Biblische Stolperstellen: Als Gott Mose umbringen wollte

Immer mal wieder stolpere ich beim Bibellesen. Diesen Montag zum Beispiel. Da las ich die Geschichte, wie Mose beim Pharao aufwächst, einen Ägypter erschlägt, nach Midian flieht, heiratet und am brennenden Dornbusch von Gott berufen wird, wieder nach Ägypten zu gehen. Auf dem Weg dorthin widerfährt ihm folgendes:

„Unterwegs in der Herberge fiel der Herr über Mose her und wollte ihn töten. Da nahm Zippora einen scharfen Stein und beschnitt ihren Sohn. Sie berührte mit der Vorhaut Moses Beine und sagte: »Du bist mein Blutbräutigam.« Zippora sagte »Blutbräutigam« wegen der Beschneidung ihres Sohnes. Da ließ der Herr von ihm ab.“ (2. Mose 4, 24-26)

Wie bitte? Gott wollte Mose umbringen? Und seine Frau musste Gott davon abbringen, indem sie die abgeschnittene Vorhaut ihres Kindes präsentiert? Meine Güte. Ist DAS mein Gott, der sich mir so oft in der Bibel als liebevoller Vater präsentiert? Über diese Stelle sind schon viele Bibelleser gestolpert. Wikipedia hält sie sogar für eine der merkwürdigsten Passagen der Bibel. Aber wie geht man mit solchen Versen um?

Bibel StolperstelleKeine Option ist für mich, sie einfach als menschlich gemachte Fehler abzutun. Ich habe zu viele gute Argumente vor Augen, warum ich wirklich der ganzen Bibel vertrauen kann. Außerdem: Wer sagt mir dann, welche Stellen noch alle fehlerhaft sind und auf welche Aussagen der Bibel ich mich dann noch verlassen kann? Das weltweite Schrumpfen der Kirchen, die den menschlichen Verstand zum Richter über die Bibel gemacht haben, führt mir schmerzlich vor Augen, wohin dieser Weg führt.

Auch kein Weg ist es für mich, unkritisch aus dieser Stelle abzuleiten, dass Gott schon gerne auch mal Menschen umbringt, wenn ihm danach ist. Gott hat mir einen Verstand gegeben, um ihn zu benutzen – gerade auch beim Bibellesen! Das ist wichtig, denn jeder Bibelvers muss ja immer vom Kontext und von der Gesamtschau aller biblischen Aussagen beleuchtet werden. Das schnelle Zitieren von ein paar Bibelstellen ist noch lange keine Garantie für gute Theologie.

Wichtig ist mir aber in jedem Fall, solche Stellen nicht zu verdrängen, sondern sie erst einmal ungeschützt auf mich wirken zu lassen und betend darüber nachzudenken. Oft habe ich erlebt, dass sich dann vermeintlich schwierige Stellen in großartige Schätze tiefgründiger Einsichten verwandeln, die ich verpasst hätte, wenn ich den Text verdrängt oder als fehlerhaft abgetan hätte.

Manchmal bleibt eine Bibelstelle trotzdem rätselhaft und unverständlich. Dafür habe ich mir ein inneres „Regal“ angelegt, auf die ich solche Verse stelle. Ein Archiv für ungelöste Fälle sozusagen. Eigentlich ist es ja nicht überraschend, dass es solche Fälle gibt, wenn der Schöpfer des Universums sich uns mitteilt. Es wäre im Gegenteil viel überraschender, wenn wir mit unserem begrenzten Verstand gleich alle seine Gedanken nachvollziehen könnten. Damit kann ich leben.

Erfreulicherweise war gerade dieser Text für mich aber ein Musterbeispiel dafür, wie sich eine biblische Stolperstelle in eine wahre Fundgrube verwandeln kann. Ich werde im nächsten Post erzählen, welche Geschichte sich nach meinem Eindruck hinter diesen Versen verbirgt. Das muss nicht die einzig wahre und richtige Interpretation dieser Stelle sein. Aber es ist definitiv eine mögliche Auslegung, die den Text als Gottes Wort ernst nimmt und die ich dazu überaus lehrreich empfinde. Das hat mir wieder einmal gezeigt: Es lohnt sich, der Bibel zu vertrauen – auch wenn sie es uns manchmal nicht gerade leicht macht.

Fortsetzung: Stolperstelle wird Fundgrube: Gott bereitet Mose vor, Geschichte zu schreiben

Siehe auch:

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3 Gedanken zu „Biblische Stolperstellen: Als Gott Mose umbringen wollte“

  1. Sehr geehrter Herr Till,

    als EX-Christ bin ich überrascht über die Apologien der studierten Christen, sog. Theologen, ein Oxymoron sondergleichen. Theos und Logos schließen sich nach wissenschaftlichen Standards aus. Was mich vom Glauben abgebracht hat, waren nicht nur die unbeschreiblich grausamen Bibelpassagen, die mit meinen Werten unvereinbar sind, und die erratische Aneinanderreihung der Thorah mit Erzählungen von einem Jesus zu einem komischen Synkretismus. Ebenso die Externalisierung des Guten vieler scheinfrömmelnder Christen. Was zählt, ist nicht, was wir anbeten, sondern was wir tun in unserem Leben. Dazu die beispiellose Kinderschänungsgeschichte der christlichen Institutionen von Schulen über Kirchen bis Kloster. Und kommen Sie mir bitte nicht mit den üblichen christlichen Relativierungen: Reformpädagogen und Sportvereine… Kirchen arbeiten mit Angst und Scham von ganz klein an, um den kleinen Menschen selbstständiges Denken abzutrainieren. Ein Verbrechen am Geist ohnegleichen. Ich sage Christen, die mit dem Jenseits Angst machen wollen, immer, dass ich mit meiner Lebenspraxis am Himmeltor dann sicher sagen kann „Alter, ich habe nächstenliebender gelebt, als die meisten deiner vermeitlichen Stellvertreter im Angelverein. Hättest zum Beweis Deiner Existenz halt mal anrufen sollen, statt uns Dinoknochen in der Erde zu vergraben und uns die Geheimnisse Deiner „Schöpfung“ inklusive aller menschlichen Unzulänglichkeiten und Krankheiten selbst enschlüsseln und heilen lernen zu lassen… Gib mir den Fensterplatz hier oben.“

    Die Apologien der Theologen haben meinem Denken in jungen Jahren großen Schaden zugefügt, die Befreiung von Religion hat eine große Befreiung im Geist ausgelöst. Sapere Aude!

    1. Hallo Thomas, Nomen est omen 😉

      Hast Du schon Mal in Erwägung gezogen, dass der im NT durchleuchtende Gott Jesu Christi (in uns) anders wirkt und ist, als was die Kanon erschaffenden Bibel Dogmatiker selbst meist getäuscht, uns glauben machen wollen?

      Danke für deinen Finger in der Wunde mit dem Ziel der Wahrheit (Jesu) immer mehr teilhaftig zu werden!

    2. Moin Thomas,

      vielleicht hast du gar nicht an den Herrn Jesus geglaubt? Dann hat dich auch nix „vom Glauben“ abgebracht.

      Die Bibel zeugt von der Geschichte von Menschen mit Gott. Nicht alles was darin steht betrifft Dich/uns.

      Was in der Beziehung zu Gott zaehlt entscheidet Gott (nicht wir Menschen). Soviel wir wissen koennen, ist es v.a. die Beziehung zu Gott, aus der alles andere folgt (nach Auftrag).

      Hier am Blog zaehlt der pers. Glaube, weniger/kaum eine Gruppenzugehoerigkeit (Kirche). Wir sollten alles tun, Kinderschaendungen, etc, aufzuklaeren, zu verhindern und anzuzeigen.

      Es sind aber immer Menschen, die Boeses tun, nicht eine Organisation oder Struktur. Menschen erhalten/foerdern (meist aus Macht, zur pers. Bewirtschaftung) falsche, intransparente, antifreiheitliche, toxische Strukturen. Dagegen darf jeder kaempfen, keiner braucht das hinzunehmen. Dazu gibt es ja auch neben/ausser-kirchliche Formen der Glaubensgemeinschaft.

      Gut, dass du inzwi ueber die Traumata deiner „jungen Jahren“ hinweggekommen bist. Jetzt kannst du neu, ohne kirchlichen Balast Jesus Christus anders kennenlernen. Einfach mal Johannes-Evangelium nur fuer dich selber lesen?!

      LG Joerg

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