Wozu 95 neue Thesen?

„Wir haben keine Zeit mehr zu feierlichen Kirchenfesten, in denen wir uns vor uns selbst darstellen, wir wollen nicht mehr so Reformation feiern! Lasst dem toten Luther endlich seine Ruhe und hört das Evangelium, lest seine Bibel, hört hier das Wort Gottes selbst. Gott wird uns am jüngsten Tage gewiss nicht fragen: habt ihr repräsentative Reformationsfeste gefeiert? Sondern: habt ihr mein Wort gehört und bewahrt?“
Dietrich Bonhoeffer (DBW Band 12, Seite 426f)

Ich bin evangelisch. Ich liebe meine Kirche. Mit viel Leidenschaft versuche ich mitzuhelfen, dass meine Heimatgemeinde wächst und gedeiht. Noch mehr liebe ich DIE Kirche Jesu, zu der alle gehören, die Jesus lieben und mit denen ich mich deshalb eng verbunden fühle.

Umso mehr schmerzt mich der Niedergang der Kirche in Deutschland. Nichts scheint auf eine Trendwende hinzudeuten. Ist es schon besiegelt, dass das Christentum in Deutschland zu einer Randgruppe verkommt?

Das wäre dramatisch. Denn ohne das Christentum und die Reformation wäre Deutschland und Europa nicht das, was es ist. Die Politik alleine kann die drängenden Probleme unmöglich lösen. Unsere Gesellschaft braucht das Salz und Licht einer vitalen, lebendigen Kirche Jesu, die Hoffnung verbreitet, Werte hoch hält und den Menschen den Weg zum Leben zeigt.

In der Kirchengeschichte hat es schon mehrfach dramatische Wenden gegeben. Die Reformation, deren 500-jähriges Jubiläum wir 2017 feiern, ist nur ein Beispiel dafür. Die Kirche ist und bleibt „semper reformanda“, d.h. sie ist ständig erneuerungsbedürftig. Gut, dass es immer wieder Erneuerungs- und Erweckungsbewegungen gab mit großartigen Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft!

Erneuerung beginnt damit, dass Menschen die Notwendigkeit von Erneuerung erkennen. So war es bei Martin Luther, als er vor 500 Jahren seine 95 Thesen an die Türen der damaligen Kirche schlug. Der dramatische Bedeutungsverlust der Kirchen zeigt, dass der Erneuerungsbedarf auch heute riesig ist. Aber was genau muss wie erneuert werden?

Zu dieser Frage habe ich 95 neue Thesen gesammelt. Vielleicht können sie ja ein Beitrag dafür sein, dass wir das Reformationsfest nicht rückwärtsgewandt feiern sondern uns in erster Linie der Frage stellen: Welcher Reformationsbedarf besteht heute?

Thesen sind nichts „Fertiges“, keine endgültigen und keine ausgewogenen Antworten. Sie sind bewusst provokant formuliert, denn sie wollen neue Gedanken und Diskussionen in Gang bringen helfen. Es ist nicht schlimm, wenn wir nicht in allem derselben Meinung sind. Schlimm ist, wenn wir sprachlos dem Niedergang der Kirche zusehen, statt leidenschaftlich um ihre Zukunft zu ringen.

Das anstehende Jubiläum ist eine großartige Gelegenheit, gemeinsam über eine neue Reformation nachzudenken und dafür zu beten. Zum Wohl der Kirche. Zum Wohl der Menschen in der Kirche. Zum Wohl der Menschen, die durch die Kirche zu Christus und zum Leben finden sollen.

Und vor allem zum Lob und zur Verherrlichung des Herrn der Kirche, der für uns alle sein Leben gab und dem unsere ganze Hingabe und Anbetung gebührt.

Sommer 2016, Dr. Markus Till

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