Umkämpfte Einheit (3): Erkenntnis-Riesen

Ich würde mich selbst als “bibeltreu” bezeichnen. Manche Zeitgenossen würden mich gar einen „Fundamentalisten“ nennen. Ich finde das traurig. Schließlich ist dieses Wort extrem negativ belegt. Oft wird es sogar mit Gewaltbereitschaft assoziiert. Wer friedliche Mitchristen mit solchen Kampfbegriffen diffamiert offenbart viel über seine Geisteshaltung.

Andererseits muss ich sagen: In der Tat halte ich das Fundament der Bibel für absolut unverzichtbar für die Kirche! Der liberale theologische Ansatz, der die Bibel für fehlerhaft hält und den menschlichen Verstand zum Richter über wahr und falsch macht, hat eine Schneise der Verwüstung durch die Kirche geschlagen und das Fundament für die Einheit der Kirche massiv beschädigt. Denn außer der Bibel hat das Christentum nun einmal keine verbindliche Erkenntnisquelle! Wenn Menschen willkürlich nach selbstdefinierten Kriterien darüber entscheiden, ob Bibelstellen Autorität haben oder nicht, diffundiert die Kirche zwangsläufig immer weiter auseinander.

Die Abkehr von liberaler Theologie ist aber noch lange keine Garantie für Einheit. Bei der Auslegung der Bibel können auch Bibeltreue katastrophal irren: So wurde Jesus gerade von den Bibelgelehrten als völlig unbiblisch abgelehnt. In der Kirchengeschichte gibt es zahlreiche Beispiele, wie selbst große Bibelkenner zu Feinden guter christlicher Bewegungen wurden, weil sie ihre speziellen Bibelerkenntnisse zu Dogmen oder gar Kirchengesetzen erhoben und als Waffe gegen Andere eingesetzt haben (die Verfolgung der Täufer durch die Reformatoren ist ein fürchterliches Beispiel dafür). Dabei hatte Gott das Neue Testament doch gerade nicht als Gesetzes- und Paragraphenkatalog verfasst. Wenn Menschen aber meinen, das für ihn nachzuholen zu müssen, endet das irgendwann immer im Desaster!

Wir können also sowohl auf der liberalen als auch auf der bibeltreuen Seite vom Pferd fallen. Auf beiden Seiten machen wir den gleichen Fehler: Wir stellen unsere menschliche Erkenntnis hochmütig über die Bibel und machen uns gottgleich zur obersten Wahrheitsinstanz. Dadurch werden wir zu Erkenntnis-Riesen, die die Einheit der Kirche gnadenlos zertrampeln.

Bibelpendel

Erkenntnis-Riesen zeigen mit dem Finger auf die Splitter in den Augen Anderer, haben aber selbst ein Brett vor dem Kopf. Sie meinen, immer ganz genau zu wissen, wie die Bibel auszulegen ist, vergessen dabei aber, dass sogar der große Theologe Paulus seine Erkenntnis für Stückwerk hielt und auch uns eindringlich zugerufen hat: “Bildet Euch nicht ein, alles zu wissen!“ Unser menschliches Bibelverständnis bleibt also ein Stück weit immer unvollständig und subjektiv. Hüten wir uns deshalb davor, uns vorschnell zum Richter über andere theologische Auffassungen zu machen!

Und noch einen äußerst wichtigen Grundsatz hat uns Paulus für den Umgang mit Wissen und Erkenntnis gelehrt: Wissen kann uns ein Gefühl von Wichtigkeit verleihen, doch nur die Liebe baut die Gemeinde wirklich auf .Wer behauptet, alle Antworten zu kennen, hat in Wirklichkeit kaum begriffen, auf welche Erkenntnis es ankommt. Doch wer Gott liebt, der ist von Gott erkannt“. (1. Korinther 8, 1-3)

Erkennen ist in der Bibel ein Synonym für das Einswerden in einer engen, intimen Beziehung. Echte theologische Erkenntnis wächst somit immer nur in der innigen Beziehung mit dem himmlischen Vater! ER ist der Autor der Bibel. Nur in der Verbindung mit ihm können wir lernen, was er wirklich gemeint hat! Aber ohne seinen Geist macht Erkenntnis uns zu hartherzigen, arroganten Einheitskillern: „Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig“ (2. Korinther 3, 6b).

Als Christen glauben wir im Gegensatz zum aktuellen Zeitgeist daran, dass es eine allgemeingültige Wahrheit gibt. Aber wir sind nicht im Besitz der Wahrheit! Vielmehr streben wir danach, dass die Wahrheit in Person (nämlich Jesus) immer mehr Besitz von uns ergreift! Erst wenn wir diesen feinen aber wichtigen Unterschied verstehen und unsere Besitzansprüche auf Wahrheit aufgeben werden wir nicht länger in der Gefahr stehen, uns anderen Menschen gegenüber überlegen zu fühlen und ihnen entsprechend arrogant zu begegnen. Und gerade weil unsere heutige postmoderne Gesellschaft jeden Alleinvertretungs­anspruch auf Wahrheit als gefährlichen Hang zu Machtausübung und Manipulation wahrnimmt, können wir den Menschen nur in dieser demütigen Haltung das Evangelium bringen – und zugleich unnötigen Streit und Spaltung in der Gemeinde Jesu vermeiden.

Blogbild Erkenntnisriesen

Es ist höchste Zeit, uns neu der Bibel als Gottes Wort in Ehrfurcht unterzuordnen und gleichzeitig die enge, innige Verbindung mit dem Autor der Bibel, dem liebevollen himmlischen Vater zu suchen in dem Wissen, wie unvollkommen und abhängig wir von ihm sind. Dann haben Erkenntnis-Riesen keine Chance mehr.

Teil 4 von „Umkämpfte Einheit“ befasst sich mit Stolz-Riesen und Selbstwert-Zwergen. Sie treten meist gemeinsam auf und sind die grausamsten Einheitsfeinde, die ich persönlich kennengelernt habe. Es ist deshalb ganz besonders wichtig, sie zu durchschauen.

Siehe auch:

 

Umkämpfte Einheit (2): Schein-Riesen, Einheitlichkeit und Beliebigkeit

Weltweit gibt es heute etwa 45.000 verschiedene Kirchen („Denominationen“), Tendenz weiter steigend. Da kann man schon mal frustriert darüber sein, wie zersplittert die Christenheit ist. Schon Paulus hatte sich darüber beklagt, wie stark wir Christen zur Parteibildung neigen.  Das scheint sich seither nicht gebessert zu haben.

Und trotzdem glaube ich, dass diese Vielfalt zunächst einmal kein grundsätzliches Problem ist. Im Gegenteil: Unsere Gesellschaft ist so vielfältig, dass wir unbedingt vielfältige Organisationsformen und Prägungen brauchen, um die unterschiedlich geprägten Menschen mit dem Evangelium erreichen zu können. Einheit ist nicht Einheitlichkeit! Vielfalt ist ein Schatz, an dem wir uns freuen dürfen!

Außerdem habe ich es immer wieder erlebt: Einheit beginnt oft gerade dann, wenn wir einander loslassen und dafür freisetzen, andere Wege zu gehen und verschiedene Berufung auszuleben!  Auch innerhalb von Gemeinden finde ich es deshalb wichtig, eine gewisse Vielfalt bewusst zu fördern. Wir könnten viel Streit und Spaltung vermeiden, wenn wir begreifen, dass Einheit und Vielfalt keine Gegensätze sind sondern im Gegenteil notwendigerweise zusammengehören.

Auf Kirchentagen scheint man bei diesem Thema schon sehr weit zu sein. Was gibt es da nicht alles für bunte und vielfältige Gruppen! Sogar Vertreter anderer Religionen sind dabei. Und trotz aller Gegensätze feiern sie alle friedlich und fröhlich ein großes gemeinsames Fest. Ist das nicht toll?

In der Tat gibt es viel Gutes auf Kirchentagen. Aber es bleibt ein fahler Beigeschmack. Denn die krassen Gegensätze, die dort gleichzeitig vertreten werden, führen zwangsläufig zu der Frage: Wo bitte ist denn hier eigentlich noch die gemeinsame Basis???

Das zeigt das andere Extrem: Wenn nur noch von Vielfalt aber kaum noch von Wahrheit die Rede ist, dann gibt es vielleicht ein nettes Nebeneinander. Aber mit der Einheit, für die Jesus gebetet hat, hat das nichts zu tun! Die Bibel macht sehr deutlich, dass wir nicht kritiklos einfach alles umarmen sollen, was sich christlich gibt (1. Kor. 5, 11). Einheit darf also niemals Beliebigkeit bedeuten!

Aber mit welchen Personen sollen wir denn dann eins sein und mit welchen nicht? Wer gehört zum Leib Christi dazu? Vielleicht alle, die bestimmte theologische Grundsätze bejahen können? Die Glaubenssätze der evangelischen Allianz finde ich z.B. sehr hilfreich. Aber wer definiert, bei welchen theologischen Differenzen die Grenze liegt?

Ich glaube, dass es auf diese Frage keine eindeutige Antwort gibt. Wir müssen uns damit abfinden, dass solch ein Urteil letztlich allein Gott fällen kann. Und das ist auch gut so! Aber einen Hinweis habe ich doch in der Bibel gefunden, der mir im Blick auf diese Frage richtungsweisend wurde: In 2. Timotheus 2, 22 ermahnt uns Paulus zur Einheit mit allen, „die mit aufrichtigen Herzen den Herrn anrufen.“ Und in Epheser 6, 24 wünscht er Gottes Gnade „allen, die Jesus lieb haben“. Die authentische Liebesbeziehung zu Jesus war für Paulus also offenbar DAS zentrale Kriterium. Das zeigt: Gott hat nicht so sehr theologische Detailfragen im Blick sondern vielmehr unsere Herzenshaltung!

Erfreulicherweise konnte ich schon in den unterschiedlichsten Gruppen, Kirchen und Bewegungen Leute treffen, die Jesus von Herzen lieb haben. Und im Zweifelsfall gilt: „Die Liebe glaubt alles, sie hofft alles“ (1. Korinther 13, 7). Sie geht erst einmal vom Guten aus! Darum will ich Christen zuerst einmal mit Respekt und Achtung begegnen und offen sein dafür, dass Gott mich mit ihnen verbinden möchte, auch wenn sie anders geprägt sind und z.T. andere theologische Standpunkte vertreten als ich.

Lassen wir uns also zukünftig weder von Beliebigkeits- noch von Einheitlichkeitsfans täuschen. Das sind Schein-Riesen, die nur scheinbar für Einheit sind, uns in Wahrheit aber aus dem gelobten Einheits-Land vertreiben! Echte Einheit ist Herzenssache und keine Frage gleicher Prägung, Kirchenmitgliedschaft oder Übereinstimmung in allen theologischen Details. Sie wächst, wo Menschen mit einer authentischen Liebe zu Jesus aufeinandertreffen. Sie verflüchtigt sich, wenn Glaube beliebig wird und Jesus aus dem Zentrum gerät. Vielfalt ist gut – solange Jesus die Mitte ist. Mit IHM als Haupt des vielfältigen Leibes haben Schein-Riesen keine Chance mehr.

Teil 3 von „Umkämpfte Einheit“ berichtet von den Erkenntnis-Riesen. Sie treten gewichtig auf, zertrampeln die Einheit aber gnadenlos! Höchste Zeit, sie zu durchschauen!

Siehe auch:

Umkämpfte Einheit

Ein Frontbericht vom größten Kampfplatz des Christentums

Nie werde ich diesen Anblick vergessen: Es war 1989 auf dem evangelischen Kirchentag in Berlin. Eine große, alte Kirche, bis auf den letzten Platz gefüllt, eine Band spielt, junge und alte Menschen singen inbrünstig, manche mit hoch erhobenen Händen. Von Prophetie ist die Rede, und vom Heiligen Geist. Ich nutze die Möglichkeit, mich mit Handauflegung segnen zu lassen – und bin angesteckt von der begeisternden Atmosphäre.

Aber eine Bekannte warnte mich. Sie schenkte mir ein Buch, in dem die Meinung vertreten wurde, dass diese sogenannte „charismatische Bewegung“ eine Verführung sei, in der dämonische Mächte am Werk wären. Das verunsicherte mich. Wer will schon etwas mit Dämonen zu tun haben?

Später lernte ich, dass diese Sichtweise auf einen uralten Konflikt aus dem Jahr 1909 zurückgeht: Damals hatte die deutsche Gemeinschaftsbewegung in der sogenannten „Berliner Erklärung“ den Geist der Pfingstbewegung als einen „Geist von unten“ bezeichnet. Dadurch entstand eine tiefe Trennung zwischen den pfingstlich/charismatisch geprägten Christen und den traditionellen pietistischen und evangelikalen Gruppen.

Über 1 Jahr habe ich gebraucht, um in diesem Konflikt meine Position zu finden. Sehr geholfen hat mir ein Besuch bei meinem Bruder, der damals als Bibelschullehrer in Afrika tätig war. Dort gab es diese Spaltung nicht. Die vielfältig geprägten Gemeinden und Werke haben ganz selbstverständlich zusammengearbeitet. Das war für Alle ein großer Segen. Seither bin ich überzeugt, dass dieses Gegeneinander nicht Gottes Wille sein kann. Im Gegenteil: Einheit ist absolut notwendig, und zwar vor allem aus 2 Gründen:

  1. Jede Gemeinschaft hat Stärken und Schwächen. Niemand kann alles leisten. Wir sind auf gegenseitige Ergänzung und Unterstützung angewiesen! Die Bibel sieht die Christen eines Hauskreises, einer Gemeinde, einer Firma, einer Schule, einer Stadt, einer Region als Leib (Römer 12, 5). Fehlende Einheit führt dazu, dass die einzelnen Glieder des Leibes sich nicht gegenseitig unterstützen und ergänzen können. Kein Wunder, wenn das Christentum dann kraft- und erfolglos ist. Einheit ist deshalb die grundlegende Voraussetzung dafür, dass wir als Leib Christi in einer Gemeinde oder in einer Region etwas bewegen können!
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  2. In Johannes 17, 21 betet Jesus: „Ich bete für sie alle, dass sie eins sind … damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.“ Einheit macht also unser Zeugnis über Jesus glaubwürdig. Wo Einheit fehlt, glaubt uns kein Mensch mehr, dass wir Christen etwas Wichtiges zu sagen haben!

Die Folgen können wir leider in unserem Land hautnah erleben: Christen spielen in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle. Wir müssen mit ansehen, wie unser Land sich Stück für Stück von Gottes Werten und Normen entfernt. Ohne schwarz malen zu wollen bin ich davon überzeugt, dass die Folgen eines Tages dramatisch und existenziell für uns alle sein werden, wenn es keine Wende gibt.

 

Deshalb ist für mich das Thema Einheit DAS große Kampffeld der Christenheit! Der Teufel weiß es genauso wie Jesus: Nur als Einheit werden Christen in der Lage sein, das Evangelium zu verbreiten und den Verfall unserer Gesellschaft aufzuhalten, so wie es z.B. der Pietismus einst in beeindruckender Weise geschafft hat.

Erfreulicherweise gibt es seit einiger Zeit Mut machende Signale: 100 Jahre nach der Berliner Erklärung haben die Kontrahenten von damals den Konflikt offiziell beendet. Nach 500 Jahren schlimmer Verfolgung haben die Lutheraner die Täuferbewegungen um Vergebung und Versöhnung gebeten. Sehr bewegend war für mich, wie sich 1991 Evangelikale und Charismatiker gegenseitig für ihre Vorurteile um Vergebung gebeten haben. Ähnliches habe ich 2015 in Augsburg auf der MEHR-Konferenz zwischen protestantischen und katholischen Christen miterleben dürfen. Veranstaltungen wie das Christival vereinen heute ganz selbstverständlich unterschiedliche Prägungen. Und die evangelische Allianz arbeitet aktiv daran, das Zusammenwachsen weiter zu fördern.

All das ist mehr als erfreulich. Und doch sind wir längst noch nicht am Ziel! Vor Ort besteht oft immer noch große Distanz zwischen Gemeinden und Gruppen mit unterschiedlicher Prägung, nicht zuletzt auch zwischen Landes- und Freikirchlern. Viel zu viele Christen können ein Lied davon singen, wie viel Streit, Konflikte, Misstrauen, Intrigen und Spaltungen es immer noch in christlichen Gruppen und Gemeinden gibt.

Und trotzdem bin ich felsenfest davon überzeugt, dass die Kirche Jesu früher oder später eine große Einheit erleben wird! Warum? Ganz einfach: Jesus selbst hat intensiv für diese Einheit gebetet! Und will hier etwa irgendjemand behaupten, dass ein Gebet, das Gott höchstpersönlich gesprochen hat, nicht erhört wird??? Eben.

Wir sollten uns deshalb nicht durch Negativerfahrungen einschüchtern oder entmutigen lassen. Denn dann würden wir den gleichen Fehler machen wie einst das Volk Israel nach dem Auszug aus Ägypten: 40 Jahre lang haben sie das verheißene Land verpasst, weil sie sich haben einschüchtern lassen von den Riesen, die dort lebten, statt mutig das Land zu erobern, das Gott ihnen versprochen hatte.

Die verschiedenen Riesen, die uns bislang noch aus dem gelobten Land der Einheit fernhalten (ich werde sie in den nächsten Blogposts näher beschreiben), haben auch mich zeitweise ziemlich erschlagen und entmutigt. Aber heute ich bin mir sicher: Mit Gottes Hilfe können und werden wir sie besiegen! Wie? Dazu mehr in der Fortsetzung zu diesem Artikel…

Teil 2 von „Umkämpfte Einheit“ berichtet von den “Schein-Riesen”. Sie sind die Trickser und Täuscher unter den Einheitsfeinden. Wir müssen sie unbedingt kennen, um nicht länger auf sie hereinzufallen!

Siehe auch:

Einheit macht’s möglich

Samstag, 4.10.2014: 170 Besucher drängen in den kleinen Saal des Jugendzentrums am Gymnasium in Holzgerlingen, um bei der 1. Schönbuch Worship Night dabei zu sein. Nach einer ersten ausgiebigen Lobpreiszeit werden die meist jugendlichen Besucher in einer betont einfach gehaltenen Predigt ermutigt, Menschen zu vergeben, von denen sie verletzt wurden – um selbst frei zu werden. Wer möchte schreibt auf einen Zettel, wem er vergeben will. Die Zettel werden für alle sichtbar verbrannt. Danach macht Stefan Waidelich (vielen noch bekannt von der Band normal generation?) deutlich: Wir sind nicht nur Opfer sondern wir brauchen alle selbst Vergebung. Viele stehen auf, um deutlich zu machen: Ich will mein Leben Jesus anvertrauen und seine Vergebung in Anspruch nehmen. Manche lassen sich noch persönlich segnen. Der Abend endet in einer großen Party, die wohl nur von der Party im Himmel getoppt wird.

Zwischenablage01Keine Frage: Im Vergleich zu anderen christlichen Veranstaltungen sind 170 Leute kleine Fische. Aber für unsere Region war es doch bedeutend. Denn die SWN wurde von 3 landeskirchlichen Gemeinden, dem evangelischen Jugendwerk, einer freikirchlichen Gemeinde und dem Schülerbibelkreis des Gymnasiums offiziell unterstützt. Dazu haben Christen aus noch weiteren Gemeinden mitgearbeitet. So etwas ist (leider) noch selten. An der SWN wurde für mich aber erneut ganz praktisch deutlich, wie wertvoll und wichtig Einheit ist:

  • Einheit öffnet Türen! Ohne die Hilfe des Jugendwerks wäre die Nutzung des Saals des Jugendzentrums an der Schule wohl nicht möglich gewesen. Ohne die breite Unterstützung wäre es wohl auch nicht möglich gewesen, in der Schule Plakate aufzuhängen und das tolle SWN-Teaservideo zu zeigen, das für sich schon eine starke Botschaft enthält. Mir zeigt das wieder: Wenn wir nicht Einheitnur in unseren frommen Kreisen bleiben sondern in die Gesellschaft hinein wirken wollen müssen wir uns zusammentun!
  • Einheit macht das Evangelium glaubwürdig! An diesem Abend wurde kein einziges Mal von einer bestimmten Kirche gesprochen. Es ging ausschließlich um Jesus und um dieses eine Evangelium, das allen Christen gemeinsam anvertraut ist. Diese Botschaft hat Kraft und ist attraktiv wie eh und je, wenn wir sie gemeinsam und in Einheit weitersagen. Jesus hat den engen Zusammenhang von Einheit und Glaubwürdigkeit unmissverständlich klar gemacht. Also wird es höchste Zeit, dass wir aufhören, immer nur eigene kleine Gemeindesüppchen zu kochen!

Eins muss ich in Bezug auf die SWN noch erwähnen: Neben Einheit ist ohne Zweifel Gebet ein weiterer entscheidender Faktor. Die SWN wurde den ganzen Abend über von Christen im Gebet begleitet und getragen. Und wieder habe ich erlebt: Die Atmosphäre ist einfach völlig anders, wenn gebetet wird.

Einheit und Gebet: Beides brauchen wir! Dringend! Um des Evangeliums willen. Und um der vielen Menschen willen, die Gottes Liebe und Vergebung so dringend brauchen.

Kultur der Barmherzigkeit

Tübingen ist ein schönes Städtchen. Es macht Spaß, dort zu arbeiten. Mit Boris Palmer haben wir einen interessanten Bürgermeister, der keine Auseinandersetzung scheut. Letzte Woche wurde er am Rande einer Demonstration von einem Steinewerfer am Kopf getroffen. Auch wenn ich politisch Boris Palmer nicht gerade nahestehe erschreckt mich so eine Nachricht.

Leider greift die Kultur des Steinewerfens um sich. Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider beklagt gar eine  “Atmosphäre des Bloßstellens, des Niedermachens, des Draufschlagens”. In der Tat: Fast regelmäßig werden Verantwortungsträger Opfer eines medialen Spießrutenlaufens. Die Demontage von Bundespräsident Wulf war ein trauriger Höhepunkt. Aber auch die Tränen von Kanzlerkandidat Steinbrück haben Bände darüber gesprochen, wie brutal und gnadenlos öffentliche Verantwortungsträger traktiert werden. Und obwohl ich nie FDP-Wähler war fand ich auch den beißenden Spott und die Häme, die z.B. in der heute-show über der abgewählten FDP ausgegossen wurde, geradezu unerträglich.

Aber es geht nicht nur um Prominente. Unternehmer werden als „Bosse“ verschrien, Polizisten als „Bullen“, Hausfrauen und Mütter (für mich die größten Helden unserer Gesellschaft!) als „Heimchen am Herd“, denen man eine „Herdprämie“ bezahlen muss. Unsere scheinbar tabulose Gesellschaft hat neue Tabus geboren, deren Übertretung aggressiv geahndet wird. Das haben zuletzt die Teilnehmer des Marschs für das Leben erfahren müssen, die es gewagt haben, öffentlich das „Recht“ auf freie Abtreibung in Frage zu stellen und die dafür zwar nicht mit Steinen aber mit Farbbeuteln und Kondomen beworfen wurden.

Die Geschädigten dieser Kultur des Steinewerfens sind wir alle. Denn es sind ja gerade auch die Stützen unserer Gesellschaft, die da demontiert werden. Leider sind wir auch in der christlichen Szene alles andere als frei davon. Leiten macht einsam – das gilt allzu oft auch in Kirchen, Gemeinden und christlichen Werken. Es ist manchmal ernüchternd zu hören, was Leiter sich so alles an beißender Kritik anhören müssen. An mir selbst merke ich, wie schnell man zynisch, ärgerlich oder überheblich wird. Es ist gar nicht leicht, sein Herz rein zu halten, wenn man Berichte über (angebliche) Fehler Anderer hört.

Jesus hat die Fehler auch gesehen. Er sah die Sünde der Ehebrecherin. Er hat sie nicht kleingeredet oder ignoriert. Aber er hat sich mutig dazwischengeworfen, als die Steinewerfer ihr an den Kragen gehen wollten. »Wer von euch ohne Sünde ist, der soll den ersten Stein auf sie werfen!« hat er gesagt und damit die Ankläger dazu gebracht, ihre Steine in desteine Herzn Sand fallen zu lassen. Damit hat Jesus ein radikales Zeichen gesetzt. Er will eine Kultur der Barmherzigkeit! Und er hat uns daran erinnert, dass wir ALLE Fehler machen und ALLE von der Barmherzigkeit Gottes und unserer Mitmenschen leben.

Es tut mir ganz gut, mich manchmal daran zu erinnern, wie schräg ich selbst zeitweise drauf war. Wie sehr ich Menschen verletzt habe! Welche verqueren Meinungen ich hatte. Und Gott allein weiß, welche dunklen Motivationen und Irrtümer mich heute noch beeinflussen. Er hätte schon oft allen Grund gehabt, mich abzuschreiben. Aber Gott hatte und hat Geduld mit mir. Statt mich zu verurteilen hat er mir immer wieder aufgeholfen. Gott sei Dank!

Davon lebe ich: Von der Gnade, Vergebung und Barmherzigkeit Gottes und meiner Mitmenschen. Jesus, bitte hilf mir, dass auch ich gnädig bin. Dass ich den Stein fallen lasse, den ich auf andere Menschen schleudern will. Und dass ich mich so wie Du mutig dazwischen werfe, wenn Andere gesteinigt werden sollen. Lass mich ein Friedensstifter sein und einer, der mit der richtigen Herzenshaltung kämpft – für eine jesusmäßige Kulturrevolution. Für eine Kultur der Gnade und der Barmherzigkeit.

Miteinander reden – nicht übereinander! (Teil 2)

Nach der Sendung „Mission unter falscher Flagge“ habe ich den im Film interviewten Klinikseelsorger sowie die im Hintergrund beteiligte Arbeitsstelle für Weltanschauungsfragen angeschrieben und nach Belegen für die im Film genannten Vorwürfe gefragt. Die Rückmeldungen haben mich sehr beschäftigt. Keine Frage: Der Seelsorger hatte diese Äußerungen gut gemeint. Er wollte Mitmenschen schützen vor Gruppen, die er auf Basis seiner persönlichen Erfahrungen für problematisch oder schädlich hielt. Aus biblischer Sicht könnte solch ein Vorgehen durchaus berechtigt sein, schließlich hat auch Paulus z.B. in Bezug auf die Gefährlichkeit gesetzlicher Irrlehrer kein Blatt vor den Mund genommen. Es mag also tatsächlich Fälle geben, in denen es sogar notwendig ist, laut und deutlich vor bestimmten Gruppen oder theologischen Fehlentwicklungen zu warnen.

FingerzeigenDie große Frage ist: Wann ist ein solch dramatischer Schritt (mit all den schlimmen Verletzungen und Schäden, die daraus entstehen) tatsächlich angemessen? Welche Kriterien müssen erfüllt sein, die es berechtigt erscheinen lassen, Negatives über andere Christen zu verbreiten? In meinem Buch „AUFATMEN in Gottes Gegenwart“ habe ich dazu folgende Gedanken formuliert (Seite 107): Bevor wir über einen Menschen, eine Gruppe, eine Gemeinde, eine bestimmte christliche Prägung oder Bewegung etwas Negatives verbreiten, sollten wir uns unbedingt diese Fragen stellen: Ist es wirklich ganz sicher wahr, was ich sage? Kenne ich diese(n) Menschen denn wirklich? Ist meine Motivation in Ordnung? Bin ich mir sicher, dass ich mich nicht durch die Fehler von Anderen selbst auf einen Sockel stellen möchte? Habe ich Liebe für die, über die ich rede? Ist es wirklich hilfreich, jetzt über diese(n) Menschen zu sprechen? Wenn wir eine oder mehrere dieser Fragen nicht mit einem eindeutigen „ja“ beantworten können, sollten wir vermutlich besser schweigen.

Natürlich muss sich jeder diese Fragen selbst beantworten. Das kann ich auch nicht für den interviewten Klinikseelsorger oder die Weltanschauungsbeauftragte tun. Nachvollziehbare Belege für die im Film geäußerten harten Vorwürfe konnten mir jedenfalls beide bislang nicht nennen. Und wenn ich mir anschaue, was die Weltanschauungsbeauftragte öffentlich über bibeltreue charismatische Christen verbreitet kommen mir angesichts der enthaltenen einseitigen Klischees größte Zweifel, dass sie diese Christen wirklich kennt: So schreibt sie z.B., es handele sich um „Fundamentalisten“, die aus einer „Froh-Botschaft“ eine „Droh-Botschaft“ machten, ein Wohlstandsevangelium predigten und den Glauben als Allheilmittel verkauften. Immer wieder fallen Begriffe wie „aggressiv“, „intolerant“, „gefährlich“, „ideologisch“. Selbst die betenden „Mütter in Kontakt“ werden als „radikale Christen“ bezeichnet. Besonders erschrocken bin ich über die Bemerkung, dass diese „fundamentalistischen” Christen mit „muslimischen Fundamentalisten viele Gemeinsamkeiten“ hätten. Angesichts der hetzerischen und gewalttätigen Fratze des islamischen Fundamentalismus bleibt mir bei dieser Aussage die Spucke weg.

Ich weiß nicht, woher die Weltanschauungsbeauftragte ihre Informationen bezieht. Ich kann nur sagen, dass ich mich schon seit langer Zeit in charismatischen Kreisen bewege und viele Gemeinden und Gruppen kennen gelernt habe. Ja, auch dort gibt es leider Probleme, Missstände und Entgleisungen. Aber ein Wohlstandsevangelium oder Drohbotschaften sind mir ebenso wenig begegnet wie aggressive, intolerante Menschen, die für unsere Gesellschaft gefährlich wären.

Ich halte es für dringend erforderlich, dass meine evangelische Kirche ihren Umgang mit Christen anderer Prägung oder Konfession gründlich überdenkt. Besser heute als morgen sollte eine innerkirchliche Diskussion dazu beginnen. Jesus hat uns intensiv davor gewarnt, über andere Christen zu urteilen. Hören wir doch noch einmal bewusst auf seine eindringlichen Worte:

„Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Denn nach welchem Recht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welchem Maß ihr messt, wird euch zugemessen werden. Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge?“

O ja, da gibt es wahrlich genügend Balken in meinem Leben und in meiner Kirche, die mich und uns wirklich beschäftigen sollten. Wir leben alle aus der Gnade. Diese Gnade sollten wir auch für Andere haben. Der Schrei Jesu nach Einheit sollte auch unser aller Schrei sein. Die Band „Casting Crowns“ hat dazu ein Gebet formuliert, das wir uns immer wieder zu Eigen machen sollten:

Oh Jesus, friend of sinners,
open our eyes to the world at the end of our pointing fingers.

Let our hearts be led by mercy.
Help us reach with open hearts and open doors.

Oh Jesus, friend of sinners, break our hearts for what breaks yours.

Warum Gebet und Genuss zusammengehört…

…und warum “In meinem Herzen Feuer” viel mehr ist als einfach nur ein weiteres Buch zum Thema Gebet

Ich habe schon einige Bücher über Gebet gelesen. Sie waren alle sehr überzeugend und hinterließen in mir das (leider wenig nachhaltige) Gefühl: JA, DU SOLLTEST mehr beten! Das neue Buch von Dr. Johannes Hartl hat in mir hingegen eher das Gefühl hinterlassen: JA, DU DARFST mehr beten! Du darfst Dich auf die Abenteuerreise des Gebets begeben! Du darfst die Gottesbegegnung noch viel mehr genießen lernen!

Wenn Johannes HarBuchcover In meinem Herzen Feuertl über Gebet spricht tut er das oft in etwa so, wie wenn ein 5-Sterne-Koch in poetischer Sprache von auserlesenen Köstlichkeiten schwärmt. Viele der im Buch beschriebenen Speisen erschienen mir zwar vertraut, einige waren für mich allerdings auch eine gewisse Zumutung: Die Einübung des Schweigens, kontemplatives Gebet, Gebet im Kloster – da schluckt ein protestantischer Pietist wie ich es bin. Aber zugleich fällt auf: Johannes Hartl spricht mit einer solchen Liebe von Jesus und vom Wort Gottes wie gerade wir Pietisten es doch eigentlich immer betont haben und doch leider immer weniger tun, seit auch immer mehr Evangelikale meinen, dass Bibeltreue für Enge, Gesetzlichkeit, Lieblosigkeit und Denkfaulheit steht. Johannes Hartl widerlegt alle diese Klischees eindrücklich: Seine abenteuerlichen Reiseberichte, seine ungeheure Belesenheit, seine Offenheit für andere Menschen und Kulturen und seine intellektuelle Wachheit zeugen von einer ungezähmten Neugier, die ansteckend wirkt. Für ihn ist es gerade die Liebe und Hingabe an Jesus und an sein Wort, die von Enge und Oberflächlichkeit befreit und in die Weite und in die Freiheit führt. Und ins Gebet, das für Johannes Hartl nicht nur geistliche Disziplin sondern gelebte Liebe, Genuss, Reichtum und Verschwendung bedeutet. Ein Schlüsselsatz des Buches ist für mich:

“Seine Gegenwart wahrnehmen zu lernen, ist der Schlüssel zu einem Gebet, das nicht mehr Leistung oder Anstrengung ist, als es Leistung oder Anstrengung ist, etwas Schönes zu sehen und es schön zu nennen.”

Ja, das scheint mir wirklich ein zentraler Schlüssel für Gebet zu sein und zugleich eine Antwort auf meine drängende Frage, warum wir angesichts der destruktiven Megatrends unserer Zeit nicht schon längst gemeinsam solange beten, bis er gemäß seinem Versprechen unser Land heilt. Wir wissen vielleicht viel über Gott. Aber das heißt eben noch lange nicht, ihn zu kennen! Hartls Therapievorschlag für die Christenheit lautet deshalb:

“Das Staunen neu zu lernen, Jesus wirklich kennenzulernen und sich von ihm faszinieren zu lassen, das wäre tatsächlich unsere Rettung und unsere Verwandlung.”

Damit drückt Johannes Hartl haargenau das aus, was mich beim Projekt “AUFATMEN in Gottes Gegenwart” seit langem bewegt. Die Faszination der Gottesbegegnung ist Johannes Hartl sogar noch wichtiger als die dramatischen Gebetserhörungen und Kraftwirkungen, die er als Folge des Gebets erlebt hat. Hartls Berichte, was Gebet alles bewegen kann, sind dennoch ein wichtiger Teil dieses Buchs. Sie lassen mich neu träumen davon, was wohl geschehen würde, wenn wir uns nicht nur in Augsburg sondern in allen Regionen Deutschlands über die Konfessionsgrenzen hinweg zusammentäten, um gemeinsam zu beten!

Ehrlich gesagt: Bis vor kurzem hätte ich mir kaum vorstellen können, ein Buch eines katholischen Theologen weiter zu empfehlen. Das Revolutionäre an diesem Buch liegt auch darin, dass es eine Entwicklung befeuert, die man ohne Übertreibung als kirchenhistorisch bezeichnen darf. Nachdem jüngst die seit 1909 andauernde Spaltung zwischen Evangelikalen und Pfingstlern überwunden und mit der Versöhnungsarbeit zwischen den einst blutig verfolgten Täufern und den Landeskirchen begonnen wurde deutet sich jetzt an, dass es pünktlich zum 500 jährigen Jubiläum der Reformation möglich werden könnte, dass einer der tiefsten Risse in der Einheit der weltweiten Christenheit zu heilen beginnt und Protestanten und Katholiken langsam zueinander finden. Welch ein gewaltiges Hoffnungszeichen! Einheit als Folge von Gebet ist deshalb für mich eines der heimlichen Hauptthemen dieses Buches. Auch deshalb empfehle ich von Herzen: Unbedingt lesen!!

Die Nachricht hinter den Nachrichten

Welche Botschaft sich hinter den Schreckensmeldungen unserer Zeit verbirgt

Ich schaue gerne Nachrichtensendungen an und informiere mich gerne im Internet darüber, was alles passiert in der Welt. Aber seit einiger Zeit vergeht mir der Spaß. Die schlechten Nachrichten häufen sich. Die Dramatik nimmt in bedrückender Weise zu. Dabei meine ich jetzt nicht nur die schlimmen Berichte aus den Kriegsgebieten wie Irak, Syrien, Libyen, Israel, Ukraine, Nigeria, Sudan usw. Genauso drücken mich die Berichte über Hetze, Hass und Gewalt mitten in Europa, mitten in Deutschland. Fast noch mehr Sorge bereitet mir die Frühsexualisierung und Pornografisierung unserer Jugend bei gleichzeitiger Verstaatlichung der Kindererziehung und Wegfall der Ideale von Treue und Familie. Wie sollen in unserer Gesellschaft emotional gesunde Kinder aufwachsen, wenn es immer weniger lebenslange Partnerschaften gibt? Und was wird mit unserer destabilisierten Gesellschaft passieren, wenn eine neue Finanzblase platzt und alle Rettungsschirme schon verbraucht sind?

Beim Nachdenken über diese Probleme regt sich in mir der Kampfgeist. Wir müssen doch aufstehen und etwas tun! Dann freue mich über all die Initiativen wie Petitionen, Demonstrationen, Großveranstaltungen usw. Ja, ich glaube wirklich, dass wir mehr denn je gerufen sind, aufzustehen und Salz und Licht unserer Gesellschaft zu sein. Nicht zuletzt die Onlinepetition zum Bildungsplan hat gezeigt, dass wir durchaus etwas bewegen können.

Aber am Ende denke ich: Auch wenn wir zu einer noch viel größeren Einheit finden und viel aktiver werden: Es wird wohl trotzdem nicht reichen. Wir werden die destruktiven Megatrends wohl nicht aufhalten können. Das könnte mich in die Verzweiflung treiben. Müssen wir denn wirklich hilflos zusehen, wie alles zerbricht?

In meinem Lied „Show your presence („Offenbare Deine Gegenwart“) habe ich dazu die folgenden Zeilen formuliert:

„Wenn alles gesagt und getan ist, wenn es keinen Weg mehr gibt, wohin wir uns wenden können, und wenn alle menschliche Hoffnung erloschen ist, dann begreifen wir es wieder: Es gibt nur 1 Ort, wo wir hingehen können, um Heilung für unsere Wunden zu finden. Wir werden Dein Angesicht suchen weil wir wissen: Wir brauchen Dich!“

Bild Video Show your presenceDas Lied ist inspiriert von 2. Chronik 7, 14, wo Gott uns verspricht, dass es trotz allem Chaos noch 1 Chance zur Rettung gibt, nämlich wenn das “Volk, das meinen Namen trägt, dann Reue zeigt, wenn die Menschen zu mir beten und meine Nähe suchen und zu mir zurückkehren, will ich sie im Himmel erhören und ihnen die Sünden vergeben und ihr Land heilen.”

Das klingt phantastisch. Fast zu schön, um wahr zu sein. Aber der Punkt ist: ES IST WAHR! Es gibt ganze Bücher in der Bibel, deren Geschichten immer nur diese 1 Botschaft haben: Gott hat diese Verheißung tatsächlich ernst gemeint! Und wer sich mit Erweckungsgeschichte oder den phantastischen Entwicklungen in Ländern wie Südkorea beschäftigt stellt fest: Hinter den Erfolgen stand und steht immer eine große Gebetsbewegung!

Aber leider sieht es bislang so aus, als ob ich mit meinem Lied zu optimistisch war. Trotz aller Schreckensnachrichten scheinen wir noch nicht wirklich zu begreifen, dass Gebet tatsächlich unsere einzige Rettung ist. Noch sind Gebetsabende meist die am schlechtesten besuchten Veranstaltungen im Gemeindeprogramm. Dabei haben Gebetsveranstaltungen so viele Vorteile:

  • Sie sind längst nicht so aufwändig und kräfteraubend wie Gottesdienste oder Evangelisationen. Im Gegenteil: Wenn wir dabei Gottes Gegenwart suchen statt nur Gebetsanliegen abzuarbeiten sind sie erfrischender als alles andere.
  • Im Gegensatz zu Protestaktionen verursachen Gebetsabende niemals Missverständnisse, Ärger oder Gegenproteste.
  • Gebetsveranstaltungen sind maximal effizient, denn wir erreichen 2 Ziele gleichzeitig: Die Erneuerung unseres Herzens UND unserer Gesellschaft.

Deshalb stellt sich mir die große Frage: Warum tun wir es nicht einfach? Warum folgen wir nicht einfach den Ortwin Schweitzers und Johannes Hartls dieser Welt, kehren um und fangen an, gemäß Gottes Anweisung als ganzes Volk Gottes gemeinsam zu beten und Gottes Angesicht zu suchen? Es wäre so einfach!

DIE NACHRICHT HINTER DEN NACHRICHTEN HEISST DESHALB: Allein den Betern kann es noch gelingen! GENAU JETZT ist die Zeit, unsere Prioritäten zu ändern und uns Zeit zu nehmen, um über alle Konfessions- und Generationsgrenzen hinweg gemeinsam Gottes Angesicht zu suchen, bis er kommt, um unser Land zu heilen!

Warum tun wir es nicht einfach?

Siehe auch:

Tatort Münster – ein hochbrisanter Fall der Kirchengeschichte

Warum wir die gnadenlose Verfolgung der Täufer nicht vergessen dürfen

Die Stadt Münster ist Tatortfans als Krimihochburg bestens bekannt. Hier löst das geniale Ermittlerduo Boerne und Thiel seine Fälle. Bei meinem Besuch in Münster fiel mir auf, dass diese Stadt aber auch reale Mordfälle zu bieten hat: Im Turm der Lambertikirche hängen noch immer die 3 Käfige, in denen 1536 die Leichen der öffentlich hingerichteten Anführer der Täuferbewegung zur Schau gestellt wurden. Der makabre Anblick hat mich betroffen gemacht. Seit ich vor ein paar Jahren das (äußerst empfehlenswerte!) Buch „Feuertaufe“ von Peter Hoover gelesen habe lässt mich das Drama der Täufer nicht mehr los.

Käfige LambertikircheLeider ist nur Wenigen bekannt, was sich damals abgespielt hat: Im 16. Jahrhundert entstand neben den reformierten Kirchen eine weitere reformatorische Bewegung, die noch einen Schritt weiter gehen wollte: Die Verbindung von Kirche und Staat sollte aufgelöst werden. Die Taufe sollte Ausdruck einer persönlichen Glaubensentscheidung sein, weshalb die Kindertaufe nicht anerkannt wurde. Stattdessen ließen sich Erwachsene taufen, ohne dabei die Einmaligkeit der Taufe in Frage zu stellen (der leider immer noch benutzte Begriff „Wiedertaufe“ war ein Schimpfwort, der den Täufern eine Irrlehre unterstellte, die sie nie vertreten haben und der deshalb dringend abgeschafft gehört).

Die Täuferbewegung wuchs schnell und konnte in weiten Teilen Mitteleuropas Gemeinden gründen. Von den Kirchen wurde sie aber als Bedrohung empfunden. Mit dem Wiedertäufermandat von Speyer und dem Augsburger Bekenntnis begann ab 1529 eine etwa 300 Jahre lang andauernde systematische Verfolgung. Viele tausend Menschen wurden dabei grausam vertrieben, eingesperrt, gefoltert, verbrannt, enthauptet oder ertränkt, und zwar nicht nur in katholischen sondern auch in vielen reformierten Regionen – und mit ausdrücklicher Unterstützung Martin Luthers! Diese gezielte und organisierte Ausrottung einer ganzen kirchlichen Bewegung wurde vom mennonitischen Täuferforscher Wolfgang Krauß zurecht als „Kirchenmord“ („Ekklesiozid“ in Anlehnung an den Begriff “Genozid” für Völkermord) bezeichnet. Eindrücklich schildert er, wie das Trauma bei den Nachfahren der in die ganze Welt vertriebenen Täufer (Mennoniten, Hutterer und Amische) bis heute nachwirkt.

Die Gründe für diese Verbrechen bleiben weitgehend rätselhaft. Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. in Münster) waren die Täufer absolut friedlich und pazifistisch. Sogar ihre Gegner bescheinigten ihnen höchste moralische Integrität. Umso beschämender ist es, dass es fast 500 Jahre gedauert hat, bis endlich im Jahr 2010 Vertreter der lutherischen Kirchen die Täuferbewegung um Vergebung gebeten haben. Ist damit dieser Fall jetzt abgeschlossen? Nein, auf keinen Fall. Die Aufarbeitung der fürchterlichen Verfolgung der Täufer ist längst noch nicht bewältigt. Und die Erinnerung an die historische Schuld muss uns sensibel machen für unsere Gegenwart:

Leider haben wir Christen oft die Neigung, die Stillen im Land sein zu wollen. Lieber nichts sagen, um nirgends anzuecken. Aber ich glaube nicht, dass das eine Tugend ist. Gerade in Deutschland sollten wir wissen, wohin das führen kann. Auch deshalb unterstütze ich von Herzen die Initiative Zeit zum Aufstehen, damit wir Christen neu auf das schauen, was uns eint und gemeinsam eine Stimme finden für Gewissens- und Religionsfreiheit und gegen jede Benachteiligung und Verfolgung von Christen und Angehörigen aller Religionen weltweit“. Und natürlich müssen wir noch viel mehr tun: Gemeinsam beten, spenden, die Stimme auf vielfältige Weise erheben und uns einsetzen für Schwache und Verfolgte und für die Einheit der Christen, um die Jesus so intensiv gebetet hat. Es ist höchste Zeit, dass der Leib Jesu die historische Spaltung vollends überwindet und in seiner Vielfalt an Prägungen über die Konfessionsgrenzen hinweg zu einer Herzenseinheit findet. Nicht zuletzt das 500-jährige Reformationsjubiläum im Jahr 2017 wäre dafür ein großartiger Anlass!

Miteinander reden – nicht übereinander!

Gedanken zur ARD-Doku “Mission unter falscher Flagge”

Am 4. August wurde Deutschland in einer ARD-Doku über „radikale Christen in Deutschland“ aufgeklärt, die angeblich „Mission unter falscher Flagge“ betreiben. Obwohl dabei nur einige freikirchliche Gruppen mit charismatisch/pfingstlicher Prägung gezeigt wurden hat der Film letztlich die gesamte evangelikale Bewegung ins Zwielicht gerückt.

Die völlig einseitige, undifferenzierte und reißerische Darstellung mit subtilen Schnitten und düsteren Klängen hat viele Christen sehr empört. Das ging auch mir so. Nicht zuletzt die inzwischen verfügbaren Stellungnahmen des Gospel Forums, der FCJG Lüdenscheid, der TOS Tübingen oder des Werks Mission Freedom (inkl. der Pressemitteilung des MdB Frank Heinrich) haben die äußerst mangelhafte journalistische Qualität des Films überdeutlich werden lassen.

Bei allem Ärger über die ARD-Journalisten gibt es jedoch eine Sache, die mich offen gesagt noch mehr bedrückt: Es war ein Pfarrer meiner evangelischen Landeskirche Württemberg, der diese Mitchristen im Film so massiv angegriffen hat. Sein harmlosester Vorwurf war dabei noch, dass in den Veranstaltungen der freien Gemeinden das Evangelium wie in schlechten Managerseminaren angepriesen würde. Viel schlimmer war seine Aussage, dass es nach seinem „Eindruck“ hinter den Kulissen der freien Gemeinden Machtmissbrauch, Manipulation und sogar Gewalt gäbe. Die Belege dafür waren dünn. Außer ein paar vorgelesenen Behauptungen anonymer „Aussteiger“ wurden in dem ganzen Film praktisch keine Fakten genannt, um die harten Vorwürfe zu belegen, und das, obwohl die ARD-Journalisten hinter der Kamera offenbar kräftig von der Arbeitsstelle für Weltanschauungsfragen der württembergischen Landeskirche unterstützt wurden, wie die Filmemacher im Interview berichten.

Was mich dabei umtreibt ist: Vertreter meiner eigenen Kirche tun hier doch genau das, wofür der Papst gerade eben bei den Pfingstkirchen um Vergebung gebeten hat, nämlich die Beförderung einer undifferenzierten und einseitigen Stigmatisierung pfingstlich/charismatischer Mitchristen.

Natürlich ist mir aus persönlicher schmerzlicher Erfahrung sehr bewusst, dass es Manipulation, Gewalt und Machtmissbrauch tatsächlich auch in christlichen Kreisen gibt. ABER: Diese Probleme gibt es überall, wo Menschen mit verletzter Identität versuchen, ihre persönlichen Defizite durch menschliche Anerkennung und Macht zu kompensieren. Das ist keine Spezialität charismatisch/pfingstlicher Gruppen. Hier muss jede Gemeinde und Kirche zuerst vor ihrer eigenen Haustüre kehren.

Miteinander redenUnd wenn wir den Eindruck gewinnen, dass solche Probleme anderswo gerade gehäuft auftauchen, dann sollten wir MITEINANDER und nicht ÜBEREINANDER sprechen, so wie es Paulus gemacht hat. Wir lesen ja in der Bibel, dass es auch in den urchristlichen Gemeinden z.T. schlimme Fehler und Fehlentwicklungen gab. Gut, dass Paulus das direkt mit den Gemeinden besprochen hat statt die Bevölkerung Korinths oder Galatiens öffentlich vor den christlichen Gemeinden zu warnen!

Gerade jetzt kämpft meine Kirche wieder mit einer neuen Austrittswelle. Das drückt mich sehr. Noch bedrückender finde ich, dass unsere Gesellschaft große Probleme hat und mehr denn je die gute Nachricht des Evangeliums benötigt. Dafür brauchen wir Christen eine starke gemeinsame Stimme im Land! Jesus hat deutlich gemacht, dass unser Zeugnis erst dann an Strahlkraft gewinnt, wenn die Christen in Einheit zusammenstehen.

Deshalb meine ich: Wir können wir es uns nicht leisten, öffentlich auf einander loszugehen! Denn damit schaden wir am Ende dem Ruf ALLER Christen, auch dem unserer eigenen Kirche!

Ich wünsche mir deshalb sehr, dass meine Kirche dem Beispiel des Papstes folgt und klar zum Ausdruck bringt, dass…

… es nicht der Wahrheit entspricht, wenn charismatisch/pfingstliche Christen derart einseitig und undifferenziert negativ dargestellt werden.

… es nicht in Ordnung ist, Mitchristen (so wie überhaupt niemanden) ohne klare Faktenlage öffentlich niederzumachen.

… evangelikal und charismatisch geprägte Christen auch in vielen evangelischen Gemeinden äußerst wertvolle ehrenamtliche Arbeit leisten und ein wichtiger und wertgeschätzter Bestandteil der evangelischen Kirche sind.

… moderne, jugendgemäße Formen, wie sie im Film zu sehen waren, auch innerhalb der Kirche gefördert und begrüßt werden als wertvolle Hilfe gegen den massiven Bindungsabbruch von Jugendlichen zur Kirche.

Ob mein Wunsch wohl in Erfüllung geht? Ich habe den Pfarrer, der in der Sendung zu Wort kam, und meine Kirchenleitung darauf angesprochen. Vielleicht kommen wir ja miteinander ins Gespräch und gemeinsam einen Schritt vorwärts auf dem Weg zu der Einheit, für die Jesus so intensiv gebetet hat. Dann hätte dieser ARD-Film doch noch etwas Gutes bewirkt…