Wo sind die Beunruhigten und die Zerbrochenen?

Erinnern Sie sich noch an die Debatte um den Rinderwahnsinn? Ich kannte damals Menschen, die keine Gummibärchen mehr essen wollten aus lauter Angst, sich anzustecken. Das war nicht die einzige Welle der Angst, die durch unser Land rollte. Waldsterben, Ozonloch, Vogel- und Schweinegrippe… Manche Alarmrufe hatten ohne Zweifel ihre Berechtigung und haben teilweise auch zu guten und not-wendenden Konsequenzen geführt. Manche erinnern mich im Nachhinein aber auch an ein Gerichtswort aus Psalm 53:

Angst und Schrecken packt sie, wo es keinen Grund dafür gibt. (Psalm 53, 6)

Auch unter uns Christen gibt es viel Beunruhigung: Altvertraute Gewissheiten scheinen wegzubrechen. Quälende Fragen bringen selbst langjährige Christen in Bedrängnis: Kann man der Bibel noch vertrauen? Ist sie wirklich Gottes Wort? Gibt es da nicht jede Menge Fehler und Widersprüche in der Bibel? Sind nicht viele ihrer Aussagen kulturell veraltet und wissenschaftlich überholt? Ist dieses Buch nicht vor allem eine Sammlung historischer Texte von menschlichen Gotteserfahrungen statt zeitloses Gotteswort? Müssen wir die Botschaft des Evangeliums gar grundlegend überdenken?

Tatsächlich gibt es Passagen in der Bibel, die schwer zu verstehen sind und zumindest auf den ersten Blick widersprüchlich und fehlerhaft wirken. Trotzdem beunruhigt mich das nicht wirklich. Denn die Eigenschaften der Bibel sind insgesamt so einzigartig und spektakulär, dass mein Vertrauen in die göttliche Inspiration dieser Texte durch einzelne Stellen, die ich im Moment nicht verstehe, nicht erschüttert wird. Die These, dass die Bibel allein ein Produkt des menschlichen Geistes sein könnte, halte ich aus vielerlei Gründen für unhaltbar. Menschen können so ein Buch nicht hervorbringen. Es gibt weltweit und historisch gesehen unter den unzähligen Büchern dieser Welt kein einziges Buch, das sich auch nur annähernd mit der Bibel messen könnte. Ich stehe in Ehrfurcht und Staunen vor diesem buchgewordenen Wunder Gottes.

Nein, mich beunruhigen in der Bibel weniger die Stellen, die mir nicht einleuchten. Mich beunruhigen vielmehr die Stellen, die mir einleuchten. Es gibt in der Bibel höchst beunruhigende Botschaften, die sonnenklar und eindeutig sind und die sich zudem quer durch die ganze Bibel ziehen. Und eine dieser Botschaften lautet:

In Bezug auf Gottes Wort gibt es für uns Menschen nur eine einzige angemessene Haltung: Ehrfürchtiges Vertrauen und demütiger Gehorsam.

Der immer wieder unternommene Versuch, das Zweifeln an Gottes Wort geistlich zu verklären, hat in der Bibel keine erkennbare Basis. „Hat Gott wirklich gesagt…?“ (1. Mose 3, 1) Dieser von der teuflischen Schlange gestreute Zweifel hat nicht nur in der Paradiesgeschichte katastrophale Konsequenzen. Als Israel an Gottes Verheißung zweifelte musste es noch einmal 40 Jahre durch die Wüste gehen (4.Mos.14). Wenn Gott spricht und wir Menschen uns verschließen, dann löst das in der Bibel meistens ein Drama aus.

Im Alten wie im Neuen Testament stellt Gottes Reden die Menschen immer vor die Wahl: Hören oder ignorieren. Gehorchen oder ungehorsam sein. Und in der Folge: Segen oder Fluch. Man könnte ein ganzes Buch füllen mit biblischen Beispielen für dieses simple Prinzip, das sich geradezu erschreckend konsequent durch alle Texte zieht.

Da ist es kein Wunder, dass Jesus ausführlich und mit eindringlichen Bildern über die extreme Wichtigkeit sprach, ein Hörer und ein Täter von Gottes Wort zu sein. Die Standfestigkeit unseres Lebenshauses hängt davon ebenso ab wie die  Frage, ob unser Leben Frucht bringt oder verdorrt. König Josia kannte dieses Prinzip offenbar. Als er die Worte der wiederentdeckten Heiligen Schrift hörte, zerriss er seine Kleider, weil ihm die schrecklichen Folgen des Ungehorsams gegenüber Gottes Wort offenkundig bewusst waren. Genau dieser Ausdruck von Ehrfurcht und Erschrecken vor Gottes Worten wird von Gott ausdrücklich gelobt:

„Dein Herz war berührt und du hast vor Gott Buße getan, als du seine Worte über diese Stadt und ihre Einwohner hörtest. Du hast Buße getan, deine Kleider zerrissen und vor mir geweint. Deshalb habe ich dich erhört, spricht der Herr.“ (2. Chronik 34,27).

Gott erwartet Umkehr, wenn sein Wort uns mit unserem Fehlverhalten konfrontiert. Er ist offenkundig nicht bereit, Kompromisse mit unserem Eigensinn einzugehen. Gott gibt uns sein Wort aber auch nicht, damit wir uns damit zu Rechthabern und überlegenen Frömmlern aufspielen können. Josia hatte ja überhaupt keinen Fehler gemacht. Aber er hat sich trotzdem erschüttern lassen. Er hat sich gebeugt und gedemütigt unter die Schuld des Volkes. Diese demütige Identifikation mit den Sünden seiner Gemeinschaft war die Grundlage für Gottes Segen während des ganzen Lebens von Josia. Es ist genau dieser zerbrochene Geist, den wir auch heute wieder brauchen. Gott sagte zu Jesaja:

„Ich achte auf die, die gedemütigt worden sind und einen gebrochenen Geist haben und vor meinem Wort zittern.“ (Jesaja 66,2)

Deshalb müssen wir uns fragen: Wo sind die Menschen in unserem Land, die sich Gottes Sichtweise aus seinem Wort zeigen und sich dadurch zerbrechen lassen über den Zustand ihres Herzens und den Zustand der Kirche Jesu? Wo sind die Menschen, die sich dann nicht von anderen rechthaberisch distanzieren sondern sich mit der ganzen Kirche Jesu identifizieren und sich unter ihre Schuld beugen? Wo sind die Menschen, die dann schließlich ihre Menschenfurcht überwinden und in prophetischer Klarheit Gottes Wort hochhalten und die Kirche zur Umkehr rufen – aus Liebe und nicht aus Rechthaberei?

Der Segen begann in Israel immer dann, wenn Menschen sich von Gottes Wort treffen und zerbrechen ließen. Nachdem der Prophet Nathan König David mit Gottes Wort konfrontiert hatte, schrieb David:

„Das Opfer, das dir gefällt, ist ein zerbrochener Geist. Ein zerknirschtes, reumütiges Herz wirst du, Gott, nicht ablehnen.“ (Psalm 51, 19)

Diesen Menschen mit einem zerbrochenen Herzen hat Gott seine Nähe verheißen:

„Nahe ist der HERR denen, die zerbrochenen Herzens sind, und die zerschlagenen Geistes sind, rettet er.“ (Psalm 34,19)

Und genau bei diesen Menschen nimmt Gott Wohnung:

„Ich wohne an der hohen, heiligen Stätte und bei denen, die einen zerschlagenen und gedemütigten Sinn haben, um die Gedemütigten neu zu beleben, und die zerschlagenen Herzen wieder aufleben zu lassen.“ (Jesaja 57, 15)

Gott, der mitten unter seinem Volk wohnt: Da leuchtet bereits die Verheißung des neuen Jerusalems auf. Einen Vorgeschmack davon bekommen wir, wo wir unseren Stolz und unseren Eigensinn zerbrechen lassen durch Gottes Wort, das wie ein Hammer unser steinernes Herz zerschlägt (Jer.23,29) und durch ein fleischernes ersetzt (Hes.36,26).

Nicht nur die dramatischen Warnungen in den letzten Versen der Bibel (Offb.22,18-19) machen es überdeutlich: Wir sollten tatsächlich nichts so sehr fürchten wie die Gefahr, Gottes Worte zu ignorieren, leichtfertig zu übergehen, zu verdrehen, zu verkürzen oder etwas hinzuzufügen. Aber die Bibel macht auch immer wieder deutlich: Wer Gott und sein Wort fürchtet muss sonst nichts und niemanden mehr fürchten. Der braucht nicht mehr panisch zu werden, wenn Weltuntergangspropheten Angst und Schrecken verbreiten. Himmel und Erde werden zwar vergehen. Aber Gottes lebensspendende Worte bleiben in Ewigkeit (Luk.21,33). An ihnen dürfen und sollen wir (uns) festhalten. Ohne Gottes Wort sind wir dazu verdammt, uns ausschließlich an menschlicher Weisheit zu orientieren. Dann setzt sich der durch, der am lautesten schreit, der die Schaltstellen der Macht besetzt und der die manipulativen Möglichkeiten von Medien und Rhetorik am besten zu nutzen weiß. Aber unter Gottes Wort und Wahrheit dürfen und müssen wir uns alle gemeinsam beugen. Wir müssen uns allesamt verantworten vor dem, dessen Weisheit selbst die beeindruckendste Weisheit dieser Welt als Torheit entlarvt (1.Kor.3,19). Eine gesunde Ehrfurcht vor Gottes Wort ist der beste (und einzige!) Schutz vor unserer menschlichen Neigung, unsere eigene Klugheit absolut zu setzen und auf unseren eigenen Wegen in den Abgrund zu rennen.

Wenn das Weizenkorn nicht stirbt kann es keine Frucht bringen (Joh.12,24). An Gottes Worten seinen Stolz und Eigensinn zerbrechen zu lassen heißt hingegen, die Grundlage zu legen für ein gesegnetes und fruchtbares Leben.

John Stott: Vom Segen der Gottesfurcht

Der nachfolgende Text stammt von John Stott, er ist zitiert aus dem Buch “Das Kreuz: Zentrum des christlichen Glaubens”

Wir müssen an der biblischen Offenbarung des lebendigen Gottes festhalten, der das Böse hasst, von ihm angewidert und erzürnt ist und sich weigert, sich jemals damit abzufinden.

Doch dem modernen Menschen sind diese Gedanken fremd. Die Art von Gott, die den meisten Menschen heute genehm wäre, würde unsere Übertretungen gelassen tolerieren. Er wäre sanft, freundlich, entgegenkommend und hätte keinerlei heftige Reaktion. Unglücklicherweise scheinen wir selbst in der Kirche die Vision der Majestät Gottes verloren zu haben. Es gibt viel Seichtigkeit und Leichtfertigkeit unter uns. Propheten und Psalmisten würden wahrscheinlich sagen: „Es ist keine Furcht Gottes vor ihren Augen.“ In den öffentlichen Gottesdiensten haben wir uns angewöhnt, uns auf unseren Stühlen zu lümmeln oder zu kauern; wir knien heutzutage nicht mehr nieder, geschweige denn, dass wir uns in Demut vor Gott niederwerfen. Es ist eher typisch für uns, dass wir vor Freude in die Hände klatschen, als dass wir vor Scham oder Tränen rot werden. Wir schlendern zu Gott hin und nehmen seine Gunst und Freundschaft in Anspruch; dass er uns fortschicken könnte, kommt uns gar nicht in den Sinn.

Wir haben es nötig, wieder auf die ernüchternden Worte des Apostels Petrus zu hören: „Und wenn ihr den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person nach eines jeden Werk richtet, so wandelt die Zeit … in Furcht!“ (1.Petr.1,17) Mit anderen Worten, wenn wir es wagen, unseren Richter „Vater“ zu nennen, müssen wir uns davor hüten, ihm anmaßend entgegenzutreten. Es muss sogar gesagt werden, dass unser evangelikales Schwergewicht auf der Sühne gefährlich ist, wenn wir zu schnell dorthin kommen. Erst, nachdem wir Gottes Unnahbarkeit für Sünder erkannt haben, lernen wir den Zugang zu Gott zu schätzen, den Christus uns eröffnet hat. „Halleluja“ können wir aufrichtig erst dann rufen, wenn wir zuerst „Wehe mir, denn ich bin verloren“ gerufen haben.

„Nur wer die Größe des Zornes kennt, [wird] von der Größe des Erbarmens überwältigt.“

Aus John Stott: „Das Kreuz – Zentrum des christlichen Glaubens“; Deutsche Ausgabe SMD Marburg Seite 137-139. Im letzten Satz zitiert Stott aus einem Artikel von Gustav Stählin (Artikel über orge, S. 426) Das äußerst empfehlenswerte Buch ist beim Francke Verlag erhältlich.

Bildquelle: Brett Jordan, Copyright Creative Commons BY 2.0, https://www.flickr.com/photos/x1brett/8658112086; Das Zitat wurde nachträglich ergänzt, es stammt nicht vom Originalbild.

Siehe auch:

  • These 22: Die Kirche darf nicht Gnade predigen ohne auch zur Buße zu rufen!

Wo bleiben die Propheten?

Im Herbst 2014 hat der schleswig-holsteinische Landtag mehrheitlich abgelehnt, die Verantwortung vor Gott in der Verfassung zu verankern. Auch in Europa konnten sich die Befürworter eines Gottesbezugs in der EU-Verfassung nicht durchsetzen. Doch in Schleswig Holstein regt sich jetzt Widerstand: Eine Volksinitiative hat sich zum Ziel gesetzt, das Thema durch 20.000 Unterschriften erneut in den Landtag zu bringen.

Für Bibelkenner sind das äußerst spannende Entwicklungen. Denn die Bibel konfrontiert uns von der ersten bis zur letzten Seite, von Mose über die Chroniken, Propheten bis zu Johannes und Jesus mit einer provozierenden Behauptung. Sie sagt: Das Wohl einer Gesellschaft entscheidet sich nicht am Bildungsgrad, der Innovationskraft, der Regierung oder den Ressourcen eines Landes. Vielmehr hängt es letztlich an einer Frage: Ob die Menschen auf Gott hören oder nicht! DAS entscheidet im Alten wie im Neuen Testament über Segen oder Fluch, Erfolg oder Misserfolg, Bestand oder Zerfall.

Sofort höre ich Humanisten und Atheisten aufschreien: Wir haben doch viel zu lange auf irgendeinen Gott gehört anstatt unseren Verstand zu benutzen! Die Geschichte von Galileo zeigt doch, wie Religion die Vernunft, Wissenschaft und Technik blockiert! Und die Kreuzzüge beweisen doch, dass Religion die Wurzel alles Übels ist!

Aber stimmen diese Argumente auch? Dazu nur ein paar kurze Schlaglichter:

Ich behaupte deshalb: Genau das Gegenteil ist richtig. Vernunft und das Hören auf Gott gehören zusammen! Beides wird gebraucht! Das eine geht nicht ohne das Andere! Oder wie die Bibel es ausdrückt: Ehrfurcht vor Gott ist der Anfang der Weisheit. Wer dagegen für Gott taub ist gerät leicht auf Abwege. Auch dazu ein paar kurze Schlaglichter:

Ausgerechnet in Schleswig-Holstein wurde jüngst Unterrichtsmaterial für Grundschulen entwickelt, in dem Familien mit Papa und Mama quasi zum Ausnahmefall erklärt werden (es lohnt sich, das mal anzuschauen). Familie ist der Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Wer sie auflöst sägt am Ast, auf dem wir alle sitzen und bringt unendliches Leid über die Kinder, die ohne stabiles Zuhause aufwachsen müssen. Das EU-Parlament hat jüngst mit dem „Tarabella-Bericht“ sogar Abtreibung zum Menschenrecht erklärt. Kinder sind unsere Zukunft. Spätestens hier wird offensichtlich, wie Gottlosigkeit unsere Zukunft zerstört.

Ich muss es deshalb so drastisch ausdrücken: Der Kulturkampf, den wir heute erleben und der darauf abzielt, Gott nicht nur aus der Verfassung sondern aus allen gesellschaftlichen Bereichen zu verdrängen, bedroht die Grundfesten unserer Gesellschaft. Unser Wertekanon zerbröselt ohne höheren Maßstab. Die christlichen Werte wie Ehrlichkeit, Nächsten- und Feindesliebe, Menschenwürde, Vergebung, Demut, Dienen, Fleiß, Treue, Respekt vor Eltern und staatlichen Institutionen verflüchtigen sich rasch, wenn ihnen die Grundlage der Ehrfurcht vor Gott entzogen wird. Wenn Menschen sich nur noch vor sich selbst und nicht mehr vor Gott verantworten müssen ist Machtmissbrauch und Verantwortungslosigkeit endgültig Tür und Tor geöffnet. Und wo Gott verbannt wird werden Menschen anfällig für die Stimmen der Verführer. Das immer frechere Auftreten linker, rechter und islamischer Extremisten zeigt, wie sich das Vakuum füllt, wenn das Salz und Licht der Christen schwindet.

Drängender denn je brauchen wir deshalb die Stimme der Propheten, die wie Mose, Jona, Johannes der Täufer und Jesus zuerst Gottes Volk und dann der ganzen Gesellschaft zurufen: Kehrt um! Hört auf Gott! Und ihr werdet leben!

Aber wo bleiben die Propheten? Die Bibel sagt: Sie sind längst unter uns. Einer davon liest gerade diesen Artikel und hört den Ruf: Runter vom Sofa. Raus aus der frommen Kuschelecke. Rein in die Gesellschaft. JETZT ist die Zeit zum Aufstehen, sich einmischen und Gottes gute Worte und Werte weitergeben! Wenn wir das tun, jeder an seinem Platz, können wir ohne Zweifel gemeinsam Geschichte schreiben!

P.S.: Die Initiative Zeit zum Aufstehen hat inzwischen über 18.000 Unterstützer. Ich möchte herzlich dazu ermutigen, mit zu unterzeichnen.

P.P.S.: Die Volksinitiative „Für Gott in Schleswig-Holstein“ kann man hier unterstützen.

P.P.P.S.: Noch vor der Sommerpause soll in Stuttgart die nächste “Demo für alle” stattfinden. Ich lade schon jetzt herzlich ein, sich aktiv zu beteiligen.

Siehe auch: