Renaissance einer Frage
Scheinbar bewegt sie heute niemand mehr: Die Frage nach dem ewigen Leben, die Jesus z.B. in Markus 10, 17 gestellt wurde. Zu Luthers Zeiten war sie noch hoch aktuell. Heute hingegen sind die Menschen diesseits- statt jenseitsorientiert. Die Hölle ist – wenn schon – eine Hölle auf Erden, in die man als Opfer hineingeraten kann, aber nicht wegen eigener böser Taten. Himmel ist, wenn man ein gutes Eis genießt oder einen schönen Urlaub erlebt. Aber mit dem Jenseits haben diese Begriffe nichts mehr zu tun.
Den großen Trend zur Diesseitsorientierung schildert der Theologe Patrick Becker in seinem Worthaus-Vortrag „Das vergessene Jenseits“. Er zeichnet dabei ein düsteres Bild von der Entwicklung der großen Kirchen, denen er vorhält, selbst an ihrem Relevanzverlust, ja sogar an ihrer Abschaffung beteiligt zu sein (ab Minute 36:50):
„Man kann eine Selbstmarginalisierung der Jenseitsvorstellungen in den Religionen darstellen. Und das versuche ich unter Aufgreifen des Historikers Thomas Großbölting ein bisschen zu verdeutlichen: Der hat vor ein paar Jahren ein Buch mit dem bezeichnenden Titel „Der verlorene Himmel“ geschrieben. … Er stellt fest, dass die Religionsgemeinschaften nach wie vor in Deutschland sehr stark präsent sind. … Wenn man mal mit nichtchristlicher Brille durch die Stadt läuft wird man erstaunt sein, wie viele christliche Symbole man schon allein architektonisch präsentiert bekommt. … Die Zahl der Kirchgänger ist zugleich sehr klein und weiterhin stark schrumpfend. … Das geht damit einher, dass die Kirchen zwar sehr stark politisch aktiv und einflussreich sind, aber wenig Zugriff auf das Individuum haben. … Manche Kirchen scheinen deshalb auf die Idee zu kommen, dass es klug wäre, sich auf genau diese äußeren Vorgänge zu konzentrieren … als moralische, kulturtragende Instanz, soziale Arbeit, moralische Stimme in bestimmten Gremien und eben vom Orgelkonzert bis was auch immer im Kulturbereich aktiv zu machen. Das kommt auch an. … Die Zeit ist vorbei wo der Mainstream, die Masse sich quasi an der Kirche abarbeiten würde, wo sie noch wirklich überhaupt etwas wüsste, woran sie sich abarbeiten könnte. Also man nimmt die Kirche eigentlich nur noch von außenstehend wahr und sagt dann: Ja, es ist gut, dass es Kirchen gibt. Die soll eben genau das tun: Moral und Kultur. Aber ich selbst brauch sie nicht. … Das ist ein bisschen beruhigend, weil die Kirchen dann ihren Ort haben. Aber Sie werden es erahnen, meine Grundaussage hier ist: Damit verfehlen die Kirchen exakt ihre Pointe und machen sich überflüssig. Weil Moral und Kultur tragen, dazu brauche ich nicht religiös zu sein. … Die Pointe von Religion ist eine Andere: Die Sinnstiftung. Und die funktioniert im religiösen Kontext immer unter Bezugnahme auf ein Jenseits. Und hier kommt eben diese These raus, dass die Christenheit in Deutschland … tatsächlich selbst beteiligt ist an ihrer quasi Abschaffung, an ihrem Relevanzverlust. Das sagt Thomas Großbölting … genau in der Mitte seines Buchs … : Zentral an allen diesen historischen Prozessen … ist „der Wandel des Gottesbildes und der damit verbundenen Jenseitsvorstellungen.“ … Rein historisch betrachtet – wenn er an den Beginn des 20. Jahrhunderts geht – stößt er dort auf eine Jenseitspredigt, die den strafenden Gott in den Vordergrund stellt, wo die Hölle eine reale Erwartung gepredigt wird und wo der Himmel mit einer Exklusivität ausgestattet ist. Also die Botschaft ist: Jeder Einzelne muss in seinem Leben genau aufpassen und wenn er nicht so lebt wie es eben den religiösen Vorstellungen entspricht – also moralisch – dann erwartet ihn am Ende ein dramatisches Schicksal. Um das zu verhindern muss man das irdische Leben schon danach ausrichten, was eben sich am Jenseits orientiert. … Das war so negativ belastet, dass die christliche Predigt – um überhaupt noch gehört zu werden – … genau ins andere Extrem umgeschwenkt ist: Zum lieben Gott. Es gibt dann quasi nur noch den liebenden Gott. Der Himmel ist quasi geschenkt. Das finden Sie auch in den theologischen Eschatologien als Standardaussage: Eigentlich kommt jeder Mensch in den Himmel. Es wird immer dazu gesagt: Die Hölle ist eine Denkmöglichkeit, die real sein muss, weil sonst die Freiheit des Menschen nicht ernst genommen wäre. Aber eigentlich gehen wir davon aus, dass alle Menschen im Himmel landen werden. Und wenn der Himmel quasi so automatisch geschenkt, uns zugesagt ist, dann ist er auch nicht mehr relevant. Also was ich sowieso in der Tasche habe, darum brauche ich mich nicht mehr zu bemühen.“
Patrick Becker ist in seiner gesellschaftlichen Analyse ohne Zweifel zuzustimmen. Richtig ist auch, dass der Jenseitsverlust ein wichtiger Grund ist für den Abwärtsstrudel der Kirchen. Was er allerdings nicht erwähnt ist der tiefere Hintergrund für diesen Jenseitsverlust: Der Verlust der Schriftautorität! Denn Fakt ist nun einmal: Man kann nur dann Antworten auf Fragen zu transzendenten Themen geben, wenn man aus einer transzendenten Quelle schöpft. Menschen interessieren sich nicht für Spekulationen von Theologen. Sie wissen: Kein Mensch weiß etwas darüber, was nach dem Tod geschieht. Gott allein kann das wissen. Wenn aber der Text der Bibel nur noch zeitbedingtes Menschenwort statt geistinspiriertes Gotteswort ist, dann kann auch die Bibel keine Auskunft mehr über das Jenseits geben. Das gilt umso mehr, wenn es in der Theologie keinerlei Einheit mehr über Jenseitsfragen gibt.
Um das Jenseits wieder glaubwürdig ins Spiel bringen zu können ist deshalb auch eine Umkehr in unserer Haltung zur Heiligen Schrift alternativlos. Damit verbietet es sich dann allerdings auch, die Botschaft dieser Heiligen Schrift nach unserem eigenen Geschmack zu verbiegen. Die Menschen spüren nun einmal sofort, ob die Kirche aus einer Quelle schöpft, die außerhalb ihrer selbst liegt und deren Botschafter sie ist, oder ob sie sich eine eigene Botschaft konstruiert, mit der sie den Menschen nach dem Mund redet.
Wenn wir der Schrift folgen können wir klarstellen, dass weder die eine noch die andere von Thomas Großbölting geschilderten Jenseitspredigten der Wahrheit entspricht. Moralisches Leben bringt uns nicht in den Himmel. Niemals. Trotzdem ist der Himmel auch keine Selbstverständlichkeit, um die wir uns nicht kümmern müssten. Die Hölle ist viel mehr als eine theoretische „Denkmöglichkeit“. Jesus hat häufig über sie gesprochen und intensiv vor ihr gewarnt. Wir sind zum Glück nicht in der Position des Richters, somit müssen und dürfen wir auch nicht entscheiden, wer in die Hölle kommt. Aber wir dürfen und müssen die einzige gute Botschaft weitergeben, die uns sicher zum Vater und zum ewigen Leben führt. Das geht eben nicht durch moralische Werke oder durch irgendetwas, was wir Menschen tun könnten. „Bei den Menschen ist’s unmöglich“ sagte Jesus. Allein das feste Vertrauen auf Jesus und sein Erlösungshandeln am Kreuz hilft uns weiter: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat.“ (Johannes 3, 16) Das ist das Herz des Evangeliums.
Ich bin überzeugt: Mehr Menschen als wir glauben, machen sich sehr wohl Gedanken darüber, wie es nach dem Tod weitergeht. Die Kirche hat dazu eine phantastische Botschaft aus einer einzigartigen Quelle. Denn dieser Jesus hat nicht nur geredet. Er ist auch nicht nur am Kreuz gestorben. Er hat selbst den Tod besiegt! Zahllose Zeitgenossen Jesu gaben ihr Leben aus lauter Begeisterung darüber, dass dieser Jesus tatsächlich von den Toten auferstanden ist. Die Botschaft von der Auferstehung hat quer durch die Zeiten und Kulturen Menschen inspiriert, getröstet und verändert. Nur dieser Jesus weiß, wie wir über den Tod hinaus leben können. Nur bei ihm sind wir richtig mit der Frage aller Fragen: Wie bekomme ich das ewige Leben?
Lassen wir uns nicht irritieren davon, dass das Jenseits scheinbar aus der Mode gekommen ist. Tragen wir vielmehr alle gemeinsam dazu bei, dass die Frage nach dem ewigen Leben wieder ganz neu gestellt wird. Und vor allem: Verbreiten wir die lebensspendende Antwort unseres Herrn, bis sie wieder zu hören ist in jedem Winkel unseres Landes!
Super geschrieben.
Die Bibel ist voll von Worten, die beschreiben, wie wichtig die Zubereitung zum ewigen Leben ist.
Die Frage ist nur: wie kommen wir dahin, der Welt abzusagen und uns trotzdem darin zu bewegen? Weil leider nicht das ganze Evangelium gepredigt wird. Die ganze Tragweite der Liebe und Güte Gottes kann uns nur durch den Heiligen Geist eröffnet werden. Ruhe und Frieden werden wir haben im Himmel. Doch hier ist es nicht ruhig. Dafür ist aber die übernatürliche Hilfe verfügbar, damit wir stets Sieg haben können.
Und das kostet einen Preis. Wir haben einen Feind und müssen wissen, wer er ist und wie wir uns gegen ihn schützen können.