Warum nur ist das „Logo“ des Christentums ein grausames Folter- und Mordinstrument? Ist Gott etwa so blutrünstig, dass er mit Menschenopfern zufrieden gestellt werden muss? Und warum sagte Jesus, dass seine Nachfolger jeden Tag das Kreuz auf sich nehmen sollen? Das muss damals ja geklungen haben wie: Wer mir nachfolgt muss sich jeden Tag in den elektrischen Stuhl setzen. Das ist doch grauenvoll, oder???
In der Tat: Das Kreuz provoziert. Es ist ein Skandal, den heutzutage sogar manche Theologen am liebsten loswerden wollen, weil es nicht zur kuschligen Weichspülreligion passt, die mancher gerne hätte. Aber was ist denn die Botschaft des Kreuzes? Was bedeutet es, „das Kreuz auf sich zu nehmen“ und „mit Christus zu sterben“? Heißt das vielleicht: „Jeder muss halt sein Päckle tragen“, wie wir Schwaben gerne sagen? Nein. Die Botschaft des Kreuzes ist definitiv nicht: Wir müssen alle Leid ertragen. Richtig verstanden bedeutet das Kreuz vielmehr:
Wir Menschen stecken so tief im Sumpf der Sünde, dass wir aus eigener Kraft unmöglich ein Leben führen können, das in Gottes Augen bestehen kann.
Anders ausgedrückt: Wir sind derart hoffnungslose Versager und heillose Sünder, dass ein anderer unseren Schlamassel ausbaden musste. Unsere Schuld ist so gravierend, dass Gott nicht einfach “Schwamm drüber” sagen kann. Als gerechter Richter MUSS er uns verurteilen, sonst würde er sich selber schuldig machen. Um uns retten zu können gab es deshalb für Jesus gar keinen anderen Weg, als an unserer Stelle unsere Schuld zu bezahlen und den Tod zu sterben, den wir verdient hätten.
DAS ist demütigend. DAS macht allen Vorstellungen vom Gutmenschentum ein jähes Ende und setzt die Axt an die Wurzel unseres Stolzes. Es raubt uns jede Illusion, dass wir doch irgendwie schon recht sind. Nein, sind wir nicht. Und wir werden daran trotz aller Bemühungen auch nichts ändern können, wie Paulus eindrücklich schildert. Niemals.
Das Kreuz auf sich zu nehmen bedeutet deshalb: Kapitulieren! Aufgeben! Nicht länger versuchen, aus eigener Kraft ein anständiges Leben zu führen, auf das wir stolz sein könnten. Sondern auf die Knie gehen und eingestehen: Ich kann es nicht. Ich bin verloren. Ich kann mich nicht reinwaschen. Das einzige, was mir hilft ist, dass ein anderer für mich bezahlt und mir einen Neuanfang schenkt, den ich eigentlich nie und nimmer verdient hätte. Was ich brauche ist: Gnade! Unverdiente Gnade.
Das hört sich ziemlich niederschmetternd an. Das ist es auch. Durch das Kreuz stirbt etwas in uns: Unser Stolz. Unser Profilierungsdrang. Unser Geltungsbedürfnis. Unser Macht- und Überlegenheitsstreben. Unser Rachebedürfnis. Kurz: Unser ichbezogenes Ego oder “alter Mensch”, wie die Bibel es ausdrückt. Aber das Paradoxe ist: Genau das ist das Beste, was uns Menschen passieren kann! Denn genau aus diesem Sterben heraus wächst neues Leben. Warum?
Das Kreuz öffnet uns die Tür für einen Lebensstil, der nicht mehr aus unserer Leistung sondern aus der unerschöpflichen Gnade Gottes schöpft. Das Kreuz befreit uns vom Stress, uns und Anderen beweisen zu müssen, was für tolle Hechte wir doch sind. Denn es zeigt uns: Dieser Versuch ist ohnehin zum Scheitern verurteilt. Aber das Kreuz sagt uns auch: ER hat uns trotz unserer Fehler und unserer Sünde unendlich geliebt – so sehr, dass er sogar sein Leben für uns gab! ER hat alles für uns bezahlt! So hilft uns das Kreuz, uns von Gott mit Liebe und Wert beschenken zu lassen statt unser Ego und unseren Selbstwert mit unserer eigenen Leistung aufzublasen. Am Kreuz bietet Gott uns die Würde von geliebten Kindern des Königs aller Könige an. Umsonst. Wir brauchen es nur anzunehmen. So leicht kann unser Leben am Kreuz erneuert und auf ein völlig neues Fundament gestellt werden werden – auf das Fundament seiner Gnade und bedingungslosen Liebe statt unserer eigenen Leistung.
Aber was sich so leicht anhört fällt uns doch so schwer. Vor einigen Jahren habe ich einige Ex-Alkoholiker kennen gelernt, die sich gegenseitig helfen, sauber zu bleiben. Von ihnen habe ich etwas Interessantes gelernt: Der Weg aus der Sucht beginnt erst, wenn ein Mensch kapituliert und sich eingesteht, dass er ein ernstes Problem hat, das er nicht alleine lösen kann. Nur wer bereit ist, Schwäche und Hilfsbedürftigkeit einzugestehen, dem kann auch geholfen werden. Eigentlich ganz einfach. Und doch fällt diese Demütigung Vielen so schwer, dass erst alles zerbrechen muss. Manche schaffen es nie. Wie traurig.
Der Punkt ist: Wir sind alle süchtig. Vielleicht nicht nach Alkohol. Aber definitiv nach der Sünde. “Die Gedanken und Taten der Menschen sind schon von Kindheit an böse”, sagt die Bibel. Dass sie damit recht hat, hat die Menschheitsgeschichte eindrücklich bewiesen. Unser menschliches Wesen kann nicht anders als sündigen. Und unser Weg in die Freiheit beginnt mit dem demütigenden Eingeständnis: Wir schaffen es nicht aus eigener Kraft! Wir Menschen können vor Gott nur bestehen, wenn Gott uns nicht gibt, was wir verdient haben sondern wenn er uns unverdient beschenkt und unser Leben erneuert.
Deshalb komm zum Kreuz. Zerbrich am Kreuz. Lass Dich beschenken am Kreuz. Dort schenkt Gott uns ein neues Leben, das getränkt ist in der Gnade und Liebe Gottes. Mit einer geschenkten Würde, die uns kein Mensch rauben kann und nicht am Beifall Anderer hängt. Mit einem neuen Herzen, das aus der Gnade und Vergebung Gottes lebt und uns dadurch selbst zu gnädigen Menschen macht, die auch Andere tragen, ertragen, lieben und dienen können. Dort unter dem Kreuz baut Gott seine Kirche, die nicht aus Gebäuden sondern aus begnadigten, erneuerten Menschen besteht, in denen Christus selber lebt.
Lasst uns die Botschaft vom Kreuz wieder zu dem machen, was sie ist: Ein Ärgernis! Ein Frontalangriff auf unseren Stolz! Und zugleich: Das Zentrum des Evangeliums! Die Mitte der Heilsbotschaft für die ganze Menschheit! HIER verliert die Sünde ihre Macht. HIER verliert der Tod seinen Sieg! Aus Jesu Tod wächst neues Leben! Denn “er wurde gestraft, damit wir Frieden haben. Durch seine Wunden wurden wir geheilt!” (Jesaja 53, 5) Wenn wir mit ihm gestorben sind werden wir auch mit ihm leben! Ist das nicht phantastisch?
Am Kreuz sein altes Ego aufzugeben ist also in Wahrheit kein Opfer. Es ist der Schritt in ein neues Leben als beschenkte, begnadigte und endlos geliebte Kinder unseres himmlischen Vaters! Was könnte es schöneres geben?
Mehr dazu:
- Das zugehörige Kapitel 7 im AUFATMEN-Buch: “Am Scheideweg – Befreit durch das Kreuz und verwandelt durch Gnade” (PDF-Download hier)
- Der Vortrag “Am Scheideweg – Befreit durch das Kreuz und verwandelt durch Gnade (mp3-Download Teil 1 und Teil 2)
- Warum wir der Bibel vertrauen können (6): Das realistische Menschenbild
- Weitere Artikel aus der Serie AUFATMEN in Gottes Gegenwart
- Das Lied zum Thema Kreuz und Heiliger Geist: “Jesus führ mich an Dein Kreuz” (mp3, Akkordsheet PDF, Noten in “Du bist Herr 4”, Nr. 131)