Das Manifest (8): Auch wenn die Antithesen populärer sind – bitte predigt genau dieses Evangelium!

Wenn man den 7 Thesen des Römerbriefs ihre Antithesen gegenüberstellt, ergibt sich ein verblüffend aktuelles Bild:

These des Römerbriefs Antithese
Es gibt Wahrheit und Irrtum. Nur der Glaube an die Wahrheit rettet! Jeder kann nach seiner Façon selig werden. Wahrheit ist subjektiv. Wer allgemeingültige Wahrheiten vertritt, ist intolerant.
Die Schöpfung beweist, dass es einen Schöpfer gibt, der unsere Verehrung verdient! Es gibt keinen Schöpfer, dem wir Ehre schulden. Die Welt ist durch ziellose Prozesse von selbst entstanden.
Es kommt ein Tag, an dem alles noch einmal auf den Tisch kommt! Der Mensch ist autonom und muss sich vor niemand rechtfertigen.
Wir selbst sind der Kern unserer Probleme! Der Mensch ist im Kern gut. Wenn wir die Ungerechtigkeiten beseitigen, werden wir auch gut miteinander umgehen.
Wir können uns nicht selbst erlösen. Allein aus Gnade werden wir gerettet! Wir sind in Ordnung, wie wir sind, und auch Gott findet uns gut, wenn wir uns moralisch verhalten.
Wir brauchen Erneuerung statt Veränderung! Wir können und sollen uns selbst und die Welt verändern.
Jesus ist Herr! Freiheit und Gehorsam gehören zusammen! Wir sind frei, um uns selbst zu finden und zu verwirklichen.

Diese Tabelle finde ich aus zwei Gründen spannend:

Erstens zeigt sich: Die gute Nachricht, die Paulus damals so viel Widerstand einbrachte, ist seither nicht populärer geworden. Auch heute noch steht sie so ziemlich gegen alles, was in unserer Gesellschaft scheinbar normaler Mainstream ist. Die Botschaft von Paulus ist noch immer eine Torheit und ein Ärgernis (1.Kor.1,23).

Zweitens frage ich mich beim Lesen dieser Tabelle: Wird in unseren Kirchen und Gemeinden wirklich das paulinische Evangelium gepredigt? Konkret gefragt:

  • Sprechen wir über Wahrheit und Irrtum? Oder wollen wir niemand in Bezug auf seine persönlichen religiösen Vorstellungen auf die Füße treten?
  • Stehen wir dazu, dass die Welt von Gott geschaffen ist? Oder stimmen wir mit ein, dass die Geschöpfe Produkte von Evolution, Zufall und natürlicher Auslese sind, um nicht als unwissenschaftlich zu gelten?
  • Sprechen wir darüber, dass wir Menschen so tief in Sünde verstrickt sind, dass Gott uns im Gericht verurteilen muss? Machen wir deutlich, dass wir uns aus diesem Zustand nicht selbst retten können und deshalb aus Gnade gerettet und neu geboren werden müssen?
  • Rufen wir dazu auf, vor Jesus die Knie zu beugen und ihn zum Herrn unseres Lebens zu machen? Oder geht es uns letztlich um (fromme) Selbstbestätigung, Selbstverwirklichung und die Befriedigung unserer Bedürfnisse?

Wie auch immer unsere Praxis aussieht – ich habe eine dringende Bitte an unsere Gemeinde- und Kirchenleiter, Verkündiger und Theologen:

Predigt bitte genau dieses Evangelium, das Paulus gepredigt hat!

Ich bin überzeugt, dass ihr feststellen werdet: Die Kirchen leeren sich nicht, weil dieses Evangelium provokant, kantig und anstößig ist. Im Gegenteil: Die Kirchen leeren sich immer dann, wenn wir uns von diesem Evangelium entfernen.

Das absolut erstaunliche ist ja: Obwohl dieses Evangelium offenkundig noch nie dem Zeitgeist entsprochen hat, ist es trotzdem die erfolgreichste Botschaft aller Zeiten. Es war dieses Evangelium, das einst das menschenverachtende römische Reich trotz massivster Widerstände überwunden und die Welt vollkommen umgekrempelt hat. Es ist dieses Evangelium, das bis heute alle Kulturen erreicht, durchdringt und verändert, obwohl es bis heute oft verfolgt und unterdrückt wird.

Dieses Evangelium hat rettende, heilende, befreiende und erneuernde Kraft. Dieses Evangelium ist der größte Schatz, den die Kirche Jesu hat. Wir sollten alles tun, um diesen Schatz gemeinsam zu hüten und ihn leidenschaftlich der Welt zu präsentieren.


Übersicht und Einleitung: 7 fundamentale Thesen des Römerbriefs

Maleachi: Das teure Evangelium

Was ist eigentlich „das Evangelium“? Das erstaunliche ist: Es ist so simpel, dass man es in einem kurzen Satz zusammenfassen kann:

„So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen sondern das ewige Leben haben.“ (Johannes 3, 16)

Doch um sich der Größe und Tiefe dieser Botschaft zu nähern, braucht man die komplette Bibel – und man lernt dabei sein Leben lang nicht aus.

Wichtig ist dabei gerade auch das Alte Testament, denn es bildet den notwendigen Hintergrund, vor dem das Evangelium erst seine Strahlkraft und seinen revolutionären Charakter gewinnt. Ohne diesen Hintergrund verkommt es zum billigen Abklatsch. Besonders deutlich wird das im letzten Buch des Alten Testaments: Die Schrift des Propheten Maleachi liest sich wie ein Fazit des Alten Bundes und wie ein Cliffhanger, der dem Evangelium den Boden bereitet. Deshalb lohnt es sich, intensiv das Bild zu betrachten, das der Prophet Maleachi vom Menschen und seinem Verhalten zeichnet.

Das Buch Maleachi: 5 Ansagen von einem genervten Gott?

Wenn jemand genervt ist, dann lässt das meist tief blicken. Unmut legt tiefe emotionale Schichten frei. Bei den Ansprachen Gottes im Buch Maleachi gewinnt man fast den Eindruck: Gott ist genervt. Er lässt seinem Unmut freien Lauf – und er erlaubt uns dadurch einen tiefen Blick in sein Herz und in die Abgründe unseres menschlichen Daseins.

5 Punkte wirft Gott dem Volk Israel vor:

  1. „Ihr verachtet mich.“ (1,6)
  2. „Ihr jammert.“ (2,13)
  3. „Ihr werdet lästig.“ (2, 17)
  4. „Ihr habt mich betrogen.“ (3,8)
  5. „Ihr habt mich beleidigt.“ (3,13)

Ganz schön harter Tobak! Aber was steckt hinter diesen Vorwürfen? Da Gott mit dieser Rückfrage rechnet, stellt er sie bei jedem Vorwurf immer gleich selbst. Bei den Antworten wird es dann so richtig interessant…

„Ihr verachtet mich“: Pseudoopfer und Verfälschung von Gottes Botschaft

Gott bemängelt, dass die Menschen ihm Opfertiere bringen, die krank und verletzt sind – und deshalb ohnehin geschlachtet werden müssten. Ein Pseudoopfer also. Entlarvend ist Vers 8: „Bringt doch einmal eurem Statthalter solche Gaben! Wird er euch dann etwa noch freundlich und wohlwollend begegnen?“ Ein herausfordernder Vergleich, der sagt: Ihr habt faktisch vor Gott weniger Respekt als vor Menschen. Da frage ich mich: Wie ist das mit mir und meinem Gottes-Dienst? Was fürchte ich mehr: Das Urteil von Menschen oder von Gott? Und wie viel Zeit und Aufmerksamkeit schenke ich Gott? Gebe ich ihm die beste Zeit meines Tages oder schiebe ich ihn – wenn überhaupt – irgendwo rein, wenn ich sowieso gerade „tote Zeit“ überbrücken muss? Was würde mein Partner oder ein guter Freund sagen, wenn wir ihm so viel (oder wenig) Aufmerksamkeit schenken würden?

Den Vorwurf der Verachtung richtet Gott aber vor allem auch an geistliche Leiter. Respektvoll wäre es, Gottes Botschaft unverfälscht weiter zu geben (2,6). Predigt heißt in Gottes Augen, ein „Bote des Herrn, des Allmächtigen“ zu sein (2,7)! Damals wusste jeder: Wehe dem königlichen Boten, wenn er die Botschaft des Königs verfälscht, um den Menschen nach dem Mund zu reden (2,9). Was für eine eindringliche Warnung an alle Verkündiger! Es ist in Gottes Augen eben kein Kavaliersdelikt, etwas anderes zu predigen als das, was Gottes Wort lehrt und verkündigt.

„Ihr jammert“: Ausbleibende Gebetserhörung wegen seelischer Gewalt

Gott gibt offen zu, dass er den Gottesdienst Israels nicht erhört: „Ihr weint und jammert, weil er von euren Opfern nichts wissen will.“ (2,13b) Warum ist Gott da so ablehnend? Die Begründung ist hochaktuell:

„Weil der Herr Zeuge war zwischen dir und der Frau deiner Jugend. Doch du bliebst ihr nicht treu, obwohl sie deine Lebensgefährtin war, mit der du den Bund geschlossen hast. … Hüte dich deshalb bei deinem Leben und brich der Frau deiner Jugend nicht die Treue. „Denn ich hasse die Scheidung!“, spricht der Herr, der Gott Israels. „Das ist, als ob man sich eines Gewaltverbrechens schuldig macht.“ (2,14-16)

Viele Menschen tun sich heute schwer mit der Vorstellung von einem zornigen Gott. Ich frage mich: Haben sich diese Menschen je in Gottes Position versetzt? In der damaligen Gesellschaft war es ein existenzielles Drama für eine Frau, von ihrem Mann verlassen zu werden. Zur menschlichen Demütigung kam die blanke existenzielle Not. Kein Wunder, dass Gott hier Scheidung mit einem Gewaltverbrechen gleichsetzt. Wie könnte ein Gott der Liebe nicht zornig werden, wenn seine geliebten Geschöpfe so grausam behandelt werden?

Gottes Worte müssten uns Menschen des 21. Jahrhunderts, in dem Scheidung eine Normalität zu sein scheint, eigentlich in den Ohren klingeln: „Ich. hasse. Scheidung.“ Punkt. Und zwar nicht weil Gott ein Moralapostel ist. Sondern wegen der psychischen Gewalt gegenüber einem verlassenen, entwurzelten Partner und – noch schlimmer – gegenüber entwurzelten und gespaltenen Kindern. Gott fühlt den Schmerz der Verlassenen und Verstoßenen. Wir dürfen uns nicht wundern, wenn er dann von unserem Gottesdienst nichts wissen will.

„Ihr werdet lästig“: Ignoranz gegenüber Gottes Perspektive

Als ob das nicht schlimm genug wäre, setzen die Menschen aber noch eins drauf und behaupten: „Der Herr freut sich an Menschen, die Böses tun und hat Gefallen an ihnen. Oder: Wo ist denn der Gott, der richtet?“ (3, 17) Das klingt zunächst komisch. Wer sagt denn so etwas? Aber mal ehrlich: Ist das nicht auch bei uns heute gang und gäbe? Menschen haben ihren Partner verlassen, weil sie sich in jemand anderes verliebt haben. Aber wir sprechen ihnen trotzdem Gottes Segen zu. Dass Gott vielleicht auch ein zorniger Richter sein könnte, kommt uns nicht einmal in den Sinn.

Ich höre förmlich den Widerspruch: Niemand darf Andere verurteilen! Wer bist Du, dass Du über andere, deren Lebensmodell gescheitert ist, den Stab brichst? Ja, das stimmt, das darf ich nicht. Ich bin nicht der Richter. Über niemanden. Erst recht, weil das Leben wirklich komplex ist. Und schließlich ist niemand fehlerfrei, ich zuletzt. Ich kenne Fälle, in denen Scheidung tatsächlich unumgänglich und not-wendend war. Aber solche Ausnahmen ändern nichts daran, dass wir uns Gottes Wort stellen müssen: Er spürt den Schmerz der Verlassenen und Verstoßenen. Er empfindet Untreue als Gewalt. Jeder der von einem ihm wichtigen Menschen verlassen und fallen gelassen wurde weiß, dass Gott damit absolut recht hat. Und so wenig wir über andere richten dürfen, so wenig steht es uns zu, Gott verfügbar zu machen und seinen Segen vorschnell zu verteilen, wo Gott in Wahrheit zornig ist statt zu segnen.

„Ihr habt mich betrogen“: Fehlendes Vertrauen in Gottes Versorgung

Und dann geht es Gott auch noch um das liebe Geld. Gott fühlt sich betrogen, weil die Israeliten nicht den Zehnten von ihrem Besitz abgeben. Gottes Worte dazu sind bemerkenswert:

„Stellt mich doch damit auf die Probe“, spricht der allmächtige Herr, „ob ich nicht die Fenster des Himmels für euch öffnen und euch mit unzähligen Segnungen überschütten werde!“ (3,10b)

Mit anderen Worten: Versucht es doch einmal, mir zu vertrauen! Testet mich! Gott wünscht sich nicht gezwungenen Gehorsam. Er wünscht sich Vertrauen. Ein Vertrauen, das er segnen und belohnen kann, für das er uns beschenken und mit Gutem überschütten kann. Der Ungehorsam, der Gott beleidigt, ist die direkte Folge von fehlendem Vertrauen in Gottes überbordende Großzügigkeit.

„Ihr habt mich beleidigt“: Fehlendes Vertrauen in Gottes Gerechtigkeit

Gottes Gericht kommt. Er wird Gerechtigkeit herstellen. Es beleidigt Gott, das in Abrede zu stellen: „Ihr sagt: Welchen Wert hat es, Gott zu dienen? … Den Gottlosen geht es viel besser.“ (3,14a+15a) Stimmt. Gottes Geduld führt zum Glück dazu, dass nicht auf jedes Vergehen sofort Strafe folgt. Von dieser Geduld Gottes leben wir alle. Trotzdem ist es Gott ein großes Anliegen, in Bezug auf „alle, die Ehrfurcht vor ihm hatten und seinen Namen achteten“ klar zu stellen:

„An dem Tag, an dem ich handle, werden sie mir gehören“, spricht der allmächtige Herr. „Ich werde sie verschonen, wie ein Vater sein Kind verschont, das ihn achtet. Dann werdet ihr den Unterschied zwischen den Gerechten und den Gottlosen, zwischen denen, die Gott dienen, und denen, die dies nicht tun, erkennen.“ (3,16b-18)

Es gibt keinen Schwamm-drüber-Gott. Von diesem postmodernen Mythos sollten wir uns schnellstens und gründlich verabschieden Alles, was wir tun, alle unsere Entscheidungen haben Konsequenzen. Es kommt alles noch einmal auf den Tisch. Aber es gibt Gnade und Vergebung, für alle, die ihn achten und ihm vertrauen. Das ist Evangelium!

Reinigung und Umkehr kommt vor dem Kommen Gottes

Christen beten: „Dein Reich komme!“ Sie sehnen sich nach dem Anbruch von Gottes Friedensreich. Das Buch Maleachi macht deutlich: Das Reich Gottes kommt – aber nicht einfach so. Es bricht nicht ohne eine vorherige Reinigung an:

„Siehe! Ich sende meinen Boten, damit er mir den Weg ebnet. … Bevor der große und schreckliche Tag des Herrn kommt, sende ich euch den Propheten Elia. Er wird die Herzen der Väter ihren Kindern und die Herzen der Kinder ihren Vätern zuwenden, damit ich bei meinem Kommen nicht das Land vernichten muss.“ (3,1+23-24)

Auch diese Botschaft zieht sich quer durch die Bibel: Gottes Heiligkeit und unsere Sündhaftigkeit sind vollkommen inkompatibel. Wir sündigen Menschen sterben und vergehen in Gottes heiliger Gegenwart. Wenn Gott kommt, dann ist das deshalb nicht einfach nur schön und nett. Sein Erscheinen führt zu einer „schrecklichen“ Konfrontation zwischen seiner Heiligkeit und unserer Sünde. Deshalb muss Sünde, Ungerechtigkeit und das Böse zurückgedrängt werden, bevor Gott unter den Menschen wohnen kann. Sonst würde Gottes Kommen in einem vernichtenden Gericht enden.

Genau das war der Auftrag von Johannes, dem Täufer, der hier angekündigt wird. Er rief die Menschen zur Umkehr. Es ging ihm dabei nicht nur um die formale Einhaltung frommer Regeln sondern ganz praktisch um ein Leben in Wahrheit und Gerechtigkeit sowie um das praktische Gelingen des menschlichen Miteinanders (nachzulesen in Lukas 3, 10-14). Und das erste, worauf Gott hierbei ganz offenkundig schaut, ist die Frage, ob Eltern ihre Kinder lieben und umgekehrt. Das zeigt Gottes Sichtweise: Wenn nicht einmal die allergrundlegendste menschliche Verbindung von Eltern und Kindern funktioniert, dann ist menschliches und gesellschaftliches Miteinander im Kern gescheitert.

Gerade diese Schwerpunktsetzung des liebevollen Miteinanders von Eltern und Kindern, das Gott im letzten Satz des Alten Testaments so prominent in den Mittelpunkt stellt, sollte uns eigentlich heute ganz besonders erschüttern. Leben wir doch in einer Gesellschaft, in der…

Menschen Preise dafür bekommen, dass sie Müttern helfen, ihre ungeborenen Kinder zu töten.

… selbst bekannte kirchliche Vertreter fordern, dass Werbung für Abtreibung legalisiert werden soll.

… auch bekannte christliche Redner die menschenverachtende These vertreten, dass das menschliche Leben erst mit dem ersten Atemzug beginnen würde, was – konsequent zu Ende gedacht – bedeuten würde, dass man Kinder im Mutterleib bis kurz vor der Geburt töten kann.

… immer mehr Kinder schon Wochen nach der Geburt in Fremdbetreuung gegeben wird, obwohl wir immer wieder von Fachleuten gesagt bekommen, wie schädlich das ist.

Mütter regelrecht gemobbt werden, wenn sie sich selbst um ihre Kinder kümmern wollen.

offen davon geträumt wird, biologische Elternschaft am besten ganz abzuschaffen.

Aber genau hier beginnt Gottes Heilsmission: Die Liebe in der Familie, die Liebe zwischen Kindern und Eltern ist Gott im wahrsten Sinne des Wortes heilig. Offenkundig ist die Familie in Gottes Augen die Keimzelle der Liebe. Von hier aus kann sie sich in die ganze Gesellschaft hinein heilsam ausbreiten. Aber wenn die Liebe in der Familie stirbt, dann wird auch die Gesellschaft kalt. Kein Wunder, dass Familie schon immer ein ganz besonders umkämpfter Bereich war.

Das Buch Maleachi zeigt: Wir Menschen schaffen es nicht!

Das Buch Maleachi zieht am Ende des Alten Testaments ein eindeutiges Fazit: Ihr Menschen schafft es nicht aus eigener Kraft! Eure menschengemachten Gottesdienste sind oberflächlich. Ihr verfälscht meine Botschaft, weil ihr lieber den Menschen nach dem Mund redet. Ihr wollt, dass ich Gebete erhöre, obwohl ihr gleichzeitig gewalttätig mit Schwächeren umgeht. Und ihr behauptet auch noch, ich würde das gutheißen. Ihr seid nicht in der Lage, mir und meiner Großzügigkeit zu vertrauen. Und ihr bezweifelt, dass ich am Ende Gerechtigkeit herstellen werde. Ja: Ihr schafft es nicht einmal, innerhalb eurer Familien liebevolle Beziehungen zu leben. Ihr Menschen seid gescheitert. Ihr könnt euch nicht selbst helfen. Deshalb komme ich, um euch zu retten aus eurer Verlorenheit.

Diese Botschaft gilt noch heute. Sie ist die Basis und das notwendige Hintergrundbild für das Evangelium von der Erlösung. Die Beispiele, die Maleachi verwendet, sind allesamt so hochaktuell, dass sie uns zeigen sollten: Die aufgeklärte Gesellschaft des 21. Jahrhunderts ist nicht besser als das Israel aus der Zeit des alten Bundes. Das Wesen des Menschen hat sich nicht verändert. Deshalb leuchtet das Evangelium auch heute noch genauso hell, wenn wir begreifen, wie dunkel unsere Verlorenheit ohne Gott ist. Der Umstand, dass wir heute so wenig vom Jubel der Erlösten in der Kirche hören, hat entscheidend damit zu tun, dass wir so oft ausblenden, wie groß unser menschliches Versagen ist und wie erlösungsbedürftig wir tatsächlich sind. Wer das Alte Testament und das Buch Maleachi nicht im Blick hat, kann das Evangelium nur falsch verstehen.

Ein teures Evangelium statt billiger Gnade

Dietrich Bonhoeffer hat den Begriff von der „billigen Gnade“ geprägt. Billige Gnade ist „Predigt der Vergebung ohne Buße, … Gnade ohne Nachfolge, Gnade ohne Kreuz.“ Billige Gnade heißt: Wir glauben, von Gott getätschelt zu werden, während wir trotzdem unser eigener Herr bleiben und weitermachen wie wir wollen. Die Bibel kennt keine derartige Botschaft. Sie predigt ein teures Evangelium, das uns unseren Stolz und unseren Eigensinn kostet, das uns zum Kreuz führt, wo unser alter Mensch mit Christus sterben darf, damit Gott unser steinernes Herz durch ein geisterfülltes fleischernes Herz ersetzen kann. Ein billiges Evangelium, das die Hintergrundbotschaft des Alten Testaments verschweigt, ist deshalb ein anderes, ein falsches, ein banalisiertes, belangloses und kraftloses Evangelium, das zwar keinen Anstoß erregt, das aber am Ende auch niemand interessiert und niemand verändert. Ein teures Evangelium wird immer Anstoß erregen. Es wird immer Widerspruch und Ablehnung hervorrufen. Aber nur ein teures Evangelium bringt Gottes erneuernde, rettende und erlösende Kraft.

Es ist Zeit, dieses strahlende, kraftvolle, schöne und erlösende Evangelium neu zu entdecken, das uns die Bibel als Ganzes präsentiert. Ich möchte ein Mensch sein, dem man abspürt, wie unendlich lieb und teuer mir dieses teure Evangelium ist. Auch deshalb liebe ich meinen Konfirmationsspruch so sehr:

„Denn ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht, denn es ist eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben.“ (Römer 1, 16)


Die Zitate dieses Artikels entstammen der Neues Leben Übersetzung. Es empfiehlt sich, die angegebenen Bibelstellen nachzuschlagen. Oder wie wäre es, das Buch Maleachi einfach mal zu lesen, in einem Rutsch, ganz ungefiltert…?

Weiteführend dazu:
“Billige Gnade ist der Todfeind der Kirche” – ein hochaktueller und aufrüttelnder Text von Dietrich Bonhoeffer

Das Evangelium: Gottes Zorn und Gottes Gnade

Was wir aus dem Buch der Klagelieder lernen können

„Die Gnade des Herrn nimmt kein Ende! Sein Erbarmen hört nie auf, jeden Morgen ist es neu. Groß ist seine Treue.“ (Klagelieder 3, 22-23)

Ist das nicht ein wunderschöner Bibelvers? Gott ist endlos gnädig, treu und voller Erbarmen. Wie wahr! Leider ist der Kontext, in dem dieser berühmte Vers steht, weit weniger bekannt. Und der ist regelrecht schockierend! Der Vers steht ziemlich genau in der Mitte des Buchs der Klagelieder, das wahrscheinlich auf den Propheten Jeremia zurückgeht. Beklagt wird darin die Zerstörung Jerusalems durch den babylonischen König Nebukadnezar (2. Chronik 36, 17-21).

Besonders spannend wird dieser tieftraurige Text, wenn man sich beim Lesen die Frage stellt: Worin liegt eigentlich die Ursache für den katastrophalen Untergang Jerusalems? Wer ist schuld an dem Desaster? König Nebukadnezar vielleicht, der Jerusalem mutwillig zerstört hat? Oder lag es an der Unfähigkeit der israelischen Führung? So würden wir heute ja reden: Die Kriegstreiber sind schuld! Und natürlich die Politiker!

Aber das verblüffende an den Klageliedern ist: Hier wird ausschließlich Einer als Verursacher der Katastrophe dargestellt: Gott!

„Der Herr hat seinen Zorn wie dunkle Wolken über Jerusalem geworfen. Die Herrlichkeit Israels warf er vom Himmel zur Erde. Selbst seinen eigenen Tempel hat der Herr am Tag seines Zorns nicht verschont. Erbarmungslos hat der Herr jedes Haus in Israel zerstört.“ (Kl. 2,1-2a)

Die Szenen, die als Folge von Gottes Zorn geschildert werden, sind grauenvoll:

„Sie liegen in den Straßen – Junge und Alte, Mädchen und Jungen, vom Schwert erschlagen. Du hast sie in deinem Zorn erschlagen, du hast sie ohne Erbarmen umgebracht.“ (Kl. 2, 21)

Schließlich versteigt sich der Autor der Klagelieder sogar zu dem Satz: „Kommt nicht Böses und Gutes aus dem Mund des Allerhöchsten?“ (Kl. 3,38)

Böses aus dem Munde Gottes!? Kann das denn sein??? Ist dieses Buch also eine große Anklage gegen Gott? Das wäre angesichts des schrecklichen Leids ja durchaus naheliegend. Aber Gott wird hier nicht die Schuld gegeben. Gott ist zwar der Verursacher der Katastrophe, aber schuld daran ist das Volk Israel. Nicht Gott war untreu sondern:

„Wir, wir haben die Treue gebrochen und sind widerspenstig gewesen“ (Kl. 3, 42)

„Unsere Väter haben gesündigt, sie sind nicht mehr. Wir aber tragen ihre Schuld.“ (Kl. 5, 7)

Angeklagt werden deshalb besonders auch die Propheten Israels:

„Deine Propheten haben dich betrogen und dir falsche Bilder ausgemalt. Sie haben nicht einmal versucht, dich vor dem Exil zu bewahren, indem sie dir deine Sünden vorhielten. Stattdessen weissagten sie Lügen und verführten dich.“ (Kl. 2, 14)

Wegen der Schuld des Volkes bringt Gott also schweres Unglück über Israel. Wie kann das sein, wenn Gottes Erbarmen doch niemals aufhört? Ist das nicht ein Widerspruch? Oder vielleicht ein Hinweis darauf, dass etwas mit unserem Gottesbild nicht stimmt?

Beim Lesen von Klagelieder 3, 22 fällt mir immer sofort die bekannte Vertonung dieses Verses ein. Ich habe dieses wunderschöne Lied schon so oft angestimmt. Allerdings ist darin nicht von „Gnade“ sondern von „Güte“ die Rede: „Die Güte des Herrn hat kein Ende, kein Ende. Sein Erbarmen hört niemals auf…“

Natürlich ist die Übersetzung mit “Güte” nicht falsch. Auch Luther übersetzt mit diesem Begriff. Trotzdem: „Güte“ ist etwas Anderes als „Gnade“. Güte steht für ein freundliches, geduldiges Wesen. Gnade hingegen ist das Erlassen meiner Schuld, obwohl ich eigentlich verurteilt werden müsste. Und leider beobachte ich oft in meiner Kirche, dass Gott als jemand dargestellt wird, der immerzu gütig, freundlich, sanft, ermutigend und aufbauend ist, ganz egal wie wir uns verhalten. Von Zorn und Strafe ist keine Rede. Das klingt zwar schön, passt aber leider gar nicht zu dem Bild, das uns quer durch die Bibel von Gott gezeichnet wird: Der Gott der Bibel ist eben kein netter Opa im Himmel, der die Irrungen und Wirrungen der Menschen geduldig weglächelt. In seiner Gegenwart kann Sünde nicht bestehen. Menschen, die Gott begegnen, fürchten sich, zittern, fallen wie tot zu Boden. Der Zorn dieses Gottes kann in ein hartes, furchtbares Gericht münden. Und wer die Offenbarung aufschlägt merkt: Diesen zornigen, richtenden Gott finden wir nicht nur im Alten sondern genauso im Neuen Testament. Im Hebräerbrief lesen wir sogar: „Es ist schrecklich, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“ (Hebr. 10, 31).

Dass Gott immer wieder zornig wird sollte uns nicht verwundern. In der Bibel wird vielfach beklagt, wie viel Leid wir Menschen uns gegenseitig zufügen und wie wir gerade auch die Schwächsten (die „Fremden, Witwen und Waisen“) unterdrücken, betrügen und berauben. Was würden wir an Gottes Stelle tun, wenn wir uns all diese Grausamkeiten permanent ungefiltert anschauen müssten? Gott wäre kein Gott der Liebe, wenn er angesichts von Gewalt und Betrug an seinen geliebten Geschöpfen nicht irgendwann zornig werden und letztlich auch praktisch zeigen würde, dass Verbrechen Konsequenzen haben. Und wer von uns könnte sagen, dass er nicht vielfach verstrickt ist in Vorgänge, die anderen Menschen schaden und Gewalt antun? Ich könnte das nicht.

Aber genau hier kommt der Begriff der Gnade ins Spiel. Gnade heißt nicht: Gott bleibt jederzeit nett zu mir, egal was ich mir und Anderen antue. Gnade heißt: Ich hätte es eigentlich verdient, von Gottes Zorn getroffen zu werden. Aber ich werde unverdient vor Gottes Gericht verschont und darf trotz meiner Schuld (ewig) leben.

Das ist Rettung. Das ist Erlösung.

Zurück zum Vers am Beginn dieses Artikels: Erst vor dem Hintergrund des düsteren Kontexts von Gottes Zorn und Gericht leuchtet dieser wunderschöne Vers so unglaublich hell. Ohne diesen Kontext hingegen bleibt er oberflächlich und seicht. Die biblische Botschaft lautet eben nicht: Gott ist immer nett zu Dir, deshalb sei auch immer nett zu Deinen Mitmenschen. Solche moralischen Appelle klingen zwar schön. Aber sie helfen nicht, weil sie nicht an die Wurzel unseres Problems gehen, nämlich an unser sündhaftes, unheilbar in Egoismus und Stolz verstricktes Wesen, das auch beim besten Willen nicht immer so nett sein kann, wie das erforderlich wäre, um Niemandem zu schaden.

Wir müssen wieder lernen, genau so zu denken wie der Autor der Klagelieder:

  • Gott selbst bringt Gericht über uns.
  • Nicht Gott, nicht andere Menschen, sondern wir selbst sind schuld daran, weil unser Verhalten im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel schreit.
  • Nur Gottes Gnade kann uns vor Gottes berechtigtem Zorn und Gericht retten.

Als Christen wissen wir: Diese Gnade ist allein in Jesus zu finden und in seinem Tod am Kreuz, wo Gottes Zorn ihn an unserer Stelle getroffen hat. Deshalb rufen wir alle Menschen: Komm zum Kreuz! Bekenne dort Deine Schuld! Finde Gnade und Leben in dem Blut, das Jesus dort für Dich vergossen hat. Werde neu durch den Heiligen Geist.

Ist das Evangelium also doch auch eine Drohbotschaft und nicht nur Frohbotschaft? Nein. Niemand kommt zu Jesus, weil man ihm mit Gericht und Hölle droht. Gott wird zwar manchmal zornig. Aber im Kern seines Wesens ist er Liebe – durch und durch. Diese unermessliche, niemals endende Liebe Gottes steht immer im Vordergrund und im Mittelpunkt der christlichen Botschaft. Aber Gottes Liebe ist eben nicht billig sondern teuer. Sie kostet ihn und uns etwas:

  • Gott hat dafür bezahlt durch das von ihm selbst am Kreuz vergossene Blut.
  • Und uns kostet sie unseren Stolz. Sie holt uns vom hohen Ross unserer Selbstgerechtigkeit, weil wir zugeben müssen, dass wir uns eben nicht selbst erlösen können sondern dass ein Anderer unsere Suppe auslöffeln muss und dass wir Gnade brauchen.

Die Liebe Gottes tätschelt uns nicht nur. Am Kreuz zeigt uns Jesus die Größe seiner Liebe – aber auch die Tiefe unserer Abgründe. Seine Güte will uns zur Umkehr leiten (Römer 2,4) – weil er uns retten will. So wie damals Jeremia Israel retten wollte mit seinem Ruf zur Umkehr.

Das ist wahrlich gute Botschaft. Das ist wahres Evangelium.


Titelbild: Eduard Bendemann: Die trauernden Juden im Exil, 1832

Siehe auchDas Kreuz – Stolperstein der Theologie – Warum Jesus für uns sterben musste

Andere Fragen – anderes Evangelium?

„Wie kann meine Sünde vergeben werden?“ „Wie finde ich Gnade vor Gott?“ „Wie komme ich in den Himmel?“ Zur Zeit Martin Luthers waren das brandheiße Fragen, die viele Menschen beschäftigten – so sehr, dass sie sogar bereit waren, Geld für Ablassbriefe zu bezahlen, um Vergebung, Gnade und den Himmel zu finden. Martin Luthers Lehre, dass allein der Glaube uns rettet und Vergebung bringt, war eine phantastische Antwort auf die brennenden Fragen der damaligen Zeit. Luther hat für die damaligen Menschen eine Brücke gebaut über einen reißenden Strom von weit verbreiteten Ängsten vor den Folgen ihrer Schuld, den die Kirche mit ihrem Ablasshandel zusätzlich geschürt hat.

Der reißende Strom von damals ist heute höchstens noch ein kleines Rinnsal, für das kein Mensch mehr eine Brücke braucht. Sünde beschäftigt die Menschen höchstens noch in Bezug auf falsche Ernährung. Außerdem steht für die meisten Menschen fest: Falls es Gott gibt, dann ist es in jedem Fall ein lieber Gott, der mich niemals in die Hölle schmeißen würde.

Der Fluss der Fragen und Ängste fließt heutzutage anderswo. Da geht es um die Suche nach Identität, nach Selbstannahme, nach Sinn, nach Orientierung und nach tragfähigen Beziehungen. Statt unter ihrer Schuld leiden die Menschen unter Scham und Angst vor Ablehnung, die durch das ständige Vergleichen mit Anderen in den sozialen Netzwerken gefördert wird. Brauchen diese neuen Fragen und Nöte also ganz neue Antworten? Müssen wir vielleicht ganz neue Brücken bauen statt die alte Brücke der Reformationszeit zu renovieren und zu modernisieren? Braucht unsere heutige Gesellschaft ein anderes oder zumindest ein anders formuliertes Evangelium als die Gesellschaft Martin Luthers?

Tatsächlich lesen wir bei Paulus, dass es ihm auf seinen Missionsreisen äußerst wichtig war, genau darauf zu achten, welche Fragen die Menschen bewegen und womit sie sich beschäftigen. Er suchte nach guten Anknüpfungspunkten, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen (Apostelgeschichte 17, 23). Das zeigt: Die Orientierung an den Fragen der Menschen ist in der Tat wichtig für unsere missionarische Arbeit. Und auch in Deutschland sind wir ja längst wieder in einer Missionssituation, die sich von der Situation des Paulus kaum unterscheidet.

Trotzdem scheint mir die Frage nach gelingender Kommunikation und nach passenden Antworten für die Bedürfnisse der Menschen nicht im Mittelpunkt des Neuen Testaments zu stehen. Denn die Frage ist ja: Warum war denn die erste Generation der Christen eigentlich so erfolgreich? Warum wächst heute das Evangelium wie verrückt in absolut christenfeindlichen Gesellschaften wie z.B. dem Iran oder China? Mein Eindruck ist: Ganz bestimmt nicht deshalb, weil dort das Evangelium eine passende Antwort auf vorherrschende menschliche Bedürfnisse bietet. Gerade in der Verfolgungssituation entzieht das Evangelium Sicherheit, statt Sicherheit zu geben. Es entzieht Gemeinschaft, statt Gemeinschaft zu geben. Wenn die neuen Christen aus ihren Familien ausgestoßen und gesellschaftlich geächtet werden entzieht das Evangelium Schutz und Annahme statt Schutz und Annahme zu geben. Es bringt gesellschaftliche Schande über die Menschen statt ihnen die Scham zu nehmen.

Schauen wir uns doch einmal die Schlüsselsätze aus den extrem erfolgreichen Botschaften der Apostel an: „In keinem anderen Namen ist das Heil!“ (Apg. 4, 12) „Kehrt um!“ (Apg. 2, 38) Dieser Absolutheits- und Wahrheitsanspruch, der dem damaligen gesellschaftlichen Konsens komplett widersprach, sowie das grundlegende Infragestellen des bisherigen Lebensstils der Menschen – all das war noch nie populär. Das war noch nie Antwort auf die Fragen der Menschen. Das war im Gegenteil schon immer ein provokatives und polarisierendes Ärgernis, das nur deshalb so erfolgreich war, weil die Zeugnisgeber eine so enorme Ausstrahlung hatten und so glaub-würdig waren.

Das Evangelium stellt ja gerade nicht den Menschen mit seinen Bedürfnissen, Ideen, Ängsten und Fragen in den Mittelpunkt sondern den gekreuzigten Christus und die Botschaft, dass wir mit Christus am Kreuz sterben müssen, damit Erneuerung möglich wird. Erst durch diese Erneuerung, diese Neugeburt durch Taufe und Heiliger Geist, beginnt das Evangelium, auch Bedürfnisse nach Annahme, Liebe, Versorgung, Gemeinschaft, Identität, Zukunft, Sicherheit, Selbstwert usw. zu stillen. Aber ohne diese Erneuerung bleiben alle Versprechen nach Bedürfnisstillung theologische Kopfgeburten und leere Versprechen, mit denen man gerade in der Verfolgungssituation erst gar nicht zu kommen braucht.

Zudem sehe ich, dass gerade bei uns so viele Gemeinden daran leiden, dass immer mehr Gemeindeglieder die Erwartung haben, dass die Gemeinde ihre Bedürfnisse stillen soll. Das führt zwangsläufig zu unrealistischen Erwartungen und zu einer Überforderung der Gemeindemitarbeiter. Solange unsere Gemeinden nur Konsumenten hervorbringen und keine geistlichen Selbstversorger, die ihre Bedürfnisse aus einem eigenen authentischen geistlichen Leben heraus stillen können, bleibt Gemeindearbeit ein zähes Geschäft, in dem die einen unzufrieden sind und die anderen in den Burnout getrieben werden.

Das Evangelium stellt ja gerade nicht den Menschen mit seinen Bedürfnissen, Ideen, Ängsten und Fragen in den Mittelpunkt sondern den gekreuzigten Christus und die Botschaft, dass wir mit Christus am Kreuz sterben müssen, damit Erneuerung möglich wird.

Deshalb bin ich überzeugt davon: Unsere lahmende Kirche kann nur dann erfolgreich werden, wenn Sie das Geheimnis der Erneuerung in Christus durch das Kreuz und den Heiligen Geist wieder entdeckt und wenn daraus authentische, glaubwürdige Gläubige und schließlich auch Gemeinschaften wachsen, in denen die Menschen so sichtbar verändert und erneuert werden, dass sogar die Esoteriker neidisch werden (Apg. 8, 18). Um im Bild vom Fluss und der Brücke zu bleiben: Der entscheidende Fluss, den das Evangelium überbrückt, hat sich nie verändert und er wird sich nie verändern, bis Jesus wiederkommt: Das ist die Sündhaftigkeit des Menschen, der es aus eigener Kraft eben niemals schafft, Solidarität, Liebe, Gemeinschaft, Selbstlosigkeit, Freiheit usw. zu leben. Deshalb ist auch die Brücke des Evangeliums im Kern seit 2.000 Jahren in aller Welt und in allen Kulturen die gleiche: Jesus erlöst uns aus unserem alten Leben der Verstrickung in die weltlichen Denk- und Verhaltensmuster, indem wir unser Leben in den Tod geben (Taufe!), um uns aus Gnade mit Vergebung beschenken und durch den Heiligen Geist erneuern zu lassen. Die Erlösung von Scham, die Zusicherung des Angenommenseins und die Erneuerung der Identität und des Selbstwerts ist in der Bibel immer Folge der Erlösung von unserer Schuld, die im Kern in unserem ichbezogenen Leben besteht, das Gott und seinen Herrschaftsanspruch ignoriert. Wenn wir zu ihm umkehren und unsere Sünden waschen im Blut des Lammes, dann können wir ohne Scham und Angst vor dem Thron Gottes stehen (1.Joh.1,7; Offb.7,14) und in seiner Liebe Annahme und Selbstwert finden.

Der entscheidende Fluss, den das Evangelium überbrückt, hat sich nie verändert und er wird sich nie verändern bis Jesus wiederkommt: Das ist die Sündhaftigkeit des Menschen, der es aus eigener Kraft eben niemals schafft, Solidarität, Liebe, Gemeinschaft, Selbstlosigkeit, Freiheit usw. zu leben.

Den schwersten Schaden nimmt die Kirche immer dann, wenn sie das Ärgernis des Kreuzes beseitigt, weil sie den Lebensstil der Menschen nicht mehr in Frage stellen will, und wenn sie stattdessen ihre verloren gegangene Kraft und Ausstrahlung mit dem Versuch kompensieren will, das Evangelium mit den säkularen Strömungen kompatibel zu machen. Das kann niemals funktionieren. Gerade für die Klugen und Intellektuellen ist das Evangelium doch die größte Provokation (1. Kor. 1, 20), weil es die Weisheit dieser Welt und den dahinter stehenden menschlichen Stolz komplett in Frage stellt. Bevor wir uns also ausgiebig mit Soziologie und Kommunikationsstrategien befassen, steht die Kirche zunächst vor einer anderen Aufgabe: Wie können wir zurückkehren zu unserer ersten Liebe zu Christus? (Offb. 3, 5) Wie können wir Anbetung, Gebet und Hören auf Gottes Wort neu beleben, damit unser Glaube wieder lebendiger, leidenschaftlicher, dadurch auch authentischer und glaub-würdiger wird? Denn eine Botschaft, die wir nicht existenziell leben, wird gerade in der heutigen Zeit niemals nachhaltigen Eindruck bei den Menschen hinterlassen.

Bevor wir uns also ausgiebig mit Kommunikationsstrategien befassen steht die Kirche zunächst vor einer anderen Aufgabe: Wie können wir zurückkehren zu unserer ersten Liebe zu Christus?

Jesus hat zudem zum Ausdruck gebracht, dass unsere Einheit miteinander der entscheidende Schlüssel ist, dass die Welt glaubt (Joh. 17, 21). Ich habe es so oft erlebt: Wo Christus die gelebte Mitte ist, da wächst Einheit wie von selbst (Kol. 2, 19). Nur authentisches Christsein und geistgewirkte Einheit gibt unserem Zeugnis in der Welt die notwendige Glaubwürdigkeit.

Wenn die Kirche sich auf diese Punkte konzentriert und dann zusätzlich noch über kluge Kommunikation und Anknüpfungspunkte in der konkreten Missionssituation nachdenkt, dann ist das ein gutes i-Tüpfelchen zu der Frage, wie wir unsere Gesellschaft mit dem Evangelium erreichen können. Wenn die Kirche sich aber auf das i-Tüpfelchen konzentriert, dann sehe ich wenig Chancen auf echte missionarische Aufbrüche.

Biblische Stolperstellen: Ein „fluchender“ Paulus?

“Aber selbst wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein Evangelium predigen würden, das anders ist, als wir es euch gepredigt haben, der sei verflucht.”
(Galater 1, 8)

Meine Güte Paulus. Geht es nicht eine Nummer kleiner? Es ist ja O.K., dass Du Deine Überzeugungen vertrittst. Man kann beim Ringen um die Wahrheit ruhig auch mal streiten. Aber Andere verfluchen? Geht gar nicht! Vor allem nicht in unserer heutigen Zeit, in der doch jeder nach seiner Façon selig werden soll und exklusive Wahrheiten grundsätzlich als gefährlicher, friedensgefährdender Fundamentalismus gelten. Mit so einem Satz würdest Du Dir heute jedenfalls einen heftigen Shitstorm zuziehen.

Aber fragen wir doch zuerst einmal: Was hat Paulus eigentlich genau gesagt?

Das griechische Wort „Anathema“ knüpft an den alttestamentlichen „Bann“ an und zeigt an, dass etwas dem Gericht Gottes ausgeliefert wird. Johannes sagt inhaltlich ganz am Ende der Bibel im Grunde genau das gleiche: Jedem, der die Botschaft dieses Buches ändert, drohen die Gerichtsplagen Gottes (Offb.22,18-19). Bemerkenswert ist: Paulus „flucht“ nicht einfach verächtlich über Andere. Er stellt sich selbst mit unter diese Gerichtsdrohung (“Aber selbst wenn wir oder ein Engel…”). Auch ihn soll also das Gericht Gottes treffen, wenn er etwas Falsches predigt!

Das bringt uns zu der Frage: Warum hat Paulus das gesagt?

Ich stelle mir gerade folgenden Skandal vor: Eine Firma, die Rettungsringe herstellt, hat beim Material gespart. Die Rettungsringe sehen immer noch genauso aus und schwimmen auch auf dem Wasser. Aber durch das billige Material gehen sie unter, sobald sich jemand daran festhält.

Man will sich den Shitstorm kaum ausmalen, den sich diese Firma – völlig zurecht – zuziehen würde. Mehr noch: Die Verantwortlichen gehören vor Gericht! Sie müssen verklagt und hart verurteilt werden. Denn mit ihrem Verhalten haben sie Menschenleben gefährdet!

Mit diesem Bild wird die heftige Aussage von Paulus verständlich. Ganz offensichtlich haben ihn die folgenden Überzeugungen tief geprägt:

  • Die Menschen sind ernsthaft gefährdet. Sie können verloren gehen. Es geht um ihr (ewiges) Leben!
  • Das Evangelium ist eine dringend notwendige Rettungsbotschaft (Röm.1,16)!
  • Nur das richtige Evangelium rettet! Dieses einzig richtige Evangelium hat der Apostel direkt von Gott empfangen (Gal 1,11-121.Thess.2,13).
  • Ein verändertes Evangelium rettet nicht! Am Evangelium etwas zu ändern bedeutet, Menschen in falscher Sicherheit zu wiegen und womöglich in den Untergang zu treiben.

Das „Anathema“ unterstreicht also die Dringlichkeit, Göttlichkeit, Exklusivität und den Rettungscharakter der apostolischen Evangeliumsbotschaft.

Manche moderne Theologen mögen das anders sehen. Sie mögen diesen Exklusivismus ablehnen und stattdessen betonen, dass es doch eine Vielzahl von Deutungen, Auslegungen und Wahrheiten gäbe. Sie mögen auch diese Dringlichkeit verwerfen und glauben, dass Gottes Liebe am Ende so oder so alle Menschen retten wird. Das ist natürlich legitim. Aber sie sollten dann nicht so tun, als ob sie nur die Theologie von Paulus in die heutige Zeit übersetzen. Sie sollten vielmehr offen und ehrlich sagen, dass ihre Botschaft sich grundlegend von der paulinischen Theologie unterscheidet. Sie sollten offen sagen, dass das ein anderes Evangelium ist.

Um im Bild zu bleiben: Wenn manche moderne Theologen schon den Rettungsring ändern, dann sollten sie nicht so tun, als würden sie ein modernisiertes Original verkaufen sondern eindeutig und klar das Firmenlogo tauschen, damit Jeder sofort sehen kann: Das ist ein anderer Ring von einer anderen Firma! Dann können die Menschen selbst entscheiden, welchen „Hersteller“ sie für vertrauenswürdig halten. Dann können sie selbst entscheiden ob sie lieber nach dem Ring des Apostels oder der modernen Theologen greifen.

Ich habe mich übrigens bereits entschieden.

Siehe auch:

  • Christus allein! – Für Christen objektiv oder subjektiv wahr? Und was die Kirche dazu sagt…

Weitere “biblische Stolperstellen”:

Change! Ein Plädoyer für eine Kirche mit Profil

“Change!” Im Wahlkampf von Barack Obama hat dieses Schlagwort die Massen elektrisiert. Offenbar lassen wir uns leicht von Parolen begeistern, die uns vorgaukeln, dass eine andere Politik uns mehr Sicherheit und Wohlstand geben könnte. Aber immer folgt zwangsläufig die Ernüchterung. Denn Politiker haben auch beim besten Willen nur sehr beschränkte Möglichkeiten, die Lebensumstände ihrer Wähler zu verbessern. Für tiefgreifende Veränderungen müssten sich die Herzen der Menschen ändern. Aber Politiker dürften es sich niemals erlauben, die Herzenshaltung ihrer Bürger in Frage zu stellen.

Genau wie die Politik wagt es auch die Kirche kaum noch, Menschen zu hinterfragen und zur Umkehr zu rufen. Beim Thema Familie spricht sie zwar ganz viel über Toleranz und Vielfalt – aber kaum noch über Verfehlungen wie Ehebruch und Untreue. Die Kirche ist begeistert, dass Jesus die Steinigung der Ehebrecherin verhindert hat. Aber niemals würde sie heute einer Ehebrecherin sagen, dass sie mit dem Sündigen aufhören soll.

Offenbar spürt die Kirche, wie fremd und unattraktiv ihre kulturellen Formen für viele Menschen geworden sind. Um nicht vollends ins Abseits zu geraten möchte sie deshalb wenigstens ihre Botschaft möglichst glatt und eingängig gestalten, damit sie keinen Anstoß erregt. Aber hilft das der Kirche wirklich?

Wäre es nicht höchste Zeit, genau den umgekehrten Weg zu gehen? Sollten wir nicht so schnell wie möglich die kulturellen Hürden entfernen und – wie Luther – hinsichtlich unserer Sprache und Musik dem Volk “aufs Maul schauen” – dafür aber unsere Botschaft wieder schärfen und den Ruf zur Umkehr nicht länger den Umweltschützern und Gesundheitsaposteln überlassen?

Jesus hatte den Menschen damals jedenfalls ihr Fehlverhalten klar vor Augen gehalten: Geld, Sex, Gier, Hochmut, Heuchelei, Unbarmherzigkeit, Unbelehrbarkeit… alle menschlichen Abgründe hat er offen angesprochen, manchmal sogar in einer drastischen Deutlichkeit, die zu unserem Bild vom liebevollen Jesus gar nicht so recht passen will. Und niemand hat so oft über die Hölle gesprochen wie Jesus – ein völliges NoGo heutzutage.

Erstaunlicherweise hat er damit trotzdem die Massen mobilisiert. Offensichtlich haben die Menschen gemerkt, dass in seiner Botschaft eine gewaltige Chance für sie alle lag: Wirkliche, tiefgreifende Veränderung und ein festes Fundament für ihr Leben statt leerer Versprechungen! Und sie haben gespürt: Wenn Jesus sie zur Umkehr ruft tut er das nicht, weil er ein kleinlicher Spiel- und Spaßverderber oder ein spießiger Prinzipienreiter ist. Er tut es aus Liebe!

„Wem viel vergeben ist, der liebt viel“, hat Jesus einmal gesagt. Anders ausgedrückt: Liebe und Leidenschaft für Jesus entsteht dort, wo Menschen ihre Fehler und Sünden erkennen und Gottes Vergebung und Gnade in Anspruch nehmen. Das erklärt die Leidenschaft vieler Erweckungsbewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts, in denen Sünde und Gnade zentrale Themen waren. Das erklärt aber auch die Lauheit und Lieblosigkeit der heutigen Christenheit, die selbstgerecht glaubt, darauf verzichten zu können.

Ein Weichspülevangelium, das nur Gottes Liebe und nicht auch seine Heiligkeit kennt, erregt zwar keinen Anstoß. Aber es ist auch belanglos. Jesus war kein netter Softie, der alles weggelächelt hat. Als seine Botschafter sollten wir das auch nicht sein. Es ist nicht unsere Aufgabe, die Menschen auf der Titanic mit Säuselmusik zu berieseln. Wir sollen sie in die Rettungsboote rufen!

Das geht allerdings nicht von oben herab. Wir können niemand zur Umkehr rufen ohne zu wissen, wie schwach und fehlerhaft wir selber sind. Wenn wir es aber in einer demütigen, jesus-mäßigen Haltung tun werden wir zwar immer noch einige Menschen verschrecken (das hat Jesus manchmal auch getan). Aber was unendlich viel wichtiger ist: Wir werden viele Menschen damit retten! DAS ist es, was am Ende zählt.

Siehe auch: