Die Berichte des NT weisen alle Eigenschaften von frühen, authentischen Augenzeugenberichten auf

Wie glaubwürdig sind die Texte des Neuen Testaments? Handelt es sich um authentische Augenzeugenberichte? Oder wurden die Berichte der Augenzeugen erst über viele Stationen weitergegeben und dabei (wie bei einem Telefonkettenspiel) immer stärker verfälscht, bevor sie aufgeschrieben wurden? Stammen Sie womöglich aus einer deutlich späteren Zeit und sogar aus einem anderen Land?

In seinen Vorträgen* belegt der Theologe und Direktor des Tyndale Studienzentrums in Cambridge Dr. Peter J. Williams, dass die Texte des Neuen Testaments alle Merkmale authentischer, unverfälschter und kenntnisreicher Augenzeugenberichte aufweisen:

1. Das passende Namensmuster

Jede Gesellschaft hat ihr eigenes Muster von besonders gängigen und häufig verwendeten Namen. Die im NT verwendeten Namen entsprechen sehr genau dem Muster üblicher Namen im Israel/Palästina aus der Zeit zwischen 330 v.Chr. und 200 n.Chr., wie man es aus antiken Schriften und Grabstätten rekonstruieren konnte (Quelle: Bauckham, Jesus and the Eyewitnesses).

Dass das NT exakt das richtige Namensmuster verwendet ist ein besonders guter Beleg für seine Authentizität. Namen haben keinen logischen Zusammenhang mit Personen, deshalb werden sie besonders leicht vergessen! Es war zur damaligen Zeit praktisch unmöglich, ein fremdes Namensmuster aus einem fremden Land und einer fremden Zeit so exakt zu imitieren. Tatsächlich weichen die Namensmuster der deutlich später entstandenen apokryphen Evangelien auch deutlich ab.

2. Die häufige Verwendung des Namens „Jesus“ statt „Christus“

Es gibt viele Hinweise darauf, dass schon ab dem Jahr 50 n.Chr. Jesus immer häufiger primär als „Christus“ und nicht mehr in erster Linie als „Jesus“ bezeichnet wurde (z.B. schon sichtbar in den Briefen von Paulus). Die Tatsache, dass in den Evangelien aber noch sehr häufig die ursprüngliche Bezeichnung „Jesus“ steht, spricht für den frühen Ursprung der zugrundeliegenden Quellen. Die apokryphen Evangelien Philippus, Judas, Petrus und Maria verwenden im Gegensatz dazu den Namen Jesus kaum noch oder gar nicht mehr.

3. Die Bezeichnung Jesu als „Menschensohn“

Jesus bezeichnet sich in den Evangelien immer wieder als „Menschensohn“ – ein Begriff, der in späteren Zeiten deutlich seltener bzw. z.T. überhaupt nicht mehr verwendet wurde und entsprechend in den meisten apokryphen Evangelien weit überwiegend fehlt. Auch das spricht für den frühen Ursprung der 4 Evangelien des NT.

4. Die authentischen Namenszusätze

Jesus war damals der sechsthäufigste Name in Israel. Um ihn von seinen vielen gleichnamigen Zeitgenossen unterscheiden zu können mussten die Menschen damals Namenszusätze machen (z.B. J. aus Nazareth, J. aus Galiläa etc.). In den Evangelien lässt sich beobachten: Die Autoren legen tatsächlich den Menschen aus dem Volk, die über Jesus reden, immer solche Namenszusätze in den Mund – eine Feinheit, an die man aus der Distanz heraus kaum denkt, wenn man später solche Geschichten über Jesus erfindet.

5. Die Bezeichnung der Nachfolger Jesu als „Christen“

Die Bezeichnung „Christ“ für einen Nachfolger Jesu stammt nicht aus der christlichen Bewegung selbst, sie wurde vielmehr von außenstehenden Beobachtern erfunden und erst später von den Christen selbst übernommen (so wie es auch z.B. bei den Quäkern oder den Methodisten war). Das Neue Testament verwendet den Begriff „Christ“ lediglich an 3 Stellen (Apg. 11, 26; Apg. 26, 28; 1. Petr. 4, 16), wobei es in den beiden Stellen in der Apostelgeschichte Außenstehende sind, die diesen Begriff verwenden. Das ist ein starkes Argument dafür, dass die Texte des NT noch aus der frühen Zeit stammen, in der die Christen diese Bezeichnung noch nicht für sich selbst übernommen hatten.

6. Die Verwendung von Gleichnissen

Jesus lehrt in den Evangelien immer wieder in Gleichnissen. Dieses Stilmittel kommt schon in den Briefen des NT praktisch nicht mehr vor. In der Lehre der Urkirche waren Gleichnisse nicht üblich und nicht gängig. Spätere Autoren hätten Jesus deshalb wohl keine Gleichnisse in den Mund gelegt.

7. Die häufigen Ortsnamen und die genauen Ortskenntnisse

Die 4 Evangelien verwenden – ganz im Gegensatz zu den apokryphen Evangelien – häufig Ortsnamen, auch von sehr kleinen und unbedeutenden Orten. In den 4 Evangelien kommen jeweils 12 – 14 Ortsnamen vor (insgesamt 23). Unter den zahlreichen apokryphen Evangelien finden sich außer der ganz vereinzelten Verwendung von Jerusalem und Nazareth praktisch überhaupt keine Ortsnamen.

Bemerkenswert ist, dass das Verhältnis zwischen der Anzahl der Wörter und der Ortsnamen in allen 4 Evangelien praktisch identisch ist:

Das ist eigentlich nur dadurch erklärbar, dass alle 4 Evangelien den gleichen Charakter haben, nämlich dass sie alle gleichermaßen auf authentischen Berichten kenntnisreicher Augenzeugen beruhen.

8. Gute Ortskenntnisse

Außer der Verwendung vieler Ortsnamen beweisen die Evangelisten auch, dass sie gut vertraut sind mit den örtlichen Gegebenheiten. So wurde z.B. nachgewiesen, dass es in Jericho (im Gegensatz zu anderen Regionen) tatsächlich Maulbeerfeigenbäume gab, wie der Evangelist Lukas in der Geschichte von Zachäus berichtet (Lukas 19, 4). Viele weitere Schilderungen örtlicher Gegebenheiten konnten inzwischen durch archäologische Forschungen bestätigt werden.

9. Frauen, Zweifel, strahlende Engel: Elemente, die niemand erfinden würde

Die Auferstehungsberichte enthalten Elemente, die damals niemand verwendet hätte, wenn er einen Auferstehungsbericht erfunden hätte: So sind in allen Evangelien Frauen die ersten Zeugen der Auferstehung, obwohl Frauen damals als Zeugen keinerlei Glaubwürdigkeit zugebilligt wurde. Die Evangelien berichten, dass die Jünger selbst dann noch Zweifel an der Auferstehung hatten, als sie Jesus sahen. Das würde niemand betonen, wenn er bei seinen Lesern Zweifel zerstreuen möchte. Seltsam ist weiterhin, dass in den Auferstehungsberichten zwar die Engel strahlend und leuchtend dargestellt werden, nicht aber Jesus, obwohl er doch die Hauptperson ist und nicht die Engel. Alle das würde man in erfundenen Geschichten nicht erwarten.

10. Unterschiedliche Erzählungen, aber identische Kernaussagen und Zitate

Wenn Zeugen sich untereinander absprechen merkt man das an den allzu identischen Zeugenaussagen. Echte unabhängige Zeugenaussagen sind normalerweise ziemlich unterschiedlich aufgrund der verschiedenen Perspektiven und der verschiedenen Wahrnehmung. Wären die Auferstehungsberichte der 4 Evangelien vollkommen identisch müsste man davon ausgehen, dass sie entweder geglättet oder alle von 1 einzigen Zeugenaussage kopiert wurden. Jedoch gibt es in den Berichten erhebliche Unterschiede, was belegt: Hier liegen definitiv unabhängige Zeugenaussagen vor. Trotzdem sind die Kernaussagen der Berichte identisch und auch die scheinbaren Widersprüche lassen sich bei genauem Hinsehen durchaus erklären und harmonisieren. Außerdem gibt es v.a. bei Zitaten einige fast wortwörtliche Übereinstimmungen (z.B. kommt der Satz „Er ist nicht hier; er ist auferstanden“ sowohl bei Matthäus, Markus als auch bei Lukas vor). Dieses Muster aus Unterschieden und Übereinstimmungen spricht stark dafür, dass hier unabhängige Zeugen vom gleichen Geschehen berichten.

11. Passende, sich ergänzende Details in verschiedenen Berichten

Ein Vergleich der 4 Berichte in den 4 Evangelien zum Wunder der Brotvermehrung zeigt: Die Berichte enthalten Details, die für sich genommen belanglos erscheinen, insgesamt aber ein schlüssiges Gesamtbild ergeben:

  • Markus 6, 39 / Johannes 6, 10: Es gibt viel grünes Gras
  • Markus 6, 31: Viele kamen und gingen.
  • Johannes 6, 4: Es war Passahzeit (also eine Zeit, in der Viele unterwegs sind, um nach Jerusalem zu pilgern. Und eine Zeit am Ende der niederschlagsreichen Phase, in der es viel grünes Graß gab).
  • Johannes 6, 5: Jesus fragt Philippus, wo man Brot kaufen kann
  • Johannes 6, 7-8: Philippus und Andreas antworten
  • Lukas 9, 10: Die Brotvermehrung spielte sich nahe Bethsaida ab
  • Johannes 1, 44: Philippus und Andreas kommen aus Bethsaida (also kein Wunder, dass Jesus gerade Philippus fragt und warum er und Andreas antworten)

Dass sich die im jeweiligen Text enthaltenen scheinbar belanglosen Details zu einem schlüssigen Ganzen zusammenfügen lassen spricht in besonderem Maße für die Authentizität der Berichte.

Fazit: Die genannten Fakten stellen im strengen Sinn natürlich keine Beweise für die Verlässlichkeit der Berichte des Neuen Testaments dar. Aber Tatsache ist: Wenn sie vor der Niederschrift erst über viele Stationen weiter gegeben und dabei durch Betrug oder Inkompetenz verfälscht worden wären, dann würde man einen solchen Befund keinesfalls erwarten. Die Berichte des Neuen Testaments weisen vielmehr durchgängig alle Eigenschaften von frühen authentischen Augenzeugenberichten auf. Es gibt keinen sachlichen Grund, ihre Vertrauenswürdigkeit in Frage zu stellen.

*: Dieser Artikel basiert hauptsächlich auf 2 Vorträgen von Dr. Peter J. Williams:

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