Wenn Gemeinden unter Leitern leiden

Warum ist in manchen Gemeinden die Atmosphäre so eng und gesetzlich, dass es einem fast die Kehle zuschnürt, während man anderswo eine erfrischende Weite und die herrliche Freiheit der Kinder Gottes atmen kann?

Liegt es an der theologischen Ausrichtung? Sind Konservative eng und gesetzlich, Liberale hingegen weitherzig und großzügig, so wie manche meinen? Nein. Enge und Gesetzlichkeit habe ich bei Liberalen genauso wie bei Konservativen erlebt. Fakt ist: Die Atmosphäre einer Gemeinschaft wird immer stark von der Persönlichkeit ihrer Leiter geprägt und von der Frage: Leiten die Leiter so, wie Jesus es vorgelebt hat?

Leitung im Sinne Jesu bedeutet: Anderen dienen und sich für sie aufopfern statt von Anderen Dienst und Aufopferung für die eigenen Ziele zu verlangen. Sie arbeitet niemals mit Druck, Amtsmacht oder Manipulation sondern sie nimmt Einfluss durch Vorbild und durch gute, christuszentrierte Lehre, die die Menschen primär an Christus bindet statt an menschliche Leiter, an Projekte oder Institutionen.

Gute Leiter erkennen ihre wichtigste Aufgabe darin, in den Menschen eine authentische Liebe zu Jesus zu wecken, denn sie wissen: Wenn Menschen Jesus lieben, werden sie von sich aus gerne nach Gottes Geboten leben und gerne in der Gemeinde mitarbeiten, auch ohne Druck und Manipulation. Aber wenn in einer Gemeinde die Liebe zu Jesus versickert gerät sie in eine Zwickmühle: Geben sich die Leiter liberal werden die Leute kaum noch mitarbeiten und ihren Lebensstil nicht mehr an der Bibel orientieren. Fangen die Leiter an, die Menschen durch Druck zu einem biblischen Lebensstil und zur Mitarbeit in der Gemeinde zu drängen, wird die Atmosphäre eng und unfrei. So oder so geht die Gemeinde an der fehlenden Jesusliebe zugrunde.

Es gibt einen Test, durch den wohl jeder Leiter gehen muss und der die Art und Qualität unseres Leitungsstils ziemlich gnadenlos offenlegt:

Stell Dir vor, Du hast Dir ein Projekt vorgenommen und Andere aufgefordert, sich zu beteiligen und mitzumachen – aber Du bekommst wenig oder gar keine Resonanz. Die Leute bleiben passiv. Was tust Du? Erhöhst Du den Druck? Beklagst Du Dich über Deine Leute? Machst Du ihnen ein schlechtes Gewissen, um sie doch noch zum Mitmachen zu manipulieren?

Oder stellst Du Dir stattdessen ganz einfach die Frage: War dieses Projekt jetzt wirklich dran? War es vielleicht doch nur meine Idee? Habe ich vielleicht die falschen Prioritäten gesetzt oder zu viel von den Menschen erwartet?

Wir sollten nie vergessen: Wenn Gott ein Projekt wirklich möchte, dann hat er die Herzen vorbereitet. Dann gibt er Leitern die Gabe, eine Vision zu wecken und den Menschen die Augen zu öffnen für Gottes Pläne, damit sie primär IHM folgen, wenn sie bei dem Projekt mitmachen, und nicht in erster Linie den Leitern! Das ist ein feiner, aber ganz entscheidender Unterschied, auf den wir achten müssen! Wenn alles nur mit Druck und Ermahnung läuft ist das ein starker Hinweis darauf, dass Gott wohl nicht mit uns ist in diesem Projekt, auch wenn es uns noch so wichtig zu sein scheint.

Wir haben von Gott eben nur das Mandat, den Menschen das (leichte und sanfte) Joch Christi auf die Schulter zu legen und nicht, sie für unsere eigenen Ziele einzuspannen. Unsere Aufgabe ist es, die Menschen zu dem einzig wahren Leiter Christus hin zu schieben, damit sie IHM nachfolgen – statt sich zwischen Christus und die Gemeinde zu drängen und Leitergehorsam zu verlangen.

Blogbild Leitung

Und ganz wichtig: Gute Leiter beziehen ihre Identität und ihren Wert nicht von Menschen sondern aus Christus. Deshalb sind sie emotional nicht auf Erfolg und Beifall angewiesen und können entspannt Menschen ziehen und Projekte fallen lassen statt mit Manipulation, Druck und Intrigen ihren Erfolg und Machterhalt zu sichern.

Gemeinde wächst auf Dauer nur, wenn sie gute Hirten hat. Aber seien wir ehrlich: Spätestens wenn wir unter Druck geraten neigen wir alle dazu, in einen falschen, dominierenden Leitungsstil zu verfallen, egal ob wir nur eine Jungschar oder eine ganze Gemeinde leiten. Lasst uns von Jesus lernen und auch dann echte Diener sein, wenn Menschen uns enttäuschen. Geben wir unsere Ambitionen am Kreuz in den Tod. Lassen wir uns neu in Brand setzen mit Gottes Gedanken, Gefühlen und Plänen, damit wir authentisch auch andere dafür anzünden können. Seien wir selbst leidenschaftliche Nachfolger und Jesusliebhaber. Dann wächst in uns eine natürliche Autorität, die durch die Frucht, die aus unserem Leben und Wirken wächst, noch untermauert wird. Dann brauchen wir niemanden bedrängen oder manipulieren. Dann werden sich die Menschen gerne und freiwillig mit uns auf den Weg Christi und an die Arbeit im Reich-Gottes-Bau machen. Wohl der Gemeinde, die solche hingegebenen Leiter hat!

“Lasst euch niemals `Rabbi´ nennen. Ihr habt nur einen Meister, und ihr alle seid gleich, wie Brüder und Schwestern. Und bezeichnet niemanden hier auf der Erde als `Vater´, denn nur Gott im Himmel ist euer geistlicher Vater.  Lasst euch auch nicht `Lehrer´ nennen, denn es gibt nur einen Lehrer, und das ist der Christus. Der Größte unter euch muss den anderen dienen. Diejenigen jedoch, die sich über die anderen stellen, werden gedemütigt werden, und die, die demütig sind, werden erhöht.” (Matthäus 23, 8-12)
asdf
P.S.: Dieser Artikel wurde nicht geschrieben, um Leiter bloßzustellen! Statt Leiter anzuklagen bete doch lieber für sie und segne sie. Sei ein guter Mitarbeiter, auch wenn Deine Leiter manchmal versagen. Überlege, wo Du selbst Leitungsverantwortung übernehmen kannst, damit Du die Herausforderungen und Versuchungen eines Leiters selber kennen lernst. Nur dann kannst Du auch anderen Leitern helfen, auf einen guten Weg zu finden.

P.P.S.: In diesem Text sind viele wichtige Bibelstellen zum Thema Leiterschaft verlinkt. Wie wäre es, die Bibelstellen mal nachzulesen, um von Jesus zu lernen, wie man leitet?

Siehe auch:

Warum ich es (trotz allem) richtig finde, wenn Christen auf die Straße gehen

Im August 2014 war ich zum ersten Mal auf einer Demo. Es ging um Solidarität mit Israel und Protest gegen Antisemitismus. Das hat mich aufgewühlt, nicht zuletzt auch wegen der Gegendemonstranten mit ihren schlimmen antisemitischen Parolen. Schade fand ich, dass wir angesichts der vielen rund um Stuttgart lebenden Christen nur 700 Teilnehmer waren. Aber irgendwie kann ich es auch verstehen. Lange Zeit hätte ich mir selbst nicht vorstellen können, demonstrieren zu gehen. Hat Paulus nicht gesagt, dass wir ein stilles und ruhiges Leben führen sollen statt öffentlichen Aufruhr zu stiften?

Zumal so eine Demo ihre Schattenseiten hat. Oft werden die knappen Parolen den komplexen Themen nicht wirklich gerecht. Das kann polarisierend wirken statt Dialog zu fördern. Und man hat immer wieder auch schräge Leute dabei, mit denen man nicht in einen Topf geworfen werden möchte. Medien fokussieren leider oft auf solche Randfiguren, um die ganze Demo schlecht oder lächerlich zu machen. Da fragt man sich dann: Ist das am Ende nicht kontraproduktiv? Ich kann verstehen, wenn Christen sich aus diesen Gründen an Demos grundsätzlich nicht beteiligen wollen.

demo für alle

Ich selbst sehe das inzwischen jedoch anders. Ich freue mich, wenn Christen öffentlich aufmerksam machen auf das unsägliche Leid der zahllosen missbrauchten und versklavten Prostitutierten in Deutschland oder auf das hierzulande leider viel zu wenig wahrgenommene Drama der weltweit 100 Millionen verfolgten und vertriebenen Christen. Auch finde ich es wichtig, dass Christen beim Marsch für das Leben den Wert des Lebensschutzes von der Zeugung bis zum Tod hochhalten.

Und ich meine auch, dass das seit der Onlinepetition zum Bildungsplan 2015 vieldiskutierte Thema der “sexuellen Vielfalt” uns alle weiter umtreiben sollte. Denn es geht hier ja um weit mehr als nur um die verfassungsrechtlich bedenkliche Verordnung einer Einheitsmeinung, laut der Jeder jede denkbare sexuelle Variante als gleichwertig zu akzeptieren hat. Es geht auch nicht nur um die gezielte Identitätsverwirrung (“Dekonstruktion”) durch Auswüchse einer mit vielen Steuermillionen finanzierten Genderideologie. Es geht darum, dass Schamgrenzen von Kindern durchbrochen werden, wenn sie im Klassenverband mit unterschiedlichsten Sexpraktiken konfrontiert werden oder wenn (wie die Bundesgesundheitszentrale in ihren “WHO-Standards für Sexualaufklärung” empfiehlt) schon im Kindergarten über sexuelle Themen gesprochen werden soll. Es geht darum, dass Sex von Verantwortung getrennt und das Ideal lebenslanger Treue aufgegeben wird. Es geht darum, dass Ehe und Familie schrittweise gezielt dekonstruiert werden mit vielfältigen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft  (dazu hier ein äußerst empfehlenswertes Interview mit dem Sexualpädagogen Nikolaus Franke).

Es geht aber auch um die zunehmende Verstaatlichung der Kindererziehung, die die wissenschaftlich belegte Tatsache ignoriert, dass die emotionale Nähe der Eltern, ganz besonders der Mutter, durch nichts zu ersetzen ist. Kleinkinder sind in Fremdbetreuung enormem Stress ausgesetzt. Sie brauchen Bindung, nicht Bildung! Die öffentliche Diffamierung von Hausfrauen (“Heimchen am Herd”) und der wachsende finanzielle und soziale Druck auf Eltern, ihre Kinder schon wenige Wochen nach der Geburt in eine Krippe zu geben (nicht zuletzt durch Abschaffung des Betreuungsgelds) haben Auswirkungen auf die emotionale Stabilität und Bindungsfähigkeit der nächsten Generation. Wenn aber immer weniger junge Menschen willens und in der Lage sind, lebenslange Partnerschaften aufzubauen bedeutet das zwangsläufig, dass immer weniger Kinder in einem gesunden Umfeld aufwachsen können. Dieser Trend kann im Osten Deutschlands längst beobachtet werden.

Die Väter des Grundgesetzes hatten noch betont, dass Erziehung Aufgabe der Eltern ist und dass Ehe und Familie besonders geschützt werden muss. Das Tempo, in dem wir heute zentrale Grundpfeiler unserer Zukunftssicherung über Bord werfen, ist beängstigend. Ich finde: Man kann und darf einfach nicht schweigen angesichts all des Leids, das durch diese Fehlentwicklungen erzeugt wird.

Jesus hat uns aufgetragen, Salz und Licht unserer Gesellschaft zu sein. Das heißt: Statt uns in fromme Burgen zurückzuziehen sollen wir uns einmischen, mitmachen, prägend wirken. Deshalb sollen Christen sich engagieren in Parteien, Medien, Betrieben, Schulen usw. Und sie sollen mehr denn je von ihrer „Geheimwaffe“ Gebet Gebrauch machen. Aber auch Demonstrationen sind nun einmal kein “Aufruhr” sondern ein wichtiges Element der Meinungs- und Willensbildung in einer Demokratie, das wir nicht ungenutzt lassen dürfen, um auf die Not derer aufmerksam zu machen, die sich selbst nicht helfen können. Und gerade in jüngster Zeit zeigt sich: Es lohnt sich! Die Demonstrationen verändern tatsächlich politische Entscheidungen und beeinflussen das öffentliche Meinungsbild.

Klar muss allerdings sein: Christen demonstrieren anders! Sachlich, nachdenklich, fröhlich, klug, intelligent. Wir heben nicht die Faust sondern höchstens die Hand zum Gebet. Wenn ich auf einer Demo merken würde, dass populistischem Dünnpfiff oder gar homophobem oder ausländerfeindlichem Gerede nicht gewehrt wird bin ich sofort wieder weg. Immer wieder erschrecke ich darüber, wie lieblos und abfällig sich sogar Christen über andere Menschen äußern. Liebe Demo-Organisatoren: BITTE tut alles, damit Polemik oder Diffamerierung anderer Menschen keinen Raum hat!

Am 11. Oktober 2015 ist in Stuttgart die nächste “Demo für alle” für Familie, Elternrechte und gegen Genderismus und Frühsexualisierung. Ich hoffe, dass viele Menschen kommen und ein klares Zeichen setzen, damit in unserem Land wieder bekannt wird: Ehe bleibt Ehe! Vater, Mutter, Kind – Familie gewinnt!

Siehe auch: