Geh und heirate eine Hure!

Bewegende Einblicke in das innerste Herz Gottes

Kann es sein, dass ein allmächtiger Gott weint? Die Bibel sagt: Ja! Über Jesus berichtet sie: „Als er … die Stadt [Jerusalem] vor sich liegen sah, weinte er über sie und sagte: “Wenn du wenigstens heute noch erkennen würdest, was dir den Frieden bringt! Doch du bist blind dafür.“ (Lukas 19,41-42) Und Matthäus überliefert dazu Jesu bewegende Worte: „Jerusalem, Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst die Boten, die zu dir geschickt werden. Wie oft wollte ich deine Kinder sammeln, so wie die Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt! Doch ihr habt nicht gewollt. Seht, euer Haus wird verwüstet und verlassen sein. Denn ich sage euch: Von jetzt an werdet ihr mich nicht mehr sehen, bis ihr ruft: ‘Gepriesen sei er, der kommt im Namen des Herrn!’“ (Matth. 23,37-38)

Ein weinender Gott, der zerbrochen ist, weil seine Liebe nicht erwidert und seine Hilfe verschmäht wird, weil seine Warnungen in den Wind geschlagen werden und weil ihn die furchtbaren Konsequenzen quälen. Ist dieses Bild eines hoch emotional liebenden und trauernden Gottes vielleicht nur eine Erfindung des Neuen Testaments? Nein. Auch im Alten Testament wird Gott schon genau so beschrieben. Zum Beispiel im Buch des Propheten Hosea. Da sagt Gott:

 „Wie man Trauben in der Wüste findet, so fand ich Israel. Wie die erste Frucht am jungen Feigenbaum, so sah ich eure Väter.“ (9,10) „Als Israel jung war, gewann ich es lieb … Doch sooft ich die Israeliten durch Propheten rief, gingen sie von ihnen weg. Sie opferten den Baalen und räucherten den Götzen. Ich, ich lehrte Efraïm laufen, ich nahm es auf meine Arme! Doch sie begriffen nicht, dass ich sie heilte. Mit menschlichen Fesseln zog ich sie herbei, mit Seilen der Liebe. Ich war wie ein Elternpaar für sie, das sich den Säugling an die Wange hebt. Ich neigte mich ihm zu und gab ihm zu essen.“ (11,1-4)

Also auch hier: Ein fürsorglicher, zärtlicher, versorgender Gott, dessen werbende Liebe brutal enttäuscht wird: „Ich habe dich in der Wüste versorgt, im Land der glühenden Hitze. Als sie ihre Weide hatten, wurden sie satt. Als sie satt waren, überhoben sie sich. Darum vergaßen sie mich.“ (13,5-6)

Verstörende Befehle an den Propheten

Um dem Volk deutlich zu machen, wie sehr Gott unter der Untreue seines Volkes leidet, erhält der Prophet einen verstörenden Befehl: “Geh und heirate eine Hure. Mit ihr sollst du Hurenkinder zeugen. Das ist ein Sinnbild dafür, dass das Land zur Prostituierten geworden ist: Es hat den Bund mit mir gebrochen und ist vom HERRN abgefallen.“ (1,2) „Geh noch einmal hin und liebe eine Frau, die einen Liebhaber hat und im Ehebruch lebt. Denn genauso liebt Jahwe die Israeliten, obwohl sie sich anderen Göttern zuwenden.” (3,1)

Die Zeichenhandlungen des Propheten sind keineswegs ein Ausdruck für die Wertschätzung von Prostitution als “Sexarbeit”. Vielmehr sollen sie verdeutlichen: Gott ist wie ein Mann, der seine Frau von Herzen liebt und doch mit anschauen muss, wie sie permanent mit anderen Männern schläft. Entsprechend sagt Gott zu Israel: „Du hast es mit vielen getrieben und dich so von deinem Gott entfernt.“ (9,1b) Es ist herzzerreißend.

Doch es kommt noch schlimmer: Gott muss mit anschauen, wie sich sein geliebtes Volk immer tiefer in üble Verbrechen verstrickt: „Wahrheit und Liebe und Gotteserkenntnis sind nicht mehr im Land. Nein, Fluch und Lüge, Mord und Diebstahl und Ehebruch machen sich breit. Verbrechen reiht sich an Verbrechen.“ (4,1b-2) „Tief verdorben ist ihr Tun.“ (9,9) Gerade diejenigen, die eigentlich dafür sorgen sollten, dass Israel mit Gott in Verbindung bleibt, sind selbst die größten Übeltäter: „Die Rotte der Priester liegt auf der Lauer wie eine Bande von Räubern. Auf dem Weg nach Sichem töten sie, ja, sie tun grässliche Dinge.“ (6,9)

Die tragischen Konsequenzen für Israel – und für uns heute

Und schließlich muss Gott mit ansehen, wie sehr sein geliebtes Volk selbst unter seinem Abfall leidet: „Sie essen zwar, werden aber nicht satt; sie treiben es mit vielen, vermehren sich aber nicht, denn sie haben es aufgegeben, Jahwe zu achten.“ (4,10) „Fremde verzehren ihre Kraft.“ (7,9) „Sie säen Wind, und sie ernten den Sturm.“ (8,7a)

Kennen wir das heute nicht ebenso? Wir haben Wohlstand. Aber wir sind nicht glücklich. Wir haben freien Sex. Aber immer weniger Kinder. Wir erleben, wie unsere gesellschaftliche Stärke dahinschmilzt wie Eis in der prallen Sonne. Wir ernten Zerfall, Kämpfe, Konflikte, Angst.

Gott stellt klar, was die Wurzel all dieser Probleme ist: „Mein Volk kommt um aus Mangel an Erkenntnis.“ (4,6) Das liegt nicht etwa daran, dass Gott nicht gesprochen hätte, im Gegenteil: „Ich hatte sie belehrt und stark gemacht.“ (7,15) Gott hat sein Volk zudem immer und immer wieder durch die Propheten leidenschaftlich zur Umkehr gerufen:

„Kommt, wir kehren zu Jahwe zurück! Er hat uns zerrissen, er wird uns auch heilen! Er hat uns geschlagen, er verbindet uns auch! Nach zwei Tagen belebt er uns neu, und am dritten richtet er uns auf, dass wir in seiner Gegenwart leben! Lasst uns nach Erkenntnis streben, nach der Erkenntnis Jahwes! Er kommt so sicher wie das Morgenrot, er kommt zu uns wie der Regen, der Frühlingsregen, der die Erde tränkt.“ (6,1-3)

Zugleich hat Gott die Konsequenzen der Gottlosigkeit offen angekündigt: „Ich kündige den Stämmen Israels an, was mit Sicherheit geschehen wird.“ (5,9b) „Ich bestrafe sie, wie es ihnen angekündigt war.“ (7,12b) „Es ist dein Untergang, Israel, dass du gegen mich, deine Hilfe, bist. Wo ist nun der Schutz deines Königs, der dich rettet in all deinen Städten?“ (13,9+10a)

Gott lockt und warnt. Aber alle Beschwörungen halfen nichts. Resignierend sagt Gott: „Schriebe ich ihm meine Gebote zehntausendfach auf, sie würden denken, es gehe sie nichts an.“ (8,12)

Gottes innerer Kampf zwischen Zorn und Mitleid

Auch heute leben wir in einer Gesellschaft, die glaubt, dass uns die Gebote Gottes nichts angehen. Dabei wurden auch wir mit der Reformation und mit vielen herausragenden Botschaftern des Evangeliums reich gesegnet. Ich frage mich: Wie würde ich reagieren, wenn ich Gott wäre? Ich würde wohl sagen: Dann macht euren Sch… halt alleine! Selber schuld, wenn euer Land dann den Bach runtergeht…

Aber Gott ist anders. Als Richter ist er zwar der Gerechtigkeit für die Opfer von Israels Verbrechen verpflichtet. Ein simples „Schwamm drüber“ ist keine Option für ihn. Trotzdem quält sich Gott mit dem Gedanken, Israel bestrafen zu müssen: „Ich würde sie gern erlösen, aber sie reden ja nur Lügen über mich.“ (7,13b) „Ich kann dich doch nicht vernichten wie Adma, dich wie Zebjuim behandeln [das waren Städte, die zum Gebiet von Sodom und Gomorra gehörten]! Das Herz dreht sich mir im Leibe herum, mein ganzes Mitleid ist erregt. Ich will meinen lodernden Zorn nicht vollstrecken, will Efraïm nicht noch einmal vernichten.“ (11,8b)

Das heißt: Gott hat keine Freude an Strafe oder am Unglück von Sündern und Verbrechern, im Gegenteil. Aber er sieht auch die Opfer und ihren Schrei nach Gerechtigkeit. Das weckt zurecht seinen Zorn, der die Kehrseite seiner Liebe ist. Denn wer liebt, wird zornig, wenn geliebten Menschen übel mitgespielt wird. Alles andere wäre Gleichgültigkeit. Zorn und Mitleid ringen im Herzen Gottes miteinander. Beides ist Ausdruck seiner Liebe.

Schließlich straft Gott Israel doch – aber nicht ohne zugleich anzukündigen, dass sich das Schicksal seines geliebten Volkes eines Tages wenden wird:

Die Zukunft ist herrlich – und sie hat schon begonnen

„Sie werden eine lange Zeit ohne König und Obere bleiben, ohne Schlachtopfer und Kultstein, ohne Priesterorakel und Götzenbild.“ (3,4) In der Tat hat diese Zeit nun schon fast 2000 Jahre gedauert. Doch jetzt gibt es Bewegung. Israel hat wieder einen Staat mit eigener Obrigkeit. Und noch weitere Ankündigungen Gottes gehen gerade jetzt in Erfüllung:

„Ich will ihre Untreue heilen, sie aus freien Stücken lieben. Mein Zorn hat sich von ihnen abgewandt. Ich werde für Israel sein wie der Tau. Es soll blühen wie die Lilie, Wurzeln schlagen wie der Libanonwald. Seine Triebe sollen sich ausbreiten, dass seine Pracht wie der Ölbaum sei, sein Duft wie der vom Libanonwald. Die in seinem Schatten wohnen, kehren zurück. Sie bauen wieder Getreide an und blühen auf wie der Weinstock, dessen Ruf wie der Wein vom Libanon ist.“ (14,5-8)

Genau das geschieht vor unseren Augen: Die Juden kehren zurück in ihr Land. Das Gebiet, das bis vor 70 Jahren noch weitgehend eine Wüste war, ergrünt und erblüht. Israel exportiert Nahrungsmittel und Wein in alle Welt. Ein Wunder vor unseren Augen.

Das macht Mut, dass sich auch die folgende Vorhersage noch erfüllen wird: „Dann aber werden sie umkehren und sich Jahwe, ihrem Gott, zuwenden und ihrem König aus der Nachkommenschaft Davids. Am Ende der Zeit werden sie zitternd zu Jahwe kommen und seine Güte suchen.“ (3,4+5)

Israel kehrt um zum Sohn Davids. Das erinnert an die Vorhersagen des Propheten Sacharja (Sach. 12,10) und des Apostels Paulus (Römer 11,25-27). Wir leben in spannenden Zeiten! Wird es in Israel bald eine große Erweckung geben? Und wird dann Jesus, der Sohn Davids, wiederkommen, so dass Israel rufen wird: „Gepriesen sei er, der kommt im Namen des Herrn!“ (Matth. 23,39)?

Fast wie in einem Groschenroman

Ich weiß nicht, wie das genau ablaufen wird. Aber so viel ist sicher: Gottes dramatische Liebesgeschichte mit seinem Volk hat ein Happy End:

„Dann aber will ich selbst sie verlocken. Ich führe sie in die Wüste und rede ihr zu Herzen. … Dort wird sie meine Liebe erwidern wie damals in ihrer Jugend, als sie aus Ägypten kam. An jenem Tag, spricht Jahwe, wirst du zu mir sagen: “Mein Mann!” und nennst mich nicht weiter: “Mein Baal!” (2, 16,17b+18)

Es ist fast wie in einem Groschenroman: Nach vielen Irrungen und Wirrungen kommt das Paar doch noch zusammen und entbrennt in Liebe füreinander. Die Weltgeschichte läuft letztlich auf eine Hochzeit zu (Offenb. 19,7-9).

Wie kaum ein anderes biblisches Buch gibt uns der Prophet Hosea tiefe Einblicke in das Herz und die Gefühlswelt Gottes. Mit dramatischen Worten, Bildern und Zeichenhandlungen bestätigt und illustriert er das, was der Apostel Johannes in drei Worten zusammenfasst: „Gott ist Liebe.“ (1. Joh. 4,16) Sein ganzes Fühlen, Denken und Handeln ist von Liebe geprägt.

Ist das nicht atemberaubend? Ich kann einfach nur staunen über den Gott, den uns die Bibel offenbart.

Kommt, wir wollen wieder zum Herrn zurückkehren!

Ein prophetischer Ruf für das 21. Jahrhundert

Woran krankt die Kirche Jesu in unserem Land? Sind wir zu zögerlich bei der Digitalisierung? Haben wir ein demographisches Problem? Ist die Säkularisierung und Individualisierung die Ursache für den Schrumpfkurs, unter dem so viele Landes- und Freikirchen leiden? Oder sind wir einfach zu wenig nahe an den Menschen dran?

Es gibt einen dramatischen prophetischen Aufruf, der eine völlig andere Diagnose stellt:

Unser Fokus ist das Problem! Wir haben Gott aus dem Blick verloren. Der Prophet macht das an vielen konkreten Beobachtungen fest:

  • Die Liebe zu Gott, die für Jesus doch das allerwichtigste im Glauben ist, hat sich unter Gottes Leuten als so vergänglich erwiesen wie der Morgennebel oder wie der Tau, der bei den ersten Strahlen der Sonne verdunstet (13,3).
  • Stattdessen hängen sie an menschengemachten Dingen, denen sie ihre Zeit und Aufmerksamkeit opfern (4,12;8,6;13,2).
  • Der Wohlstand wird gar nicht mehr als Geschenk und Segen Gottes wahrgenommen (2,10;7,15;8,14;11,3).
  • Die Menschen wenden sich nicht an Gott, sondern an andere Menschen, wenn sie Hilfe brauchen (8,9+10). Aber gerade dieses Sich-Einlassen auf das Denken und die Methoden von Menschen, die gar nicht zu Gottes Volk gehören, raubt Gottes Volk die Kraft (7,8).
  • Die Leute, die Gott extra gesandt hat, um zu warnen (12,11) und Gottes Volk den Kopf zurechtzusetzen (6,5) werden angefeindet, zu Dummköpfen und Wahnsinnigen erklärt (9,7+8).

Es ist offenbar gerade auch der Wohlstand, der diese Fokusverschiebung fördert (10,1;13,6). Die Gottvergessenheit führt letztlich zu sehr konkretem sündigem Verhalten (4,1-2+11;7,1), das wiederum verhindert, dass die Menschen zu Gott zurückkehren können (5,4;14,2). Aber es ist meist gar kein Bewusstsein vorhanden, dass Gott alle diese Sünden genau wahrnimmt (7,2).

Der Prophet wählt ein drastisches Bild, um den Zustand von Gottes Volk zu beschreiben: In Gottes Augen ist sein Volk wie eine geliebte Prostituierte (3,1;8,9). Es wird von Gott geliebt, aber es erwidert Gottes Liebe nicht mehr und verkauft sich stattdessen an andere Männer. Gott lässt diese Treulosigkeit nicht kalt. Es veranlasst ihn zu harten Konsequenzen. Aber selbst die offenkundigen Anzeichen des Gerichtshandelns Gottes werden von Gottes Leuten nicht als solche erkannt. Gott würde doch niemandem etwas zuleide tun und seinen Segen zurückziehen, oder? Schließlich kennt Gottes Volk doch seinen Gott (8,2) und der fromme Betrieb funktioniert ja wie eh und je (8,13). Aber der Prophet macht klar: Nein, es ist tatsächlich Gott selbst, der strafend handelt (2,15;5,14;6,1;9,17;12,3+15).

Und wer ist schuld an dem ganzen Desaster? Der Prophet macht in besonderer Weise die geistlichen Leiter verantwortlich (4,4b), weil sie ein schlechtes Vorbild sind (5,1) und sich weigern, Gott zu kennen (4,6b). Der Mangel an Gotteserkenntnis bei den geistlichen Leitern überträgt sich auf das Volk mit katastrophalen Folgen: „Mein Volk stirbt aus Mangel an Erkenntnis.“ (4,6a) Es ist leicht zu verführen und zeigt keinen Verstand (7,11). Die Rituale funktionieren zwar immer noch. Aber Gott hasst diesen oberflächlichen Kult (6,6;8,12+13), während gleichzeitig die Herzen der Menschen von Gott entfernt sind und ihr Handeln Gottes Vorstellungen widerspricht. „Handle nach den Grundsätzen von Liebe und Gerechtigkeit und vertrau immer auf deinen Gott.“ (12,7) Das wäre Gott sehr viel wichtiger als ein gut funktionierender frommer Betrieb.

Wie kann das Fokusproblem gelöst werden? Es gibt nur einen Weg zur Heilung: Umkehr zu Gott! Der Ruf des Propheten klingt wie ein leidenschaftlicher, fast verzweifelter Schrei:

„Kommt, wir wollen wieder zum Herrn zurückkehren! Er hat uns in Stücke gerissen, aber er wird uns auch wieder heilen. Er hat uns mit seinen Schlägen verwundet, aber er wird unsere Wunden verbinden. Nur noch zwei Tage, dann wird er uns wieder Kraft zum Leben geben, am dritten Tag wird er uns wieder aufrichten, damit wir in seiner Gegenwart leben können. Kommt, wir wollen den Willen des Herrn erkennen! Ja, lasst uns alles daransetzen, dass wir den Herrn erkennen! Dann wird er erscheinen – das ist so sicher wie der Morgen, mit dem jeder Tag beginnt, oder wie der Regen, der jedes Frühjahr kommt.“ (6,1-3; siehe auch 10,12;14,3+4)

Die Hoffnung des Propheten ist, dass konkrete Not die Menschen zur Umkehr bewegen wird (5,15). Die Frage ist nur: Wie groß muss die Not noch werden, bis der Ruf des Propheten gehört wird?

Bibelleser haben es längst erkannt: Dieser prophetische Ruf ist alt. Er stammt aus dem 8. Jahrhundert vor Christus und galt dem Volk Israel der damaligen Zeit. Die Kapitel- und Versangaben in den Klammern beziehen sich auf das Buch Hosea. Das Buch beeindruckt mich tief. Ich möchte es jedem Leser selbst überlassen, inwieweit Hoseas Beobachtungen von damals auch auf unsere heutige Situation zutreffen und welche Parallelen es zur Kirche Jesu des 21. Jahrhunderts gibt. Tatsache ist: Hoseas Vorhersagen gehen weit über seine eigene Zeit hinaus. Er hat den Prophetentest aus 5, Mose 18, 22 in beeindruckender Weise bestanden. Er hatte Israel ein schweres Gericht angekündigt: Israel wird „lange Zeit ohne König oder Fürst sein“, „ohne Opfer, Tempel, Priester“ (3,4), es soll „zu Flüchtlingen unter allen Völkern werden“ (9,17). Vor allem seit der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 n.Chr. haben sich Hoseas Vorhersagen buchstäblich erfüllt. Umso tröstlicher ist es, was Hosea ebenfalls ankündigt: „Ich will nicht handeln nach der Glut meines Zorns, will Ephraim nicht wiederum verderben; denn ich bin Gott und nicht ein Mensch, als der Heilige bin ich in deiner Mitte und will nicht in grimmigem Zorn kommen. Sie werden dem HERRN nachfolgen, der brüllen wird wie ein Löwe; wenn er brüllt, so werden die Söhne zitternd vom Meer herbeieilen; wie Vögel werden sie aus Ägypten zitternd herbeieilen und wie Tauben aus dem Land Assyrien; und ich werde sie in ihren eigenen Häusern wohnen lassen, spricht der HERR.“ (11,9-11, s.a.12,10;14,5-9) Teile dieser Vorhersage erfüllen sich gerade jetzt vor unseren Augen. Die Herzenshinwendung des Volkes Israel zu Gott, die z.B. auch von Sacharja (Sach.12,10) und Paulus (Röm.11,26;2.Kor.3,16) vorhergesagt wurde, steht überwiegend noch aus. Wir dürfen erwartungsvoll gespannt sein. Wesentlich wichtiger ist für uns aber der Blick auf uns selbst. Werden wir unsere Herzen Gott zuwenden? Dazu noch zwei wichtige Beobachtungen:

Der Prophet ruft nicht besserwisserisch: „Kehrt gefälligst endlich wieder zum Herrn um!“ Nein, er identifiziert sich mit seinem Volk. Er sagt: Kommt, WIR wollen wieder zum Herrn zurückkehren! Er hat UNS in Stücke gerissen, aber er wird UNS auch wieder heilen.“ Hier redet kein distanzierter Rechthaber von oben herab sondern jemand, der sich selbst als Teil einer sündigen Gemeinschaft versteht. Diese Art von Propheten brauchen wir auch heute.

Im Neuen Testament hören wir einen ganz ähnlichen Ruf zur Umkehr zu Gott inklusive einer ähnlich dramatischen Gerichtsdrohung:  „Aber ich habe gegen dich einzuwenden, dass ihr nicht mehr wie am Anfang in der Liebe lebt. Erkenne doch, wie weit du dich von deiner ersten Liebe entfernt hast! Kehre wieder zu mir zurück und bemühe dich so, wie du es am Anfang getan hast. Wenn du dich nicht änderst, werde ich kommen und deinen Leuchter von seinem Platz unter den Gemeinden wegnehmen.“ (Offb.2,4-5) Dieser Ruf zur Umkehr wandte sich gerade nicht an „liberale“ Namenschristen sondern an eine Gemeinde mit einer offenkundig soliden Theologie, die falsche Lehre identifizieren und sich davon distanzieren konnte. Dafür wird diese Gemeinde auch ausdrücklich von Gott gelobt. Trotzdem gilt ganz offensichtlich auch für die Frömmsten unter den Frommen: So leicht verrutscht der Fokus. So leicht gerät Gott und die Liebe zu ihm aus dem Mittelpunkt.

Deshalb ist der prophetische Ruf von Hosea weit mehr als ein Zeugnis über Gottes Reden an Menschen aus längst vergangenen Zeiten. Sein Ruf gilt auch den Jesusnachfolgern des 21. Jahrhunderts:

Kommt, wir wollen wieder zum Herrn zurückkehren!

Wer kommt mit?