Das Manifest (8): Auch wenn die Antithesen populärer sind – bitte predigt genau dieses Evangelium!

Wenn man den 7 Thesen des Römerbriefs ihre Antithesen gegenüberstellt, ergibt sich ein verblüffend aktuelles Bild:

These des Römerbriefs Antithese
Es gibt Wahrheit und Irrtum. Nur der Glaube an die Wahrheit rettet! Jeder kann nach seiner Façon selig werden. Wahrheit ist subjektiv. Wer allgemeingültige Wahrheiten vertritt, ist intolerant.
Die Schöpfung beweist, dass es einen Schöpfer gibt, der unsere Verehrung verdient! Es gibt keinen Schöpfer, dem wir Ehre schulden. Die Welt ist durch ziellose Prozesse von selbst entstanden.
Es kommt ein Tag, an dem alles noch einmal auf den Tisch kommt! Der Mensch ist autonom und muss sich vor niemand rechtfertigen.
Wir selbst sind der Kern unserer Probleme! Der Mensch ist im Kern gut. Wenn wir die Ungerechtigkeiten beseitigen, werden wir auch gut miteinander umgehen.
Wir können uns nicht selbst erlösen. Allein aus Gnade werden wir gerettet! Wir sind in Ordnung, wie wir sind, und auch Gott findet uns gut, wenn wir uns moralisch verhalten.
Wir brauchen Erneuerung statt Veränderung! Wir können und sollen uns selbst und die Welt verändern.
Jesus ist Herr! Freiheit und Gehorsam gehören zusammen! Wir sind frei, um uns selbst zu finden und zu verwirklichen.

Diese Tabelle finde ich aus zwei Gründen spannend:

Erstens zeigt sich: Die gute Nachricht, die Paulus damals so viel Widerstand einbrachte, ist seither nicht populärer geworden. Auch heute noch steht sie so ziemlich gegen alles, was in unserer Gesellschaft scheinbar normaler Mainstream ist. Die Botschaft von Paulus ist noch immer eine Torheit und ein Ärgernis (1.Kor.1,23).

Zweitens frage ich mich beim Lesen dieser Tabelle: Wird in unseren Kirchen und Gemeinden wirklich das paulinische Evangelium gepredigt? Konkret gefragt:

  • Sprechen wir über Wahrheit und Irrtum? Oder wollen wir niemand in Bezug auf seine persönlichen religiösen Vorstellungen auf die Füße treten?
  • Stehen wir dazu, dass die Welt von Gott geschaffen ist? Oder stimmen wir mit ein, dass die Geschöpfe Produkte von Evolution, Zufall und natürlicher Auslese sind, um nicht als unwissenschaftlich zu gelten?
  • Sprechen wir darüber, dass wir Menschen so tief in Sünde verstrickt sind, dass Gott uns im Gericht verurteilen muss? Machen wir deutlich, dass wir uns aus diesem Zustand nicht selbst retten können und deshalb aus Gnade gerettet und neu geboren werden müssen?
  • Rufen wir dazu auf, vor Jesus die Knie zu beugen und ihn zum Herrn unseres Lebens zu machen? Oder geht es uns letztlich um (fromme) Selbstbestätigung, Selbstverwirklichung und die Befriedigung unserer Bedürfnisse?

Wie auch immer unsere Praxis aussieht – ich habe eine dringende Bitte an unsere Gemeinde- und Kirchenleiter, Verkündiger und Theologen:

Predigt bitte genau dieses Evangelium, das Paulus gepredigt hat!

Ich bin überzeugt, dass ihr feststellen werdet: Die Kirchen leeren sich nicht, weil dieses Evangelium provokant, kantig und anstößig ist. Im Gegenteil: Die Kirchen leeren sich immer dann, wenn wir uns von diesem Evangelium entfernen.

Das absolut erstaunliche ist ja: Obwohl dieses Evangelium offenkundig noch nie dem Zeitgeist entsprochen hat, ist es trotzdem die erfolgreichste Botschaft aller Zeiten. Es war dieses Evangelium, das einst das menschenverachtende römische Reich trotz massivster Widerstände überwunden und die Welt vollkommen umgekrempelt hat. Es ist dieses Evangelium, das bis heute alle Kulturen erreicht, durchdringt und verändert, obwohl es bis heute oft verfolgt und unterdrückt wird.

Dieses Evangelium hat rettende, heilende, befreiende und erneuernde Kraft. Dieses Evangelium ist der größte Schatz, den die Kirche Jesu hat. Wir sollten alles tun, um diesen Schatz gemeinsam zu hüten und ihn leidenschaftlich der Welt zu präsentieren.


Übersicht und Einleitung: 7 fundamentale Thesen des Römerbriefs

4 Gedanken zu „Das Manifest (8): Auch wenn die Antithesen populärer sind – bitte predigt genau dieses Evangelium!“

  1. Ja! AMEN! ich bin 70 und meiner Erfahrung nach ist in unserer Zeit (und wahrscheinlich schon immer) das größte Problem die Einsicht, dass es Gott gibt und wir ihm verantwortlich sind. Das ist für viele Menschen – und ich begegne Vielen – geradezu unerträglich. Von Klein auf werden wir darauf getrimmt, das Selbst hoch zu halten. Sich durch zu setzen. Uns in unserer Vorstellung von Gut und Nützlich nicht unterkriegen zu lassen … Gott als absolute Größe ist da das Letzte … unerträglich. Im Ergebnis gibt es Phänomene des Irrtums selbst in christlichen Gemeinschaften 🙁

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  2. Ja, die Botschaft vom Kreuz wird immer anecken, weil der Mensch gern sich selbst an die Stelle Gottes setzt. Dass wir Erlösung nötig haben ist ja irgendwie uncool. Stimmt trotzdem.
    Ich würde nur behaupten, dass entgegen deiner Darstellung zur Umkehr und Neuausrichtung auf Gott auch gehört, dass wir Teil der missio dei werden und durchaus den Auftrag haben, die Welt zu verändern und z.B. für Gerechtigkeit einzutreten! Gerade weil uns Gott da in die heilige Pflicht nimmt. Aber das macht uns ja nicht zu Messiasen. Der “Job” ist schon vergeben und bereits getan.

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    • Hallo Martin, ich lese gerade das “Handbuch Transformation” von Faix / Künkler, in dem viel von der “missio dei” und der großen Weltveränderung (Transformation) die Rede ist. Ich melde mich wieder, wenn ich es durch habe und mir eine Meinung gebildet habe.

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  3. Ich finde diese Herangehensweise an den Römerbrief als eine sehr gute Möglichkeit. Es wäre aber schön wenn sie auch anmerken aus welcher Bibelübersetzung die Bibelstellen entnommen sind!

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