 einzigen Zeugenaussage kopiert wurden. Jedoch gibt es in den Berichten erhebliche Unterschiede, was belegt: Hier liegen definitiv unabhängige Zeugenaussagen vor. Trotzdem sind die Kernaussagen der Berichte identisch und auch die scheinbaren Widersprüche lassen sich bei genauem Hinsehen durchaus erklären und harmonisieren. Außerdem gibt es v.a. bei Zitaten einige fast wortwörtliche Übereinstimmungen (z.B. kommt der Satz „Er ist nicht hier; er ist auferstanden“ sowohl bei Matthäus, Markus als auch bei Lukas vor). Dieses Muster aus Unterschieden und Übereinstimmungen spricht stark dafür, dass hier unabhängige Zeugen vom gleichen Geschehen berichten.

11. Passende, sich ergänzende Details in verschiedenen Berichten

Ein Vergleich der 4 Berichte in den 4 Evangelien zum Wunder der Brotvermehrung zeigt: Die Berichte enthalten Details, die für sich genommen belanglos erscheinen, insgesamt aber ein schlüssiges Gesamtbild ergeben:

  • Markus 6, 39 / Johannes 6, 10: Es gibt viel grünes Gras
  • Markus 6, 31: Viele kamen und gingen.
  • Johannes 6, 4: Es war Passahzeit (also eine Zeit, in der Viele unterwegs sind, um nach Jerusalem zu pilgern. Und eine Zeit am Ende der niederschlagsreichen Phase, in der es viel grünes Graß gab).
  • Johannes 6, 5: Jesus fragt Philippus, wo man Brot kaufen kann
  • Johannes 6, 7-8: Philippus und Andreas antworten
  • Lukas 9, 10: Die Brotvermehrung spielte sich nahe Bethsaida ab
  • Johannes 1, 44: Philippus und Andreas kommen aus Bethsaida (also kein Wunder, dass Jesus gerade Philippus fragt und warum er und Andreas antworten)

Dass sich die im jeweiligen Text enthaltenen scheinbar belanglosen Details zu einem schlüssigen Ganzen zusammenfügen lassen spricht in besonderem Maße für die Authentizität der Berichte.

Fazit: Die genannten Fakten stellen im strengen Sinn natürlich keine Beweise für die Verlässlichkeit der Berichte des Neuen Testaments dar. Aber Tatsache ist: Wenn sie vor der Niederschrift erst über viele Stationen weiter gegeben und dabei durch Betrug oder Inkompetenz verfälscht worden wären, dann würde man einen solchen Befund keinesfalls erwarten. Die Berichte des Neuen Testaments weisen vielmehr durchgängig alle Eigenschaften von frühen authentischen Augenzeugenberichten auf. Es gibt keinen sachlichen Grund, ihre Vertrauenswürdigkeit in Frage zu stellen.

*: Dieser Artikel basiert hauptsächlich auf 2 Vorträgen von Dr. Peter J. Williams:

Warum wir der Bibel vertrauen können 10: Der göttliche Anspruch

Allein schon aufgrund der Schönheit der Bergpredigt halten viele Menschen Jesus für einen weisen Lehrer. Auch Paulus, Petrus oder die alttestamentlichen Propheten würden nicht wenige Zeitgenossen so einstufen. Das Problem dabei ist: Jesus sah sich selbst nie als einen weisen Lehrer, ebenso wenig Paulus, Petrus oder die Propheten. Vielmehr nehmen alle biblischen Autoren für sich in Anspruch, dass ihre Aussagen direkt von Gott kommen. So sahen sich Mose und die alttestamentlichen Propheten als direkte Sprachrohre Gottes. Paulus betonte, dass seine Lehre nicht menschlich sondern eine direkte Offenbarung Gottes ist. Jesus sah sich gar selbst als Gott. Aufgrund dieses göttlichen Anspruchs wurde er gekreuzigt!

Es gab viele kluge Lehrer in der Geschichte. Aber keiner von ihnen sagte von sich selbst, dass er Gottes Worte verkündigt oder Gott ist. Somit geben uns die Texte der Bibel nicht die Möglichkeit, sie als weise menschliche Lehre einzuordnen. Es bleiben uns stattdessen nur 3 Optionen im Umgang mit der Bibel:

  1. Die Bibel ist das Werk von religiösen Schwärmern und Spinnern, die sich selbst oder ihre Botschaft für göttlich hielten.
  2. Die Bibel ist der größte und dreisteste Betrugsfall der Weltgeschichte.
  3. Die Bibel ist tatsächlich Gottes Wort.

Angesichts der komplexen und ausgefeilten Theologie und der herausragenden Ethik stellt sich in Bezug auf Option 1 natürlich die Frage: Kann das wirklich das Werk durchgeknallter religiöser Spinner sein? Mir scheint, dass das niemand ernsthaft annehmen kann.

Bleibt also die Option des großen Betrugs, dessen Ausmaß und Heimtücke man sich kaum vorstellen kann: Zahlreiche Menschen waren daran beteiligt. Sie alle müssen – teilweise in Absprache miteinander – entschlossen gewesen sein, das Volk Israel bzw. sogar die ganze Weltbevölkerung an der Nase herumzuführen und ihnen eine große religiöse Geschichte aufzutischen, die in Wahrheit nichts als ein Märchen ist. Schon Mose hätte damit begonnen, als er die 10 Gebote heimlich verfasst hat (u.a. mit dem Gebot, dass man nicht lügen darf!) und sie dann dem Volk Israel als von Gott selbst geschriebene Tontafeln verkaufte. Extrem dreist waren die alttestamentlichen Propheten, die zwar selbst Gottes Stimme nicht hören konnten aber permanent vor falschen Propheten warnten, die genau das gleiche taten wie sie selbst. Ebenso schlimm waren die jüdischen Gelehrten, die die prophetischen Texte im Nachhinein adelten durch das heimliche Einfügen angeblicher Vorhersagen. Am meisten fassungslos machen muss uns jedoch der gemeinsame Komplott der Jünger Jesu, als sie die Story von der Auferstehung, den Wundern, der Jungfrauengeburt in Betlehem und den Lehren und Vorhersagen Jesu erfanden und gemeinsam in alle Welt hinaustrugen.

Die großen Probleme dieser Lügentheorie haben wir ja bereits besprochen: Wer hatte etwas von all diesen Lügen? Und ist es überhaupt denkbar, dass ein Werk mit einer so komplexen Theologie und herausragenden Ethik von einer Horde Betrüger verfasst wurde?

Wir können diese Fragen mit naturwissenschaftlichen Mitteln niemals endgültig klären. Aber nüchtern gesehen muss man anerkennen: Die erfolgreiche Verbreitung in der Region und der Zeit der Augenzeugen, die zahllosen erfüllten Vorhersagen, die durchgängige Geschichte, das zutreffende Menschen- und Weltbild, das einzigartige Gottesbild und die herausragende Ethik kombiniert mit dem göttlichen Anspruch passt weder zu klugen Theologen noch zu religiösen Spinnern oder Betrügern. Übrig bleibt dann aber nur die Erklärung, dass hier tatsächlich Gott gesprochen hat.

All das belegt: Der christliche Glaube basiert nicht auf Märchen, Legenden oder Phantasie. Er kann sich auf Fakten berufen: Auf ein leeres Grab, auf zahlreiche Zeugen, die für diese Botschaft ihr Leben ließen und auf ein Buch, das in der Welt seinesgleichen sucht.

C.S. Lewis war einer der größten englischen Autoren und Literaten des 20. Jahrhunderts. Er war ein Freund Tolkiens und hat die berühmten Narnia-Bücher verfasst. Im Lauf seines Lebens hat er sich durch die Beschäftigung mit der Bibel vom Atheismus zum Christentum bekehrt. Ich möchte mein Plädoyer für die Vertrauenswürdigkeit der Bibel beschließen mit einem Zitat aus seinem Buch „Pardon – ich bin Christ“. Darin begründet dieser kluge Denker seine Hinwendung zum christlichen Glauben mit den folgenden Sätzen:

„Damit versuche ich, jedermann vor dem wirklich läppischen Einwand zu bewahren, er sei zwar bereit, Jesus als großen Morallehrer anzuerkennen, aber nicht seinen Anspruch, GOTT zu sein. Gerade das können wir nicht sagen. Ein Mensch, der nur ein Mensch ist, der solche Dinge wie Jesus sagt, wäre kein großer Morallehrer. Er wäre entweder ein Irrer – (auf der Ebene eines Menschen, der sagt, er wäre ein gekochtes Ei) – oder der Satan in Person. Wir müssen uns deshalb entscheiden: Entweder war (und ist) dieser Mensch Gottes Sohn, oder er war ein Narr oder Schlimmeres. Man kann ihn als Geisteskranken einsperren, man kann ihn verachten oder als Dämon töten. Oder man kann ihm zu Füßen fallen und ihn Herr und Gott nennen. Aber man kann ihn nicht mit gönnerhafter Herablassung als einen großen Lehrer der Menschheit bezeichnen. Das war nie seine Absicht, diese Möglichkeit hat er uns nicht offengelassen.

So stehen wir nun vor einer erschreckenden Alternative. Entweder war (und ist) dieser Mann, von dem wir reden, genau der, der er zu sein behauptete, oder er war ein Irrer, wenn nicht Schlimmeres. Nun scheint es mir allerdings klar, dass er weder ein Irrer noch ein Teufel war; das bedeutet dann aber, dass ich anerkennen muss, dass er Gott war und ist – auch wenn mir das seltsam oder furchterregend oder einfach unwahrscheinlich vorkommt. Gott ist in menschlicher Gestalt auf diese feindbesetzte Erde gekommen.“

Warum wir der Bibel vertrauen können 9: Die herausragende Ethik

Unbestritten ist die Bergpredigt ein Meisterwerk der Weltliteratur. Jesu Lehre über die Feindesliebe war und ist bis heute so revolutionär, dass selbst Angehörige anderer Religionen sich davon inspirieren und prägen ließen und sie als ultimativen Maßstab für moralisches Handeln sehen.

Unbestritten ist ebenso, dass es kein Regelwerk gibt, das eine vergleichbare Ausstrahlung auf die gesamte Menschheit hat wie die mosaischen 10 Gebote. Noch viele weitere biblische Passagen gelten im Bereich der Ethik bis heute als grundlegend:

  • Mit der Lehre, dass der Mensch ein Ebenbild Gottes ist, hat die Bibel die Grundlage für die individuelle, unveräußerliche Würde jedes Menschen gelegt. Rassismus und Diskriminierung sind mit der Bibel nicht vereinbar, weil alle Menschen gleichermaßen Geschöpfe Gottes sind.
  • „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut ihr ihnen auch!“ Dieser Ausspruch Jesu ist als die „goldene Regel“ berühmt geworden und gilt als ethischer Grundpfeiler.
  • Mit seiner Lehre über Vergebung (z.B. im Vater Unser) hat Jesus die Grundlage für Versöhnungsprozesse gelegt.
  • Jeus Lehre über praktizierte Nächstenliebe (z.B. im Gleichnis vom barmherzigen Samariter) legte die Grundlage für Diakonie und praktizierte Mitmenschlichkeit.
  • Die Fußwaschung ist bis heute DAS Zeichen, dass Leiter ihre Untergebenen nicht beherrschen sondern dienen sollen (weshalb wir heute Regierungs­mitglieder „Minister“ = „Diener“ nennen).
  • Selbst das alttestamentliche Prinzip von „Auge um Auge und Zahn um Zahn“ erweist sich bei genauer Prüfung nicht als archaisches Faustrecht sondern als ein gewaltiger Fortschritt in der Rechtsgeschichte, weil hier das verbreitete Prinzip der Blutrache („Ich bringe Dich um, wenn Du mich schlägst“) durch eine Verhältnismäßigkeit von Vergehen und Strafe ersetzt wurde.

In seinem “Buch der Mitte” hat der indische Philosoph Vishal Mangalwadi eindrucksvoll nachgewiesen, dass die enormen Fortschritte in Technik, Wissenschaft, Wirtschaft, Demokratie bis hin zum Gesundheitswesen und den Frauenrechten in der westlichen Welt letztlich alle auf den Einfluss der Bibel zurückzuführen sind.

Trotzdem steht die Bibel heute im Verdacht, überkommene ethische Maßstäbe zu lehren, vor allem im Bereich der Sexualethik. Die Forderung, Sexualität ausschließlich im Rahmen einer Ehe zwischen Mann und Frau auszuleben und sich ein Leben lang treu zu bleiben gilt seit dem Siegeszug der „sexuellen Befreiung“ als veraltet. Moderne Sexualkunde propagiert vielmehr die gleichberechtigte Vielfalt unterschiedlichster Lebensentwürfe und Sexualpraktiken. Statt Jugendliche zu lebenslangen Treuepartnerschaften zu ermutigen gilt die „traditionelle“ Familie bestenfalls noch als ein Modell von vielen. Aber ist das gegenüber der biblischen Sexualethik wirklich ein Fortschritt?

Bekanntermaßen sind die Versuche der sog. „68iger“, die traditionelle Familie durch kommunitäre Strukturen zu ersetzen, kläglich und schmerzlich gescheitert. Experten machen im Rahmen der sog. Bindungsforschung immer lauter darauf aufmerksam, dass die Geborgenheit bei festen Bezugspersonen für eine gesunde Entwicklung eines Kindes absolut essenziell ist. Wenn Familien zerbrechen oder gar nicht erst entstehen hat das zwangsläufig massive Auswirkungen auf die nächste Generation.

Anfang der 1930er Jahre beschäftigte sich der Anthropologe und Ethnologe Joseph D. Unwin mit der Frage, welche Konsequenzen es hat, wenn eine Gesellschaft ihre moralischen Normen zugunsten von sexueller Freizügigkeit aufgibt. Die Ergebnisse seiner Analyse von 86 verschiedenen Gesellschaften überraschten ihn selbst: Unwin fand einen strikten Zusammenhang zwischen dem Maß an sexueller Regulierung und dem Grad an kultureller Entwicklung. Aufsteigende Kulturen waren demnach stets geprägt von vorehelicher Keuschheit und Monogamie. Nach Einführung von sexueller Freizügigkeit dauerte es nach seiner Beobachtung höchstens 3 Generationen, bis ein kultureller Abstieg folgte. Sollte sich das bestätigen wäre es nur ein weiteres Beispiel dafür, wie herausragend und heilsam die Ethik der Bibel in Wahrheit ist.

Das führt zu der Frage: Woher hat dieses uralte Buch nur all diese beeindruckenden Weisheiten für ein gelingendes Zusammenleben der Menschen? Woher hat es diese ungeheure Ausstrahlung, die bis heute die Welt weit mehr beeinflusst und mehr Menschen fasziniert als jedes andere Buch? Die weitaus schlüssigste Erklärung ist für mich: Dieses Buch stammt von dem, der uns als unser Schöpfer besser kennt als jeder Andere und der deshalb genau weiß, wie unser Zusammenleben am besten funktioniert. Wir tun gut daran, auf dieses Buch zu hören!

Warum wir der Bibel vertrauen können 10: Der göttliche Anspruch

Vertiefend zu diesem Thema:

Warum wir der Bibel vertrauen können 8: Das einzigartige Gottesbild

Kein Land hat mich je so fasziniert wie Israel. Aber traurig fand ich, dass viele Plätze, an denen Jesus gewirkt hatte, heute überbaut sind mit prächtigen Kirchen. Überall sieht man Marmor, Gold und Silber, so als ob die Kirchenbauer die Armut und Einfachheit Jesu im Nachhinein korrigieren und Jesus den Pomp, Glanz und Gloria verleihen wollten, der sich aus ihrer Sicht wohl gehört für einen König.

Ganz offensichtlich tun wir Menschen uns enorm schwer damit, wie Jesus war. Er hat die menschlichen Vorstellungen von einem Herrscher vollkommen auf den Kopf gestellt:

Das Bild, das Jesus von Gott zeichnete, war revolutionär. Niemand konnte sich Gott damals als einen Vater vorstellen, der uns Menschen trotz völligem Versagen voller Liebe entgegenrennt, bedingungslos vergibt und ein rauschendes Fest mit uns feiert (Lukas 15, 11-32).

Während Religion überall in der Welt bedeutet, dass Menschen die unterschiedlichsten Dinge tun müssen, um vor Gott bestehen zu können ist es beim Gott der Bibel genau umgekehrt: ER erniedrigt sich und tut am Kreuz selbst alles, damit wir vor Gott bestehen und in einer Liebesbeziehung mit ihm leben können!

Die große Frage ist: Wie ist dieses einzigartige Bild vom liebenden Vater-Gott sowie die Theologie vom stellvertretenden Sühnetod seines Sohnes und von der Erneuerung des menschlichen Herzens durch den Heiligen Geist entstanden? Wer hat das erfunden und warum?

Die Juden hatten ja etwas völlig Anderes erwartet, nämlich einen mächtigen Messias, der die Römer vertreibt. Als Jesus den von Gott verfluchten Tod am Kreuz starb war das für die führenden Juden der endgültige Beweis dafür, dass Jesus definitiv nicht der Messias sein konnte. Tatsächlich galt das Kreuz in der Antike als so entehrend, ekelerregend und abstoßend, dass es in der Urkirche nicht gezeigt wurde (es wurde erst im 5. Jahrhundert das Symbol der Christen). Und für die Griechen war die Idee eines sterbenden Gottes ohnehin absurd. Kein Wunder, dass Paulus schrieb, dass die Botschaft vom Kreuz in den Augen seiner Zeitgenossen ein Ärgernis und eine Torheit war!

Fakt ist: Wir finden weder zur Zeit Jesu noch davor vergleichbare theologische Ideen außerhalb der Bibel.* Die Lehre des Neuen Testaments scheint wahrhaft vom Himmel gefallen zu sein. Das legt nahe, dass dieses einzigartige Gottesbild tatsächlich kein Produkt menschlicher Phantasie ist, sondern dass es offenbart wurde von dem einen Gott, der allein weiß, wie und wer er wirklich ist.

Warum wir der Bibel vertrauen können 9: Die herausragende Ethik

*: Insbesondere der Mithraismus und die Sekte der Essener wurden gelegentlich als Vorläufer des Christentums gehandelt, weil es in ihren Lehren und Praktiken einige Parallelen gab, z.B. Riten mit Ähnlichkeiten zum Abendmahl und zur Taufe, Güterteilung oder Nächstenliebe. Die Unterschiede sind aber so gewaltig, dass sich solche Ansichten zurecht nie durchsetzen konnten. Insbesondere die oben angesprochenen zentralen Lehren des Christentums findet man auch bei diesen Glaubensrichtungen nicht. Kein Wunder, dass sie im Neuen Testament nirgends erwähnt werden.