Umkämpfte Einheit (2): Schein-Riesen, Einheitlichkeit und Beliebigkeit

Weltweit gibt es heute etwa 45.000 verschiedene Kirchen („Denominationen“), Tendenz weiter steigend. Da kann man schon mal frustriert darüber sein, wie zersplittert die Christenheit ist. Schon Paulus hatte sich darüber beklagt, wie stark wir Christen zur Parteibildung neigen.  Das scheint sich seither nicht gebessert zu haben.

Und trotzdem glaube ich, dass diese Vielfalt zunächst einmal kein grundsätzliches Problem ist. Im Gegenteil: Unsere Gesellschaft ist so vielfältig, dass wir unbedingt vielfältige Organisationsformen und Prägungen brauchen, um die unterschiedlich geprägten Menschen mit dem Evangelium erreichen zu können. Einheit ist nicht Einheitlichkeit! Vielfalt ist ein Schatz, an dem wir uns freuen dürfen!

Außerdem habe ich es immer wieder erlebt: Einheit beginnt oft gerade dann, wenn wir einander loslassen und dafür freisetzen, andere Wege zu gehen und verschiedene Berufung auszuleben!  Auch innerhalb von Gemeinden finde ich es deshalb wichtig, eine gewisse Vielfalt bewusst zu fördern. Wir könnten viel Streit und Spaltung vermeiden, wenn wir begreifen, dass Einheit und Vielfalt keine Gegensätze sind sondern im Gegenteil notwendigerweise zusammengehören.

Auf Kirchentagen scheint man bei diesem Thema schon sehr weit zu sein. Was gibt es da nicht alles für bunte und vielfältige Gruppen! Sogar Vertreter anderer Religionen sind dabei. Und trotz aller Gegensätze feiern sie alle friedlich und fröhlich ein großes gemeinsames Fest. Ist das nicht toll?

In der Tat gibt es viel Gutes auf Kirchentagen. Aber es bleibt ein fahler Beigeschmack. Denn die krassen Gegensätze, die dort gleichzeitig vertreten werden, führen zwangsläufig zu der Frage: Wo bitte ist denn hier eigentlich noch die gemeinsame Basis???

Das zeigt das andere Extrem: Wenn nur noch von Vielfalt aber kaum noch von Wahrheit die Rede ist, dann gibt es vielleicht ein nettes Nebeneinander. Aber mit der Einheit, für die Jesus gebetet hat, hat das nichts zu tun! Die Bibel macht sehr deutlich, dass wir nicht kritiklos einfach alles umarmen sollen, was sich christlich gibt (1. Kor. 5, 11). Einheit darf also niemals Beliebigkeit bedeuten!

Aber mit welchen Personen sollen wir denn dann eins sein und mit welchen nicht? Wer gehört zum Leib Christi dazu? Vielleicht alle, die bestimmte theologische Grundsätze bejahen können? Die Glaubenssätze der evangelischen Allianz finde ich z.B. sehr hilfreich. Aber wer definiert, bei welchen theologischen Differenzen die Grenze liegt?

Ich glaube, dass es auf diese Frage keine eindeutige Antwort gibt. Wir müssen uns damit abfinden, dass solch ein Urteil letztlich allein Gott fällen kann. Und das ist auch gut so! Aber einen Hinweis habe ich doch in der Bibel gefunden, der mir im Blick auf diese Frage richtungsweisend wurde: In 2. Timotheus 2, 22 ermahnt uns Paulus zur Einheit mit allen, „die mit aufrichtigen Herzen den Herrn anrufen.“ Und in Epheser 6, 24 wünscht er Gottes Gnade „allen, die Jesus lieb haben“. Die authentische Liebesbeziehung zu Jesus war für Paulus also offenbar DAS zentrale Kriterium. Das zeigt: Gott hat nicht so sehr theologische Detailfragen im Blick sondern vielmehr unsere Herzenshaltung!

Erfreulicherweise konnte ich schon in den unterschiedlichsten Gruppen, Kirchen und Bewegungen Leute treffen, die Jesus von Herzen lieb haben. Und im Zweifelsfall gilt: „Die Liebe glaubt alles, sie hofft alles“ (1. Korinther 13, 7). Sie geht erst einmal vom Guten aus! Darum will ich Christen zuerst einmal mit Respekt und Achtung begegnen und offen sein dafür, dass Gott mich mit ihnen verbinden möchte, auch wenn sie anders geprägt sind und z.T. andere theologische Standpunkte vertreten als ich.

Lassen wir uns also zukünftig weder von Beliebigkeits- noch von Einheitlichkeitsfans täuschen. Das sind Schein-Riesen, die nur scheinbar für Einheit sind, uns in Wahrheit aber aus dem gelobten Einheits-Land vertreiben! Echte Einheit ist Herzenssache und keine Frage gleicher Prägung, Kirchenmitgliedschaft oder Übereinstimmung in allen theologischen Details. Sie wächst, wo Menschen mit einer authentischen Liebe zu Jesus aufeinandertreffen. Sie verflüchtigt sich, wenn Glaube beliebig wird und Jesus aus dem Zentrum gerät. Vielfalt ist gut – solange Jesus die Mitte ist. Mit IHM als Haupt des vielfältigen Leibes haben Schein-Riesen keine Chance mehr.

Teil 3 von „Umkämpfte Einheit“ berichtet von den Erkenntnis-Riesen. Sie treten gewichtig auf, zertrampeln die Einheit aber gnadenlos! Höchste Zeit, sie zu durchschauen!

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