1. Petrus 1, 14b-16: „Fallt nicht in eure alten, schlechten Gewohnheiten zurück. Damals wusstet ihr es nicht besser. Aber jetzt sollt ihr in allem, was ihr tut, heilig sein, genauso wie Gott, der euch berufen hat, heilig ist. Denn er hat selbst gesagt: »Ihr sollt heilig sein, weil ich heilig bin!«“
Anfang der 90er-Jahre war das „Tagebuch eines frommen Chaoten“ DER Hit im christlichen Büchermarkt. Die humorvollen Schilderungen der schrulligen Macken christlicher Gemeindemitglieder führte letztlich zu der These: Christen sind halt nun mal nicht besser als Andere. Sie sind nur besser dran.
Das hört sich demütig, entwaffnend ehrlich und entkrampfend an. Kein Wunder, dass dieser Spruch weit verbreitet ist. Das ändert aber nichts daran, dass er theologisch falsch und mit dem Neuen Testament nicht vereinbar ist. Die unendliche Gnade Gottes ist kein Freibrief dafür, dass Christen wie alle Anderen leben können. Das Neue Testament geht davon aus, dass dem Evangelium eine transformierende Kraft innewohnt. Wahrer Glaube führt dazu, dass sich das Denken und der Lebensstil grundlegend wandeln (Eph. 4, 23-24). Ein Glaube, der keine praktischen Folgen in Wort und Tat hat, ist kein Glaube im biblischen Sinn (Jakobus 2, 17).
Zwar warnt uns das Neue Testament intensiv vor Gesetzlichkeit und vor dem Versuch, Gottes Gebote aus eigener Kraft zu halten (was definitiv nie funktionieren kann, Röm. 7, 15-24!). Aber es ruft uns in einen Erneuerungsprozess hinein, in dem unser „alter Mensch“ am Kreuz mit Christus stirbt (Römer 6, 6-7) und durch den Heiligen Geist ein neues Leben in uns geboren wird (Röm. 8, 11-14). So werden wir befreit vom Gesetz, das uns zur Sünde verführt (Röm. 7, 5) und dürfen hineinwachsen in die „herrliche Freiheit der Kinder Gottes“, die aber nicht bedeutet, dass wir tun und lassen, was wir wollen. Vielmehr geht es um die Freiheit von der Macht der Sünde (Röm. 8, 2), die unser Leben zerstört.
Gott hat die Latte hoch gelegt mit seiner Aufforderung, so heilig zu leben, wie er heilig ist. Wir werden diesen Zustand in diesem Leben nicht erreichen. Aber es bleibt trotzdem unsere Aufgabe, nach diesem Ziel zu streben (2. Kor. 7, 1) und unserer „Heiligung nachzujagen“, ohne die laut dem Schreiber des Hebräerbriefs „niemand den Herrn sehen wird“ (Hebr. 12, 14).
Wenn der Lebensstil der Christen sich nicht unterscheidet vom Rest der Welt hat die Kirche auch keine Botschaft. Denn das Leben spricht lauter als Worte. Deshalb ist es höchste Zeit, dass die Kirche sich neu aufmacht, die transformierende Kraft des Evangeliums zu entdecken und Menschen in einen erneuerten Lebensstil hineinzuführen, der nicht von Druck, Enge und Gesetzlichkeit sondern von der befreienden Kraft des Heiligen Geistes getragen wird.
- ⇒ Zur 9. These: Gnade und Barmherzigkeit müssen prägende Charakterzüge der Kirche sein!
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