Erweckung Teil 2

Lektionen aus der Erweckung unter König Hiskia

Sind Erweckungen ausschließlich ein Werk Gottes? Können wir außer Warten und Beten gar nichts dazu beitragen? Oder hängt es vielleicht sogar ganz im Gegenteil an uns, ob eine Erweckung kommt oder nicht? Der biblische Bericht in 2. Chronik 29-32 über die Erweckung unter König Hiskia gibt uns zu diesen und weiteren Fragen rund um das Thema Erweckung wertvolle Antworten.

1. Auch in finsteren Zeiten kann Erweckung sehr plötzlich kommen

Der Vater und Vorgänger von König Hiskia hieß Ahas. Von ihm heißt es: „Er tat nicht, was dem Herrn gefiel.“ (28,1) Er schloss den Tempel und plünderte ihn aus. Er förderte den Götzendienst im ganzen Land. Er ließ sogar seinen Sohn als Götzenopfer verbrennen, und zwar im Hinnom-Tal, das in der Bibel zum Sinnbild für die Hölle wird. Man kann also sagen: In Juda war buchstäblich die Hölle los. Die Konsequenzen waren bitter: Ahas wurde beraubt und im Krieg besiegt. Feindliche Völker fingen an, Städte in Juda einzunehmen. Die Situation konnte düsterer kaum sein.

Und doch war die Erweckung nahe! In Kap. 29,3 lesen wir: Gleich im ersten Monat seines ersten Amtsjahres“ setzte Hiskia viele Reformen um, die die Grundlage für diese Erweckung legten. Die Menschen staunten und freuten sich, denn: „Alles war sehr schnell gelungen.“ (29,36) Für uns bedeutet das: Gott kann Situationen schneller verändern, als wir uns das vorstellen können. Erweckung ist jederzeit möglich! Vielleicht werden auch wir schon bald überrascht sein und staunen, wie rasch sich die scheinbar aussichtslose Situation der Kirche Jesu gewandelt hat.

2. Die Orientierung an Gottes Wort ist unverzichtbar

In Kap. 29,15b lesen wir: „Dann begannen sie, das Haus des Herrn zu reinigen, wie der König es gemäß dem Wort des Herrn angeordnet hatte.“ Es war Hiskia also wichtig, nicht irgendetwas für Gott zu tun, sondern sich genau an Gottes Wort zu orientieren. Das galt auch für die Anbetung: „Dann ließ König Hiskia die Leviten mit Zimbeln, Harfen und Zithern im Haus des Herrn Aufstellung nehmen, wie es der HERR geboten hatte.“ (29,25)

Hiskia hatte offenkundig verstanden: Erweckung bekommen wir nur, wenn wir uns an Gottes Spielregeln halten! Wilder Aktionismus führt zu nichts. Und ich bin überzeugt: So ist es auch heute noch. Erweckung geht niemals nach unseren Regeln, sondern ausschließlich nach den Regeln Gottes. Es kann keine Erweckung geben an Gottes Wort vorbei. Menschen, die sich für eine echte Erweckung engagieren wollen, müssen deshalb tief verwurzelt sein in Gottes Wort. Sie müssen es lieben und ehrfürchtig zum Maßstab ihres Denkens und Handelns machen. Voraussetzung für eine Erweckung ist immer die Umkehr und die bewusste Unterordnung unter Gottes heiliges Wort.

3. Menschen handeln – aber Gottes Wirken ist entscheidend

In Vers 36 lesen wir: „Und Hiskia und das ganze Volk freuten sich sehr über das, was Gott für das Volk getan hatte.“ Diese Aussage kommt an dieser Stelle ein wenig überraschend. Denn eigentlich ist diesem Kapitel überhaupt nicht die Rede davon, dass Gott irgendetwas getan hätte. Geschildert wird nur, was Hiskia getan hat: Hiskia befahl, den Tempel zu öffnen und ihn aufzuräumen. Hiskia befahl den Priestern, Opfer zu bringen. Hiskia befahl den Leviten, Gott wieder anzubeten. Die Priester und Leviten taten, was ihnen befohlen wurde. Trotzdem haben sie sich am Ende nicht an ihren Arbeitsergebnissen gefreut. Vielmehr haben sie verstanden: Hier ist in Wahrheit Gott am Werk!

Daraus können wir eine doppelte und scheinbar in sich widersprüchliche Lektion ableiten. Die eine Seite der Wahrheit ist: Um Erweckung zu erleben, gibt es Dinge, die von Menschen getan werden müssen. Erweckung bedeutet Arbeit. Es ist somit nicht einfach nur Gottes Schuld, wenn keine Erweckung kommt. Wir können die Verantwortung nicht einfach auf ihn abschieben, während wir tatenlos in unseren müden Kirchen sitzen.

Aber zugleich gilt: Erweckung ist zuerst und zuletzt ein Werk unseres großen Gottes. Wann immer wir glauben, dass ein geistlicher Aufbruch das Resultat unserer Arbeit, unserer Talente und unserer Methoden wäre, sind wir auf dem Holzweg. Eine gute Methode kann zwar sehr hilfreich sein. Aber wenn wir unsere Hoffnung und unser Vertrauen auf eine Methode setzen statt auf Gott, dann werden die Methoden zu Götzen – und verhindern Erweckung. In Gottes Reich gibt es eine ewig gültige Grundregel, die lautet: An Gottes Segen ist alles gelegen. Geistliches Wachstum ist immer ein Wunder und ein Geschenk Gottes. Wo das vergessen wird, ist am Ende alle Arbeit umsonst.

Dieses doppelte Prinzip wird noch deutlicher in Kap. 30, 1-12:

„Nun ließ Hiskia ganz Israel und Juda zusammenrufen und auch Ephraim und Manasse durch Briefe einladen, zum Haus des Herrn in Jerusalem zu kommen, um das Passah des Herrn, des Gottes Israels, zu feiern. … Auf Befehl des Königs zogen Boten in ganz Israel und Juda umher. Sie hatten Briefe des Königs und seiner führenden Männer bei sich, in denen stand: »Ihr Israeliten, kehrt um zum Herrn, dem Gott Abrahams, Isaaks und Israels … Wendet euch dem Herrn, eurem Gott, zu, damit sein Zorn sich von euch abwendet. … Wenn ihr zu ihm zurückkehrt, wird er euch nicht abweisen.« Die Boten zogen von Stadt zu Stadt durch Ephraim und Manasse, bis nach Sebulon. Doch die meisten Menschen lachten nur über sie und verhöhnten sie. … Zur gleichen Zeit legte Gott seine Hand auf das Volk von Juda und weckte in den Menschen den gemeinsamen Wunsch, dem Befehl des Königs und seiner Männer zu folgen, wie es dem Wort des Herrn entsprach.“ (2. Chronik 30, 10-12)

Auch hier haben sich Menschen an die Arbeit gemacht. Sie sind umhergereist, um die Menschen aufzurufen, zu Gott umzukehren. Die meisten hatten für Gottes Botschaft aber nur Hohn und Spott übrig. Nur bei den Menschen von Juda tat Gott ein Wunder: Er weckte in ihnen den Wunsch, zu Gott zu kommen.

Es stimmt also tatsächlich: Wir können Erweckung nicht machen. Wir können und sollen zwar losgehen und die Menschen einladen. Unser Wort und unser Engagement ist wichtig. Aber es wird fruchtlos bleiben ohne Gottes Wirken. Am Ende hängt alles daran, ob Gott die Menschen aufweckt oder nicht.

Damit drängt sich eine große Frage auf: Warum weckte Gott nur die Menschen in Juda auf? Warum nicht auch in den anderen Gebieten? Ich glaube, dass es dafür einen Grund gab: Im Herzen des Gebiets von Juda gab es einige Leute, die entschieden hatten: Wir stellen Gott wieder in die Mitte. Wir richten uns nach seinem Wort. Wir beten ihn an. Wir beugen vor ihm die Knie.

Ja, es stimmt, dass wir Erweckung nicht machen können. Aber das heißt nicht, dass wir deshalb einfach nur geduldig warten müssen, bis Gott es sich mal überlegt und Erweckung schenkt. Erweckung beginnt, wo einige Menschen anfangen, Gott wieder in die Mitte zu nehmen. Ihn anzubeten. Auf sein Wort zu hören. Vor ihm die Knie zu beugen. Wo Menschen das tun, stellt sich Gott dazu. Dann legt er seine Hand auf die Herzen von weiteren Menschen und weckt in ihnen den Wunsch, sich Gott zuzuwenden.

4. Es lohnt sich – Der Segen Gottes ist alle Arbeit wert

Ich liebe den Bericht des Chronisten über die Ereignisse, die nun folgten:

„Und so kam im zweiten Monat eine riesige Menschenmenge in Jerusalem zusammen, um das Fest der ungesäuerten Brote zu feiern. Die Menschen machten sich daran, die Altäre aus der Stadt zu entfernen, rissen die Räucheraltäre nieder und schafften sie zum Bach Kidron. Am 14. Tag des zweiten Monats wurden die Passahlämmer geschlachtet. Die Priester und Leviten bekannten ihre Schuld und reinigten sich und brachten Brandopfer zum Haus des Herrn. … So feierten die Israeliten, die in Jerusalem versammelt waren, voller Freude sieben Tage lang das Fest der ungesäuerten Brote. Jeden Tag sangen die Leviten und Priester das Loblied des Herrn, begleitet von den mächtigen Instrumenten des Herrn. … Sieben Tage dauerte das Fest, und sie aßen und opferten Friedensopfer und dankten dem Herrn, dem Gott ihrer Vorfahren. Danach beschloss die ganze Gemeinschaft, das Fest noch weitere sieben Tage fortzusetzen, und voller Freude feierten sie noch eine Woche lang. … Es herrschte großer Jubel in der Stadt, denn ein solches Fest hatte Jerusalem seit den Tagen Salomos, des Sohnes von König David von Israel, nicht mehr erlebt.“ (2. Chronik 30, 13-26)

Das ist Erweckung: Massenhaft Menschen feiern Gott. Sie beten ihn an. Sie bekennen ihre Sünden. Sie sagen sich von den Götzen los. Sie jubeln. Sie freuen sich. Sie lieben es so sehr, Gott zu feiern, dass sie nach 7 Tagen sagen: Lasst uns das noch einmal 7 Tage lang machen.

Das ist typisch für Erweckungszeiten. Ohne Erweckung heißt es oft: Puh, der Gottesdienst dauert heute aber lang. Und der Pfarrer darf gerne über alles predigen, aber bitte nicht über 20 Minuten. In Erweckungszeiten ist es genau umgekehrt. Da können die Leute nicht genug davon bekommen, Gott zu feiern und auf sein Wort zu hören. Die fromme Pflicht wird zur Kür. Die moralinsaure, bleierne Schwere wird durch fröhliche Leidenschaft ersetzt.

Aber es bleibt nicht bei einem fröhlichen Fest. Danach geht es erst richtig los: Hiskia fängt an, das Land neu zu organisieren. Er ordnet das religiöse Leben. Er baut die Mauern der Stadt aus. Dazu baut er Brunnen, Bewässerungstunnel und Türme. Manche davon kann man heute noch besichtigen. Der Chronist klärt uns auf, woher all diese Erfolge kommen: „In allem, was er für das Haus Gottes tat, und in seinem aufrichtigen Bemühen, das Gesetz und die Gebote zu halten, suchte Hiskia seinen Gott von ganzem Herzen. Und ihm glückte alles, was er unternahm.“(31, 21)

Erfolg ist hier also nicht die Konsequenz der richtigen Strategie oder von Klugheit, von Talenten oder guten Ratgebern. Erfolg ist hier eine Konsequenz der richtigen Haltung! Eine Haltung, die sich konsequent an Gott und an seinem Wort ausrichtet. Eine Haltung, die Gott sucht und ihn immer an die oberste Stelle setzt. Das ist die Haltung, zu der Gott das Gelingen hinzufügt.

Das zeigt sich besonders krass, als Juda von einem feindlichen Heer angegriffen wird. Hiskias Vater Ahas hatte in solchen Situationen versucht, Verbündete zu finden und andere Könige zu bestechen. Es hatte ihm aber nichts genutzt. Was tat Hiskia? In Kap. 32, 20-21 lesen wir:„Da beteten König Hiskia und der Prophet Jesaja, der Sohn von Amoz, deswegen und flehten den Himmel an. Und der Herr schickte einen Engel, der das Heer im Lager des Königs von Assur mit all seinen Befehlshabern und Obersten vernichtete. Und Sanherib musste gedemütigt den Rückzug in sein eigenes Land antreten.“

Weil Hiskia an Gott hing, musste er gar nicht mehr selbst kämpfen! Gott kämpfte für ihn. Und ich frage mich: Wie viel Kraft und wie viele Verluste hat Hiskia wohl gespart, weil er diese richtige Priorität hatte? Bei uns ist es so oft genau umgekehrt: Wir sind so beschäftigt mit unserem (frommen) Programm, dass wir sagen: Wir haben keine Zeit zu beten. Wir haben keine Zeit zum Bibellesen. Und trotz unserem Stress sind unsere Erfolge dürftig.

Der Bericht über die Erweckung unter Hiskia macht deutlich: Jede Stunde Gebet ist eine gut und klug investierte Stunde. Jede Stunde, die wir demütig in die Bibel schauen, um von ihr zu lernen, ist eine gut und klug investierte Stunde. Jede Stunde, die wir Gott anbeten und ihn loben, ist eine gut investierte Stunde.

Deshalb sollten wir genau das tun: Unseren Gott in die Mitte nehmen. Ihn suchen im Gebet und in der Anbetung. Auf sein Wort hören. Damit es auch bei uns schnell geht. Denn genau das ist es, was unser Land so dringend braucht! Auch die besten Politiker werden die Probleme dieses Landes nicht lösen können. Die Probleme liegen tiefer, als dass man sie allein mit besseren Gesetzen lösen könnte. Dieses Land braucht vor allem anderen schnell eine Erweckung. Damit die Menschen heimkommen zum Vater und bei ihm das Leben finden. Ewiges Leben. Damit die Kirche Jesu wieder wachsen und Frucht bringen kann. Damit unsere Gesellschaft wieder auf gesunde Pfade findet. Damit Gott die Ehre bekommt, die ihm gebührt.

Erweckung

Teil 1: Was die Bibel dazu sagt und warum wir sie unbedingt brauchen

„Ich kenne dein Tun und weiß, dass du im Ruf stehst, lebendig zu sein. Aber du bist tot. Werde wach und stärke den Rest, der noch Leben hat, damit er nicht vollends stirbt!“ (Offb. 3, 1-2)

Was für eine heftige Diagnose: Eine Gemeinde hat den Ruf, lebendig zu sein. Aber Jesus sieht hinter die Kulissen und sagt: In Wahrheit ist das geistliche Leben weitgehend abgestorben. Höchste Zeit, wieder aufzuwachen. Höchste Zeit für eine Erweckung!

Der Begriff „Erweckung“ ist unter Christen umstritten. Das liegt zum einen daran, dass er in der Bibel so nicht vorkommt. Zum zweiten gibt es die Sorge, Christen könnten lieber in Erweckungsträumen schwelgen, statt jetzt und hier tatkräftig anzupacken. Und schließlich gibt es nicht wenige Christen, die das Konzept und die Realität von „Erweckungen“ ganz grundsätzlich bezweifeln.

Dabei sind Erweckungsbewegungen sowohl in der Bibel als auch in der Kirchengeschichte eine breit bezeugte Realität. Schon das Alte Testament berichtet von beeindruckenden geistlichen Erneuerungsbewegungen, z.B. unter König Hiskia (2. Chronik 29-31), unter König Joschija (2. Chronik 34-35) oder unter Nehemia (Nehemia 8-10). Die Kennzeichen dieser Erweckungsbewegungen sind immer wieder ähnlich:

  • Eine leidenschaftliche Hinwendung zu Gott und Abkehr von den Götzen: „Joschija ließ nun auch in allen übrigen Gebieten Israels all die abscheulichen Götzen entfernen und hielt alle, die dort wohnten, dazu an, Jahwe, ihrem Gott, zu dienen.“ (2. Chronik 34, 33)
  • Die ehrfürchtige Unterordnung unter Gottes Wort und Gebot: „Er ließ ihnen das ganze Bundesbuch vorlesen, das im Haus Jahwes gefunden worden war. Dann trat der König auf sein Podest und schloss den Bund vor Jahwe, dass man ihm nachfolgen wolle, seine Gebote, Mahnungen und Ordnungen mit ganzem Herzen und ganzer Kraft befolgen und alles genau tun wolle, was in dem Buch geschrieben steht.“ (34, 30+31)
  • Die Wiederherstellung des Gottesdienstes und der Anbetung: „Joschija feierte in Jerusalem ein Passafest zur Ehre Jahwes. … Die Sänger aus der Nachkommenschaft Asafs blieben für die Dauer des Festes an ihrem Platz, wie es David, Asaf, Heman und der königliche Seher Jedutun angeordnet hatten. … Ein solches Passafest hatte es in Israel seit der Zeit des Propheten Samuel nicht mehr gegeben.“ (35, 1+18)
  • Große Opferbereitschaft: „Joschija spendete aus dem königlichen Besitz für das versammelte Volk … Auch seine hohen Beamten spendeten freiwillig für das Volk.“ (35, 7+8)
  • In der Folge sichtbarer Segen: „Ja, du hast dich vor mir gedemütigt, deine Gewänder eingerissen und vor mir geweint. Darum habe ich auch auf dich gehört, spricht Jahwe. Wenn ich dich dann sterben lasse, wirst du friedlich im Grab deiner Väter bestattet werden.“ (34, 27+28)

Die alttestamentlichen Erweckungsbewegungen waren keinesfalls nur eine Sache der Leiter des Volkes, im Gegenteil: Große Teile der Bevölkerung wurden tief im Herzen bewegt und kehrten leidenschaftlich zu Gott um, wie der bewegende Bericht im Buch Nehemia zeigt:

 „Als der 7. Monat herankam und die Israeliten in ihren Städten wohnten, versammelte sich das ganze Volk auf dem Platz vor dem Wassertor. Sie baten den Gesetzeslehrer Esra, das Buch mit dem Gesetz Moses herbeizubringen, dem Gesetz, das Jahwe den Israeliten verordnet hat. … Vom frühen Morgen bis zum Mittag las er auf dem Platz vor dem Wassertor aus dem Gesetzbuch vor. Das ganze Volk hörte aufmerksam auf die Worte des Buches. … Esra öffnete die Schriftrolle vor aller Augen, denn er stand höher als das versammelte Volk. Als er das tat, standen alle auf. Zuerst pries Esra Jahwe, den großen Gott, und alle antworteten mit erhobenen Händen: “Amen, Amen!” Dann warfen sie sich vor Jahwe auf die Knie, und beugten sich mit dem Gesicht bis auf die Erde. Die Leviten … halfen den Zuhörern, das Gesetz zu verstehen. Das Volk blieb dabei an seinem Platz. Sie übersetzten die vorgelesenen Abschnitte und erklärten die Weisung Gottes, damit die Leute sie verstehen konnten. Als die Israeliten die Worte des Gesetzes vernahmen, fingen sie an zu weinen. Da sagten der Statthalter Nehemia, der Priester und Gesetzeslehrer Esra und die Leviten, die das Volk unterwiesen: “Seid nicht traurig und weint nicht, denn dieser Tag ist Jahwe, eurem Gott, geweiht! … Heute ist ein Festtag für Jahwe. Seid nicht traurig, denn die Freude am Herrn ist eine Festung für euch!” (Nehemia 8, 1-10)

Umkehr zu Gott, Unterordnung unter sein Wort, Aufblühen von Gebet und Anbetung, große Opferbereitschaft, eine gesegnete, aufblühende Kirche: All diese Merkmale von Erweckung können wir auch in vielen Erweckungsbewegungen quer durch die Kirchengeschichte beobachten. Immer wieder gab es solche besonderen Zeiten der leidenschaftlichen Hinwendung zu Gott und der ehrfürchtigen Unterordnung unter sein Wort und Gebot. Oft sind in diesen Zeiten neue Lieder und neue Formen der Anbetung entstanden. Nicht selten kann man am Alter der meistgesungenen Lieder und manchmal sogar noch an den Gebäuden erkennen, aus welcher Erweckung eine kirchliche Gruppierung hervorgegangen ist. Aber nicht nur die Kirche profitiert von Erweckungen. Große Erweckungsbewegungen haben immer auch auf die Gesellschaft abgefärbt. Besonders deutlich kann man das anhand des Einflusses der „Great Awakenings“ im 19. Jahrhundert in den USA nachweisen. Aber auch meine schwäbische Heimat profitiert bis heute vom Fleiß, von der Ehrlichkeit und der sozialen Ader vieler pietistisch geprägter Unternehmer.

Ich bin deshalb überzeugt: Was Deutschland vor allem braucht, ist eine Erweckung! Auch die besten Konzepte werden die weit verbreitete Fruchtlosigkeit der Kirche Jesu in unserem Land nicht grundlegend ändern können. Auch die besten Politiker werden die wachsenden gesellschaftlichen Probleme unseres Landes nicht lösen. Demokratie funktioniert auf Grundlagen, die sie selbst nicht schaffen kann: Respekt vor der unveräußerlichen Würde jedes Menschen. Ehrlichkeit. Mitmenschlichkeit. Toleranz. Demut. Eine dienende Haltung. Vishal Mangalwadi hat in seinem „Buch der Mitte“ eindrucksvoll nachgewiesen, wie eng alle diese Werte mit unserem reformatorischen Erbe zusammenhängen. Deshalb gilt:

Wenn wir die Kirche Jesu wieder aufblühen und wachsen sehen wollen…

Wenn wir sehen wollen, wie viele Menschen zum Glauben kommen und das ewige Leben finden…

Wenn wir unsere Demokratie bewahren wollen…

… dann sollten wir auf die Knie gehen und um eine neue Erweckung beten. Wir sollten uns demütigen und unterordnen unter Gottes heiliges Wort. Wir sollten Buße tun und umkehren, wo unser Leben den Geboten Gottes widerspricht. Wir sollten uns Zeit nehmen, um gemeinsam im Gebet Gottes Angesicht zu suchen und uns dabei Gottes Verheißung für sein Volk vor Augen halten:

Wenn ich den Himmel verschließe und es nicht mehr regnet, wenn ich den Heuschrecken befehle, das Land kahl zu fressen, und wenn ich die Pest unter mein Volk sende, und wenn dann mein Volk, über dem mein Name ausgerufen ist, sich demütigt und zu mir betet, wenn es meine Gegenwart sucht und von seinen bösen Wegen umkehrt, dann werde ich es vom Himmel her hören, ihre Sünden vergeben und ihr Land heilen.“ (2. Chronik 7, 13+14)

Es bewegt mich immer sehr, wenn ich sehe, dass es solche Bewegungen des Gebets und der Umkehr in unserem Land bereits gibt. Der Abschlussgottesdienst zum Gebets- und Fasttag für Erweckung in Deutschland ist ein gutes Beispiel dafür. Wenn Du nicht dabei sein konntest empfehle ich Dir von Herzen, diese Impulse und Gebete auf Dich wirken zu lassen:

Aber wie kommt es zu einer Erweckung? Können wir Menschen überhaupt etwas dazu beitragen? Ist es nicht vollkommen unrealistisch, in absehbarer Zeit in der westlichen Welt eine Erweckung zu erwarten? Zu diesen und weiteren Fragen rund um das Thema Erweckung werden wir uns in Teil 2 dieses Artikels genauer anschauen, welche wichtigen Lektionen wir aus der Erweckung unter König Hiskia lernen können.

Muss der Evangelikalismus dekonstruiert werden?

Das ging schnell. Das Buch „Deconstruct Faith – Discover Jesus“ („Dekonstruiere den Glauben – Entdecke Jesus“) des US-amerikanischen Theologen und Pastors Preston Ulmer ist erst am 6.6.2023 erschienen. Nur etwa 7 Monate später hat nun der Verlag SCM R. Brockhaus die deutsche Übersetzung vorgelegt unter dem Titel: „Anders als geglaubt – Mit Christus vor Augen Dekonstruktion verstehen“.

Nach der Lektüre muss ich sagen: Der englische Buchtitel ist passender. Denn tatsächlich ist dieses Buch ein Aufruf, Glaubensdekonstruktion aktiv voranzutreiben. In seinem Vorwort schreibt Ulmer: „Dieses Buch schreibe ich als Fürsprecher – stellvertretend für alle, die eine Dekonstruktion des Glaubens fordern, weil sie sehen, welchen Schaden bestimmte christliche Traditionen und Sichtweisen angerichtet haben.“ (S. 9) Und Ulmer lässt von Beginn an keinen Zweifel daran, an welchen Glauben, an welche christliche Tradition und an welche Sichtweise er dabei denkt:

Evangelikalismus im Fadenkreuz der Dekonstruktion

Ulmer will mit seinem Buch zeigen, „wie man am besten vorankommt, wenn Teile des Christentums (nämlich der Evangelikalismus) ganz klar dekonstruiert werden müssen.“ (S. 110/111) „Jesus im einundzwanzigsten Jahrhundert zu folgen bedeutet, ihm außerhalb bestimmter evangelikaler Normen zu folgen. Es bedeutet, diese Tempel des Götzendienstes abzubauen und andere zu ermutigen, dasselbe zu tun. In den Interviews und Recherchen, die ich für dieses Buch geführt habe, kamen viele verschiedene evangelikale Normen als Themen zur Sprache, die Christen heute dekonstruieren. Einige der großen Themen waren Politik, Purity Culture, eine „platte“, wenig differenzierte Lesart der Bibel, die Behandlung und Ausgrenzung der LGBTQ+-Gemeinschaft, die Lehre von der Hölle und Scheinheiligkeit.“ (S. 103) Zur Einordnung des Evangelikalismus zitiert Ulmer zudem die US-amerikanische Autorin Kristin Kobes Du Mez: „Auch wenn Evangelikale häufig behaupten, dass die Bibel die Quelle ihres sozialen und politischen Engagements ist, muss der Evangelikalismus eher als eine kulturelle und politische Bewegung gesehen werden und nicht als eine Gemeinschaft, die sich in erster Linie durch ihre Theologie definiert.“ (S. 153)

Ulmer scheut sich nicht, diese Dekonstruktion des Evangelikalismus in eine direkte Linie zu stellen mit den Auseinandersetzungen Jesu, der alttestamentlichen Propheten, der Apostel und der Reformatoren mit den religiösen Autoritäten ihrer Zeit.[1] Ulmer hält Dekonstruktion sogar für „heilig“ (S. 17) und für einen notwendigen Weg, um Jesus zu folgen und „seiner Autorität das letzte Wort zu überlassen“ (S. 181). Dekonstruktion ist für ihn „ein Spezialgebiet Jesu, und die Anhänger Jesu täten gut daran, es sich zurückzuerobern.“ (S. 18)

Sind Evangelikale für Ulmer also so etwas wie die Pharisäer der Moderne? Tatsächlich schreibt er: „Die Gebote Gottes außer Kraft zu setzen und stattdessen an menschlichen Überlieferungen festzuhalten, das ist die Hauptsünde, gegen die in der exvangelikalen Welt ermittelt wird.“ (S. 132)

Jesus, Geist und Liebe versus Buchstabe, Gesetz und Dogma

Man sollte meinen: Wer so pauschal gegen die zweitgrößte Gruppe der weltweiten Christenheit wettert und sich dabei auch noch auf Jesus, die Apostel, die Propheten und die Reformatoren beruft, dem wird eine solide Begründung dieser Sichtweise wichtig sein. Jedoch: Eine auch nur einigermaßen fundierte theologische Argumentation sucht man in „Anders als geglaubt“ vergeblich. Lediglich aus verstreuten Andeutungen kann man grob das folgende Bild von Ulmers Theologie skizzieren:

Immer wieder macht Ulmer deutlich, dass für ihn das „Leben Jesu“[2] und „die Liebe“[3] vorherrschende hermeneutische Schlüssel sind, an denen sich jede Bibelauslegung und jede ethische Entscheidung messen lassen muss: „Wichtiger als die Stabilität der christlichen Lehre scheint die Fähigkeit zu sein, wie ein echter Christ zu lieben. Und das ist die Grundlage jeder Lehre, die wir anderen vermitteln wollen!“ (S. 22) „Jede unserer Regeln, die nicht dem Wesen Jesu entspricht, das Liebe ist, gehört nicht ins Haus Gottes.“ (S. 158) Wir sollen uns deshalb ausschließlich „an Jesus und die ursprüngliche Kirche binden“. (S. 137) Tradition und Wahrheit hingegen sollen hinter die gute Botschaft von Jesus zurücktreten.[4] Um das zu erreichen, versuche „die Dekonstruktionsbewegung …, Jesus aus ungesunden und wenig hilfreichen Interpretationen der Bibel zu entschlüsseln.“ (S. 194) Jesu Heilungswunder am Sabbat (die in der Tora nirgends verboten werden) und die Bergpredigt sollen laut Ulmer zeigen, „wie der Buchstabe des Gesetzes im Licht des Geistes des Gesetzes umgeschrieben wird.“ (S. 148) Ulmer sieht einen Gegensatz zwischen dem „Dogma“ auf der einen Seite und „Liebe, Akzeptanz und Gnade“ auf der anderen Seite. Die geistliche Haltung sei wichtiger als die Loyalität zu einer Position.[5] „Das Gesetz zu erfüllen, bedeutet, den Geist des Gesetzes zu ehren, den Grund, aus dem es überhaupt erst geschaffen wurde.“ (S. 148)

Die Konsequenzen dieses Ansatzes zeigen sich am deutlichsten im Feld der Sexualethik. Ulmer sieht im gnädigen Umgang Jesu mit der Ehebrecherin und mit der Samariterin am Brunnen den Beweis, dass Jesus heutzutage evangelikale Sexualethik dekonstruieren würde. Dabei beruft sich Ulmer auch auf den bekannten postevangelikalen Theologen David Gushee, der sich jüngst auch in Deutschland für die Überwindung evangelikaler sexualethischer Sichtweisen stark gemacht hat.

Den evangelikalen Widerstand gegen Dekonstruktion führt Ulmer letztlich auf niedrige Motive zurück: „Dekonstruktion verärgert die Pastoren, und zwar, weil nicht Gott in Frage gestellt wird, sondern sie.“ (S. 49) Ulmer sehnt sich nach einer neuen Reformation, die „aus der Wiederentdeckung alter Wahrheiten“ erwächst. „Die alte Wahrheit, die so leicht verloren zu gehen scheint, sind die Person und das Werk Jesu als unsere deutlichste Offenbarung Gottes.“ (S. 138)

Die Frage ist: Kann man sich für solche Sichtweisen tatsächlich auf Jesus, die Propheten, die Apostel und die ursprüngliche Kirche berufen? Was genau ist denn die „alte Wahrheit“, die uns durch Jesus offenbart wurde?

Preston Ulmers Theologie im Faktencheck

Wenn man Jesus und die Liebe gegen die Buchstaben und Worte der Bibel in Stellung bringt, hat man immer ein grundsätzliches Problem: Wir wissen nun einmal absolut nichts über Jesus und sein Verständnis von Liebe außer das, was die Worte der Bibel uns berichten. Und was wir da lesen, ergibt doch ein deutlich differenzierteres Bild. Der biblische Jesus hatte immer beides im Blick: Die Liebe Gottes genauso wie seine Heiligkeit. Niemand spricht in der Bibel so häufig über die Hölle und das Gericht wie er. Der Versuch, „Jesus aus ungesunden und wenig hilfreichen Interpretationen der Bibel zu entschlüsseln“, bedeutet letztlich, dass unser eigenes Urteil darüber, was wir als gesund und hilfreich empfinden, zum Maßstab wird für unser Bild von Jesus und seiner Botschaft. Dann landen wir letztlich bei einer menschengemachten Religion.

Im ganzen Neuen Testament finden wir zudem keinerlei Hinweise, dass Jesus oder die Apostel mit dem Alten Testament auf Kriegsfuß gestanden hätten. „Habt ihr nicht gelesen?“ war für Jesus regelmäßig die Grundlage seiner Argumentation. Gerade in der Bergpredigt hat sich Jesus ausdrücklich hinter jeden Punkt und Strich des Gesetzes gestellt (Matth. 5, 17-19). Er sah keinen Widerspruch zwischen Liebe und Gebot (Joh. 14, 15). Er hat die Ehebrecherin zwar vor der Steinigung bewahrt, den Ehebruch aber trotzdem als Sünde bezeichnet (Joh. 8, 11). Jesus hat „Unzucht“ („porneia“, also sämtliche sexuelle Praktiken außerhalb einer Ehe von Mann und Frau) genau wie die Apostel (Apg. 15, 20) ganz klar abgelehnt (z.B. Matth. 15, 19). Gerade im Feld der Sexualethik hat Jesus die alttestamentliche Gesetzgebung nicht nur bestätigt, sondern sogar verschärft. Für den Theologen Gerhard Maier steht fest, dass der historische Jesus ganz eindeutig ein durch und durch schrifttreuer Jude war: „Die Schrift war für Jesus wie für seine jüdischen Gesprächspartner die letzte Entscheidungsinstanz. … Es kann überhaupt kein Zweifel daran sein, dass den heiligen Schriften in den Augen Jesu eine unvergleichliche Autorität zukommt.“[6] Jesus hatte in Bezug auf die Heilige Schrift also keine Buchstabenphobie. Wer so wie Ulmer einen künstlichen Gegensatz konstruiert zwischen Gesetz und Geist bzw. Buchstabe und Liebe, der kann sich damit nicht auf Jesus berufen.

Völlig absurd wird es schließlich, wenn Ulmer sich für seine Position auf die „ursprüngliche Kirche“ beruft. Denn diese war im Feld der Sexualethik eher noch strenger und konservativer als die heutige evangelikale Welt (siehe dazu z.B. die Vorträge von Prof. Roland Werner über Polykarp von Smyrna).

Insgesamt muss man sich wundern, warum Ulmer mit seiner Forderung nach Dekonstruktion speziell auf den Evangelikalismus zielt. Die Evangelikalen sind ja bei weitem nicht die Ersten und Einzigen, die die gesamte Heilige Schrift als autoritativen Maßstab des christlichen Glaubens ansehen und praktizierte Sexualität exklusiv dem geschützten Rahmen der Ehe zuordnen. Mit seiner LGBTQ+-konformen „Hermeneutik der Liebe und des Lebens Jesu“ dekonstruiert Ulmer nicht nur die Evangelikalen, sondern faktisch weite Teile der historischen und der weltweiten Kirche.

Quo vadis SCM R. Brockhaus?

Ja, es gibt sie: Gut durchdachte postevangelikale Bücher, die mich zum gründlicheren Reflektieren meiner eigenen Positionen animieren, manche Entwicklungen im Evangelikalismus zurecht kritisch beleuchten und somit auch eine gute Grundlage für einen sinnvollen Dialog darstellen können. Das Buch „Anders als geglaubt“ gehört nicht dazu. Es begründet seinen undifferenzierten Pauschalangriff auf den Evangelikalismus derart oberflächlich, dass ich mich frage: Was hat SCM R. Brockhaus nur motiviert, ausgerechnet dieses Buch im Eiltempo zu übersetzen?

Der R. Brockhaus-Verlag hat eine lange Geschichte. Die meiste Zeit seines Bestehens wurde er der konservativen Brüderbewegung zugerechnet. Wir verdanken diesem Verlag nicht nur die Elberfelder Bibel sondern viele herausragende evangelikale theologische Werke. Auf Wikipedia kann man lesen: SCM R. Brockhaus hat das „Ziel, Publikationen aus dem Spektrum evangelikaler Theologie zu veröffentlichen.” Das hat sich offenbar verändert. Es ist schmerzhaft, dass ausgerechnet in diesem traditionsreichen evangelikalen Verlag jetzt ein Buch erschienen ist, das den Evangelikalismus überwinden will.

Das Buch „Anders als geglaubt“ ist im Januar 2024 im SCM R. Brockhaus-Verlag erschienen. Es ist hier erhältlich:
www.scm-shop.de/anders-als-geglaubt-mit-christus-vor-augen-dekonstruktion-verstehen.html


[1] „Fällt dir auf, wie ähnlich die Propheten den Protestanten um 1500 sind? Und wie ähnlich die Protestierer von heute den Propheten von damals sind? Wie die Propheten rufen auch moderne Protestierer gegen die christliche Kultur die Leitenden in der evangelikalen Landschaft auf, zu Gerechtigkeit und Großzügigkeit zurückzukehren.“ (S. 35) „Für viele Christen ist Dekonstruktion keine Phase und kein Modewort, sondern eine Gewohnheit. … Du bist ein Dekonstruierender. Dein Verstand wägt alles ab. Und in letzter Zeit hat dich alles, was das evangelikale Christentum betrifft, runtergezogen. Die gute Nachricht ist: Du bist in guter Gesellschaft! Und die noch bessere Nachricht? Du bist in der Gesellschaft von Jesus.“ (S. 21)

[2] „Vor einigen Jahren, als ich selbst in einem Prozess der Dekonstruktion steckte, habe ich verzweifelt nach einem Glaubenssystem gesucht, das in den Stürmen des Lebens nicht in Mitleidenschaft gezogen werden würde. … Das Leben von Jesus – das ist jetzt der Eckpfeiler meiner Ansichten über Gott, die Bibel, die Hölle, Politik, Sexualität und jedes anderen Tabuthema (und bei keinem davon sind die Evangelikalen die Marktführer).“ (S. 12)

[3] „Wichtiger als die Stabilität der christlichen Lehre scheint die Fähigkeit zu sein, wie ein echter Christ zu lieben. Und das ist die Grundlage jeder Lehre, die wir anderen vermitteln wollen!“ (S. 22)

[4] „Meiner Meinung nach sollten wir aufhören, Nebensachen zu Hauptsachen zu erklären, und beides, Tradition und Wahrheit hinter die gute Botschaft von Jeus zurücktreten zu lassen.“ (S. 140)

[5] S. 147: „Wenn Menschen sich von Dogma und Gesetzlichkeit entfernen und sich zu Liebe, Akzeptanz und Gnade hinwenden, werden sie von vielen Vertretern des Evangelikalismus als Bedrohung angesehen. Aber diese Menschen setzen voll und ganz auf den Geist des Gesetzes, nicht auf das Gesetz selbst. Das führt mich zu der Frage: Ist es besser, den Buchstaben des Gesetzes zu befolgen, oder sich zu bemühen, nach dem Geist des Gesetzes zu leben? … Das Wesen Gottes, wie es sich in Jesus offenbart hat, sollte der Maßstab für alle Gesetze, Traditionen und christlichen Glaubensinhalte sein.“(S. 147) „In der Bergpredigt werden wir Zeugen davon, wie der Buchstabe des Gesetzes im Licht des Geistes des Gesetzes umgeschrieben wird. … Aus dieser Botschaft geht hervor, dass die geistliche Haltung eines Glaubenden wichtiger ist als seine unbedingte Loyalität gegenüber einer bestimmten Position.“ (S. 148)

[6] Gerhard Maier: Biblische Hermeneutik, Witten, 1998, S. 149

Die verlorene Heiligkeit wieder entdecken

Eindrücke aus dem Buch „Majestät“ von Rainer Harter

„Gott ist Liebe.“ (1. Johannes 4, 8+16)

Nur zweimal finden wir diese enorm wichtige Aussage in der Bibel. Sie hat sie unsere heutige Theologie stark geprägt – zurecht. Aber was ist damit eigentlich gemeint? Heißt das, dass Gott immer nett und entgegenkommend ist? Geht er jederzeit nachsichtig und großzügig mit uns um? Hat er immer nur mutmachende und aufrichtende Worte für uns? In seinem Buch „Majestät“ macht der Autor Rainer Harter deutlich: Man kann die Liebe Gottes nur dann richtig verstehen, wenn man zugleich eine weitere zentrale Eigenschaft Gottes im Blick behält:

„Heilig, heilig, heilig ist der HERR.“ (Jesaja 6,3; Offb. 4,8)

Meine Wahrnehmung ist: Diese Eigenschaft Gottes kommt in vielen Predigten heute eher selten vor. Rainer Harter schreibt sogar: „Die postmoderne Kirche hat die Erkenntnis und Erfahrung von Gottes Heiligkeit in weiten Teilen verloren. Dadurch ist der unfassbare, geheimnisvolle, unbezähmbare und majestätische Gott zu einer diffusen „Macht“ für die einen und zu einer Art spirituellem Übervater für die anderen geworden. Dem Begriff „Gott“ wurde die ihm innewohnende Herrlichkeit, Gewalt, Wildheit und Kraft genommen, die uns die Bibel beschreibt. Damit wurde uns der Weg zu einem „hausgemachten Gottesbild“ gebahnt, welches zum Verlust des Staunens, der Ehrfurcht und der Dankbarkeit geführt hat.“ (S. 19) Harter untermauert diese Einschätzung durch eine US-amerikanische Studie, die im Ergebnis das Bild eines Leibes Christi zeichnet, „dessen Glieder zu einer Gemeinde gehören und die Bibel lesen, das Konzept oder die Bedeutung der Heiligkeit jedoch nicht verstehen, sich persönlich nicht nach Heiligkeit ausstrecken und deshalb wenig oder nichts dafür tun, um ihr nachzujagen.“ (S. 25)

Die Heiligkeit Gottes: Eine zentrale Botschaft der Bibel

Neu ist dieses Problem nicht. Auch Billy Graham fiel schon auf: „Wir haben den Blick für die Heiligkeit und Reinheit Gottes heute weitestgehend verloren. Das ist einer der Gründe dafür, warum wir Sünde so leicht tolerieren.“ (S. 54) Eigentlich ist das erstaunlich. Denn in der Bibel ist die Heiligkeit Gottes ein enorm wichtiges Thema: „Die Aussage, dass Gott heilig ist, ist zentral und unersetzlich für den christlichen Glauben. Es ist die Grundbotschaft der Heiligen Schrift. … Eine weitere die Heiligkeit betreffende biblische Grundaussage, … die sich durch die gesamte biblische Geschichte zieht, ist die Feststellung, dass der Mensch seit dem Sündenfall nicht mehr heilig ist.“ (S. 54/56) „Die Bibel lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass der Gedanke der göttlichen Heiligkeit eines ihrer wichtigsten Grundkonzepte ist. Wäre Gott nicht heilig und wäre er nicht in der Lage zu heiligen, gäbe es keine Schuld, weil ohne einen klaren Maßstab auch nichts als Abweichung gelten könnte. Aber es gäbe auch keine Vergebung und schon gar keine Möglichkeit für den Menschen, Jesus ähnlicher zu werden. Dies alles steht und fällt mit der Frage nach Gottes Heiligkeit. Würden wir Gott in unserem Denken und Handeln seiner Heiligkeit berauben, würden wir zugleich dem christlichen Glauben eine seiner zentralen Grundlagen nehmen. Dann ergäbe unser Glaube keinen Sinn mehr.“ (S. 52) Harter tritt zudem dem Gerücht entgegen, dass die Heiligkeit Gottes vor allem ein Thema des Alten Testaments sei: „Nirgendwo im Neuen Testament gibt es einen Hinweis darauf, dass Jesus die Heiligkeit des Vaters oder den Aufruf Gottes an seine Kinder, ein heiliges Leben zu führen, in irgendeiner Form abgemildert hätte.“ (S. 30)

Der Verlust der Heiligkeit hat Konsequenzen

Es ist angesichts dieses beeindruckenden biblischen Befunds kein Wunder, dass der Verlust der Heiligkeit Gottes weitreichende Konsequenzen für viele Aspekte unseres Glaubens hat: „Selbst die Gnade Gottes wirkt billig und seine Liebe bekommt den Anschein, selbstverständlich zu sein, wenn wir sie nicht aus dem Blickwinkel seiner Heiligkeit betrachten. Alles wird schal und im schlimmsten Fall empfinden wir sogar Langeweile bei einem so wunderbaren Satz wie „Gott liebt dich“, wenn wir nicht eine Ahnung davon haben, wer und wie er ist.“ (S. 20) Harter sieht zudem einen direkten Zusammenhang zwischen dem Verlust der Heiligkeit und der Lauheit in unserem christlichen Leben: „Ein … ausschließlich zum „lieben Vater“ degradierter Gott weckt kaum Leidenschaft in uns.“ (S. 34) Deshalb ist es aus der Sicht von Harter „unklug, die Ehrfurcht vor Gottes Heiligkeit zugunsten einer falsch verstandenen Niederschwelligkeit in unseren Gottesdiensten abzuschaffen. Spätestens wenn wir damit anfangen, diejenigen Eigenschaften und Worte Gottes, die in unseren Augen nicht mehr zeitgemäß oder für uns schwer verständlich sind, bewusst zu verschweigen oder gar zu verleugnen, sind wir der Versuchung erlegen, uns einen Gott nach unserem Bilde zu schaffen. … Mit guten Absichten laden wir Menschen zu uns ein und präsentieren ihnen ein unrealistisches Gottesbild, das aus einer Mischung von „gutem Onkel“ und „Kumpel im Alltag“ besteht. Das Credo lautet nicht mehr: „Wir glauben an einen heiligen Gott“, sondern „Gott will, dass es uns gut geht“. Der Verlust der Heiligkeit macht Kirche letztlich zu einer fantasievoll ausgestalteten Umkreisung des Menschen um sich selbst.“ (S. 29)

Der Verlust der Heiligkeit hat auch für unsere Gottesdienste weitreichende Konsequenzen: „Ohne die Realität des Heiligen in unserer Mitte müssen wir Wege finden, um Kirche durch andere Dinge attraktiv zu machen. … Verlieren wir die Realität der Heiligkeit aus dem Blick, werden unsere Gottesdienste bald zu „Menschendiensten“, in denen ein „Evangelium light“ präsentiert wird und das Empfangen im Vordergrund steht, während die Verehrung Gottes und das Geheimnisvolle ausgeblendet werden.“ (S. 27/28) Harter stellt sogar in Frage, ob ein Gottesdienst, in dem die Heiligkeit Gottes keine zentrale Rolle spielt, überhaupt noch etwas mit dem wahren Gott zu tun hat: „Alle Engel und die seltsamen Wesen sowie die geheimnisvollen Ältesten reagieren in Gottes Nähe ausschließlich mit Ehrfurcht und Anbetung. Denken Sie jetzt im Vergleich dazu noch einmal an unsere Gottesdienste. Wir behaupten zwar, dass wir Gott dort begegnen, doch scheint diese Begegnung wenig Ehrfurcht, Kapitulation oder echte Herzensanbetung in uns zu wecken. Das Staunen über die Heiligkeit Gottes ist uns verloren gegangen. Gott ist uns zum Gewohnten geworden. Oder ist es vielleicht gar nicht Gott, an den wir uns da gewöhnt haben? … Eine traurige Armut und Hilflosigkeit liegen über so manchen Kirchengemeinden. Programme und Aktivitäten können das staunende Erleben der Heiligkeit Gottes einfach nicht ersetzen.“ (S. 95)

Ein falsches Konzept von Heiligung

Aber woran liegt es eigentlich, dass die Heiligkeit Gottes und der Ruf zur Heiligung derart aus der Mode gekommen ist? Rainer Harter schreibt: „Es gibt durchaus die Angst, unsere über Jahre erworbene Freiheit der Gnade wieder zu verlieren und zurück in alte Systeme zu fallen, die uns eher geknechtet als frei gemacht haben. Tatsächlich beanspruchten manche der alten Formen vordergründig, zur Heiligkeit zu führen, in der Realität hatten sie aber viel mehr mit einem leistungsorientierten oder sogar unterdrückenden Glauben zu tun als mit der Heiligkeit, die Gott meint.“ (S. 42) Diese Beobachtung kann ich nur bestätigen. Leider geschieht es immer wieder, dass Christen und Gemeinden die Notwendigkeit zur Heiligung auf einen moralischen Appell reduzieren, der uns unter Druck bringt und uns überfordert. Dabei ist der Prozess der Heiligung in der Bibel nicht das Ergebnis menschlicher Anstrengung sondern ein Wirken und ein Geschenk Gottes: „Alles Verändernde kommt von Gott alleine.“ (S. 191) Diese Veränderung beginnt nicht mit guten Vorsätzen, sondern mit einer Kapitulation: „Lassen Sie uns damit aufhören, nach außen heiliger wirken zu wollen, als wir es sind. In der Regel sind wir nämlich nicht so heilig, wie wir uns gerne sehen möchten oder wie andere uns wahrnehmen. Einige Ausdrucksformen unserer Heiligkeit sind nichts anderes als Scheinheiligkeit. Lassen wir das lieber gleich. Stattdessen steht am Beginn des Weges eine Kapitulation; wir geben zu, dass wir aus eigener Kraft nicht in der Lage sind, wie Jesus zu werden. Wir sind völlig von Gott und seiner Hilfe abhängig. … Im Neuen Testament wird deutlich, dass nur Gott selbst durch das vollkommene Opfer seines eigenen Sohnes ein neues Leben für uns möglich machen und uns heiligen kann.“ (S. 168)

Diese Kapitulation beinhaltet auch die Erkenntnis: Nicht wir ändern unser Leben aus eigener Kraft, sondern ER verwandelt unser Leben in sein Bild, wenn wir im Aufschauen zu ihm unser Leben führen: „Verabschieden Sie sich also besser gleich vom ungesunden Unterdrücken und starten Sie mit einer Strategie, die wesentlich besser funktioniert: Vertrauen Sie sich Gottes Hilfe an. Tun Sie, was die Bibel Ihnen rät, um wie Jesus zu werden: Schauen Sie ihn an. Beim Lesen der Bibel, im stillen Gebet, im Nachdenken über seine Worte, indem Sie sich in eine biblische Person hineinversetzen und nachspüren, wie deren Begegnung mit Jesus war. … Anstatt sich anzustrengen, nutzen Sie Ihre Zeit und Energie lieber dafür, Gott besser kennenzulernen. Nehmen Sie sich Zeit, um ihn in seiner Schönheit zu betrachten. Wenn Sie erst einmal gesehen haben, wie schön er ist, und gespürt haben, wie sehr er Sie liebt, werden Sie sich nicht mehr so leicht mit Ersatzlösungen zufriedengeben. In der Nähe Gottes wird in Ihnen eine geheimnisvolle Kraft aufsteigen, die Sie nach und nach entdecken lässt: Ich habe mich wirklich verändert.“ (S. 166/167) Wenn Gott uns beschenkt, können wir sehr viel leichter die sündigen Dinge loslassen, die uns selbst und Anderen schaden: „Wer gelernt hat, durch Gottes Liebe in seiner Seele satt zu werden, wird in die Lage versetzt, plötzlich Dinge loslassen zu können, die zuvor sehr bedeutend für sein Leben waren, die aber vielleicht zur Sammlung seiner Ersatzlösungen gehört haben oder schlicht Sünde sind.“ (S.186)

Ein weitere Grundlage für einen gesunden Prozess der Heiligung ist die Entscheidung, dass Jesus der Herr unseres Lebens sein soll: „Es ist Zeit für eine Palastrevolution. Anstatt weiter den König „ICH“ unseren Herrn sein zu lassen, sollten wir den König der Heiligkeit wählen, der uns heil machen kann und durch uns seine Heiligkeit in diese Welt bringen möchte.“ (S. 204)

Die Heiligkeit Gottes: Ein Schlüssel für gesunden Glauben und eine attraktive Kirche

Heiligung ist also möglich. Und die Bibel macht immer wieder deutlich: Sie ist ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Lebens als Nachfolger Jesu:

„Ihr sollt heilig sein, weil ich heilig bin.“ (3. Mose 11,44; 19,2; 1.Petr. 1,16)

Rainer Harter schreibt dazu: „Eine Kirche ohne Heiligkeit kann nicht Kirche Jesu sein. Wenn die Menschen draußen die verändernde Kraft der Gnade Gottes nicht an uns sehen können, werden sie auch nicht auf die Idee kommen, dass Gott mit uns ist, und nicht nach ihm fragen. Kirche muss „anders“ sein, um attraktiv für Menschen zu sein, die Gott noch nicht kennen. Kirche muss Anleitung dafür geben, wie ihre Mitglieder ein Leben der Heiligung führen können, um so von Jesus zu zeugen. Wir sind schlechte Botschafter, wenn wir unsere Botschaft vergessen haben und denjenigen, der uns gesandt hat, nur aus der Ferne kennen. Vielfach stehen wir als Kirche heute vor den Menschen dieser Welt und versuchen, auf unterschiedliche Art und Weise ihre Aufmerksamkeit zurückzugewinnen. Doch wenn die grundlegende und lebensverändernde Wahrheit über Gottes Wesen und die daraus resultierenden Handlungen Gottes nicht mehr verstanden und gepredigt werden und deshalb unser eigenes Leben nicht von ihm zeugt, wird das auf Dauer nicht funktionieren. Was wir wirklich brauchen, ist die Gegenwart des heiligen Gottes. Wir brauchen sie in unseren Familien und an unserem Arbeitsplatz, in unseren Versammlungen und Gottesdiensten. Wenn Menschen dann in Berührung mit dem Geheimnis seines Wesens und seiner Kraft kommen, werden Gemeinden wieder wachsen, und das Evangelium wird unsere Städte durchdringen.“ (S. 208/209)

Wie wahr! Ich kann deshalb das neu aufgelegte Buch „Majestät“ von Rainer Harter nur von Herzen empfehlen und hoffe, dass dieser wichtige Impuls weite Verbreitung findet.

Das Buch „Majestät“ von Rainer Harter kann hier direkt vom Gebetshaus Freiburg bezogen werden:
https://www.gebetshaus-freiburg.org/product-page/buch

Die verlorene Kraft des Evangeliums

„Ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht. Denn es ist eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben.“ (Römer 1, 16)

Dieser Vers ist meine Konfirmationsspruch. Der darin enthaltene Begriff „Evangelium“ wurde in der Antike verwendet, wenn der Kaiser oder der König eine wichtige gute Nachricht zu verkünden hatte. Ein militärischer Sieg zum Beispiel. Oder die Geburt eines Thronfolgers. Paulus will mit diesem Begriff offenkundig deutlich machen: Auch ich habe eine ganz entscheidende, frohe Botschaft vom König aller Könige Jesus Christus zu verkünden. Eine Botschaft, für die ich mich nicht schämen muss. Denn es handelt sich um eine heilbringende, rettende und seligmachende Botschaft, die allen Menschen gilt. Die große Frage ist nur: Wenn Paulus doch einfach nur eine frohe Botschaft zu verkünden hatte, warum wurde er dann immer wieder vertrieben, eingesperrt, geschlagen und gesteinigt? Warum wurde er am Ende sogar umgebracht?

Dieser Artikel gehört zum offen.bar-Vortrag “Die verlorene Kraft des Evangeliums”:

Warum löste das Evangelium weltweit so viel Widerstand aus? Und warum wird es bei uns hingegen als harmlos und banal empfunden?

Diese Frage stellt sich auch heute noch. Weltweit werden hunderte Millionen von Christen verfolgt. Warum eigentlich? Christen sind bekanntermaßen ein fröhliches und friedliches Völkchen. Sie reden gerne und viel von der Liebe Gottes. Sie werden durch ihren Glauben verpflichtet, die Autoritäten ihres Landes zu respektieren. Niemand müsste vor Christen Angst haben. Warum also löst diese frohe Evangeliumsbotschaft einen derart drastischen Widerstand aus? Warum wird weltweit die Bibel in vielen Ländern verboten?

Und noch eine Frage stellt sich: Der Römerbrief ist historisch gesehen wohl der wirkmächtigste und einflussreichste Brief, der je geschrieben wurde. Kein Brief hat die Kultur der westlichen Welt so geprägt wie dieser Brief. Die Botschaft von Paulus wirkte ein Stück weit wie ein Manifest. Sie enthielt revolutionäre Botschaften: Dass jeder Mensch eine gottgegebene Würde hat. Dass vor Gott alle Menschen gleich sind. Dass man deshalb armen, kranken und schwachen Menschen helfen sollte. Das war damals völlig neu! Bis zur Ausbreitung des Christentums galten Eroberer als Helden, ganz egal, wie grausam und grauenvoll sie vorgegangen sind. Dass wir heute Friedensstifter feiern, die sich für das Wohl von Ausgegrenzten und Schwachen einsetzen, geht allein auf das Christentum zurück, nicht auf römische oder griechische Philosophen.

Aber wenn man sich heute in unserem Land umschaut, könnte man meinen: Diese Botschaft interessiert kaum noch jemand. Das Wort „Evangelium“ hört man in kirchlichen Kreisen zwar noch des Öfteren. Aber irgendwie lässt es die Leute kalt. Das Evangelium wird bestenfalls als nette, herzerwärmende Botschaft wahrgenommen, die doch zugleich aber harmlos, marginal und belanglos erscheint.

Die große Frage ist: Warum löst diese Botschaft, mit der Paulus doch so unfassbar viel bewegt hat, heute nur noch Schulterzucken aus? Könnte es sein, dass mit der heutigen Verkündigung des Evangeliums irgendetwas nicht stimmt? Könnte es sein, dass das Evangelium, das wir heute verkünden, oft nicht mehr übereinstimmt mit der Evangeliumsbotschaft von Paulus? Und wenn das stimmen sollte: Was genau haben wir denn verändert an diesem Evangelium?

Ich finde, man kann die Bedeutung dieser Frage kaum überschätzen. Denn tatsächlich bin ich überzeugt: Der Bedeutungsverlust der Kirche Jesu in unserem Land hat so einiges, vielleicht sogar hauptsächlich damit zu tun, dass wir das Evangelium von Paulus geglättet, verharmlost, entschärft und entstellt haben. Ich möchte diese These belegen anhand von 7 Eckpfeilern des Evangeliums im Römerbrief, die Antwort geben auf 7 Grundfragen der Menschheit. Ich hoffe, dass ich dabei deutlich machen kann: Diese 7 Eckpfeiler haben auch heute noch absolut nichts von ihrer Brisanz, Schärfe und Kraft verloren. Wenn wir eine Kirche Jesu wollen, die Salz und Licht ist in diesem Land, dann ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir eine klare Sicht haben über die folgenden 7 Grundaussagen der Evangeliumsbotschaft im Römerbrief.

7 Grundfragen der Menschheit – 7 Eckpfeiler des Evangeliums im Römerbrief

Die erste Grundfrage, die Paulus in seinem Evangelium beantwortet, heißt:

1. Gibt es objektive Wahrheit über Gott?

Diese Frage galt in Europa lange Zeit als entschieden. Die wissenschaftliche Revolution in der westlichen Welt basierte auf der grundlegenden Annahme: Es gibt Wahrheit und Irrtum. Und nur die Wahrheit wird uns freimachen. So steht es zum Beispiel auf einem zentralen Gebäude der Universität Freiburg: „Die Wahrheit wird euch frei machen“. Auf Basis des Jesusworts in Johannes 8, 32 sollte damit deutlich werden: Wir müssen die Wahrheit herausfinden! Denn nur die Orientierung an der Realität wird am Ende dazu führen, dass unser Leben besser wird. Dieses Prinzip galt damals nicht nur für die Naturwissenschaften, sondern für alle Fakultäten und Disziplinen, einschließlich der Theologie.

Heute müssen wir jedoch beobachten, dass diese Grundlage des Denkens ins Wanken gerät. Fast überall kann man heute die These hören: Jeder soll doch nach seiner eigenen Façon selig werden. Persönliche Religiosität ist O.K., solange sie nicht den Anspruch erhebt, dass Andere das Gleiche glauben sollten. In der Postmoderne geht man davon aus: In Glaubensfragen ist Wahrheit nur subjektiv gültig, niemals objektiv. Wer im religiösen Bereich die Existenz von allgemeingültigen Wahrheiten vertritt, die für alle Menschen gleichermaßen gelten sollen, der liegt nicht nur falsch. Der ist auch intolerant und gefährlich. Der gefährdet den gesellschaftlichen Frieden. Man darf deshalb in der Postmoderne zwar seine persönlichen Glaubensüberzeugungen haben. Aber dabei muss klar sein: Diese Überzeugungen gelten nur für Dich persönlich. Für Andere kann eine völlig andere Überzeugung genauso richtig sein.

Wie sieht das Paulus? Der erste Eckpfeiler seines Evangeliums sagt:

Es gibt Wahrheit und Irrtum. Nur der Glaube an die Wahrheit rettet!

Gleich in den ersten beiden Versen des Römerbriefs schreibt Paulus dazu:

„Es schreibt Paulus, ein Sklave von Christus Jesus, berufen zum Apostel und dazu bestimmt, Gottes Freudenbotschaft bekannt zu machen. Dieses Evangelium hat Gott schon im Voraus durch seine Propheten in heiligen Schriften angekündigt.“ (Römer 1, 1-2)

Paulus stellt also klar: Was ihr hier lest, ist nicht einfach nur eine Idee oder ein Vorschlag von mir, über den man diskutieren kann. Ich bin ein Diener von Jesus Christus. Ich bin zum Apostel, also zum Sendboten Gottes berufen. Von ihm bin ich dazu bestimmt, nicht meine, sondern GOTTES Gute Nachricht zu verkünden. Und das ist eine Nachricht, die Gott schon im Voraus durch die Propheten angekündigt hat. Was für ein ungeheuerlicher Anspruch! Letztlich sagt Paulus: Achtung! Diese Botschaft ist nicht von dieser Welt. Wir haben es mit göttlicher Wahrheit zu tun. Und das Grundproblem der Menschheit liegt darin, dass sie genau diese göttliche Wahrheit verworfen hat.

In Römer 1, 25 schreibt Paulus: „Die Menschen tauschten die Wahrheit Gottes gegen die Lüge.“ Für ihn ist also klar: Es gibt auch bei der Frage nach Gott richtig und falsch. Es gibt auch bei der Frage nach Gott objektiv gültige Wahrheiten und Realitäten, die für alle Menschen gelten! Und jede Aussage, die dieser Wahrheit widerspricht, ist nicht einfach nur eine alternative Wahrheit. Nein, sie ist falsch. Sie ist ein Irrtum. Und Paulus unterstellt sogar, dass es Menschen gibt, die diese falschen Aussagen wissentlich in die Welt setzen. Er sagt: Diese Aussagen sind eine Lüge.

Das ist natürlich harter Tobak. Und schon hier merken wir, wie hochaktuell und brisant die Botschaft von Paulus bis heute ist. Denn Paulus macht damit klar: Sein Evangelium steht ganz grundlegend auf dem Konzept von Wahrheit und Irrtum. Es basiert auf dem Anspruch, dass hier eine objektive Wahrheit verkündet wird, die für alle Menschen gilt, unabhängig davon, ob sie diese Wahrheit verstehen und akzeptieren oder nicht. Die Idee, dass jeder nach seiner Façon selig werden kann, wäre zwar bequem. Sie klingt nett und tolerant. Aber sie passt in keiner Weise zur Botschaft von Paulus. Der Gedanke, dass sich jeder selbst eine Religion zusammen zimmern kann, die sich für ihn am besten anfühlt, ist für Paulus genauso absurd, wie der Gedanke, dass Du gegen Deine Krankheit einfach die Pille nimmst, die Dir am besten schmeckt. Das kannst Du ja gerne machen. Aber gesund machen wird Dich nur die Pille, die tatsächlich genau den Wirkstoff enthält, der genau die Krankheit bekämpft, die Du tatsächlich in der Realität hast. Die Wirksamkeit der Pille hängt von der objektiven Wahrheit der Diagnose ab, nicht von Geschmacksfragen. Ganz genauso geht es Paulus um die Frage: Was ist objektiv aus Gottes Sicht tatsächlich die Wahrheit über Gott und über die Welt? An welcher Realität müssen wir uns orientieren, damit uns wirklich geholfen werden kann?

Auch mit dem zweiten Eckpfeiler seines Evangeliums gibt Paulus eine Antwort auf eine zentrale Grundfrage der Menschheit:

2. Woher kommen wir?

Dazu schreibt Paulus in Römer 1, 19-22:

„Denn was man von Gott erkennen kann, ist unter ihnen bekannt, weil Gott es ihnen längst vor Augen gestellt hat. Seine unsichtbare Wirklichkeit, seine ewige Macht und göttliche Majät sind nämlich seit Erschaffung der Welt in seinen Werken zu erkennen. Die Menschen haben also keine Entschuldigung. Trotz allem, was sie von Gott wussten, ehrten sie ihn aber nicht als Gott und brachten ihm auch keinerlei Dank. Stattdessen verloren sich ihre Gedanken ins Nichts, und in ihrem uneinsichtigen Herzen wurde es finster. Sie hielten sich für Weise und wurden zu Narren. Die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes vertauschten sie mit Bildern von sterblichen Menschen, mit Abbildern von Vögeln, vierfüßigen und kriechenden Tieren.“

Wir können auf dieser Grundlage den zweiten Eckpfeiler seines Evangeliums wie folgt zusammenfassen:

Die Schöpfung beweist, dass es einen Schöpfer gibt, der unsere Verehrung verdient!

Die Beweisführung von Paulus für diesen Eckpfeiler ist denkbar einfach und für jeden Menschen sofort verständlich. Paulus sagt ganz simpel: Schau Dich um in der Natur. Was siehst du da? Du siehst überall Geschöpfe. Und wo es Geschöpfe gibt, da muss es einen Schöpfer geben. Auch wir sagen heute noch: Wo es eine Uhr gibt, da muss es einen Uhrmacher geben. Wo es ein Kunstwerk gibt, da muss es einen Künstler geben. Und Paulus schlussfolgert weiter: Wenn es einen Schöpfer gibt, dann hat unser Schöpfer auch unsere Verehrung verdient. Wir sind schließlich heute immer noch der Meinung, dass der Schöpfer eines Kunstwerks es verdient hat, dass sein Name genannt und geehrt wird. Auch heute noch würde niemand ein Konzert geben mit einer wundervollen Symphonie, ohne dazu zu sagen, wer diese Symphonie komponiert hat. Es wäre völlig absurd, sich stattdessen vor den Notenblättern zu verneigen, weil sie uns diese Symphonie vorgegeben haben. Aber Paulus sagt: Genau das tun die Menschen! Sie verneigen sich vor den Geschöpfen statt vor dem Schöpfer. Sie verneigen sich vor Bildern und Statuen. Wie absurd! Sie sind zu Narren geworden!

Heute halten wir uns für klüger. Wir verneigen uns nicht mehr vor Statuen und Bildern. Sind wir heute also besser als die Menschen damals? Na ja. Wir verneigen uns zwar nicht mehr vor Bildern und Statuen. Aber wir verneigen uns trotzdem nicht vor dem Schöpfer. Wir verneigen uns einfach vor gar niemandem mehr. Wir sagen: Es gibt gar keinen Schöpfer. Es ist alles von selbst durch Zufall entstanden. Das ist, wie wenn wir am Ende der Symphonie sagen würden: Wahrscheinlich hat ein Zufallsgenerator die Noten aufs Papier gezaubert. Wir brauchen keinem Komponisten die Ehre geben. Es gibt ja keinen. Ist das wirklich besser als das, was die Menschen zur Zeit von Paulus getan haben?

Tatsache ist: Wir leben wir in einer Welt, in der seit gut 200 Jahren Heerscharen von Wissenschaftlern versucht haben, die simple Beweisführung von Paulus zu widerlegen. In der akademischen Welt wird die Beweisführung von Paulus heute als „Intelligent Design“ bezeichnet. „Intelligent Design“ besagt ganz einfach: Die Natur weist Eigenschaften auf, die darauf hinweisen, dass sie von einem intelligenten Designer konzipiert worden sein muss. Dafür gibt es in der Tat sehr starke Argumente. Trotzdem wird heutzutage diese Sichtweise eher lächerlich gemacht und als unwissenschaftlicher Unfug dargestellt. Das ist bemerkenswert. Denn zugleich wussten wir noch nie so gut wie heute, wie viele Hinweise auf einen Schöpfer in der Welt existieren: Die Feinabstimmung der Naturkonstanten, die codierte Information der DNA, die molekularen Maschinen in unseren Zellen, die extreme Komplexität der biologischen Baupläne, dazu die Realität von Bewusstsein, Geist, Schönheit und Moral: All das sind natürlich extrem starke Hinweise darauf, dass es einen Schöpfer geben muss, der all das erschaffen hat. Denn alle unsere Experimente zeigen wieder und wieder, dass solche Dinge nicht von selbst entstehen. Die Vorstellung, unsere Welt könnte durch eine „Selbstorganisation der Materie“, also durch ziellose materielle Prozesse von selbst entstanden sein, ist angesichts unserer Kenntnisse über die Beschaffenheit der Welt heute mehr denn je absurd.

Trotzdem ehren wir den Schöpfer nicht. Warum nicht? Könnte es sein, dass das auch damit zusammenhängt, dass die Existenz eines Schöpfers die Autonomie der Geschöpfe in Frage stellen würde? Ein Schöpfer könnte uns ja womöglich eine Schöpfungsordnung mitgegeben haben, an die wir uns halten müssten. Könnte es sein, dass wir lieber autonom sein wollen? Könnte es sein, dass wir lieber selbst bestimmen wollen, wer wir sind und wie wir leben wollen?

Tatsache ist: Die Argumentation von Paulus steht bis heute unwiderlegt im Raum. Wer die Schöpfung sieht und dem Schöpfer trotzdem die Ehre verweigert, muss sich vorwerfen lassen, vor der offenkundigen Wahrheit davon zu rennen. Wir haben bis heute allen Grund, uns von diesem simplen Argument von Paulus provozieren, herausfordern und in Frage stellen zu lassen.

Nun könnte man natürlichauch sagen: Ja, ich erkenne ja an, dass es wohl einen Schöpfer geben muss. Aber das hat für mich keine Konsequenzen. Denn dieser Schöpfer hat sich bei mir noch nicht gemeldet. Also kann ich trotzdem weiterhin so leben, wie ich das für richtig halte. Wer das tut, den konfrontiert Paulus mit dem 3. Eckpfeiler seines Evangeliums, der wieder eine Antwort gibt auf eine zentrale Grundfrage der Menschheit:

3. Gibt es eine letzte Gerechtigkeit?

Oder anders gefragt: Kommen all die Ausbeuter und Gewalttäter und Betrüger einfach so davon? Oder wird eines Tages die schreiende Ungerechtigkeit dieser Welt noch einmal richtig gestellt?

Im Moment scheint kaum noch jemand zu glauben, dass es diese letzte Gerechtigkeit geben wird. Das war früher anders. Christen haben regelmäßig im apostolischen Glaubensbekenntnis bekannt: „Von dort wird er kommen, zu richten, die Lebenden und die Toten.“ Heute scheint die Vorstellung vom letzten Gericht immer mehr in der Versenkung zu verschwinden – auch in den Kirchen.

Diese Entwicklung führt zu unterschiedlichen Konsequenzen. Die einen fangen an, sich in einen ganz verbissenen Kampf für Gerechtigkeit zu begeben, weil sie sagen: Es gibt keinen Gott, der am Ende für Gerechtigkeit sorgt. Das müssen wir schon selber machen. Da reicht es heute auch nicht einmal mehr, dass jeder die gleichen Chancen hat. Nein, es muss sogar Gleichheit und Gleichstellung hergestellt werden. Gleich viele Männer und Frauen müssen in verantwortlichen Positionen sein. Und wenn sich das nicht von selbst einstellt, dann muss das mit Quoten erzwungen werden.

Die andere Konsequenz ist das Verschwinden von Gottesfurcht. In einer bekannten Zeitung erschien vor Kurzem ein Artikel mit dem Titel: „Warum ich gerne klaue“. Darin rechtfertigt sich der Autor für seine permanenten Diebstähle. Der Gedanke, dass er anderen Menschen damit schadet, kommt ihm nicht. Gleich gar nicht kommt ihm in den Sinn, dass seine Diebstähle irgendwann noch einmal vor einem göttlichen Gericht verhandelt werden könnten. Das zeigt: Der Schrei nach Gerechtigkeit ist in unserer heutigen Gesellschaft zwar groß. Dabei gilt aber: Wir wollen selbst die Richter sein! Wir wollen selbst entscheiden, was wir für gerecht halten und was nicht. Genau diesem Denken widerspricht Paulus ganz direkt, wenn er schreibt:

„Rechnest Du wirklich damit, dem Urteil Gottes entgehen zu können? … Du bist starrsinnig und im tiefsten Herzen nicht bereit, dich zu ändern. Und so ziehst du dir selbst mehr und mehr den Zorn Gottes zu bis zum Tag des Zorns. Das ist der Tag, an dem Gott sich als gerechter Richter offenbart. Gott wird allen das geben, was sie für ihre Taten verdienen. … Über jeden Menschen, der Böses tut, lässt er Not und Verzweiflung hereinbrechen. … Denn Gott richtet ohne Ansehen der Person.“ (Römer 2, Verse 3b,5,6,9,11)

Paulus lässt also überhaupt keinen Zweifel am dritten Eckpfeiler seines Evangeliums:

Es kommt ein Tag, an dem alles noch einmal vor dem Richterstuhl Gottes auf den Tisch kommt!

Paulus macht hier völlig klar: Diesem Gott entgeht nichts. Und dieser Gott wird zornig angesichts unseres ungerechten, egoistischen Verhaltens, mit dem wir uns und anderen Menschen schaden. Dieser Gott wird eines Tages alle unsere Taten ans Licht bringen und im Gericht für Gerechtigkeit sorgen.

Obwohl Paulus sich hier so eindeutig äußert, hört man diese Botschaft heute kaum noch von den Kanzeln. Selbst innerhalb der Kirche wird oft gesagt: Man darf doch mit solchen Gerichtsandrohungen nicht aus der Frohbotschaft eine Drohbotschaft machen. Das klingt einleuchtend. Das Problem ist nur: Jesus lehrt das letzte Gericht. Und Paulus lehrt es auch. In aller Deutlichkeit! Will Paulus die Menschen etwa einschüchtern? Will er sie manipulieren, um sie bei der christlichen Stange zu halten?

Tatsache ist: Düstere Warnungen dieser Art wären natürlich hochgradig verwerflich, wenn jemand sie bewusst erfunden hätte, um Menschen Angst zu machen und zu manipulieren. Aber wenn die Aussicht real ist, dass es einen göttlichen Richter gibt, der uns am Ende für unser Fehlverhalten zur Rechenschaft ziehen wird, dann wäre die Sachlage genau umgekehrt. Dann wäre es verwerflich, auf die Warnung zu verzichten! Dann müssten diejenigen schuldig gesprochen werden, die für die Warnung verantwortlich waren, sie aber – aus welchen Gründen auch immer – verschwiegen haben. Und für Paulus ist völlig klar: Das finale Gericht über alle Taten der Menschheit ist eine Realität. Es wäre fatal und verantwortungslos, das zu verschweigen.

Zumal diese Botschaft ja auch eine Hoffnungsbotschaft ist, und zwar für all die Unterdrückten, Ausgebeuteten, Bedrängten und Betrogenen dieser Welt, die von keinem weltlichen Gericht Gerechtigkeit erwarten können. Es wäre doch katastrophal, wenn wir diesen Menschen sagen müssten: Nichts und niemand wird sich jemals für das Unrecht interessieren, das dir widerfahren ist. Die gute Nachricht des Evangeliums ist aber: Am Ende kommt alles noch einmal auf den Tisch! Am Ende wird Recht gesprochen. Und diese Nachricht bleibt eine Bedrohung, eine Provokation und ein Ärgernis für Alle, die es sich bequem machen wollen in einer Welt ohne Gott, ohne Gericht, ohne Strafe, ohne Konsequenzen. Und sie nagt natürlich noch mehr als die Botschaft vom Schöpfer an der Autonomie des Menschen. Denn hier hören wir die Botschaft: Am Ende werden wir alle noch einmal konfrontiert mit dem, was wir getan haben, welchen Menschen wir geschadet haben und was wir damit angerichtet haben. Paulus macht also Allen einen dicken Strich durch die Rechnung, die nach dem Motto leben: Ich lebe mein Leben wie ich will und dafür muss ich mich vor niemand rechtfertigen.

Damit stellt sich aber jetzt die Frage: Müssen wir denn etwas befürchten in diesem letzten göttlichen Gericht? Oder können wir diesem Gericht beruhigt entgegen sehen, solange wir ein halbwegs ordentliches Leben führen, unsere Steuern zahlen, uns um unsere Familie kümmern und soweit es geht zu allen nett und freundlich sind? Damit kommen wir zur 4. Grundfrage der Menschheit, die Paulus in seinem Evangelium beantwortet:

4. Was ist die Ursache für das Drama der Menschheit?

Woran liegt es eigentlich, dass wir Menschen nicht einfach friedlich zusammenleben können? Warum bauen wir uns nicht einfach gemeinsam ein Paradies auf Erden? Warum haben wir stattdessen Krieg und Konflikte, Streit, Neid, Armut und Hunger, obwohl die Ressourcen der Erde doch locker für alle reichen würden? Warum ist das so?

Auf diese herausfordernde Frage gibt es sehr verschiedene Antworten. Vor allem in der Zeit der Aufklärung war eine Reihe von Philosophen der Meinung: Der Kern unseres Problems ist, dass wir die menschliche Vernunft viel zu lange begrenzt haben durch religiöse Autoritäten, durch angebliche heilige Schriften oder durch Traditionen, die doch längst überkommen sind. Wenn wir endlich die Vernunft nicht länger einschränken, dann wird schon bald der menschliche Fortschritt eine wunderbare Welt erschaffen. Aber nach der Aufklärung folgten die beiden schlimmsten Weltkriege aller Zeiten, begleitet vom entsetzlichen Massenmord an den Juden. Es ist erschreckend, wie viele Gelehrte in Deutschland dieses menschenverachtende Gedankengut unterstützt und befürwortet haben. Ganz offenkundig ist unsere menschliche Vernunft bei weitem nicht so verlässlich, wie manche Philosophen das behauptet haben.

Andere Leute im kommunistischen Umfeld vertraten die Position: Der Kern des Problems sind die ungerechten Umstände! Menschen sind böse, wenn sie ungerecht behandelt werden. Wenn wir die Ungerechtigkeit beseitigen, dann wird das Gute im Menschen hervorkommen und wir werden uns gemeinsam das Paradies auf Erden errichten. Die kommunistischen Systeme haben aber leider nicht das Paradies sondern eine beispiellose Blutspur hinterlassen.

Was sagt nun Paulus zu dieser Frage? Der 4. Eckpfeiler seines Evangeliums lautet: Nicht die Beschränkung der Vernunft, nicht die ungerechten Umstände, sondern…

Wir selbst sind der Kern unserer Probleme!

Oder anders ausgedrückt: Das Herz des Problems ist das Problem des menschlichen Herzens, das zutiefst verstrickt ist in sündiges, egoistisches Verhalten. In Römer 1, 28-30 schreibt Paulus:

„Sie hielten es nicht für wichtig, Gott anzuerkennen. Deshalb hat Gott sie ihrer schändlichen Gesinnung ausgeliefert. Daher tun sie, was sich nicht gehört. Sie strotzen vor Unrecht, Bosheit, Habgier und Schlechtigkeit. Sie sind voller Neid, Mordlust, Streitsucht, Hinterhältigkeit, Heimtücke, Verleumdung und übler Nachrede. Sie verachten Gott, sind gewalttätig, hochmütig und prahlerisch. Im Bösen sind sie erfinderisch und ihren Eltern gegenüber ungehorsam.“

Deutlicher kann man es nicht sagen. Besonders niederschmetternd für uns Menschen: Das Gericht Gottes besteht darin, dass er uns einfach unserer eigenen Gesinnung ausliefert. Er lässt uns einfach machen, wie wir denken und wollen. Gott muss uns nicht aktiv bestrafen. Wir Menschen bereiten uns schon selbst gegenseitig die Hölle auf Erden, wenn Gott uns einfach nur in die Autonomie entlässt, die wir so lautstark verlangen. Diese Aussage ist tatsächlich der ultimative Tiefschlag für uns Menschen. Mehr Provokation geht eigentlich nicht.

Aber Paulus setzt noch einen drauf: „Juden und Griechen befinden sich gleichermaßen in der Gewalt der Sünde. So steht es auch in der Heiligen Schrift: „Keiner ist gerecht – nicht ein Einziger. Keiner ist einsichtig, keiner fragt nach Gott. Alle sind sie von ihm abgefallen, allesamt sind sie verdorben. Es gibt keinen, der etwas Gutes tut! Auch nicht einen Einzigen!“ (Römer 3, 9-12) Und in Römer 7, 14 macht Paulus deutlich, dass er sich selbst hier überhaupt nicht ausnimmt: „Ich weiß: So wie ich von Natur aus bin, wohnt in mir nichts Gutes.“ Spätestens beim Lesen dieser Sätze wird klar, warum die „Gute Nachricht“ von Paulus oft so schlecht angekommen ist. Wer will sich denn schon gerne ein derart vernichtendes Urteil ausstellen lassen? Tatsächlich könnte man Paulus fragen: Muss das wirklich sein? Könntest Du Deine Botschaft nicht ein wenig netter vermitteln?

Ich selbst würde diese Botschaft von Paulus jedenfalls nicht ungefiltert jedem Mitmenschen einfach so aufs Brot schmieren. Aber eigentlich gilt hier doch genau das Gleiche, was schon bei der Botschaft des Gerichts galt: Wäre diese Diagnose aus der Luft gegriffen, um Menschen klein und gefügig zu machen, dann wäre sie hochgradig verwerflich. Aber wenn sie zutrifft, dann wäre es verwerflich, diese Diagnose zu verschweigen. Ein Arzt, der bei der Diagnose nicht schonungslos ehrlich ist, findet auch keine Therapie, die wirklich heilen kann. Ein guter Arzt muss ehrlich sein, auch wenn die Wahrheit erschütternd ist. Sonst wäre er kein guter Arzt. Und deshalb lautet die entscheidende Frage: Hat Paulus recht mit seiner niederschmetternden Diagnose?

Paulus steht mit seiner Position in der Bibel nicht alleine da. Dieses pessimistische Menschenbild zieht sich quer durch die ganze Bibel. Das beginnt schon in 1. Mose 8, 21: „Der Mensch ist böse von Jugend auf.“ Immer und immer wieder schildert die Bibel, wie die Menschen sich verrennen in zerstörerischen Verhaltensweisen, in Lug und Trug, in Ausbeutung und Gewalt.

Aber wie sieht es aus, wenn wir heute auf unsere Welt und in unsere Geschichte schauen? Müssen wir nicht ehrlicherweise sagen, dass die Diagnose von Paulus zutrifft? Auch heute müssen wir überall auf der Welt auf unseren Geldbeutel und unsere Wertsachen aufpassen. Überall in der Welt wird Polizei und eine ordnende Staatsmacht benötigt, um das Böse in Schach zu halten. Wir Menschen haben es nirgends je geschafft, ein System zu entwickeln, in dem einfach alle Menschen gut miteinander umgehen. Keine Systemänderung hat dazu geführt, dass plötzlich überall der gute Kern des Menschen die Oberhand gewinnt.

Ganz offenkundig schaffen wir Menschen es einfach nicht, uns unser eigenes Paradies zu bauen. Der gute König, der einfach nur das Beste für sein Volk will, existiert nur im Märchen. Sex, Macht und Geld korrumpiert uns Menschen. Die Demokratie ist gerade deshalb eine so gute Staatsform, weil in ihr jede Macht von anderen Mächten kontrolliert wird und im Zweifelsfall abgesetzt werden kann. Deshalb bin ich der Meinung: Die Geschichte hat wieder und wieder bewiesen, dass Paulus recht hat mit seiner Diagnose.

Aber wenn es stimmt, dass wir Menschen Sünder sind und Schuld auf uns laden, folgt daraus die nächste große Grundfrage der Menschheit:

5. Wer erlöst uns von Schuld und Scham?

Ich höre oft die These, dass der moderne Mensch sich nicht mehr interessieren würde für die Frage nach der Erlösung von Schuld. Die Menschen würden sich doch gar nicht mehr schuldig fühlen. Also brauchen sie auch keine Erlösung. Meine Beobachtung ist offen gesagt eine völlig andere. Erst kürzlich hat sich ein Bekannter von mir in den Urlaub verabschiedet. Er hatte eine tolle Reise geplant auf einen anderen Kontinent, eine Kombination aus Flugreise und Rundreise mit einem Mietwagen. Aber am Ende unseres Gesprächs sagte er: Ich habe ja so ein schlechtes Gewissen! Ich zerstöre damit doch das Klima! Welche Welt hinterlasse ich meinen Nachkommen?

Meine Wahrnehmung ist: Schuld ist tatsächlich gerade jetzt wieder ein riesengroßes Thema in unserer westlichen Welt! Wir sind schuld am Klimawandel. An der Umweltverschmutzung. Am Artensterben. An Armutsmigration, Flucht und Vertreibung. Wir sind schuld an ungerechten Lieferketten. An Diskriminierung, Rassismus und Kolonialismus. Wir könnten die Reihe noch lange fortsetzen.

Schuld und Moral hat Konjunktur in unserer Gesellschaft. Sogar die Witze von Otto Waalkes werden heute offenbar als so diskriminierend empfunden, dass man vor ihnen warnen muss. Winnetou wird aus den Medien verbannt, weil das ja kulturelle Aneignung sei. Das Problem daran ist: Wenn der Moralismus derart stark wird, dann hat auch Schuld und Scham Hochkonjunktur. Denn wer von uns ist denn noch in Ordnung, wenn sogar Otto Waalkes und Winnetou, die Helden unserer Kindheit, Diskriminierer sind?

Eine Antwort unserer Zeit lautet: Vielleicht können wir uns ja freikaufen! Wir könnten parallel zur Flugbuchung für ein Aufforstungsprojekt spenden. Oder wir werden Veganer. Oder wir verzichten auf Kinder, um CO2 zu sparen. Oder wir schmücken uns mit Regenbogenfarben und bauen sogar Sternchen und Sprechpausen in unsere Sprache ein, um ja niemand zu vergessen oder zu verletzen. Die Frage ist nur: Wird das reichen? Werden wir dadurch erlöst von Schuld und Scham? Paulus hat dazu eine überaus klare Position. Der 5. Eckpfeiler seines Evangeliums lautet:

Wir können uns nicht selbst erlösen. Allein aus Gnade werden wir gerettet!

Paulus hat dazu im Römerbrief revolutionäre Sätze geprägt, die später auch die Reformation vorangetrieben haben:

„Denn wir sind der Überzeugung, dass der Mensch allein aufgrund des Glaubens gerecht ist – unabhängig davon, ob er das Gesetz befolgt.“ (Römer 3, 28) „Wenn es aber aus Gnade geschah, dann spielen die eigenen Taten dabei keine Rolle. Sonst wäre die Gnade ja nicht wirklich Gnade.“ (Römer 11, 6)

Für Paulus gilt also: Kein noch so frommes oder gut gemeintes Werk bringt mir Erlösung, im Gegenteil: Jede Leistung, mit der ich mir ein gutes Gewissen oder gar Gottes Gunst verdienen will, wirft mich aus der Spur des gesunden, rettenden Glaubens, der allein auf die unverdiente Gnade Gottes setzt und der sagt: Ich kann mich nicht selbst erlösen. Aber ich bin von Gott angenommen, weil Jesus alles Notwendige bereits getan hat. Ich bin gerecht, weil Gott am Kreuz für mich Gerechtigkeit erworben hat und sie mir ohne mein Zutun schenkt. Das ist das Evangelium. Das ist Rechtfertigung allein aus Gnade.

Die große Not unserer Gesellschaft ist demnach, dass sie diese Gnade nicht kennt und dass sie diese Gnade auch gar nicht haben will. Ich kann das verstehen. Ich will ja auch lieber sitzen bleiben auf dem hohen Ross meiner Selbstgerechtigkeit. Ich will auch lieber Lohn für meine Leistung statt gnädig beschenkt zu werden. Die Gnade, die Gott uns anbietet, ist demütigend! Denn sie sagt uns: Wir sind so schuldig, dass ein anderer für uns sterben muss. Wir sind so hoffnungslos verloren, dass ein anderer am Kreuz die Suppe auslöffeln muss, die wir eingebrockt haben. Wie demütigend ist das! Und wie erlösend zugleich! Denn jetzt hängt meine Erlösung nicht mehr von mir ab und von meinen guten Vorsätzen, die ich doch morgen wieder fallen lasse. Jetzt werde ich wirklich befreit von Schuld und Scham. Denn was Jesus am Kreuz getan hat, ist genug – ein für alle Mal. Das ist wirklich, wirklich gute Nachricht. Das ist echtes, befreiendes Evangelium.

Darauf könnten Kritiker jetzt allerdings antworten: Ernsthaft? Unsere Schuld wird einfach so vergeben? Wir bekommen einfach so einen Freibrief und können ansonsten weitermachen wie bisher? Das soll die ganze christliche Botschaft sein? Tatsächlich ist das noch nicht die ganze Botschaft. Der 6. Eckpfeiler im Evangelium von Paulus gibt wieder Antwort auf eine große Grundfrage der Menschheit:

6. Was macht uns zu besseren Menschen?

Oder anders gefragt: Wie können wir Menschen uns bessern im Umgang mit uns selbst und mit anderen? Diese Frage bewegt viele Menschen. Wenn wir in eine Buchhandlung gehen, können wir dazu zahlreiche Ratgeber finden. Der Tenor vieler dieser Bücher lautet in etwa so: Folge deinem Herzen! Werde du selbst! Entdecke Dein Potenzial! Nimm Dein Leben in die Hand! Dann kannst du über dich hinauswachsen! Dann kannst du dich selbst und deine Umwelt verändern! Dann wirst du glücklich, zufrieden und erfolgreich!

Es wäre schön, wenn es so einfach wäre. Einfach nur ein gutes Buch kaufen, und schon geht es aufwärts in meinem Leben. Aber funktioniert das wirklich? Paulus macht uns wenig Hoffnung, im Gegenteil: Der 6. Eckpfeiler seines Evangeliums lautet:

Wir werden verändert durch die Erneuerung unseres Herzens!

Und Erneuerung bedeutet für ihn: Unser altes Leben muss sterben, damit ein neues Leben geboren werden kann. In Römer 6, 6-8+11 schreibt Paulus dazu:

„Wir wissen doch: Der alte Mensch, der wir früher waren, ist mit Christus am Kreuz gestorben. Dadurch wurde der Leib vernichtet, der im Dienst der Sünde stand. Jetzt sind wir ihr nicht mehr unterworfen. Wer gestorben ist, auf den hat die Sünde keinen Anspruch mehr. Wir sind nun also mit Christus gestorben. Darum glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden. … Genau das sollt ihr auch von euch denken: Für die Sünde seid ihr tot. Aber ihr lebt für Gott, weil ihr zu Christus Jesus gehört.“

Paulus knüpft hier an seine These an, dass alle Menschen unter dem Diktat der Sünde stehen. Das heißt: Wir können unseren Lebensstil nicht einfach so ändern. Jedenfalls nicht aus eigener Kraft. Die Chance, die Gott uns anbietet, besteht vielmehr darin, dass wir unser bisheriges Leben mit Christus am Kreuz „sterben“ lassen, damit Raum für ein neues Leben entsteht, das nicht mehr unter dem Diktat der Sünde steht. Erst durch dieses Sterben und dieses Neuwerden wird die Sündenverstrickung durchbrochen.

Wir finden diesen Gedanken auch bei Jesus: Im Gespräch mit Nikodemus sagt er in Johannes 3, 3: Nur wenn jemand neu geboren wird, kann er das Reich Gottes sehen. Entsprechend spricht Paulus auch an anderen Stellen immer wieder von einem alten und einem neuen Menschen (z.B. Epheser 4, 22-24). In Galater 2, 20 geht er sogar so weit, zu sagen: „Ich lebe, aber nicht mehr ich selbst, sondern Christus lebt in mir.“

Das heißt: Beim Evangelium von Paulus geht es gerade nicht darum, die inneren Potenziale zu heben. Im Gegenteil: Hier geht es darum, unser bisheriges Wesen sterben zu lassen. Und Sterben heißt: Loslassen. Aufgeben. Ich hänge meinen Stolz, meine Selbstgerechtigkeit und meinen Eigensinn an den Nagel. Ich gehe innerlich und äußerlich auf die Knie und sage zu Gott: Ich kann es nicht! Ich brauche Deine Kraft! Ich lasse mich taufen, um mein altes Wesen in den Tod zu geben und in der Kraft des Heiligen Geistes ein neues Leben beginnen. Ich bete um die Fülle des Heiligen Geistes, damit ER ein neues Wesen, einen christusgemäßen Charakter in mir wachsen lässt, geprägt von Liebe statt Gleichgültigkeit, Freude statt Zynismus, Freundlichkeit statt Ungeduld, Güte statt Härte, Treue statt Egoismus, Selbstbeherrschung statt Faulheit.

Das mag von außen so aussehen, als ob jemand einfach nur sein Verhalten ändert. Aber Christen sind überzeugt: Hinter dieser äußerlich sichtbaren Veränderung steht Gott selbst, der durch den Heiligen Geist unsere Herzen erneuert. Genau das hat Gott durch die Propheten angekündigt. In Jeremia 31, 33 sagt Gott: „Doch dies ist der neue Bund, den ich an jenem Tag mit dem Volk Israel schließen werde, spricht der Herr. Ich werde ihr Denken mit meinem Gesetz füllen, und ich werde es in ihr Herz schreiben.“ Gott schenkt uns ein neues Herz, das die Gebote Gottes liebt und sie von Herzen gerne lebt.

Damit sind wir beim 7. Eckpfeiler des Evangeliums von Paulus, der uns eine Antwort auf die folgende grundlegende Menschheitsfrage gibt:

7. Wie werden wir Menschen wirklich frei?

Unsere Antwort darauf lautet normalerweise: Wir werden frei, indem wir uns von Zwängen entledigen. Freiheit bedeutet: Menschen müssen sich nach nichts und niemandem mehr richten. Sie bestimmen ihr Leben selbst. Freiheit bedeutet Autonomie, also die Befreiung von äußeren Zwängen und Regeln.

Aber die große Frage ist: Macht Autonomie uns Menschen wirklich frei? Paulus sagt dazu zwar einerseits: Ja, es stimmt, Christen sind zur Freiheit berufen. Er spricht sogar von der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes (Römer 8,21). Nur: Diese Freiheit ist gerade das Gegenteil von Autonomie. Der 7. Eckpfeiler des Evangeliums von Paulus lautet:

Jesus ist Herr! Freiheit und Gehorsam gehören zusammen!

Wir finden diesen Eckpfeiler gleich zu Beginn des Römerbriefs. Da schreibt Paulus einen Satz, der so gar nicht zur Freiheit des Menschen zu passen scheint: „Was ich verkünde, ist die gute Nachricht von Jesus Christus, unserem Herrn! … Sie sollen Christus gehorsam sein, den Glauben annehmen und so seinem Namen Ehre machen.“ (Römer 1, 4b+5b) Und in Römer 6, 17 fügt Paulus hinzu: „Dank sei Gott! Denn früher wart ihr Diener der Sünde. Aber jetzt gehorcht ihr von ganzem Herzen der Lehre, auf die ihr verpflichtet worden seid.“ Christen sollen also gehorsam sein! Sie gehören nicht sich selbst, im Gegenteil: „Denn wir gehören zu Christus Jesus, unserem Herrn.“ (Römer 6, 23) Das ist also buchstäblich das Gegenteil von Autonomie. Wir gehören nicht uns selbst. Wir gehören Jesus.

Bibelleser sollte das eigentlich nicht überraschen. Denn in den Evangelien wird ja immer wieder deutlich: Die Botschaft Jesu drehte sich im Kern um ein Königreich. Immer und immer wieder sagt er: Ändert euch. Kehrt um. Denn das Reich Gottes, die Herrschaft Gottes ist nahe. Jesus lehrt uns beten: „Dein Reich komme. Dein Wille geschehe.“ Und Jesus betont: „MIR ist alle Macht gegeben, im Himmel und auf der Erde.“ (Matthäus 28,18) Und „wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote befolgen.“ (Johannes 14, 15) Da wird also ein ganz klarer Herrschaftsanspruch formuliert! Aber wie passt diese Botschaft von der notwendigen Unterordnung unter die Herrschaft Jesu dazu, dass Christen frei sind?

Genau darauf gibt Paulus in den Kapiteln 6-8 des Römerbriefs eine ganz klare Antwort. Im Kern sagt er: Eine souveräne Freiheit im Sinne einer völligen Unabhängigkeit gibt es für uns Menschen nicht. Niemals. Für niemand von uns! Wir Menschen sind immer von etwas bestimmt – entweder vom Geist Gottes oder aber von unserer menschlichen, in Sünde verstrickten Natur. Die Wahrheit ist laut Paulus also paradox: Je mehr wir uns von Gott frei machen wollen, umso mehr werden wir zu Gefangenen und Getriebenen unserer Wünsche, Süchte, Begierden und der Erwartungen anderer Menschen. Aber je mehr wir uns der Herrschaft Jesu unterordnen, umso mehr dürfen wir erleben, wie ER unsere Füße auf weiten Raum stellt und uns in wahre Freiheit führt.

Der Einstieg in die Freiheit besteht also gerade nicht darin, dass wir uns von allen Geboten entledigen. Im Gegenteil: Die Freiheit beginnt dort, wo wir uns freiwillig unter die Herrschaft Gottes begeben. Christen nennen Jesus ganz bewusst und mit Freude „Herr“. Und Gott schenkt ihnen wachsende Freude daran, ein Leben zu führen, das seinen Geboten und Ordnungen entspricht – nicht aus Zwang und Druck sondern aus dem Erleben, dass Gottes Gebote keine einengenden Schikanen sind, sondern dass es sich um heilsame Hilfen zum Leben handelt. Und Gottes Geist schenkt uns die Kraft und das Verlangen, in diesen heilsamen Ordnungen zu leben. DAS führt uns in die herrliche Freiheit der Kinder Gottes. Ist das nicht großartig?

Das Evangelium erklärt und provoziert die Welt

Ich hoffe, ich konnte zeigen: Das Evangelium ist tatsächlich viel mehr als eine nette Botschaft von der grenzenlose Liebe Gottes. Der bekannte englische Schriftsteller C.S. Lewis hat einmal geschrieben:

„Ich glaube an Christus, so wie ich glaube, dass die Sonne aufgegangen ist, nicht nur, weil ich sie sehe, sondern weil ich durch sie alles andere sehen kann.“

Genau so geht es mir, wenn ich auf diese 7 Punkte schaue. Sie zeigen mir nicht nur, wer und wie Gott ist. Im Licht dieser Botschaft kann ich auch mich selbst erkennen. Ich kann erkennen, welche Würde ich habe als sein Geschöpf. Aber ich verstehe auch, wie tief ich verstrickt bin in Sünde und was diese Sünde in meinem Leben anrichtet. Ich verstehe, wie rettungsbedürftig ich bin. Und ich verstehe immer besser, was in dieser Welt geschieht und warum sie so ist, wie sie ist. Mir fallen so viele Belege und Erfahrungen ein, die mir zeigen: Ja, dieses Evangelium ist tatsächlich wahr. Diese Diagnose trifft zu. Und deshalb kann ich mich auch darauf verlassen, dass in diesem Evangelium die heilende und rettende Botschaft enthalten ist, die mir tatsächlich hilft. Deshalb kann ich mit Freude mein Leben auf diese Botschaft bauen. Darin liegt für mich die ganze Kraft und Schönheit des Evangeliums.

Zudem wird in diesen 7 Punkten deutlich, warum dieses Evangelium zu allen Zeiten auf so viel Widerstand gestoßen ist. Ja, das Evangelium ist sehr gute Nachricht. Es ist rettende Nachricht, wenn wir verstanden haben, wie rettungsbedürftig wir sind. Aber solange wir der Meinung sind, dass wir eigentlich soweit ganz in Ordnung sind, ist dieses Evangelium pure Provokation. Und es steht damals wie heute im grundlegenden Widerspruch zu vielen Denkweisen, die in unserer Gesellschaft scheinbar ganz selbstverständlich sind.

Es ist nun einmal ein riesiger Unterschied, ob …

… wir die Wahrheit in uns selbst finden oder ob sie von außen auf uns zukommt und uns gegenübertritt.

… wir selbst und unsere subjektiven Erfahrungen der Maßstab für unsere Gotteserkenntnis sind, oder ob der Maßstab für unsere Gotteserkenntnis objektive Wahrheiten sind, die Gott uns in der Bibel offenbart.

… die Schöpfung nur auf ziellose Zufallsprozesse hinweist, die uns in unserer Autonomie in keiner Weise stören, oder ob die Schöpfung auf einen Schöpfer hinweist, der unsere Verehrung verdient.

… wir selbst beurteilen, was gerecht ist, oder ob wir uns bewusst sind, dass wir uns eines Tages vor dem Richterstuhl Gottes verantworten müssen, wo wir nach Gottes Maßstäben beurteilt werden und nicht nach unseren eigenen Maßstäben.

… das Grundproblem der Menschheit die bösen Umstände sind oder ob wir selbst das Problem sind, weil unser eigenes Herz hoffnungslos verstrickt ist in Sünde.

… wir uns selbst erlösen wollen durch moralisches Verhalten oder ob uns Erlösung ausschließlich durch Gnade geschenkt wird durch das Erlösungswerk Jesu am Kreuz.

… wir bessere Menschen werden, indem wir unsere eigenen Potenziale entfalten oder ob wir unseren alten Menschen am Kreuz in den Tod geben, damit der Heilige Geist uns ein neues Herz schenken kann und wir von neuem geboren werden.

… wir frei werden durch das Ablegen von äußeren Zwängen oder ob wir ganz im Gegenteil frei werden durch die Unterordnung unter die gute und heilsame Herrschaft Jesu!

Mir macht diese Gegenüberstellung zwischen dem Evangelium von Paulus und den Denkweisen in unserer Gesellschaft deutlich: Die gute Nachricht, die Paulus damals so viel Widerstand eingebracht hat, ist seither nicht populärer geworden. Auch heute noch steht sie so ziemlich gegen alles, was in unserer Gesellschaft scheinbar ganz selbstverständlicher Mainstream ist. Paulus hat damals geschrieben, dass seine Botschaft eine Torheit ist und ein Ärgernis ist (1. Korinther 1, 23). Diese Gegenüberstellung zeigt: Das hat sich bis heute nicht geändert.

Welches Evangelium predigen wir?

Umso mehr frage ich mich: Predigen wir in unseren Kirchen und Gemeinden wirklich das paulinische Evangelium? Konkret gefragt: Sprechen wir über Wahrheit und Irrtum? Oder wollen wir lieber niemand auf die Füße treten in Bezug auf seine persönlichen religiösen Vorstellungen? Sprechen wir darüber, dass es einen Schöpfer gibt, der unsere Verehrung verdient? Sprechen wir darüber, dass wir Menschen so tief in Sünde verstrickt sind, dass Gott uns im Gericht verurteilen muss? Machen wir deutlich, dass wir uns aus diesem Zustand nicht selbst retten können und dass wir deshalb von neuem geboren werden müssen? Rufen wir dazu auf, vor Jesus die Knie zu beugen und ihn zum Herrn unseres Lebens zu machen? Oder geht es uns letztlich um – vielleicht sogar fromme – Selbstbestätigung und Selbstverwirklichung? Stehen wir und unsere Bedürfnisse im Zentrum unserer Botschaft oder steht Jesus und seine Herrschaft im Mittelpunkt?

Dieses Evangelium hat offenkundig noch nie dem Zeitgeist entsprochen. Dieses Evangelium kann und wird uns auch heute noch Widerspruch einbringen. Aber vergessen wir nicht: Trotzdem ist genau dieses Evangelium die erfolgreichste Botschaft aller Zeiten! Es war dieses Evangelium, das einst das menschenverachtende römische Reich trotz massivster Widerstände überwunden und die Welt umgekrempelt hat. Es ist dieses Evangelium, das bis heute alle Kulturen erreicht, durchdringt und verändert, obwohl es bis heute verfolgt, bekämpft und unterdrückt wird. Ich bin überzeugt: Dieses Evangelium ist der größte Schatz, den die Kirche Jesu hat und den unsere Gesellschaft so dringend braucht! Denn dieses Evangelium operiert nicht an den Symptomen der menschlichen Probleme herum. Dieses Evangelium geht an die Wurzel der Probleme, die wir in unserer Gesellschaft haben. Und die Wurzel der Probleme ist und bleibt unser Herz, das in Sünde verstrickt ist.

Nachhaltige Gesellschaftstransformation bringt nur das Evangelium

So viele Erweckungsbewegungen der Vergangenheit haben bewiesen: Echte Gesellschaftstransformation entsteht nicht durch Aktivismus oder Umstürze sondern durch die Transformation der Herzen, die nur das Evangelium bewirken kann. Dieses Evangelium hat rettende, heilende, befreiende und erneuernde Kraft, weil es wahr ist, weil es eine zutreffende Beschreibung der Wirklichkeit ist, weil es die richtige Diagnose über den Zustand von uns Menschen stellt und weil es uns deshalb auch die richtige Therapie bringt.

Und deshalb habe ich eine dringende Bitte an unsere Gemeinde- und Kirchenleiter, Verkündiger und Theologen: Bitte predigt genau dieses Evangelium, das Paulus gepredigt hat! Ich bin überzeugt, dass ihr feststellen werdet: Die Kirchen leeren sich nicht, weil dieses Evangelium provokant, kantig und anstößig ist. Im Gegenteil, ich bin mir sicher: Die Kirchen leeren sich immer dann, wenn wir uns von diesem Evangelium entfernen! Denn die Menschen spüren, dass jede andere Botschaft oberflächlich bleibt. Ein abgespecktes Evangelium mag nett und eingängig klingen, aber die Menschen spüren, dass es unsere Probleme nicht löst, dass es nur eine dünne Suppe ist, von der sich niemand ernähren kann. Aber das biblische Evangelium ist kraftvoll. Es macht den Menschen Mut und Hoffnung. Dieses Evangelium erneuert die Herzen und damit auch ganze Familien, Betriebe und Gemeinschaften. Deshalb lasst uns gemeinsam alles dafür tun, um diesen kostbaren Schatz zu hüten und zu bewahren. Und lasst uns gemeinsam mit Leidenschaft und Freude dieses Evangelium den Menschen und der Welt verkünden.

Deutschland braucht eine große Koalition

2023 war kein gutes Jahr für Deutschland. Neben Bildung und Wirtschaft ist vor allem der gesellschaftliche Zusammenhalt weiter geschrumpft. Immer deutlicher wird: Deutschland ist ein Schnittblumenland. Die christlichen Wurzeln, die unser Land so positiv geprägt haben, sind weitgehend abgeschnitten. Folglich verblüht auch unser verbindender Wertekanon.

Viele Menschen setzen ihre Hoffnung jetzt auf neues politisches Personal. Jedoch muss uns klar sein: Auch die besten Politiker können die bröckelnden Wertefundamente nicht ersetzen. Was unser Land deshalb dringender denn je benötigt, ist ein neuer geistlicher Aufbruch. Deutschland braucht dringend, ja verzweifelt eine Erweckung, aus der eine Kirche hervorgeht, die wieder Salz und Licht ist für unser Land.

Leider sind vor allem die großen Kirche davon weiter entfernt denn je. Sie werden fast nur noch durch Skandale und Mitgliederschwund wahrgenommen. Aber auch das freikirchliche und allianzevangelikale Umfeld hat viel von seiner Ausstrahlung verloren. Der Schnittblumeneffekt wirkt auch hier: Die gemeinsamen, verbindenden Glaubensgrundlagen sind durch das Vordringen von progressiver und postevangelikaler Theologie weitgehend aufgeweicht. Auch in vielen allianzevangelikalen Institutionen kann man sich kaum noch darauf einigen, was denn eigentlich das Evangelium ist. Und in ethischen Fragen verfällt man bestenfalls in Sprachlosigkeit, immer öfter aber in offenen Streit und Spaltung. Insgesamt gibt es immer weniger, was man ganz selbstverständlich miteinander feiern, besingen und bezeugen kann. Aber ohne Profil kann man auch nicht Salz und Licht für die Gesellschaft sein.

In meinen Begegnungen mit christlichen Leitern ist mir zudem viel Entmutigung begegnet. Nicht Wenige haben das Gefühl: Wir stehen auf verlorenem Posten. Eine Autorin, die sich seit Jahren in Büchern und Vorträgen für eine gesunde biblische Sexualethik engagiert, sagte mir jüngst: Es bringt nichts. Wir dringen in den Gemeinden nicht mehr durch. Der Einfluss von Zeitgeist und progressiver Theologie ist einfach zu stark. Wie konnte es soweit kommen?

Drei Milieus fließen nebeneinander her

Ich habe mich in den letzten Jahrzehnten in ganz unterschiedlichen christlichen Milieus bewegt. Dabei durfte ich wunderbare Menschen kennenlernen, die in ihrem Einflussbereich großartige Arbeit machen. Aber zunehmend fiel mir auf: Zwischen diesen Milieus gibt es nur wenig Zusammenarbeit. Das gilt auch dann, wenn sie theologisch eigentlich ganz nah beieinander sind. Ich sehe vor allem drei verschiedene Ströme, die nach meiner Wahrnehmung weitgehend getrennt nebeneinander herfließen:

  • Da sind zum einen die „Bekenntnisleute“, also bibeltreue (Laien-)Theologen, die sich in unterschiedlichsten Initiativen und Netzwerken für die Autorität der Schrift und die Gültigkeit ihrer Botschaft einsetzen.
  • Zum zweiten denke ich an die „Beter“, die sich in einer Vielzahl von Gebetsbewegungen und Gebetshäusern engagieren und dort ihre Zeit und Kraft dafür investieren, Gottes Angesicht zu suchen und möglichst viele Christen in die Gottesbegegnung mit hineinzunehmen.
  • Und schließlich sehe ich die vielen „Praktiker“, die unsere Gemeinschaften, Gemeinden und Werke am Laufen halten, also Pastoren, Älteste sowie Leiter von christlichen Werken und Institutionen aller Art.

Und ich habe mich gefragt: Woran liegt es, dass es zwischen diesen drei Milieus scheinbar so wenig Zusammenarbeit gibt?

Vorurteile, Verletzungen und trennende Dynamiken

Meine Wahrnehmung ist: Zwischen diesen drei Milieus stehen Vorurteile im Raum, die auch auf Verletzungen durch negative Erfahrungen in der Vergangenheit beruhen. Die Aussagen klingen immer wieder ähnlich:

  • Diese Leute aus den verschiedenen Bekenntnisgruppen: Die neigen doch eher zu Gesetzlichkeit und dogmatischer Kälte. Intellektuell und wissenschaftlich sind sie nur selten auf der Höhe der Zeit. Und zudem sind sie doch eher anticharismatisch, verkopft und gefühlsfeindlich.
  • Diese Beter aus den verschiedenen Gebetsbewegungen und Gebetshäusern: Die sind doch eher theologiefeindlich und gefühlsbetont. Ökumene ist ihnen wichtiger als die biblische Wahrheit. Mystische Erfahrungen lieben sie mehr als gesunde, biblisch fundierte Theologie.
  • Diese Praktiker, die unsere Gemeinden, Gemeinschaften, Werke und Institutionen leiten: Die sind doch eher methoden- als bibelorientiert. Oft sind sie verstrickt in Abhängigkeiten. Sie müssen sich halt mit denen gut stellen, die ihre Jobs und Werke finanzieren. Deshalb positionieren sie sich theologisch lieber gar nicht, um ja bei niemand anzuecken.

Hast Du so ähnliche Einstellungen auch schon wahrgenommen? Sind Dir vielleicht sogar Menschen begegnet, die von Erfahrungen berichten, die solche Vorurteile zu bestätigen scheinen? Hast Du vielleicht selbst schon solche Missstände in anderen Milieus erlebt und bleibst deshalb lieber auf Distanz?

Neben solchen Vorurteilen, schlechten Erfahrungen und Verletzungen beobachte ich noch weitere Dynamiken, die die Kooperation zwischen diesen drei Gruppen behindern können, zum Beispiel:

  • Die Sorge um den guten Ruf: Man kann ja leicht als intolerant, hartherzig und ausgrenzend eingestuft werden, wenn man sich kritisch über problematische Theologien oder Theologen äußert bzw. wenn man sich öffentlich mit Leuten verbindet, die das tun.
  • Die Angst vor beziehungs- oder existenzgefährdenden Konflikten: Der Streit um theologische Fragen hat schließlich schon oft zu zerstörerischen Spaltungen geführt.
  • Die Sehnsucht nach möglichst großer Ökumene und Reichweite: Um möglichst viele Christen aus den unterschiedlichsten Lagern einzubinden, möchte man Lehrfragen lieber gar nicht erst ansprechen – und auch die Leute meiden, die das tun.
  • Das Narrativ, dass eine offene Theologie Einheit in Vielfalt bringt, während das Beharren auf gemeinsamen Lehrüberzeugungen spaltet. Dabei ist es in Wahrheit eher umgekehrt: Eine zu offene Theologie raubt der Kirche die Basis für Einheit und führt zur ungehinderten Verbreitung von immer neuen Spaltpilzen.

Warum wir einander brauchen

Die Mauern, die unter Christen durch solche Dynamiken, Vorurteile und schlechte Erfahrungen entstanden sind, schaden der Kirche Jesu enorm. Denn meine Beobachtung ist:

  • Wo die bibeltreuen Theologen fehlen, da fehlt nicht selten auch der theologische Kompass, der das Kirchenschiff in den heftiger werdenden zeitgeistigen Strömungen dauerhaft auf einem gesunden Kurs halten kann. Die Kirche braucht gesunde theologische und denkerische Grundlagen, um die verbindenden Bekenntnisgrundlagen immer wieder neu mit Leben zu füllen und in Bezug auf unsere Botschaft sprachfähig zu bleiben.
  • Wo die Beter fehlen, da wird es irgendwann gesetzlich, trocken und unattraktiv. Dann verlagert sich unser Vertrauen zunehmend auf Wissen, Methoden und Menschen statt auf Gottes Kraft und auf seinen Segen. Dann vergessen wir, dass letztlich alles an Gottes Segen gelegen ist und dass wir ohne ihn NICHTS tun können, egal wie klug und methodisch durchdacht wir die Dinge auch anpacken.
  • Wo die Praktiker fehlen, da wird es irgendwann verkopft und praxisfremd oder aber abgehoben, hypergeistlich und weltfremd. Letztlich hilft uns die großartigste Theologie und die tiefste Gottesbegegnung nicht weiter, wenn es nicht Menschen gibt, die Gemeinden und Strukturen bauen, durch die geistliches Leben nachhaltig wachsen und gedeihen kann.

Paulus hat diese Realität so ausgedrückt:

„Und da wir alle in Christus ein Leib sind, gehören wir zueinander, und jeder Einzelne ist auf alle anderen angewiesen. (Römer 12, 5b)

Genau deshalb braucht Deutschland so dringend eine große Koalition aus bibeltreuen Theologen, Betern und Praktikern. Die Kraft von Gottes Wort, von Gebet und von gesunden Strukturen muss zusammenfließen, damit die Kirche Jesu wieder aufblühen kann.

Zarte Anfänge und wachsende Einheit

Im Oktober 2022 durfte ich gemeinsam mit Rainer Harter, dem Leiter des Gebetshauses Freiburg, eine ganz besondere Veranstaltung auf den Weg bringen: Vertreter von Bibel- und Bekenntnisinitiativen haben sich getroffen mit Vertretern von Gebetshäusern und Gebetsbewegungen aus dem ganzen Land. Am Morgen dieses Tages war ich sehr nervös. Ich war mir unsicher, wie das wohl ausgehen würde. Der Tag begann mit einem sehr offenen, ehrlichen Austausch. Dabei kamen auch kritische Fragen und schwierige Erfahrungen aus der Vergangenheit zur Sprache. Zugleich waren wir überrascht, wie viel uns doch miteinander verbindet. Im „Ergebnisprotokoll“ schrieb Frank Laffin vom Gebetshaus Bremen unter anderem:

„Es gab echtes Interesse aneinander und eine gemeinsame Liebe zur Wahrheit, Liebe zur Bibel und zu Gebet. Ein Treffen unter Geschwistern in großer Ernsthaftigkeit. Wir haben Einheit in Kernfragen erlebt. Wir fördern die Stärkung der beiden “Bewegungen”, um frühere Verletzungen auszuräumen, hier hat ein Lernprozess auf mehreren Seiten begonnen. Wir kehren zurück zu den Wurzeln unserer Väter: Bibel und Gebet. Wir wollen füreinander einstehen und beten. Wir profitieren voneinander. Wir wollen miteinander auf Gott hören.

Seit diesem Tag habe ich viele weitere ermutigende Begegnungen zwischen „Bibelleuten“, „Betern“ und „Praktikern“ erlebt. Meine Hoffnung wächst, dass der Leib Christi wieder zusammenfindet und sich versammelt auf diesem einen Fundament, ohne das die Kirche aufhört, Kirche zu sein:

„Ihr seid auf dem Fundament der Apostel und Propheten aufgebaut, in dem Jesus Christus selbst der Eckstein ist. Durch ihn sind alle Bauteile fest miteinander verbunden, sodass durch ihn, unseren Herrn, ein einzigartiges Heiligtum entsteht.“ (Epheser 2, 20+21)

Paulus macht hier deutlich: Echte Einheit im biblischen Sinn ist nicht menschengemacht. Sie ist kein Resultat von geschickter Diplomatie. Erst recht entsteht sie nicht durch die Reduktion auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Echte Einheit ist eine natürliche Folge davon, dass wir uns mit dem Haupt der Gemeinde, mit Jesus Christus verbinden. ER ist es, der die Glieder seines Leibes miteinander verbindet. Und er gebraucht dafür sein heiliges Wort, das uns in den Schriften der Apostel und Propheten als gemeinsame Grundlage gegeben ist.

Nach dieser Art von Einheit sehne ich mich. Viel wichtiger als formale Bündnisse scheinen mir geistgewirkte, christuszentrierte Vertrauensnetzwerke von Leitern zu sein, die voneinander wissen: Wir lieben Jesus gemeinsam. Wir folgen ihm von Herzen nach. Wir sind (trotz mancher Differenzen in theologischen Randfragen) gemeinsam verwurzelt im inspirierten Wort Gottes. Wir halten fest an den soliden Lehr- und Bekenntnisgrundlagen des historischen Christentums. Und wir brauchen einander in unseren vielfältigen Diensten und Berufungen, damit die Kirche Jesu wieder Salz und Licht werden kann für unser Land. Das wünsche ich mir mehr als alles andere für die vor uns liegende Zeit.

Wann kommt Jesus wieder?

„Mit den Wolken wird er wiederkommen. Alle werden ihn sehen, auch die, die ihn durchbohrt haben!“ (Offenbarung 1,7)

Jesus kommt wieder! Diese Vorhersage kennen wir auch aus den Evangelien.[1] Johannes verbindet sie hier mit einer Prophetie aus dem Alten Testament. Dort wird über die Nachkommen Davids und die Einwohner Jerusalems gesagt: „Dann werden sie zu mir aufblicken, den sie durchbohrt haben.“ (Sacharja 12, 10) Am Ende werden also ALLE Jesus sehen – sowohl das ethnische und geografische Israel als auch die Völker aus aller Welt. Alle werden erleben, wie sein Königreich aufgerichtet wird. Dieses Reich war mit dem ersten Kommen Jesu bereits „nahe herbeigekommen“ (z.B. Markus 1,15). Aber wir gehen auf eine Zeit zu, in der sich jedes Knie beugen und jede Zunge bekennen wird: Jesus Christus ist der Herr! (Phil. 2,10+11)

Die neutestamentliche Hoffnung auf die Wiederkunft Jesu und die Aufrichtung seines Königreichs hat die Kirche von Beginn an stark geprägt. Paulus hielt die Freude auf die sichtbare Wiederkunft Jesu sogar für ein zentrales Merkmal von Menschen, die von Gott gerecht gesprochen werden.[2] Mit dem „Advent“ (von lateinisch „Adventus domini“ = „Ankunft des Herrn“) hat die Kirche die Erwartung der Ankunft Jesu fest im Kirchenjahr verankert. Und sie ist natürlich fester Bestandteil der zentralen Bekenntnisse des Christentums.

Seit jeher stellt sich für Christen aller Zeitalter deshalb die Frage: Wann wird es soweit sein? Wann kommt Jesus wieder? Jesus hat uns zwar fest versprochen: „Ich komme bald.“ (Offb.3,11;22,7+12+20; 22,20) Aber mittlerweile sind fast 2.000 Jahre vergangen, in denen das finale Gebet der Bibel immer noch nicht erfüllt wurde: “Amen, komm doch, Herr Jesus!” (Offb. 22,20) Müssen wir womöglich noch weitere tausend Jahre warten? Oder gibt es Anzeichen, dass dieses größte Ereignis der Weltgeschichte nun tatsächlich bald bevorsteht?

Fragwürdige Endzeitfahrpläne

Wir sehen in der Kirchengeschichte, dass man bei dieser Frage auf zwei Seiten vom Pferd fallen kann. Einerseits gab es Zeiten, in denen Menschen glaubten, auf der Basis einzelner Bibelstellen mehr oder weniger genau wissen zu können, wann Jesus wiederkommt. Regelrechte Endzeitfahrpläne wurden aufgestellt. Und man scheute sich nicht, aktuelle Ereignisse großzügig in diese Fahrpläne einzusortieren. Aber je präziser die Endzeitvorhersagen wurden, umso peinlicher wurde es, wenn die Realität sie über den Haufen warf.

Leider haben so manche Endzeitexperten nicht genügend berücksichtig, dass die Auslegung von biblischen Aussagen zum „Ende der Zeit“ (Jud. 1,18) knifflig sein kann. In Matthäus 16, 28 sagt Jesus: „Es stehen einige hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis sie den Menschensohn kommen sehen in seinem Reich.“ Dachte Jesus etwa, dass er noch zu Lebzeiten der ersten christlichen Generation wiederkommen werde? Ein Blick auf die Parallelstellen im Lukas- und Markus-Evangelium[3] legt nahe: Jesus sprach hier wohl nicht von seiner Wiederkehr am Ende der Tage, sondern von der Ausbreitung seines Reichs durch das rapide und von Wundern begleitete Gemeindewachstum nach Pfingsten. Auch in Johannes 14, 16-18 beendet Jesus seine Ankündigung des Kommens des Heiligen Geistes mit den Worten: „Ich werde euch nicht allein und verwaist zurücklassen. Ich komme zu euch!“ Der Theologe Karl Barth unterschied deshalb drei Formen der Wiederkunft Jesu:

  1. Seine Wiederkunft an Ostern nach seinem Tod
  2. Seine Wiederkunft in Form des Heiligen Geistes an Pfingsten
  3. Seine Wiederkunft am Ende der Tage

Die Sache mit der Endzeit ist also komplex. Petrus durchkreuzte alle Datierungsversuche mit dem Hinweis: Bei Gott sind 1000 Jahre wie ein Tag.[4] Jesus selbst hat klargestellt: „Tag und Stunde von diesen Ereignissen weiß niemand, nicht einmal die Engel im Himmel; nur der Vater weiß es. … Der Menschensohn wird dann kommen, wenn ihr es gerade nicht erwartet.” (Matth. 24,36+44) Zeitliche Festlegungen zur Wiederkunft Jesu verbieten sich also prinzipiell.

Wenn die Erwartung der Wiederkunft Jesu verloren geht

Aber die Kirche ist immer wieder auch auf der anderen Seite vom Pferd gefallen. Dann wird die Rede von der Endzeit und der Wiederkunft Jesu immer seltener – oder sie fällt ganz unter den Tisch. Biblische Texte zu diesem Thema werden nur noch symbolisch gedeutet. Die Verknüpfung von realen Ereignissen mit biblischer Prophetie wird weitestgehend vermieden. Die Erwartung der konkreten Wiederkunft Jesu verschwimmt im Nebel. Entsprechend wird die Adventszeit immer mehr auf die Erwartung des Weihnachtsfests reduziert. Ich kenne dieses Problem bestens aus meiner evangelischen Kirche.

Dabei warnt uns Jesus vor diesem Irrweg in aller Deutlichkeit. Immer wieder fordert er uns auf, jederzeit mit seiner Wiederkunft rechnen: “Seid also wachsam!”, sagte Jesus, “denn ihr kennt weder den Tag noch die Stunde.” (Matth.25,13) In mehreren Gleichnissen schärft er uns ein: Es wäre fatal, wenn unser Glaube einschläft, weil sich seine Wiederkehr hinzieht.

Als die Jünger Jesus nach einem Zeichen für seine Wiederkehr und für das Ende der Welt befragten (Matth. 24,3), wies Jesus diese Frage nicht zurück, im Gegenteil: Er ermutigte sie, vom Feigenbaum zu lernen. Seine beginnende Blüte zeigt doch, dass bald der Sommer kommt. Genauso gebe es Geschehnisse, die zeigen: Jesus kommt bald wieder! In den drei Überlieferungen der „Endzeitreden“ Jesu[5] finden wir eine ganze Reihe solcher Ereignisse, die uns gemäß der Worte Jesu Hinweise geben sollen, dass seine Wiederkunft näher rückt.

Hinweise auf eine baldige Wiederkunft Jesu?

Jesus spricht von Kriegen, Hungersnöten, Erdbeben und Seuchen. Allerdings sagt er dazu auch: „Das ist erst der Anfang der Geburtswehen“ (Mt.4,8). Bis zur Geburt seines Königreichs werden solche Ereignisse also in Wellen immer wieder über die Menschheit kommen. Jesus hat recht behalten. Keine Philosophie, keine politische Revolution, kein wissenschaftlicher Fortschritt und erst recht nicht irgendwelche Befreiungs- oder Transformationstheologien haben uns Menschen je dazu verholfen, dass wir in Liebe und Frieden zusammenleben, die üppigen Ressourcen der Erde gerecht verteilen oder gar Erdbeben und Seuchen verbannen können. Der Krieg in der Ukraine und die Corona-Krise haben uns das jüngst wieder schmerzlich vor Augen geführt. Es wird uns Menschen nicht gelingen, uns selbst ein Paradies auf Erden zu bereiten.

Über einen Krieg sprach Jesus ausführlicher: Zur bevorstehenden und im Jahr 70 n.Chr. eingetretenen Zerstörung Jerusalems und des Tempels sagte er: Es kommt eine Zeit, da wird von dem, was ihr hier seht, kein Stein auf dem anderen bleiben; es wird alles zerstört werden. … Wenn ihr seht, dass Jerusalem von feindlichen Heeren eingeschlossen ist, könnt ihr sicher sein, dass seine Zerstörung unmittelbar bevorsteht. Dann sollen die Bewohner Judäas in die Berge fliehen.“ (Lk.21,6,20+21) Diese Warnung war für die frühen messianischen Juden in Jerusalem von großer Bedeutung. Der Kirchenvater Epiphanius berichtet, dass sie sich aufgrund dieser Vorhersage rechtzeitig in Sicherheit brachten[6], während es in Jerusalem zu einem grauenvollen Blutbad kam. Allerdings zeigt das auch: Zur Frage, ob die Wiederkunft Jesu in unmittelbare Nähe rückt, tragen Kriege und Katastrophen eher wenig bei. Sie gehören schon seit 2.000 Jahren zu der „Endzeit“, die Jesus beschrieben hat.

Etwas anders ist das bei der Ankündigung Jesu, dass seine Nachfolger weltweit Verfolgung erleben werden:

„Dann wird man euch bedrängen, misshandeln und töten. Die ganze Welt wird euch hassen, weil ihr zu mir gehört.“ (Matth. 24,9)

Zwar hat die Kirche von Beginn an schwere Verfolgungswellen erlebt. Aber erst mit der globalen Verbreitung des Evangeliums bekam dieses Phänomen eine weltweite Dimension. Inzwischen beziffert Open Doors die Zahl der verfolgten Christen auf rund 360 Millionen Menschen – weit mehr als in jeder anderen Religion. Hier geht ganz offenkundig erst jetzt etwas in Erfüllung, was Jesus im Blick auf die Zeit vor seiner Wiederkehr vorhergesagt hat.

Noch beeindruckender ist die Vorhersage Jesu von der weltweiten Verbreitung des Evangeliums:

„Und diese Freudenbotschaft von der Gottesherrschaft wird in der ganzen Welt gepredigt werden, damit alle Völker sie hören. Dann erst kommt das Ende.“ (Matth.24,14)

Diese Vorhersage war zur Zeit der Abfassung des Neuen Testaments extrem gewagt. Das Christentum war ja nur eine kleine Sekte unter vielen. Wer hätte damals schon vorhersehen können, dass die Bibel und die darin enthaltene Botschaft tatsächlich alle Völker erreicht? Heute ist die Bibel das mit großem Abstand am weitesten verbreitete und am häufigsten übersetzte Buch der Welt. Im Jahr 2022 konnten bereits 96,5% der Weltbevölkerung zumindest Teile der Bibel in ihrer eigenen Sprache lesen. Die Entwicklung von künstlicher Intelligenz wird den zahlreichen Übersetzungsprojekten einen kräftigen weiteren Schub verleihen. Auch diese von Jesus vorhergesagte Vorbedingung für seine Wiederkehr geht also gerade jetzt in beeindruckender Weise in Erfüllung.

Am spannendsten ist für mich aber die Vorhersage Jesu, dass Jerusalem zeitlich befristet von Heidenvölkern besetzt wird:

„Jerusalem wird so lange von fremden Völkern niedergetreten werden, bis auch deren Zeit abgelaufen ist.“ (Lukas 21, 24)

Damit knüpft Jesus an eine prophetische Linie des Alten Testaments an. An zahlreichen Stellen, die manchmal sogar ganze Kapitel füllen, lesen wir immer wieder die gleiche Botschaft: Israel wird in alle Welt zerstreut und verfolgt. Aber Gott wird sein Volk aus allen Himmelsrichtungen wieder sammeln und zurück nach „Zion“ bringen.[7] Deshalb haben Juden in aller Welt seit Jahrhunderten den ersten Abend des Pessach-Festes mit dem Satz beendet: Nächstes Jahr in Jerusalem! Die Erfüllung dieses Traums schien lange Zeit unmöglich zu sein. Und doch geschieht dieses in der Bibel vorhergesagte Wunder seit dem Ende des 19. Jahrhunderts vor unseren Augen.

Dass ein Volk 2.000 Jahre in alle Welt verstreut ist, trotzdem seine Identität behält und sich schließlich in seiner angestammten Region wieder sammelt, ist historisch ein absolut einzigartiger Vorgang. Karl Barth hat ihn mit den Worten kommentiert: „Jetzt können wir‘s in der Zeitung lesen: Gott hält seine Verheißung.“ Der zunehmende Antisemitismus befördert diese Entwicklung weiter. Läuft die Zeit der Völker also ab? Steht nun bald das bevor, was Paulus in Bezug auf Israel vorhergesagt hat? Seine Worte sind jedenfalls eindrücklich:

„Ein Teil von Israel hat sich verhärtet. Aber das gilt nur so lange, bis die volle Zahl von Menschen aus den anderen Völkern zum Glauben gekommen ist. Israel als Ganzes wird dann so gerettet werden, wie geschrieben steht: “Aus Zion wird der Retter kommen, der alle Gottlosigkeit von Jakobs Nachkommen entfernt.” (Römer 11, 25-27)

Unerfüllte Vorhersagen

Noch haben sich nicht alle biblischen Vorhersagen erfüllt. Mehrfach finden wir die Ankündigung, dass in der kosmischen Welt und bei den Gestirnen etwas durcheinandergeraten wird.[8] Zudem wird angekündigt, dass es zu einem Krieg kommt, in dem alle Völker sich gegen Israel wenden. Gott wird aber final eingreifen und sein Volk beschützen.[9] Im Moment hat Israel noch Verbündete. Trotzdem ist es verblüffend, dass schon seit Jahren kein Volk der Welt auch nur annähernd mit so vielen UN-Resolutionen belegt wird wie ausgerechnet das kleine Israel, die einzige Demokratie im Nahen Osten und das einzige Land mit Religionsfreiheit und höchsten Menschenrechtsstandards in dieser Region. Und trotzdem grassiert auch in den Ländern, die jetzt noch solidarisch mit Israel sind, der Antisemitismus. Das gilt auch für das akademische Umfeld – also der Bereich, der die Zukunft dieser Nationen prägen wird. Der weltweite Hass gegen dieses winzige Volk ist rational in keiner Weise erklärbar. Ganz offenkundig sind hier noch andere Mächte am Werk als nur Terroristen und Hassprediger. Für mich belegt das nur umso mehr: Auch das moderne Israel spielt ganz offenkundig eine wichtige Rolle bei der Wiederkunft Jesu und der Aufrichtung seines Königreichs.

Der gefällte Feigenbaum fängt an, wieder aufzublühen

Ist es Zufall, dass Jesus in seinen Endzeitreden ausgerechnet auf die Blüte des Feigenbaums hinweist? Fakt ist: Im Alten Testament wird der Feigenbaum auch als Bild für Israel verwendet.[10] Spannend ist zudem das Gleichnis Jesu in Lukas 13, 6-9:

Dann erzählte Jesus folgendes Gleichnis: “Ein Mann hatte einen Feigenbaum in seinem Weinberg stehen. Doch wenn er kam, um nach Früchten zu sehen, fand er keine. Schließlich sagte er zu seinem Gärtner: ‘Seit drei Jahren suche ich Frucht an diesem Feigenbaum und finde keine. Hau ihn um! Wozu soll er den Boden aussaugen?’ ‘Herr’, erwiderte der Gärtner, ‘lass ihn dieses Jahr noch stehen! Ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen. Vielleicht trägt er dann im nächsten Jahr Frucht – wenn nicht, kannst du ihn umhauen lassen.'”

Könnte es sein, dass Jesus hier über Israel spricht? Drei Jahre lang war Jesus in Israel unterwegs. Er hat das Reich Gottes mit Zeichen und Wundern demonstriert, zur Umkehr gerufen und nach Glauben gesucht. Bis zur Steinigung von Stephanus hat sich auch das Wirken der Apostel ein weiteres Jahr lang ganz auf Jerusalem und Israel konzentriert. Trotzdem blieb die Zahl der Juden, die dem Evangelium gefolgt sind, äußerst überschaubar. Wenige Jahre später verlor Israel seinen Status als Nation. Doch jetzt ist die Nation Israel dabei, wieder aufzublühen. Und es gibt zarte Ansätze dafür, dass Juden sich für ihren Messias Jesus öffnen. Vor diesem Hintergrund klingen die Worte Jesu spannender denn je:

„Vom Feigenbaum könnt ihr Folgendes lernen: Wenn seine Zweige weich werden und die Blätter zu sprießen beginnen, wisst ihr, dass es bald Sommer wird. Genauso ist es, wenn ihr seht, dass alle diese Dinge geschehen. Dann steht sein Kommen unmittelbar bevor.“ (Matth. 24, 32+33)

Es gibt Grund zur Hoffnung – mehr denn je!

Ich finde es elektrisierend, die Vorhersagen der Bibel zu studieren und parallel die Nachrichten zu verfolgen. Natürlich ändern aktuelle Entwicklungen nichts an der Tatsache: Niemand kann wissen, wann Jesus wiederkommt. Es könnte heute noch geschehen. Und es könnte auch noch länger dauern. Und doch ist es atemberaubend, wie selbst die unwahrscheinlichsten Vorhersagen Jesu Schritt für Schritt Wirklichkeit werden. Das belegt auf jeden Fall: Gott steht zu seinen Versprechen! Er ist immer noch der Herr der Geschichte. Das kann uns Mut machen, umso mehr an unserem Glauben festzuhalten: Jesus wird wiederkommen! Keine christliche Generation vor uns hatte so viele gute Gründe, seine baldige Wiederkunft zu erwarten. Wir dürfen uns von Jesu Worten ermutigen lassen:

„Wenn das alles anfängt, dann hebt den Kopf und richtet euch auf, denn dann ist eure Erlösung nicht mehr weit.“ (Lukas 21,28)


[1] Matth. 24,30; 26,64; Mk. 13,26; 14,62; Lk. 21,27

[2] „Jetzt liegt der Ehrenkranz für mich bereit, die Gerechtigkeit, die der Herr als gerechter Richter mir an jenem großen Tag zuerkennen wird – aber nicht nur mir, sondern auch allen anderen, die sich auf sein sichtbares Wiederkommen freuen.“ (2.Tim.4,8)

[3] Lukas 9, 27: “Aber es ist auch wahr: Einige von denen, die hier stehen, werden nicht sterben, bis sie die Gottesherrschaft gesehen haben.” Markus 9, 1: “Ich versichere euch: Einige von denen, die hier stehen, werden nicht sterben, bis sie die Gottesherrschaft in ihrer Macht kommen sehen.”

[4] Eins dürft ihr dabei nicht übersehen, liebe Geschwister: Für den Herrn ist das, was ‹für uns› ein Tag ist, wie tausend Jahre; und was ‹für uns› tausend Jahre sind, ist ‹für ihn› wie ein einziger Tag. Der Herr verzögert seine Zusage nicht, wie manche das meinen. Im Gegenteil: Er hat Geduld mit euch, denn er will nicht, dass irgendjemand ins Verderben geht, sondern dass alle umkehren zu ihm. Der Tag des Herrn wird aber so unerwartet kommen wie ein Dieb.“ (1. Petr.3,8-10)

[5] Matthäus 24, Markus 13, Lukas 21

[6] „Alle Jünger hatten sich in Pella niedergelassen, nachdem sie aus Jerusalem weggezogen waren. Christus hatte ihnen aufgetragen, Jerusalem zu verlassen und sich von dort zurückzuziehen, weil es belagert werden sollte.“ (Epiphanius, Panarion 29,7,8, geschrieben 374-377 n.Chr.)

[7] Eine schöne Übersicht findet sich zum Beispiel hier: https://s5f056e292d37b7ac.jimcontent.com/download/version/1538469253/module/13859081832/name/Flyer%20Bibelstellen%20zur%20Sammlung%20und%20Wiederherstellung%20Israels.pdf

[8] Joel 3,3-4; 4,15; Matth.24,29; Lk.21,25; Mk.13,24-25; Offb. 6,12-17

[9] Hesekiel 38+39; Sacharja 12, 1-9; Joel 4,2; Offb. 16,14-16

[10] Jeremia 24,1-10; Hosea 9,10

Kirche wohin? – 9,5 Thesen zur Situation und zur Zukunft der (evangelischen) Kirche

Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung des Vortrags „Kirche wohin? Herausforderungen und Chancen der Kirche heute“, der am 20.10.2023 im Rahmen eines Themenabends der Lebendigen Gemeinde Christusbewegung in Pfalzgrafenweiler gehalten wurde. Der Artikel kann hier als PDF heruntergeladen werden.

Wie kann die evangelische Kirche Zukunft haben? Zu dieser Frage gibt es unzählige, sich vielfach widersprechende Ideen und Vorschläge. Was aber vollkommen fehlt, ist eine gemeinsame Vision. Das beklagte jüngst auch Prof. Volker Gäckle, der Rektor der Internationalen Hochschule Liebenzell: „Was wir in dieser historischen Situation brauchen, ist eine überzeugende theologische Deutung der Situation, Einigkeit und Entschlossenheit in den entscheidenden Gremien, Veränderungsfähigkeit auf allen Ebenen und eine größere Geschwindigkeit in den nötigen Prozessen … und kein Allotria!“[1] Das ist ohne Zweifel richtig. Die Frage ist nur: Woher soll die Einigkeit und Geschlossenheit kommen?

Gegründet wurde die evangelische Kirche einst auf der Basis: Sola Scriptura! Allein die Schrift soll regieren. Sie soll Richtschnur und Maßstab für die Kirche sein. Und auch heute noch gilt: Die gemeinsame Orientierung an der Heiligen Schrift ist die einzige Chance, um dem heillosen Meinungswirrwarr wenigstens teilweise entkommen zu können. Die dringend notwendige „überzeugende theologische Deutung“ als Grundlage für Einigkeit und Entschlossenheit kann die Kirche nur dann finden, wenn sie vor allem eines tut: Gemeinsam die Bibel aufschlagen und mit offenem Herzen hören, was Jesus, der Herr der Kirche, ihr zu sagen hat.

In Johannes 15, 1 – 10 finden wir eine Rede Jesu[2], die in sehr verdichteter Form entscheidende Hinweise zur Situation und zur Zukunft der Kirche geben kann. Dieser Artikel leitet aus diesem Abschnitt neun Thesen ab sowie einen zusätzlichen Hinweis zur Situation und zur Zukunft der Kirche. Er hat dabei primär die evangelische Kirche im Blick. Die neun Thesen und der zusätzliche Hinweis sind aber natürlich generell für alle Denominationen gültig.

1. Fokus Zeitenwende: Die Zukunft gestalten, statt nur den Niedergang zu verwalten!

„Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt reichlich Frucht.“ (V. 5)

Jesus sagt also: Seine Nachfolger sind Fruchtbringer! Man erkennt sie daran, dass in ihrem Umfeld etwas Positives wächst. Tatsächlich haben sich die Jünger Jesu als extrem fruchtbar erwiesen. Innerhalb von nur drei Jahrhunderten haben sie die Botschaft Jesu durch die ganze damals bekannte Welt getragen. Sie haben überall Gemeinden gegründet. Das Christentum ist trotz massiver Widerstände derart schnell gewachsen, dass die Machthaber schließlich sagen mussten: Wir können den christlichen Zug nicht stoppen. Dann setzen wir uns eben selbst ins Führerhaus. Wir machen das Christentum zur Staatsreligion.

Was dann geschah, bezeichnen wir heute als die „konstantinische Wende“: Aus einer Freiwilligen- und Minderheitenkirche wurde eine Staats- oder Volkskirche, wie wir heute sagen. Die Folge war: Plötzlich mussten die Kirchenleiter keine Frucht mehr bringen. Wenn das ganze Volk schon per Definition zur Kirche gehört, dann muss man nicht mehr evangelisieren. Oder um es im Bild des Weinstocks zu sagen: Man muss sich nicht mehr mit Wachstum und Frucht beschäftigen, wenn der Wein jeden Sonntag frei Haus geliefert wird. Die Leute kommen zur Kirche, ob man sich um sie bemüht oder nicht.

Dieses System hat viele Jahrhunderte lang funktioniert. Aber seit rund 70 Jahren leben wir in einer Zeitenwende. Die wachsende Individualisierung und Säkularisierung hat zur Folge, dass Staat und Gesellschaft in Bezug auf Glaube und Religion keine Vorgaben mehr machen. Jeder entscheidet selbst, was er glauben möchte. Auch die Eltern überlassen es ihren Kindern, wie sie es mit Glaube und Kirche halten wollen. Die Folge ist: Die konstantinische Wende wird rückabgewickelt. Das „Volk“ läuft den großen Kirchen in Scharen davon. Sie sind faktisch schon jetzt wieder Minderheiten- und Freiwilligenkirchen.

Volker Gäckle prognostiziert, dass die evangelische Kirche sich bereits in den nächsten 10 bis 17 Jahren noch einmal halbieren wird.[3] Entsprechend wird auch der Zufluss an Kirchensteuermitteln immer dünner. Im Bild gesprochen: Die Kiste Wein, die uns jahrhundertelang frei Haus geliefert wurde, wird jedes Jahr kleiner. Und deshalb fragen wir uns: Wie können wir denn unser parochiales, volkskirchliches System weiter aufrechterhalten? Wie können wir weiterhin in jedem Ort Gottesdienste, Trauungen, Beerdigungen usw. anbieten, wenn wir doch immer weniger Personal und immer weniger Finanzen haben? Diese Frage bindet unsere Gedanken und unsere Kräfte. Wir sind beschäftigt damit, den Niedergang zu verwalten.

Dabei bin ich überzeugt: Eigentlich ist diese Zeitenwende keine Katastrophe. Dass die Kirche die dominante Mehrheit darstellt, ist biblisch, historisch und weltweit gesehen doch ohnehin eine seltene Ausnahme. Die Normalität ist: Kirche Jesu war und ist zuallermeist eine Minderheiten- und Freiwilligenkirche. Sie existiert dort – und nur dort – wo Menschen Frucht bringen, weil sie das Evangelium verkünden und weil sie Gemeinden gründen und bauen.

Natürlich müssen wir uns in der evangelischen Kirche mit den vielen praktischen Fragen beschäftigen, die sich aus der kollabierenden Mitgliederzahl ergeben. Aber wäre es für unsere Zukunft nicht noch erheblich wichtiger, dass wir uns fragen: Wie schaffen wir eine gesunde Grundlage dafür, dass wir als Minderheiten- und Freiwilligenkirche eine Zukunft haben? Sollte das nicht sogar die dominante und vorherrschende Frage sein, wenn wir als evangelische Kirche eine Zukunft haben wollen? Die folgenden acht Thesen befassen sich jedenfalls mit genau dieser Frage. Und sie lenken den Blick zunächst auf die zentrale Bedeutung der lokalen Ortsgemeinde:

2. Fokus Gemeinde: Der Aufbau profilierter Gemeinden ist alternativlos!

„Die Herrlichkeit meines Vaters wird dadurch sichtbar, dass ihr viel Frucht bringt und euch so als meine Jünger erweist.“ (V. 8)

Jesus sagt also: Die Schönheit, die Kraft, die Herrlichkeit Gottes wird für die Menschen sichtbar durch Menschen, die durch ihr Leben und ihren Umgang miteinander etwas davon sichtbar werden lassen. Der antike Kirchenschriftsteller Tertullian schrieb im zweiten Jahrhundert, dass über die Christen folgendes gesagt wurde: „Siehe, wie sie sich untereinander lieben!“[4] Ganz offenkundig waren die Christen auffällig anders. Und das wurde vor allem sichtbar in den christlichen Gemeinden.

Insgesamt fällt im Neuen Testament auf: Ortsgemeinden sind im Fokus! Viele neutestamentliche Briefe richten sich an Gemeinden. Auch die Sendschreiben in der Offenbarung richten sich nicht etwa an die Kirche in Kleinasien oder an bestimmte Kirchenleiter, sondern an Ortsgemeinden. Tatsächlich war die Gründung und der Aufbau von Ortsgemeinden DIE zentrale Missionsstrategie der jungen Kirche. Und weltweit sehen wir: Auch heute noch sind profilierte Gemeinden alternativlos. Und mit „profiliert“ meine ich: Gemeinden wachsender Kirchen sind nicht nur einfach ein Abbild der Gesellschaft. Sie machen einen Unterschied! Sie spiegeln etwas wieder vom Wesen Gottes.

Volker Gäckle schreibt deshalb zurecht: „Was wir brauchen, sind qualitative Kriterien für intakte und aufbruchsfähige Gemeinden mit einem dynamischen Gemeindeleben, die dann, wenn alle Pfarrpläne ausgereizt sind, neu anfangen können.“[5] In der Tat: Genau das ist letztlich DIE Überlebensfrage für die Kirche! Wir werden die Kirchenaustritte nicht stoppen können, gleich gar nicht durch die Anbiederung an zeitgeistige Milieus. Im Gegenteil: Die Politisierung unserer Kirche beschleunigt die Austrittsdyanmik nur noch mehr. Wir verbauen den Menschen den Zugang zum Evangelium, wenn wir es mit einer bestimmten politischen Meinung verbinden. Ich finde es deshalb bestürzend, wenn die Tagesordnung so mancher Synoden eher zu einem Parteitag passt. Die Zukunft der Kirche hängt nicht von politischen Fragen ab, sondern vor allem davon, ob es ihr gelingt, vor Ort lebendige, attraktive, profilierte Gemeinden zu bauen.

Deshalb frage ich mich: Wo und wie kümmern wir uns um den Aufbau profilierter, attraktiver Gemeinden, in denen die Herrlichkeit Gottes und die Schönheit des Evangeliums sichtbar und spürbar wird? Ja, wir kümmern uns darum, dass überall noch der Laden läuft. Wir kümmern uns darum, dass am Sonntag an jedem Ort noch jemand die Orgel spielt und eine Predigt gehalten wird. Aber zugleich ist meine Wahrnehmung: Es wird immer schwieriger, profilierte Gemeinden zu bauen. Denn was passiert im Moment? Gemeinden werden zusammengelegt. Pfarrer müssen zunehmend übergemeindlich denken und kooperieren. Dass wir vor Ort eine Gemeindeleitung haben, in der ein Pfarrer und die Gemeindeleitung gemeinsam langfristig eine biblisch profilierte Gemeinde entwickeln, das ist immer seltener möglich. Diesen Missstand müssen wir dringend ändern, wenn wir als evangelische Kirche eine Zukunft haben wollen.

3. Fokus Fruchtbarkeit: Wir brauchen die Konzentration auf das, das Wachstum hervorbringt!

„Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er weg, und jede, die Frucht bringt, schneidet er zurück und reinigt sie so, damit sie noch mehr Frucht bringt.“ (V. 2)

Gott macht also zwei Dinge: Er reinigt das, was Frucht bringt. Und er schneidet weg, was keine Frucht bringt. Wie machen wir das in unserer Kirche? Meine Wahrnehmung ist: Die Frage, ob in einer Gemeinde der Gottesdienst leer oder voll ist, ob es ehrenamtliches Engagement gibt, ob es Kinder-, Jugend- und Seniorenarbeit gibt, ob die Gemeinde evangelistisch aktiv ist oder nicht, das spielt bei der Verteilung von Stellen und Ressourcen in der evangelischen Kirche keine Rolle. Wir versuchen nicht einmal, unsere Kräfte auf solche Aktivitäten zu konzentrieren, die tatsächlich Frucht bringen. Wir spüren zwar, dass wir an vielen Stellen neue Angebote bräuchten, um die Menschen mit dem Evangelium zu erreichen. Aber weil wir nicht den Mut haben, Bestehendes zu kürzen oder zu streichen, haben wir auch keine Kraft für Neues. Und meine Frage ist deshalb: Müssten wir nicht viel konsequenter alles das reduzieren, was sich totgelaufen hat, damit wir das fördern können, was wirklich Frucht bringt? Volker Gäckle bringt es so auf den Punkt: „Wir brauchen den Mut zum würdigen Abschied und Ende von dem, was sich überlebt hat.“[6]

4. Fokus Jesus Christus: Die Liebe zu Jesus muss das Zentrum sein!

„Getrennt von mir könnt ihr gar nichts bewirken. … Ich habe euch genauso geliebt, wie der Vater mich geliebt hat. Bleibt in meiner Liebe!“ (V. 5+9)

Das ist bei weitem nicht die einzige Bibelstelle, in der deutlich zum Ausdruck kommt, wie zentral die Liebe zu Jesus ist. Jesus sagt sogar: Gott zu lieben von ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit ganzer Kraft ist das Wichtigste überhaupt. (Mk. 12,29-39) Deshalb frage ich mich: Wo steht es in unserer Kirche um die Liebe zu Jesus? Wo spürt man uns die innige Verbindung mit ihm ab?

Ulrich Parzany hat vor kurzem geäußert: „Ich beobachte seit längerer Zeit, dass es Predigten in evangelischen Gottesdiensten gibt, in denen Jesus gar nicht vorkommt. Das trifft aus meiner Sicht auch für viele kirchliche Äußerungen zu. Natürlich ist das meine subjektive Wahrnehmung. Ich wäre froh, wenn mir nachgewiesen würde, dass ich mit dieser Behauptung falsch liege. Ich halte diese Jesus-Vergessenheit – ich nenne sie Jesus-Demenz – für eine tödliche Seuche.“[7]

Ich kann diese Beobachtung leider nur bestätigen. Schon vor einigen Jahren hatte die EKD ein Internetportal aufgesetzt, um Menschen für den Pfarrberuf zu begeistern. Beim Durchklicken der Seiten fiel mir auf: In den über 40 Artikeln kam das Wort „Jesus“ überhaupt nur zweimal vor: In einer Erläuterung der synoptischen Evangelien. Und in einem Artikel unter der Überschrift „Geistliche Kuriositäten“. Seither frage ich mich: Was soll aus unseren Gemeinden werden, wenn Jesus bei der Anwerbung von Gemeindeleitern offenkundig kaum eine Rolle spielt? Denn wenn wir Jesus ernst nehmen, dann ist Jesus-Demenz absolut tödlich für die Kirche! Denn sie raubt ihr ihre Fruchtbarkeit.

Aber auch wenn wir den Begriff Jesus oft auf den Lippen haben, heißt das noch nicht, dass wir Jesus wirklich lieben. Wenn wir nur eine dogmatische Rechtgläubigkeit haben, die aber nicht getränkt ist in der Liebe Gottes, dann wird Glaube oft hart und gesetzlich. Dann werden Gemeinden kalt und abstoßend. Deshalb macht Jesus so deutlich: Nur wo Menschen unterwegs sind, die Jesus wirklich lieben, ist echte Frucht und echtes Wachstum zu erwarten. Dort – und nur dort – hat Kirche Zukunft.

5. Fokus Gottes Wort: Ohne Vertrauen in die Inspiration der Schrift gibt es keine Kirche!

„Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann…“ (V. 7)

Jesus betont hier einen Doppelklang: Wir sollen in IHM bleiben, das heißt: In ihm als Person, die heute lebendig ist und an den wir uns im Gebet jederzeit wenden können. Aber zugleich gilt: Auch seine Worte müssen in uns bleiben! Damit sind natürlich nicht nur biblische Jesuszitate gemeint. Die Bibel selbst macht immer wieder klar: Jesus ist Gott. Und die ganze Bibel, bestehend aus Altem und Neuem Testament, ist sein Wort.[8] Und Jesus macht hier deutlich: Ohne sein Wort entsteht keine Frucht! Genau deshalb ist es so dramatisch, wenn die Kirche bezweifelt, ob die Bibel tatsächlich Gottes Wort ist.

Diese Zweifel begegnen uns heute in ganz unterschiedlichen Formulierungen.[9] So wird zum Beispiel gesagt: Die Bibel bezeugt Gottes Wort. Oder: Die Bibel enthält Gottes Wort. Oder: Die Bibel kann zum Wort Gottes für uns werden. Gott kann diese Texte für uns zu seinem Wort machen. Alle diese Formulierungen ändern nichts daran, dass die Worte der Bibel letztlich zu menschlichen Worten degradiert werden. Und wie alle menschlichen Worte sind sie natürlich auch fehlerhaft. Und deshalb müssen wir sie kritisch lesen, das heißt: Wir müssen auf Basis eigener Kriterien unterscheiden, was darin wohl Gottes Wesen wiederspielgelt und was nur veraltete Vorstellungen über Gott transportiert. Da man sich in Bezug auf diese Unterscheidung niemals wird einigen können, ist die Konsequenz am Ende immer: Wir wissen nichts gesichertes mehr darüber, was Gott gesagt hat. Wir haben sein Wort verloren.

Martin Luther hat die Aussage geprägt: „Wo das Wort ist, da ist die Kirche.“[10] Kirche ist nichts anderes als eine „creatura verbi“, ein Geschöpf des Wortes Gottes. Und das gilt aus guten Gründen: Kirche ohne Gottes Wort hat keine Botschaft, denn sie ist ja nur Botschafter an Christi statt. Kirche ohne Gottes Wort kennt nur Meinungen, aber keine Gewissheiten. Kirche ohne Gottes Wort kann niemanden trösten und niemandem Halt geben, weil sie selbst nichts Sicheres weiß über Gott, über die existenziellen Grundfragen der Menschen und über die Ewigkeit. Kirche ohne die Offenbarungsquelle von Gottes Wort hört auf, Kirche zu sein.

Deshalb frage ich mich: Wann werden wir uns daran erinnern, auf welchem Fundament unsere Kirche steht? Wann werden wir uns wieder gemeinsam beugen unter dieses von Gottes Geist inspirierte Wort, statt uns kritisch über die Schrift zu stellen? Denn so viel ist klar: Ohne das kraftvolle Wort Gottes wächst kein geistliches Leben. Ohne das Licht des Wortes Gottes verliert und verläuft sich die Kirche im Nebel der Zeit – wie man schon jetzt vielerorts traurig beobachten muss.

6. Fokus Gottes Gebot: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen!

„Bleibt in meiner Liebe! Ihr bleibt darin, wenn ihr meinen Anweisungen folgt. Auch ich habe immer die Weisungen meines Vaters befolgt und bleibe in seiner Liebe.“ (V. 9b+10)

Jesus sagt also: Es reicht nicht, Gottes Wort zu kennen. Wir müssen die darin enthaltenen Anweisungen auch befolgen! Gott zu lieben und seine Gebote zu befolgen ist in der Bibel immer untrennbar miteinander verbunden. Seine Gebote sind Ausdruck seiner Liebe zu uns. Unser Gehorsam ist Ausdruck unserer Liebe zu Gott. Wer von der Liebe Gottes spricht, muss deshalb zugleich auch immer die hohe Bedeutung seiner Gebote im Blick behalten.

Eines seiner Gebote lautet: Du sollst nicht töten. Christen aller Zeitalter und Denominationen waren sich einig: Dieses Gebot bezieht sich selbstverständlich auch auf das ungeborene Leben. Deshalb ist es so dramatisch, wenn die EKD diesen biblisch klar begründeten Konsens nun verlässt und die Tötung ungeborenen Lebens zumindest bis zur 22. Schwangerschaftswoche freigeben will.[11] Damit bringt sie zahllose Christen in eine schwerwiegende Gewissensnot. Ich kann nur hoffen, dass eine Vielzahl kirchlicher Leiter sich eindeutig und klar gegen diese Verirrung der EKD positioniert.

Im Alten wie im Neuen Testament spielen zudem die Gebote zur Sexualethik eine wichtige Rolle. Der bekannte Theologe N.T. Wright schreibt dazu: „Während der gesamten ersten christlichen Jahrhunderte, als jede Art von Sexualpraktik, die in der Menschheit jemals bekannt war, in der antiken griechischen und römischen Gesellschaft weit verbreitet war, bestanden Christen wie Juden darauf, dass die ausgelebte Sexualität auf die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau zu beschränken sei. Heute wie damals denkt der Rest der Welt, das sei verrückt. Der Unterschied besteht leider darin, dass heute auch die halbe Kirche dasselbe denkt.“[12]

Quer durch die Jahrtausende hindurch haben Menschen das Wort Gottes bei diesem Thema zumindest in den Grundlinien gut verstanden. Schon immer hat sich Gottes Volk damit in einen scharfen Gegensatz zur kulturellen Umgebung begeben. Auch deshalb wurde die junge Kirche verachtet und verfolgt. Und doch hatte gerade diese Kirche eine enorme Ausstrahlung. Sie hat extrem viel Frucht gebracht, von der wir heute noch zehren.

Aber ist das heute vielleicht anders als damals? Müsste sich die Kirche heute vielleicht stärker anpassen, um die Menschen in der Gesellschaft zu erreichen? In seinem Buch „Menschen mit Mission“ schreibt Thorsten Dietz über die Evangelikalen: „Warum handelt es sich bei den Evangelikalen heute um die weltweit zweitgrößte christliche Strömung nach dem Katholizismus? Niemand hätte sich das vor 50 oder 60 Jahren träumen lassen. … Welche Zukunft sollten … schon Grüppchen haben, denen Evangelisation und Mission über alles geht, die im Zweifelsfall lieber der Bibel glauben als der historischen Forschung? Wer wird schon Ewiggestrige ernst nehmen, die sich radikal der sexuellen Liberalisierung der 1960er-Jahre verweigern? Aber entgegen allen Erwartungen ist keine religiöse Gruppe im letzten halben Jahrhundert dynamischer gewachsen als diese.[13]

Es waren also ausgerechnet diese komischen Evangelikalen mit ihrer angeblich so überkommenen Sexualethik, die Frucht gebracht haben – während zugleich die liberalen Kirchen weltweit schrumpften. Welchen Beweis brauchen wir noch, bis wir verstehen, dass Jesus tatsächlich über harte Realitäten spricht, wenn er Fruchtbarkeit mit dem Befolgen der Gebote verknüpft?

Trotzdem fordern christliche Leiter immer wieder: Lasst uns doch nicht streiten wegen sexualethischen Fragen. Und natürlich hat niemand Lust auf Streit. Aber die Bibel ist nun einmal durchgängig völlig eindeutig: Wenn Gottes klare Gebote missachtet werden, dann verlieren wir den Segen Gottes. Und ohne Gottes Segen geht die Kirche zugrunde. Deshalb müssen wir – gerade auch aus Liebe zur Kirche – darauf bestehen, dass die Kirche an Gottes Geboten festhält.

7. Fokus Evangelisation: Menschen aktiv in die Nachfolge rufen!

„Ihr allerdings seid schon rein, weil ihr mein Wort gehört und angenommen habt.“ (V. 3)

Jesus formuliert hier in einer sehr verdichteten Kurzform das, was der Kern aller kirchlichen Aktivitäten sein sollte:

  1. Menschen hören Gottes Wort.
  2. Menschen nehmen es an.
  3. Menschen werden rein. Ihre Schuld wird abgewaschen. Sie finden Versöhnung und Gemeinschaft mit Gott und dadurch auch ewiges Leben bei ihm.

In 2. Korinther 5, 20-21 formuliert es Paulus ein wenig ausführlicher so: „So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.“ Das ist der Kernauftrag und die Kernbotschaft der Kirche. Das ist der Kern des Evangeliums. Echte Kirche Jesu wird im Kern immer alles daran setzen, dass die Menschen diese Botschaft hören und annehmen.

Trotzdem höre ich in meiner evangelischen Kirche häufig eine andere Botschaft, in der den Menschen in etwa folgendes vermittelt wird:

  1. Die Menschen sind schon rein und versöhnt mit Gott, weil sie ja getauft sind.
  2. Dessen müssen wir sie jetzt nur noch versichern.
  3. Wenn sie noch nicht getauft sind, laden wir sie zu einer niedrigschwelligen Taufe ein.

So schreibt die EKD zum Beispiel auf ihrer Internetseite zu ihrer großen Taufaktion: „Die Taufe besiegelt die Beziehung zwischen dem einzelnen Menschen und Gott. … Sie gibt uns Anteil an seinem Leben, Reden und Handeln.“ Angesichts ihrer Kindertaufpraxis ist es kein Wunder, dass die evangelische Kirche auf Basis solcher Aussagen kaum noch evangelisiert. Warum auch? Alle Getauften sind ja bereits mit Gott verbunden! Übrig bleibt eine Botschaft, die sich in Zuspruch erschöpft, in der aber von Gericht, Umkehr, Rettung und Erlösung nichts mehr zu hören ist.

Die Frage ist nur: Reicht eine Kindertaufe wirklich, um am Tag des Gerichts bestehen zu können? In Markus 16, 16 lesen wir: „Wer glaubt und sich taufen lässt, den wird Gott retten. Wer nicht glaubt, den wird Gott verurteilen.“ Die Bibel ist also eindeutig: Taufe ohne Glaube rettet nicht. Eine Taufrettungstheologie verfälscht das Evangelium. Und sie hat zur Konsequenz, dass die Kirche stirbt, weil sie nicht mehr evangelisiert. Einmal mehr zeigt sich: Kirche wächst nicht, wenn sie ihre Botschaft glättet, um nirgends Anstoß zu erregen. Sie wächst vielmehr dort, wo sie das ein für allemal überlieferte Evangelium ins Zentrum ihrer Botschaft stellt und klar verkündigt.

8. Fokus Priestertum aller Gläubigen: Hin-Gabe geht vor Amt und Hierarchie!

„Ihr könnt keine Frucht bringen, wenn ihr nicht mit mir verbunden bleibt.“ (V. 4)

Jesus betont also: Die gelebte Verbindung mit ihm ist die entscheidende Grundlage, um fruchtbar in der Kirche dienen zu können. Umso mehr stellt sich die Frage: Woher kommt eigentlich dieser Gedanke, dass das Austeilen des Abendmahls, die Verkündigung von Gottes Wort und die Leitung einer Gemeinde in der evangelischen Kirche einzig und allein an einem völlig gemeindefernen und zudem bibelkritischen Theologiestudium hängt? Wollten wir nicht eine Kirche sein, die das sogenannte „Priestertum aller Gläubigen“ hochhält?

Und zudem frage ich mich: Können wir uns das denn wirklich noch länger leisten, dass die sogenannten „Laien“ zwar die Kinder- und Jugendarbeit und viele andere Dienste in unseren Gemeinden übernehmen, aber von der Verkündigung und von der Leitung der Gemeinde auch dann ausgeschlossen sind, wenn sie eng verbunden sind mit Jesus, wenn sie tief verwurzelt sind in Gottes Wort und wenn sie ihr Leben ausrichten an seinen Geboten? Und warum tun wir das eigentlich? Warum lassen wir Gaben und Talente verkümmern, während zugleich Gemeinden verkümmern, weil sich angesichts des wachsenden Pfarrermangels niemand mehr um sie kümmern kann?

Wenn die Kirche Zukunft haben möchte, muss sie ernst machen mit dem Priestertum aller Gläubigen. Die längst überfällige Zulassung von Absolventen freier theologischer Ausbildungsstätten für das Pfarramt wäre ein erster Schritt. Aber wenn wir wirklich wollen, dass in der Fläche lebendige, profilierte Gemeinden wachsen, dann müssen wir darüber hinaus Ausschau halten nach begabten Menschen, die eng mit Christus verbunden sind und verwurzelt sind in seinem Wort. Wo auch immer wir solche Menschen finden, sollten wir sie gemäß ihren Gaben ausbilden segnen, bevollmächtigen und senden. Volker Gäckle schreibt dazu: „Wir brauchen … eine breite theologische Qualifizierung und Ausbildungskultur von Ehrenamtlichen.“[14] Und ich möchte ergänzen: Wir brauchen dazu natürlich auch eine konkrete Perspektive, wie diese Ehrenamtlichen dann auch Verantwortung übernehmen können in den Gemeinden. Denn warum sollten sie sich sonst ausbilden lassen? Es wird für die Kirche eine Überlebensfrage sein, ob sie den Mut aufbringt, nicht länger Universitätsstudium, Amt und Hierarchie höher zu werten als die Hingabe an Christus und als die Gaben und Berufungen, die der Heilige Geist frei den Menschen zuteilt, denen er sie zuteilen will.

9. Fokus Gebet: An Gottes Segen ist alles gelegen!

„Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann könnt ihr bitten, um was ihr wollt: Ihr werdet es bekommen.“ (V. 7)

Was für ein unglaubliches Versprechen! Es sind Verheißungen wie diese, die Christen zu allen Zeiten ins Gebet getrieben haben. Denn sie haben gewusst und gespürt: Das Wachstum der Kirche ist nicht machbar. Es ist immer ein Wunder, wenn Menschen zum lebendigen Glauben finden. Es ist immer ein Wirken des Heiligen Geistes, wenn es geistliche Aufbrüche gibt, wenn Gemeinde und Kirche wächst und wenn Menschen anfangen, Jesus nachzufolgen. Die Frage ist: Ist uns das bewusst, dass an Gottes Segen alles gelegen ist? Und wenn uns das bewusst ist: Warum beten wir dann so wenig?

Von Martin Luther ist uns der Satz überliefert: „Heute habe ich viel zu tun, deswegen muss ich viel beten.“ Ihm war noch bewusst: Die Arbeit am Haus Gottes ist umsonst, wenn wir sie in eigener Kraft tun. Ohne Gottes Segen bemühen wir uns vergeblich. Deshalb galt zu allen Zeiten: Wo Kirche wächst, da findet man immer auch Christen, die sich Zeit nehmen für das Gebet. Wo Christen auf ihren Knien sind, da fängt die Kirche an, aufzustehen, zu wachsen und zu gedeihen.

Ergänzend zu den neun Thesen lässt sich nun aus den Worten Jesu noch ein wichtiger, ergänzender Hinweis ableiten:

9,5. Es ist dringend! JETZT ist die Zeit der mutigen Pioniere!

„Wer nicht mit mir verbunden bleibt, wird weggeworfen und verdorrt wie eine nutzlose Rebe. Solche Reben sammelt man nur noch auf, um sie zu verbrennen.“ (V. 6)

Immer wieder hört man die These: Die Kirche kann nicht untergehen. Denn Jesus hat doch fest versprochen: Die Pforte der Hölle werden sie nicht überwinden (Mt. 16, 18). Das stimmt. Aber das gilt natürlich nur für die Kirche Jesu insgesamt. Für eine bestimmte Institution, Denomination oder Konfession hingegen gibt es keine Bestandsgarantie. Das hat die Kirchengeschichte wieder und wieder gezeigt. Es ist also angebracht, sich ernste Sorgen um das Überleben der evangelischen Kirche zu machen.

Die Kirchengeschichte hat jedoch auch gezeigt: Neue Aufbrüche sind möglich, wo Menschen sich vom Heiligen Geist anzünden und sich von Gottes Wort prägen und leiten lassen. Unser Gott ist immer noch derselbe wie zur Zeit Martin Luthers. Gott kann auch heute wieder die Kirche erneuern. Und die dramatische Mitgliederentwicklung sollte uns deutlich machen: Viel Zeit bleibt nicht mehr. Wir müssen JETZT mutige Schritte der Erneuerung gehen, wenn die Kirche eine Zukunft haben soll.

Das gilt umso mehr, da die hier vorgestellten Thesen ja nicht neu sind. In seiner Schrift „Pia desideria“ hat Philipp Jacob Spener bereits im Jahr 1675 viele dieser Thesen vertreten[15]: Das Priestertum aller Gläubigen. Die praxisnahe Reform der Ausbildung zukünftiger Gemeindeleiter. Die Förderung des Bibelstudiums aller Gläubigen. Die Notwendigkeit der praktischen Umsetzung von Gottes Wort und Gebot. Die Zentralität der Liebe Gottes. Alles das hat Spener auch im 17. Jahrhundert der Kirche schon ins Stammbuch geschrieben. Und er war ein Mann der Praxis. Er hat nicht gewartet, bis die Kirchenpolitik ihn verstanden hat. Er hat einfach angefangen, mit den Menschen die Bibel zu studieren, zu beten und über die geistliche Praxis zu sprechen. Die Folge waren diese wunderbaren geistlichen Aufbrüche, die wir heute als Pietismus bezeichnen und von denen wir bis heute profitieren.

Aber es ist leider nicht alles praktisch geworden, was Spener sich gewünscht hat. Manches ist auch liegen geblieben. Vor allem die grundlegende Reform der Ausbildung der Gemeindeleiter steht bis heute aus. Das konnte sich die Kirche ja auch lange Zeit leisten. Denn egal, ob ein Pfarrer begabt war oder nicht, ob er ein hingebungsvoller Jesusliebhaber war oder nicht, das System hat trotzdem funktioniert. Aber diese Zeit ist jetzt vorbei. Unsere Kirche stirbt, wenn sie nicht ganz neu lernt, fruchtbar zu sein.

Wir müssen uns der Tatsache stellen: Wenn die Kirche vor allem versucht, an den volkskirchlichen Strukturen festzuhalten, dann muss sie sich um ihre Zukunft keine Sorgen machen. Dann hat sie keine. Aber wenn wir uns an Jesus, den Herrn der Kirche halten, wenn wir uns tief in ihm, in seinem Wort und Gebot verwurzeln, dann hat auch die evangelische Kirche ihre beste Zeit noch vor sich. Und genau das wünsche ich mir! Nicht nur wegen unserer Kirche, sondern auch für unser Land, das so dringend das Salz und Licht einer lebendigen Kirche braucht. Und vor allem für die vielen Menschen, die so dringend das rettende Evangelium hören müssen.

Und deshalb gilt: Jetzt ist die Zeit, mutig die Strukturen der Kirche so zu ändern, dass sie zu einer Freiwilligenkirche passen und dass sie wieder fruchtbar wird. Jetzt ist die Zeit, sich neu in der Liebe Christi und in seinem Wort zu verwurzeln. Jetzt ist die Zeit, Gottes Wort und Gebot wieder hochzuhalten. Jetzt ist die Zeit für mutige Pioniere, das Evangelium zu verbreiten und Gemeinden mit Profil zu bauen, egal ob sie Theologen oder sogenannte Laien sind. Und: Jetzt ist die Zeit, Gott zu suchen im Gebet, damit er das tut, was er verheißen hat: Dass wir hingehen und Frucht bringen. Frucht die Gott Ehre macht. Frucht, die in Ewigkeit bleibt.


[1] In: LG-Magazin 3 2023, S. 10

[2] Johannes 15, 1-10 in der Neuen evangelistischen Übersetzung: „1 Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Weingärtner. 2 Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er weg, und jede, die Frucht bringt, schneidet er zurück und reinigt sie so, damit sie noch mehr Frucht bringt. 3 Ihr allerdings seid schon rein, weil ihr mein Wort gehört und angenommen habt. 4 Bleibt in mir, und ich bleibe in euch! Eine Rebe kann nicht aus sich selbst heraus Frucht bringen; sie muss am Weinstock bleiben. Auch ihr könnt keine Frucht bringen, wenn ihr nicht mit mir verbunden bleibt. 5 Ich bin der Weinstock; ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt reichlich Frucht. Denn getrennt von mir könnt ihr gar nichts bewirken. 6 Wer nicht mit mir verbunden bleibt, wird weggeworfen und verdorrt wie eine nutzlose Rebe. Solche Reben sammelt man nur noch auf, um sie zu verbrennen. 7 Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann könnt ihr bitten, um was ihr wollt: Ihr werdet es bekommen. 8 Die Herrlichkeit meines Vaters wird dadurch sichtbar, dass ihr viel Frucht bringt und euch so als meine Jünger erweist. 9 Ich habe euch genauso geliebt, wie der Vater mich geliebt hat. Bleibt in meiner Liebe! 10 Ihr bleibt darin, wenn ihr meinen Anweisungen folgt. Auch ich habe immer die Weisungen meines Vaters befolgt und bleibe in seiner Liebe.“

[3] „Das Ergebnis ist, dass die Landeskirchen pro Jahr zwischen 2,5 % und 4,6 % ihrer Mitglieder verlieren und der einzige Trend, der gegenwärtig wächst, ist, dass diese Prozentzahl von Jahr zu Jahr höher wird. Man braucht bei diesen Zahlen keinen Taschenrechner, um zu begreifen, dass die drohende Halbierung nicht erst 2060 eintritt, sondern je nach Landeskirche zwischen 2035 und 2040. Wenn das exponentielle Wachstum der Austrittszahlen andauern sollte, auch schon früher. Anders ausgedrückt: in 10 bis 17 Jahren! Und auch danach wird der Prozess nicht einfach aufhören.“ LG-Magazin 3 2023, S. 9

[4] In: Apologetikum, Kap. 39

[5] In: LG-Magazin 3 2023, S. 10

[6] In: LG-Magazin 3 2023, S. 10

[7] Aus dem Vortrag von Ulrich Parzany: „Jesus-Demenz in der Christenheit – eine tödliche Seuche“ gehalten am IX. Ökumenischen Bekenntniskongress der IKBG, 14.8.2022, Ev. Akademie Loccum

[8] Siehe dazu den AiGG-Artikel: „Das biblische Bibelverständnis“ im AiGG-Blog 10 2021

[9] Ausführlich erläutert im Vortrag von Markus Till: „Die Bibel: Was ist das eigentlich? Die Frage nach dem Bibelverständnis“ vom Juni 2023, Skript und Video unter blog.aigg.de/?p=6707

[10] „Ubi est verbum, ibi est ecclesia“ (Wo das Wort ist, da ist Kirche). In: WA 39 II, 176, 8f Promotionsdisputation von Johannes Macchabäus Scotus, 1542.

[11] „Stellungnahme des Rates der EKD zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Regelung zum

Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuchs möglich ist“ vom 11.10.2023, S. 7

[12] Aus N.T. Wright: „Warum Christsein Sinn macht“, 2009 Johannis bei SCM Hänssler, S. 231

[13] In Thorsten Dietz: „Menschen mit Mission“, 2022, SCM R. Brockhaus, S. 92

[14] In: LG-Magazin 3 2023, S. 10

[15] Siehe dazu der offen.bar-Vortrag vom 4.10.2023 von Albrecht Wandel „Was die Kirche jetzt braucht – Von den Pietisten lernen“: https://youtu.be/az6yWXPYX1M

4 aktuelle christliche Megatrends

Nichts ist so beständig wie der Wandel. Das war schon dem griechischen Philosoph Heraklit bewusst. Das Tempo des Wandels scheint sich aber ständig zu steigern. Das gilt nicht nur für technische oder gesellschaftliche Entwicklungen, sondern auch für den Zustand der Kirche Jesu in unserem Land. Dieser Artikel beleuchtet vier bedeutende aktuelle Trends im christlichen Umfeld. Und er will zeigen: Neben allen Herausforderungen bergen sie auch große Chancen!

Vier Milieus im frommen Umfeld

Wenn die Öffentlichkeit auf das Christentum in Deutschland schaut, hat sie zumeist die beiden großen Kirchen im Blick. Deren dramatischer Abwärtstrend ist hinlänglich bekannt. Kaum wahrgenommen werden hingegen die Trends im kirchlich-pietistischen, freikirchlichen und allianzevangelikalen Umfeld, obwohl dieser Bereich vor allem in Bezug auf die Gottesdienstbesucherzahlen längst mindestens ebenso bedeutsam ist.[1] Man kann diese „Szene“ grob vereinfacht in vier verschiedene Milieus unterteilen:

Die klassisch Evangelikalen (die sich im landeskirchlichen Umfeld oft auch als Pietisten bezeichnen) betonenden lebendigen Christus als Zentrum des Glaubens und der Kirche. Unaufgebbar ist für sie zugleich das Festhalten an der Bibel als „unfehlbares“[2] Wort Gottes und an den zentralen Bekenntnissen der Christenheit. Der stellvertretende Opfertod Jesu am Kreuz steht für sie im Zentrum des Evangeliums. Und im ethischen Bereich sind sie auf der Basis des biblischen Zeugnisses weithin überzeugt: Gott segnet praktizierte Sexualität nur im Rahmen einer Ehe von einem Mann und einer Frau.

Postevangelikale und Progressive hingegenhalten das evangelikale Festhalten an der Heiligen Schrift als göttliches Offenbarungsdokument für prämodern und fundamentalistisch. Das stellvertretende Sühneopfer gilt für sie bestenfalls als eine von mehreren Deutungsmöglichkeiten des Kreuzestodes Jesu. Und die evangelikale Ablehnung der Trauung gleichgeschlechtlicher Paare empfinden sie als lieblos und diskriminierend, teilweise gar als unerträglich.

Das pragmatische Milieu ist bemüht, derartige Differenzen zu überbrücken durch eine eher untheologische und pragmatische Herangehensweise. Die Themen in diesem Milieu sind vorwiegend seelsorgerlicher und erbaulicher Natur. Verbindend ist für sie „das Evangelium“, der lebendige Christus (statt eines toten Dogmas) sowie die gemeinsame praktische Arbeit für Gemeindebau, Mission und Evangelisation. Bekenntnisse werden eher als ausgrenzend und spaltend empfunden. Theologische Fragen nach dem Bibel- und Kreuzesverständnis sowie nach der Sexualethik betreffen für sie nicht den Kern des Glaubens und können daher unterschiedlich gesehen werden.

Ganz im Gegensatz dazu sind für Konfessionalisten bestimmte theologische Spezialitäten so unaufgebbar wichtig, dass sie konfessionsübergreifenden Einheitsbemühungen insgesamt eher skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen.

Diese vier Milieus gibt es schon seit längerem. Doch mit wachsendem Tempo finden Verschiebungen statt. Aktuell lassen sich vier bedeutende Trends beobachten:

1. Trend: Der Verlust der Selbstverständlichkeiten

Der eher untheologische Kurs des pragmatischen Milieus hat lange Zeit gut funktioniert. Die Pragmatiker konnten für sich in Anspruch nehmen, Brückenbauer zu sein und zugleich ganz praktisch die Verbreitung des Evangeliums voranzubringen, statt sich in theologischen Debatten aufzureiben. Möglich war dieser untheologische Pragmatismus aber nur, weil die evangelikalen und pietistischen Wurzeln einige „Selbstverständlichkeiten“ hinterlassen haben, die man miteinander feiern konnte, ohne sie vertieft besprechen und inhaltlich beleuchten zu müssen. Vor allem das „Evangelium“ mit Jesus Christus im Zentrum galt als selbstverständliche Mitte, die alle Christen verbindet und ihnen hilft, Differenzen fröhlich auszuhalten.

Aber spätestens seit der Corona-Krise orientieren sich die Menschen zunehmend selbständig im Internet. Dabei stoßen sie auch in Bezug auf die allerzentralsten Glaubensfragen auf die unterschiedlichsten Quellen mit sehr verschiedenen, oft gegensätzlichen Inhalten. Seither gilt zunehmend: Es ist nichts mehr selbstverständlich. Auch im pietistisch-evangelikalen Umfeld wird die ausufernde theologische Pluralität immer mehr zur Belastung.[3] Bestimmte Begriffe wie „Gottes Wort“, „Christus“ oder „Evangelium“ sind zwar noch weit verbreitet. Aber wenn man genauer hinschaut, merkt man: Es sind oft nur noch Begriffshülsen, die vollkommen unterschiedlich oder sogar gegensätzlich gefüllt werden – und deshalb ihre verbindende Kraft verlieren.

2. Trend: Progressive und Postevangelikale werden „liberaler“ und „missionarischer“

Es ist erst drei Jahre her, als das Buch „Homosexualität und christlicher Glaube“ erschien. Der Chefarzt der christlichen Klinik Hohe Mark Martin Grabe legte darin seine progressiven sexualethischen Positionen dar. Im Zuge dieser Veröffentlichung bekannten sich gleich mehrere postevangelikale Persönlichkeiten öffentlich dazu, dass sie die klassisch evangelikalen Positionen in Bereich der Sexualethik verlassen haben.

Seither hat sich die Situation dramatisch verändert. Die einstige postevangelikale Zurückhaltung in sexualethischen Fragen hat sich in kürzester Zeit in eine enorme missionarische Dynamik verwandelt. Fast pausenlos erscheinen neue Vorträge, Bücher, Artikel und Podcasts mit dem Ziel, die im landeskirchlichen Umfeld längst vorherrschende progressive Sexualethik auch im freikirchlichen und allianzevangelikalen Umfeld voranzutreiben. Dabei wird das Bild erzeugt: Es sei nur eine Frage der Zeit, bis die alten Positionen überwunden sind und man sich an diesen Konflikt nur noch so kopfschüttelnd erinnere wie an frühere Auseinandersetzungen um die Sklaverei und das Patriarchat. Zudem wird betont: Die Zukunft der Kirche Jesu hänge daran, dass dieser Wandel rasch vollzogen wird. Wer weiterhin die klassischen Positionen vertritt, wird als lieblos, diskriminierend oder gar als „fundamentalistischer Hetzer“ dargestellt, der jedenfalls nicht die Liebe und Gnade Jesu repräsentiert und deshalb dringend umkehren müsse.

Der Wandel betrifft aber nicht nur die Sexualethik. Lange Zeit war es ein aufwändiges Unterfangen, die Differenzen zwischen evangelikaler und postevangelikaler Theologie für jedermann deutlich sichtbar zu machen. Viele Postevangelikale hatten sich bemüht, ihre Theologie in Formulierungen zu kleiden, denen sich auch Evangelikale anschließen können. Das ist heute immer weniger der Fall. Bekannte postevangelikale Vertreter scheuen sich nicht, ihre „liberalen“[4] Positionen sehr offen anzusprechen. Sie bekunden öffentlich ihre Sympathien für Theologen wie Eugen Drewermann, Dorothee Sölle oder Paul Tillich und werben für solche Theologie. Sie unterstützen den stark politisierten Kurs der EKD. Die Distanz zwischen Postevangelikalen und Evangelikalen ähnelt damit zunehmend dem tiefen Graben, der sich im letzten Jahrhundert zwischen der universitären Theologie und den Evangelikalen auftat und der letztlich zum Aufbau vieler evangelikaler (Parallel-)Strukturen und Organisationen führte.

3. Trend: Mehr Theologie, Apologetik und Vernetzung unter Evangelikalen

Der Verlust der Selbstverständlichkeiten sowie die wachsende „missionarische Dynamik“ der Progressiven löst im Umfeld der klassisch Evangelikalen zwei Konsequenzen aus:

Zum einen ist unübersehbar: Immer mehr Leiter im evangelikalen Umfeld bemerken, dass die tragenden und verbindenden theologischen Grundlagen verschwimmen oder „dekonstruiert“ werden. Und sie verstehen: Die Strategie, über strittige Themen einfach den Mantel des Schweigens zu breiten, funktioniert nicht mehr. Wer das versucht, überlässt nur kampflos das Feld den immer „missionarischeren“ progressiven Kräften – mit der Konsequenz, dass das eigene Werk, die Gemeinde oder Gemeinschaft von immer heftigeren Gegensätzen gelähmt oder gar zerrissen wird. Die wachsende Zahl an apologetischen Initiativen (wie z.B. offen.bar, Daniel-Option, Bibelfit oder die Apologetikinitiative) ist auch eine Folge dieser wachsenden Verunsicherung und des steigenden Bedarfs nach Orientierung.

Aber auch immer mehr Pastoren und Leitungsgremien beschäftigen sich mit dem Phänomen der „Dekonstruktion“ und fangen an, sich bei den umkämpften Themen zu positionieren und über zentrale theologische Grundlagen zu lehren. Kurz gesagt: Die Evangelikalen werden wieder theologischer – und dadurch auch sprachfähiger in Bezug auf die Grundlagen ihres Glaubens. Sie lernen wieder mehr, ihre grundlegenden und verbindenden Glaubensschätze zu begründen und offensiv zu vertreten – auch gegen Widerspruch aus den eigenen Reihen. Diese Fähigkeit hat bereits die frühen Kirchenväter ausgezeichnet. Sie war ein wichtiges Element der Reformation. Sie erlebt in unseren Tagen eine Renaissance.

Und noch eine zweite Konsequenz fällt auf: Immer mehr Christen spüren, dass man einander braucht, wenn man prägend wirksam sein möchte. Die Einflüsse von progressiven und postevangelikalen Formaten und Publikationen wirken grenzüberschreitend hinein in alle Gruppen, Bünde und Werke. Dagegen kommt man als Einzelner kaum an. Deshalb wächst die Bereitschaft, zumindest punktuell die eigenen Spezialitäten zurückzustellen. Überkonfessionelle Netzwerke werden gestärkt. Und auch neue Verbindungen und Netzwerke entstehen. Das erlebe ich gerade live vor meinen Augen.

4. Trend: Die Pragmatischen in der Zerreißprobe

Alle diese Trends haben zur Folge, dass die Strategie des pragmatischen Milieus in immer schwierigeres Fahrwasser gerät. Der Verlust der Selbstverständlichkeiten, die zunehmende „missionarische“ Aktivität der Progressiven sowie die wachsenden apologetischen Anstrengungen von Evangelikalen führt das pragmatische Milieu zwangsläufig immer mehr in die Zerreißprobe. Wohin das führen kann, haben die schweren Konflikte und die Spaltung unter den weltweiten Methodisten sowie die historische Spaltung der Anglikaner bereits gezeigt. Die Signale mehren sich, dass wir in den kommenden Jahren mit ähnlichen Entwicklungen auch in Deutschland rechnen müssen.

Dieser Trend ist vor allem für solche Bünde und Werke ein Problem, die bislang versucht haben, Evangelikale und Postevangelikale durch einen pragmatischen Kurs gleichermaßen zu umwerben und einzubinden. Denn zunehmend führen Brückenbauversuche in die eine Richtung gleichzeitig zum Vertrauensverlust in die andere Richtung – und umgekehrt.

Der Kampf um die Deutungshoheit: Wo ist die Mitte der Evangelikalen?

Als Autor kenne ich dieses Phänomen: Um die eigene Position als gesund und ausgewogen darzustellen, grenzt man sich gerne von Randpositionen auf beiden Seiten ab und stellt sich selbst als die ausgewogene Mitte dar. Aber wo ist eigentlich die gesunde und ausgewogene Mitte der evangelikalen Bewegung? In welchem Milieu ist sie am ehesten zu finden?

Die Deutungshoheit zu dieser Frage ist heftig umkämpft. Deutlich wurde mir das in den letzten Jahren vor allem am Umgang mit dem Netzwerk Bibel und Bekenntnis und den beiden Leitern Ulrich Parzany und Rolf Hille. Ohne Frage waren diese beiden Männer zentrale Protagonisten des evangelikalen Aufbruchs in Deutschland in den letzten Jahrzehnten. Kaum jemand hat so viel für Einheit, gemeinsame Evangelisation und Mission getan wie diese beiden. Nicht wenigen „Frommen“ waren sie im letzten Jahrhundert noch eher zu links und zu „offen“ gewesen. Umso erstaunlicher ist es, dass ihr Netzwerk heute oft als der „rechte Rand“ der Evangelikalen dargestellt wird, das eher spaltend statt verbindend wirke. Haben sich diese beiden Männer denn wirklich so verändert?

Ich hatte in den letzten Jahren das Vorrecht, Ulrich Parzany und Rolf Hille aus nächster Nähe persönlich kennen lernen zu dürfen. Ihr tiefer persönlicher Glaube, ihr Humor, ihre Liebe zu den Menschen, ihre ehrliche Sorge um die Kirche Jesu hat mich tief beeindruckt. So manche prominente Christen verlieren eher, wenn man ihnen näherkommt. Bei Rolf Hille und Ulrich Parzany ging es mir genau umgekehrt. Sie wurden für mich mehr denn je zu großen Vorbildern im Glauben.

Deshalb sage ich es mit aller Entschiedenheit: Nein, diese Männer haben sich nicht verändert. Sie stehen bis heute unverändert für dieses klassisch evangelikale Christentum mit großem Vertrauen in die Bibel als Heilige Schrift, mit klarem Fokus auf Jesus Christus und mit einem weiten Herzen für die Vielfalt an (Aus-)Prägungen von Jesusnachfolge in Landes- und Freikirchen. Der Umgang mit ihnen und ihrem Netzwerk beweist vielmehr, wie sehr sich die Position vieler Meinungsmacher im allianzevangelikalen Umfeld zwischenzeitlich verschoben hat. Es war und ist gerade auch das pragmatische Milieu, das Stimmen wie Hille und Parzany heute als störend empfindet, weil sie sich dafür einsetzen, Kurs zu halten und klassisch evangelikale Grundüberzeugungen nicht aufzugeben.

Aber die hier dargestellten Trends zeigen: Diese Situation verändert sich. Die klassisch evangelikale Bewegung, die im letzten Jahrhundert durch Leiter wie Billy Graham, John Stott, Francis Schaeffer und in Deutschland durch Ulrich Parzany, Rolf Hille und andere geprägt wurden, wird gerade jetzt wieder neu gestärkt. Das Bewusstsein wächst, auf welchen Grundlagen diese Bewegung entstanden ist und woran sie festhalten muss, um auch in Zukunft fruchtbar zu bleiben. Diese evangelikale Bewegung ist laut Thorsten Dietz „entgegen allen Erwartungen“ im letzten halben Jahrhundert dynamischer gewachsen ist als jede andere religiöse Gruppe[5]. Es mag sein, dass sie zukünftig noch weniger Wert auf die Bezeichnung „evangelikal“ legt, denn sie will ja letztlich nichts anderes sein als die heutige Konkretion des historisch-„orthodoxen“[6] Christentums, das sich gründet auf die biblische Lehre der Apostel und Propheten. Aber unabhängig von diesem Begriff bin ich überzeugt: Diese Bewegung ist nicht am Ende. Sie steckt nicht in einer Sackgasse. Im Gegenteil: Sie hat ihre beste Zeit noch vor sich. Es ist mir ein Vorrecht, diese Entwicklung miterleben und mitgestalten zu dürfen.


[1] Siehe dazu z.B. die „Stuttgarter Gottesdienst- und Gemeindestudie“ des LIMRIS-Insituts von der Internationalen Hochschule Liebenzell, online unter: https://ihl.eu/wp-content/uploads/2022/09/ihl_limris_broschuere_03_DEF_compressed.pdf

[2] Der Begriff „unfehlbar“ muss genau wie der Begriff „irrtumslos“ genau definiert werden, damit er nicht zu Missverständnissen führt. Siehe dazu z.B. der AiGG-Artikel „Ist die Bibel unfehlbar?“ blog.aigg.de/?p=4212

[3] So beschrieb z.B. der Rektor der Internationalen Hochschule Liebenzell Prof. Volker Gäckle schon im Jahr 2018 die Situation in „pietistischen Gemeinden“ so: „Von gemäßigt liberalen bis hin zu fundamentalistischen Positionen, von radikal reformierten, extrem nüchternen und anticharismatischen bis zu intensiv-pentekostalen und leicht katholisierenden Frömmigkeitsformen kann einem auch in unseren Gemeinden heute alles begegnen.“ Diese Situation sei für Pastoren eine wachsende Belastung und trage zur Krise des Pastorenamts bei. In: „Evangelikale Ausbildungsstätten: Pastorenamt ist in einer Krise“, IDEA 30.11.2018, online unter www.idea.de/spektrum/evangelikale-ausbildungsstaetten-pastorenamt-ist-in-einer-krise 

[4] Der Begriff „liberal“ wird hier nicht im akademischen Sinne sondern als Sammelbegriff für nichtevangelikale Theologie verwendet.

[5] So schreibt Thorsten Dietz in seinem Buch „Menschen mit Mission“: „Warum handelt es sich bei den Evangelikalen heute um die weltweit zweitgrößte christliche Strömung nach dem Katholizismus? Niemand hätte sich das vor 50 oder 60 Jahren träumen lassen. Der Lausanner Kongress wurde in der deutschen Öffentlichkeit nur am Rande registriert. Die meisten (gerade auch in den Kirchen) waren sich sicher: Zukunft kann nur eine Christenheit haben, die sich für die Moderne öffnet, die das aufgeklärte Wahrheitsbewusstsein der Wissenschaften respektiert und eine politisch-gesellschaftliche Kraft für eine bessere Welt wird. Welche Zukunft sollten da schon Grüppchen haben, denen Evangelisation und Mission über alles geht, die im Zweifelsfall lieber der Bibel glauben als der historischen Forschung? Wer wird schon Ewiggestrige ernst nehmen, die sich radikal der sexuellen Liberalisierung der 1960er-Jahre verweigern? Aber entgegen allen Erwartungen ist keine religiöse Gruppe im letzten halben Jahrhundert dynamischer gewachsen als diese.“ (S. 92)

[6] Mit „orthodox“ ist hier nicht die konfessionelle orthodoxe Kirche gemein, sondern die „rechtgläubige“ Christenheit, die festhält an der Lehre der Apostel und Propheten und den zentralen christlichen Bekenntnissen.

6 Wege zur Einheit zwischen Evangelikalen und Postevangelikalen

und warum sie in der Praxis auf Dauer nicht funktionieren (können)

Ist Einheit zwischen Evangelikalen und Postevangelikalen möglich? Fakt ist: Die theologischen Differenzen zwischen Evangelikalen und Postevangelikalen sind oft grundsätzlicher Natur. Sie betreffen den innersten Kern des Evangeliums und die zentralen, verbindenden Merkmale der weltweiten evangelikalen Bewegung.[1] Es ist deshalb nicht überraschend, dass die Ausbreitung postevangelikaler Theologie im allianzevangelikalen Umfeld in der Praxis oft nicht zu fröhlicher Vielfalt führt, sondern eher zu wachsender Entfremdung, zu Streit und Spaltung[2] oder zur schrittweisen Verdrängung evangelikaler Überzeugungen.

Dennoch höre ich seit Jahren: Einheit zwischen Evangelikalen und Postevangelikalen sei trotzdem möglich. Mehr noch: Es sei unsere Pflicht, diese Einheit anzustreben! Die Vorschläge, wie das trotz der grundlegenden Differenzen gelingen soll, klingen immer wieder ähnlich. Die 6 verbreitetsten Vorschläge zum Brückenbau zwischen Evangelikalen und Postevangelikalen beschreibt dieser Artikel. Und er gibt Hinweise, warum sie in der Praxis oft so wenig funktionieren – und warum sie auf Dauer kaum erfolgversprechend sind.

1. Der pragmatische Ansatz: Lasst uns lieber miteinander evangelisieren und Gemeinde bauen, statt über theologische Themen zu streiten!

Dieser Vorschlag packt uns Evangelikale an einer Stelle, an der wir ganz besonders zugänglich sind. Mission, Evangelisation und Gemeindebau war schon immer unser großes Herzensanliegen. Sollte es uns nicht tatsächlich am wichtigsten sein, einfach Menschen gemeinsam für Jesus zu gewinnen? Und hat Jesus uns nicht gelehrt, dass unsere Einheit eine entscheidende Basis für die Glaubwürdigkeit unseres Zeugnisses ist (Johannes 17, 21-23)? Wer von uns wollte schon schuld daran sein, dass Menschen Jesus nicht begegnen, weil wir mit theologischen Debatten beschäftigt sind? Niemand.

Aber das Problem an diesem Vorschlag ist: Wie sollen wir gemeinsam evangelisieren, wenn wir keine gemeinsame Evangeliumsbotschaft haben? Während das stellvertretende Sühneopfer für Evangelikale klar im Zentrum des Evangeliums steht,[3] wird es im Umfeld von liberaler, progressiver und postevangelikaler Theologie weithin bezweifelt, subjektiviert oder offen abgelehnt. Zugleich geht man dort vielfach davon aus: Gott offenbart sich auch in anderen Religionen. Und am Ende zieht er alle Menschen zu sich – unabhängig von ihrem Glauben und ihrer Religion.[4] Ziel von „Mission“ ist daher eher ein Gesinnungswechsel für mehr Mitmenschlichkeit[5] und die Transformation der Gesellschaft statt die rettende Bekehrung und Wiedergeburt der Herzen.[6] Wenig überraschend ist deshalb, dass „die wenigsten innovativen missionarischen Projekte aus dem Bereich der Großkirchen kommen“.[7] Die gähnend leeren Kirchen sind die zwangsläufige Konsequenz. Die evangelische Kirche unterstreicht somit auf traurige Weise: Wer auf die missionarische Praxis fokussiert, ohne dabei die theologischen Grundlagen für diese Praxis hochzuhalten, bei dem geht am Ende beides verloren: Die Praxis und die Einheit.

2. Der christuszentrierte Ansatz: Unsere verbindende Mitte ist kein Dogma sondern die Person Jesus Christus!

Auch dieser Vorschlag klingt für Evangelikale naheliegend. Kein Evangelikaler würde sich dagegen wenden, dass der lebendige, auferstandene Christus die Mitte und das verbindende Haupt der Gemeinde Jesu ist. Unsere Verbindung mit ihm besteht nicht nur in einem rationalen Fürwahrhalten biblischer Lehrsätze. Evangelikale sind überzeugt: Der lebendige Christus ist in unserer Mitte! Im Gebet sind wir ihm nahe. Was könnte uns mehr miteinander verbinden als die gemeinsame Begegnung mit unserem auferstandenen Herrn? Wer will denn mitten in der staunenden Anbetung noch Diskussionen über das richtige Bibelverständnis anfangen? Niemand.

Aber das Problem an diesem Vorschlag ist: Die Theologie hat eine Unzahl an verschiedenen, oft gegensätzlichen Christusbildern hervorgebracht. Verbinden kann uns aber nur der eine lebendige Christus, der tatsächlich existiert. Um verstehen zu können, wer dieser reale Christus wirklich ist, was er lehrt und was er am Kreuz und an Ostern für uns getan hat, haben wir nur genau eine einzige Informationsquelle: Die Bibel. Wenn der Christusbegriff von der biblischen Offenbarung getrennt wird, dann wird er zur Hülse, die jeder beliebig füllen kann – der uns aber nicht mehr miteinander verbindet. In meiner Kirche erlebe ich zudem: Je beliebiger das Bild von Christus wird, umso mehr schläft auch die Anbetung ein. Dann verliert die Kirche ihre Mitte – und damit auch ihre Einheit.

3. Der diplomatische Ansatz: Wir sollten auf die Gemeinsamkeiten statt auf die Differenzen schauen!

Dieser Vorschlag weckt die Hoffnung: Wenn wir uns auf die Dinge konzentrieren, die wir immer noch gemeinsam sagen und bezeugen können, dann werden die Differenzen mit der Zeit immer weniger wichtig. Wenn wir die konfliktträchtigen Themen aus dem Zentrum rücken oder am besten gar nicht ansprechen, dann streiten wir auch nicht. Dann können wir unsere Kraft und Energie für Konstruktiveres einsetzen als für Debatten, die womöglich in Streit und Spaltungen münden. Das klingt gut. Niemand von uns hat Zeit und Kraft für überflüssige Konflikte übrig.

Aber das Problem an diesem Vorschlag ist: Die Differenzen verschwinden nicht, indem wir sie unter den Teppich kehren oder verschleiern durch gemeinsame Begriffe, die wir aber ganz unterschiedlich füllen. Spätestens im (g)rauen Gemeindealltag kommen sie wieder mit voller Wucht auf den Tisch, und zwar spätestens dann, wenn wir uns entscheiden müssen: Trauen wir in unserer Gemeinde gleichgeschlechtliche Paare oder nicht? Geben wir ihnen Leitungsverantwortung oder nicht? Lehren wir unsere Jugendlichen, dass sie ruhig schon vor der Ehe Sex haben können oder nicht? Es sind gerade auch die Progressiven, die bei solchen Themen oft keinerlei Kompromissmöglichkeiten sehen, weil sie sie die konservative Position für lieblos und diskriminierend halten.[8] Und für die theologischen Differenzen zum Evangelium gilt: Wer sie kleinredet oder verschweigt, vermeidet vielleicht den Streit. Aber die Entfremdung findet trotzdem statt. Und jeder Paarberater weiß: Wo nicht mehr gestritten wird, da ist die Ehe tot. Je eher wir uns offen und ehrlich den (potenziellen) Konfliktthemen stellen, umso größer ist die Chance, dass wir belastbare und praxistaugliche gemeinsame Wege zur Einheit finden – oder uns respektvoll und geordnet in Liebe einander loslassen, wenn offenkundig die gemeinsame Grundlage fehlt.

4. Der entwaffnende Ansatz: Wir beziehen uns doch alle auf die Bibel, wir legen sie nur unterschiedlich aus!

Dieser Vorschlag packt uns bei der Tatsache, dass niemand von uns einen absolut objektiven Zugang zur Bibel hat. Jeder liest und versteht die Bibel durch die Brille seiner persönlichen Biografie und Prägung. Wer das leugnet und behauptet, die tatsächliche Aussageabsicht der Bibel durchgängig genau zu kennen, ist entweder naiv oder arrogant. Wir Christen sind zur Demut aufgerufen. Kann ich dem Heiligen Geist nicht zutrauen, dass er anderen Menschen ganz andere Dinge aus der Bibel heraus wichtig macht als mir? Ja, das kann ich.

Aber das Problem an diesem Vorschlag ist: Er ignoriert die entscheidende Frage nach dem Bibelverständnis. Wer dem biblischen Selbstanspruch nicht glauben kann, Offenbarung Gottes und damit höchste Autorität zu sein,[9] nimmt der Bibel ihre Kraft, der Christenheit eine verbindende gemeinsame Grundlage zu geben. Dann gibt es zunehmend nur noch persönliche Wahrheiten (Du hast Deine Wahrheit und ich habe meine Wahrheit), aber immer weniger, was man ganz selbstverständlich miteinander feiern, besingen und bezeugen kann. Luther sprach nicht umsonst davon, dass allein die Schrift herrschen soll. Und er ging von der Klarheit der Schrift aus, das heißt: Für ihn waren die wesentlichen biblischen Aussagen so eindeutig, dass er damit die Lehren seiner Zeit prüfen und ihnen auf biblischer Basis widersprechen konnte. Für ihn war klar: Nur als verlässliche und verständliche Offenbarungsquelle kann die Bibel eine „normierende Norm“ sein und der Kirche Orientierung, Profil und eine feste gemeinsame Hoffnung geben. Auf diese Grund-legende biblische Offenbarungsquelle ist die Kirche Jesu auch heute angewiesen. Es ist deshalb kein Beitrag zur Einheit, den Offenbarungscharakter der Bibel (wie ihn z.B. die evangelische Allianz bekennt[10]) für nebensächlich zu halten.

5. Der seelsorgerliche Ansatz: Wir sollten einander den Glauben glauben!

Dieser Vorschlag packt uns bei einer Warnung, die im Neuen Testament weit verbreitet ist: Richtet und verurteilt einander nicht. Seid nicht hochmütig. Nehmt einander an, wie Christus uns angenommen hat – nämlich als wir noch verirrte Sünder waren. Wir sind alle fehlerhaft und leben aus der unverdienten Gnade Gottes. Ist es nicht lieb- und herzlos, jemand anderem abzusprechen, dass auch er von Herzen Jesus folgen will und die Bibel wirklich so versteht, wie er sie nun einmal versteht? Und schaden wir uns mit dieser Lieblosigkeit nicht auch selbst? Steckt nicht in jedem Hinweis auf falsche Lehre bei Anderen die Versuchung, ein arroganter, unbarmherziger Richter und Machtmensch zu werden? Ja, das ist ohne Zweifel so.

Aber das Problem an diesem Vorschlag ist, dass er zwei völlig verschiedene Ebenen durcheinanderwirft: Die Haltung eines Menschen. Und der Inhalt seiner Botschaft. Niemand von uns hat das Recht, einem Menschen niedere Motive oder einen schlechten Charakter zu unterstellen, weil er Zigaretten raucht. Aber wenn dieser Mensch die These verbreitet, dass Rauchen harmlos sei und nicht süchtig macht, dann müssen wir das richtigstellen – auch wenn er ehrlich überzeugt davon ist. Denn sonst wären wir mitverantwortlich dafür, wenn Andere süchtig und krank werden. Keine Gemeinschaft kann auf Dauer nach dem Motto leben, dass nur die Haltung und nicht der Inhalt zählt – auch nicht die Kirche Jesu. Zwar steht es keinem Menschen zu, sich ein abschließendes Urteil über die Haltung, das Heil und die Motive anderer Menschen zu bilden. Gott allein ist der Richter! Nur er kann in die Herzen schauen. Das entbindet uns aber nicht von der Aufgabe, die Inhalte der Botschaft von anderen Menschen anhand des biblischen Maßstabs zu beurteilen. Das Neue Testament fordert uns auf: Prüft alles! Es lobt Christen, die falsche Lehre zurückweisen.[11] Es ist nicht lieblos, auf inhaltliche Widersprüche zu Gottes Wort und Gebot aufmerksam zu machen, im Gegenteil: Wenn bei uns alles vertreten werden darf, solange man es nur authentisch tut, dann verlieren wir die gemeinsame Grundlage unseres Glaubens.

6. Der Rat des Gamaliel: Wir müssen nichts tun! Mit der Zeit werden sich die Konflikte ganz von selbst beruhigen!

Dieser Vorschlag, der sich an Apostelgeschichte 5, 33-42 orientiert[12], wirkt reif und souverän: Du musst Dich nicht verkämpfen! Gott ist in Kontrolle. Wenn Du recht hast mit Deiner kritischen Einschätzung, dann wird das mit der Zeit am ausbleibenden Segen von selbst sichtbar werden. Also reicht es, wenn Du mit Gott im Gebet darüber sprichst. Die Wahrheit und die Bibel muss nicht verteidigt werden. Das kann sie schon selbst. Dieser Vorschlag wirkt auf mich persönlich besonders attraktiv. Ich bin ein Harmoniemensch. Es kostet mich immer viel Überwindung, Anderen zu widersprechen. Wieviel Zeit und Nerven könnte ich sparen, wenn ich die Entwicklungen einfach Gott überlasse!

Aber das Problem an diesem Vorschlag ist: Er hat kein Fundament, weder in der Bibel noch in der Kirchengeschichte. Quer durch die Bibel kümmert Gott sich nicht einfach selbst um die falschen Lehren, Lehrer und Propheten. Immer wieder schickt er Menschen, um ihnen zu widersprechen. So schreibt Paulus an Timotheus: „Verkündige das Wort ‹Gottes›! Tritt dafür ein, ob es den Leuten passt oder nicht. Rede ihnen ins Gewissen, warne und ermahne sie! Verliere dabei aber nicht die Geduld und unterweise sie gründlich! Denn es wird eine Zeit kommen, da werden sie die gesunde Lehre unerträglich finden und sich Lehrer nach ihrem Geschmack aussuchen, die ihnen nur das sagen, was sie gern hören wollen.“ (2. Tim. 4, 2-3) Von Zurückhaltung keine Spur. Paulus scheut sich nicht einmal, dem Kirchenleiter Petrus öffentlich zu widersprechen, wenn dieser sich nicht evangeliumsgemäß verhält. Auch die frühen Kirchenleiter mussten intensiv gegen falsche Lehre vorgehen. Es hätte keine Reformation gegeben, wenn Luther nicht so klar und pointiert gegen falsche Lehre aufgetreten wäre. Die Kirchengeschichte zeigt zudem: Falsche Lehren verschwinden nicht einfach von selbst. Sie haben sich oft jahrhundertelang gehalten, zahllose Menschen irregeführt und ganze Werke und Denominationen zerstört. Die gemeinsame, verbindende Lehrgrundlage der Kirche war schon immer umkämpft. Sie musste zu allen Zeiten gegen Widerspruch verteidigt werden. Auch heute noch brauchen wir den Mut, falsche Lehre im geeigneten Rahmen öffentlich anzusprechen – liebevoll, demütig, differenziert, informiert und klug, aber so klar, dass Menschen und Gemeinden sich orientieren können. Nur so können wir die gemeinsame Grundlage unseres Glaubens und unserer Einheit bewahren.

Das Grundproblem: Einheit auf Kosten der Wahrheit zerstört die Einheit

Letztlich haben alle sechs Vorschläge das gleiche Problem: Unsere bisher verbindlichen und damit verbindenden Glaubensfundamente gelten nicht mehr objektiv für alle, sondern sie werden zu randständigen und subjektiven Wahrheiten herabgestuft. Die „Einheit“, die man auf diese Weise gewinnen kann, muss folglich auf andere Faktoren als das gemeinsame Bekenntnis setzen: Gemeinsame Traditionen, gemeinsame Frömmigkeitsformen, gemeinsames Vokabular und gemeinsame Institutionen. Tatsächlich können evangelikal geprägte Formate (Gemeinden, Bünde, Werke, Kongresse, Medien, Ausbildungsstätten …) durchaus lange davon zehren, dass man zusammen die gleichen Lieder singt, die gewohnten Begriffe benutzt und sich in langjährig gewachsenen Institutionen und Veranstaltungen trifft. Das Problem ist nur: Brücken ohne gemeinsame Bekenntnisgrundlage haben ein eingebautes Verfallsdatum. Denn früher oder später wirkt sich die unterschiedliche Theologie auch auf die Formen, die Lieder, die Strukturen und das Vokabular aus (man denke nur an die Gendersprache[13]). Und dann gibt es gar keine gemeinsame Grundlage mehr.

Und was noch schlimmer ist: Brücken ohne gemeinsame Bekenntnisgrundlage senden das Signal, dass die Bekenntnisse für uns nicht verbindlich sind. Das zerstört die Vertrauensgrundlage für die Einheit mit all den Gruppen, mit denen wir auch bisher schon ausschließlich durch das gemeinsame Bekenntnis verbunden waren.Gerade das ist ja das zentrale Erfolgsgeheimnis der Evangelikalen: Sie bilden eine weltweite und kulturübergreifende Bewegung, obwohl sie über kein gemeinsames Lehramt, keine gemeinsamen Traditionen, Institutionen, Prägungen und Strukturen verfügen. Diese einzigartige Einheit in Vielfalt kann nicht bestehen, wenn die verbindenden Bekenntnisgrundlagen zerfallen, die sich aus den zentralen und klaren Aussagen der Heiligen Schrift ergeben.[14] Brückenbau über Bekenntnisgrenzen hinweg führt also immer dazu, dass zugleich bestehende Brücken geschwächt oder eingerissen werden. Wir sollten deshalb aufhören, solche Bestrebungen als Brückenbau zu feiern. Echter Brückenbau und echter Einsatz für Einheit in Vielfalt muss immer auch die Stärkung und Verteidigung unserer verbindlichen und verbindenden Bekenntnisgrundlagen beinhalten. Ansonsten kaschieren wir nur unsere Probleme, die dann im Hintergrund umso ungehinderter wuchern können.

Warum Haltung trotzdem wichtig ist

Obwohl ich diese 6 Vorschläge also für wenig zielführend halte, erkenne ich in ihnen trotzdem wichtige Wahrheiten, die wir unbedingt bedenken sollten:

  1. Eine Theologie, die nicht in eine gesunde Praxis führt, ist offenkundig ungesund.
  2. Ein rationales Fürwahrhalten von Dogmen ohne die gelebte Liebe zum lebendigen Christus führt nicht zu echter Herzenseinheit.
  3. Gelassenheit und Weite bei Rand-, Kultur- und Prägungsfragen ist eine ebenso wichtige Tugend wie die Wahrung unserer verbindenden Bekenntnisgrundlagen.
  4. Unsere Bibelauslegung bleibt fehlerhaft und unvollständig. Deshalb bleiben wir angewiesen auf die große Auslegungsgemeinschaft der historischen und weltweiten Kirche.
  5. Die Liebe glaubt und hofft immer (1. Kor. 13,7). In einer von Misstrauen und Skepsis geprägten Kultur kann nichts Gutes gedeihen.
  6. Bei allem aktiven Einsatz für eine gesunde Kirche brauchen wir zugleich die Gelassenheit, dass am Ende Gott selbst das allein Entscheidende tut.

Wir dürfen niemals vergessen: Widerspruch gegen falsche Lehre beinhaltet immer auch eine große Versuchung: So leicht fangen wir an, uns innerlich über andere zu stellen. So schnell bauen wir uns eine Identität aus dem Rechthaben, statt unseren Wert in Christus zu haben. So leicht lassen wir es zu, dass Widerspruch uns zynisch, verurteilend und bitter macht. Debatten und Konflikte sind manchmal notwendig. Aber es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, unser Herz dabei rein, weich und korrigierbar zu halten. Nicht selten verstecken sich ganz menschliche Abgründe hinter theologischem Streit. Gesunde Lehre muss eingebettet sein in einen Lebensstil des Gebets, in die gelebte Liebesbeziehung zu Jesus Christus, in eine echte Liebe zu den Menschen, egal ob sie uns zustimmen oder nicht.

Auf dem Weg zur Einheit, für die Jesus gebetet hat, haben wir alle noch viel zu lernen. Lasst uns gemeinsam beides tun: Die gesunde, verbindende Lehrgrundlage der Kirche Jesu hochhalten – und zugleich herunterkommen vom hohen Ross unserer Selbstgerechtigkeit. Unsere Hoffnung ist und bleibt Christus allein. Denn Einheit können wir nicht machen. Er selbst ist es, der die Glieder seines Leibes miteinander verbindet (Eph. 4, 15-16), durch sein Wort und seinen Geist. Ich sehne mich so sehr danach, dass diese christusgewirkte Einheit wächst – und dadurch ein Stück Himmelreich auf Erden sichtbar wird.


Fußnoten:

[1] Die 4 zentralen und verbindenden Merkmale der evangelikalen Bewegung sind gemäß dem Historiker D. Bebbington: Die Betonung der völligen Vertrauenswürdigkeit der Bibel, die Zentralität des Versöhnungswerks Christi am Kreuz durch seinen stellvertretenden Opfertod, die Notwendigkeit einer persönlichen Bekehrung und der aktive Einsatz aller Christen für die Ausbreitung des Evangeliums. Alle diese Merkmale werden im postevangelikal/progressiven Umfeld hinterfragt oder offen abgelehnt: Die Autorität der Schrift (blog.aigg.de/?p=6707), der stellvertretende Opfertod Jesu (blog.aigg.de/?p=3887), die Notwendigkeit der Bekehrung (siehe Fußnote 4), und der Einsatz für Mission (siehe die Fußnoten 5 und 6).

[2] So schreibt z.B. Ulrich Eggers in der Zeitschrift AUFATMEN: „Wir alle merken: Gemeinsam – das fällt in diesen Zeiten, in denen sich viele gewachsene Traditionen auflösen, selbst Einheits- oder Allianz-gewillten Christen zunehmend schwer! … Zunehmend zieht Misstrauen und Entfremdung ein, bedroht Einheit – und damit auch die gemeinsame Arbeitsplattform für missionarische Bewegung.“

[3] So bekennt z.B. die deutsche evangelische Allianz in ihrer Glaubensbasis: „Jesus Christus, der Mensch gewordene Sohn Gottes, ist stellvertretend für alle Menschen gestorben. Sein Opfertod allein ist die Grundlage für die Vergebung von Schuld, für die Befreiung von der Macht der Sünde und für den Freispruch in Gottes Gericht.“

[4] So schreibt z.B. Rolf Krüger, der ehemalige Leiter von jesus.de: „Gott wird nach dem Tod keine Bestrafung vornehmen … Wenn aber niemand vor Gott gerettet werden muss, sondern die Menschheit nur vor sich selbst, wenn es darum geht, dass Gott uns zu einem Lebensstil der Liebe und Versöhnung ruft, dann ist das Einmischen in die Politik sogar ein zentrales Element von Mission … Oder der Dialog mit anderen Religionen: Wenn ein Mensch Christ werden muss, um die Ewigkeit glücklich zu verbringen, können Moslems, Buddhisten oder Atheisten nicht einfach solche bleiben. Mission ist in diesem Fall erst mit einem Religionswechsel ein Erfolg. Im anderen Fall ist der nicht nötig, denn es geht um die Idee, für die Jesus steht … Ziel von Mission ist dann nicht ein Religionswechsel, sondern ein Gesinnungswechsel.“ In: „Der Elefant im christlichen Raum“, 15.1.2018, www.aufnkaffee.net/2018/01/der-elefant-im-christlichen-raum

[5] So äußert der Postevangelikale Torsten Hebel im „Hossa-Talk“: „Ich glaube, dass alle Menschen bei Gott sind. Das glaube ich. Und deshalb macht es für mich auch keinen Sinn zu bekehren. Aber ich glaube auch, dass es in der Diesseitigkeit einen Riesenunterschied macht: Wofür setzt du dein Leben ein? … Und da sehe ich Bekehrung, also diese Umkehr hin zu dem anderen, diese Hinwendung, Mensch zu werden, wie es eigentlich gedacht war, – das empfinde ich schon als eine Art Bekehrung. Wenn das dann dazu dient, bin ich der erste, der wieder zur Bekehrung aufruft.“ In: Ex-Evangelisten unter sich. Hossa Talk Nr. 5, 11.1.2015, https://hossa-talk.de/hossa-talk-5-ex-evangelisten-unter-sich-mit-t-hebel/, ab 51:50.

[6] Siehe dazu der AiGG-Artikel „Transformation – Eine Aufgabe der Kirche?“ (blog.aigg.de/?p=5699), eine Rezension zum „Handbuch Transformation“, herausgegeben von Tobias Faix und Tobias Künkler, 2021, Neukirchener

[7] In: „Mission Zukunft“, SCM 2018, S. 292

[8] So sagt z.B. Thorsten Dietz im Podcast „Karte und Gebiet“ Folge 24 „Live auf dem Kirchentag“ ab 36:50: Einheit in Vielfalt oder auch versöhnte Verschiedenheit „sind aber Dinge, die gehen ja nicht überall. Also nehmen wir „Ehe für alle“: Man kann in einer Gemeinde nicht Betroffenen zumuten, hier ‚Komm zum Gottesdienst‘ und die einen werden dich umarmen und sagen: Schön, dass Du da bist. Und die anderen werden sagen: Guten Morgen, aber Sünde ist es doch. Das ist irgendwie ein bisschen doof. Das wäre ein Kompromiss und versöhnte Verschiedenheit auf Kosten von Betroffenen.“ Dietz schlägt deshalb vor, im Rahmen eines „good disagreement“ „verschiedene Wege“ zu gehen, die „unterschiedliche Räume vorhalten“, so dass „safe places“ für alle da sind.

[9] Siehe dazu den AiGG-Artikel: Das biblische Bibelverständnis: https://blog.aigg.de/?p=5853

[10] So heißt es in der Glaubensbasis der EAD: „Die Bibel… ist Offenbarung des dreieinen Gottes.“

[11]  Röm.12,2; 16,17; 1.Thess. 5,21; 1.Joh. 4,1; 2.Joh.1,10; Offenbarung 2,2

[12] Die fragwürdige Argumentation und die historische Wirkungsgeschichte rund um den „Rat des Gamaliel“ wird aufschlussreich dargestellt im äußerst empfehlenswerten Artikel: „Die Gamaliel-Strategie“ von Peter Bruderer (danieloption.ch/featured/die-gamaliel-strategie/) im Blog Daniel-Option, 2023

[13] Warum ich mich gerade auch als Christ niemals an diesen Eingriffen in die Sprache beteiligen kann, erläutert einer der meistgelesenen AiGG-Artikel: blog.aigg.de/?p=6323

[14] Dass das apostolische Glaubensbekenntnis schon für die frühen Kirchenväter letztlich nichts anderes war als ein Extrakt aus den zentralen und eindeutigen biblischen Botschaften, weist Christian Haslebacher nach in seinem sehr empfehlenswerten Artikel „Plädoyer für das Apostolische Glaubensbekenntnis – den zeitlosen Klassiker“ (https://danieloption.ch/featured/plaedoyer-fuer-das-apostolische-glaubensbekenntnis-den-zeitlosen-klassiker/ ) im Blog Daniel-Option, 2021.