Im Dezember 2014 veröffentlichte die Zeitung „Die Welt“ einen bemerkenswerten Artikel zur Überlieferungsqualität des Neuen Testaments. Im Mittelpunkt steht Holger Strutwolf. Er ist Direktor des Instituts für neutestamentliche Textforschung an der Universität Münster, welches eine Art „Silicon Valley der Bibelwissenschaft“ und die „weltweit führende Forschungsstelle“ sei.
Seine große Lebensaufgabe sieht Herr Strutwolf darin, alle bekannten 5600 griechischen Handschriften des Neuen Testaments und dazu noch eine Fülle von orientalischen Handschriften, Originale oder Kopien miteinander zu vergleichen. Das ist wichtig, denn wenn viele Abschriften identisch sind ist das ein starker Hinweis darauf, dass sie exakt den ursprünglich verfassten Urtext wiedergeben. Bis 2030 will Herr Strutwolf mit seinen Mitarbeitern den gesamten Text des Neuen Testaments analysieren und seine Ergebnisse in 5 großen Bänden zusammenfassen.
Den 1. Band hat er bereits fertig gestellt, d.h. er hat etwa 1/5 des NT-Textes auf Basis sämtlicher verfügbarer Quellen analysiert. Das Ergebnis: An 33 Stellen musste der uns bekannte Bibeltext geändert werden. Dazu schreibt die Welt: „Die meisten Änderungen sind jedoch so geringfügig, dass sie den Sinn nicht verändern. Mal heißt es im neuen Text “Christus” statt “Jesus Christus”. Mal ändert sich die Wortreihenfolge, “Gottes Wahrheit” statt “Wahrheit Gottes”. Mal entfällt ein “aber” oder ein “amen”. .. Eine Revolution muss es deshalb nach Lage der Dinge nicht geben. Die Welt wird die Geschichten, die ihr die Bibel erzählt, nicht neu erlernen müssen.“
Herr Strutwolf selbst zieht ein noch eindeutigeres Zwischenfazit seiner Forschung: “Insgesamt ist die Überlieferung der Bibel sehr gut und sehr treu. In den theologischen Punkten gibt es unter den Abertausenden Handschriften kaum Abweichungen.“
Um das in Zahlen auszudrücken: Das Neue Testament hat etwa 140.000 Wörter. Herr Strutwolf hat bislang etwa 1/5 davon, also grob 28.000 Wörter analysiert und dabei 33 Stellen (die ja zumeist einzelne Wörter sind) korrigiert. Das entspricht einer Korrekturrate von etwa 0,1 %. Anders gesagt: 99,9% des Textes haben sich auf Basis der Analyse tausender Quellen als absolut zuverlässig erwiesen. Und selbst diese fraglichen 0,1 % verfälschen wenig oder gar nicht den Sinn des Textes und sind vor allem theologisch nicht relevant.
Von einer derart hohen Überlieferungsqualität und einer so hohen Sicherheit, dass der heute vorliegende Text exakt dem Urtext entspricht, kann jeder andere antike Text nicht im entferntesten träumen. Denn von keinem anderen antiken Text gibt es auch nur annähernd so viele historische Abschriften, die zeitlich auch noch derart nah an den Urschriften sind. Anders ausgedrückt: Das Neue Testament ist ein wahrer Meister der Überlieferung. Wir haben allen Grund, ihm zu vertrauen!
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3 Gedanken zu „Meister der Überlieferung“