Im letzten Jahr haben mich immer wieder Stimmen von konservativen Christen aus ganz Deutschland erreicht, die sich in ihren landes- oder freikirchlichen Gemeinden an den Rand oder gar hinausgedrängt fühlen. Tatsächlich scheint sich dieser subjektive Eindruck auch objektiv zu bestätigen. Tobias Faix hat jüngst berichtet, dass die Anzahl der Gläubigen steigt, die aufgrund ihres konservativen Glaubens aus der evangelischen Kirche austreten. In einer aktuellen Erhebung für die Kirche von Westfalen wurde zudem ermittelt:
„Das häufigste Motiv für einen Austritt aus der Kirche ist die Ansicht, dass die Kirche nicht mehr das lebt, „was Jesus eigentlich wollte“.“
Also nicht die Säkularisierung, nicht die Kirchensteuer, sondern die grundsätzlichen Differenzen beim Jesusbild sind das Hauptproblem, das Menschen aus der Kirche treibt! Das hat mich nun doch überrascht.
Natürlich sind nicht alle, die diese Antwort geben, theologisch konservativ. Aber Fakt ist ganz offensichtlich: Meine Kirche leidet massiv darunter, dass es auch bei den zentralsten Glaubensfragen keinen Konsens mehr gibt. Die grundlegenden Differenzen beim Schriftverständnis wurden ja lange Zeit verharmlost mit der Aussage: Wir glauben doch nicht an die Bibel sondern an Jesus Christus. Jetzt aber zeigt sich: Wenn die Wege beim Schriftverständnis auseinanderlaufen, laufen sie irgendwann auch beim Jesusbild auseinander. Wenn die Bibel keine gemeinsame Grundlage mehr ist, dann ist auch Jesus irgendwann keine gemeinsame Grundlage mehr. Wenn sich die Jesusbilder bei den Gemeindemitgliedern und in der Theologie immer grundlegender voneinander unterscheiden, dann kann Jesus auch nicht mehr die einende und verbindende Person der Kirche sein. Am Ende führt die theologische Liberalisierung eben doch zum entscheidenden Verlust der Bindekräfte, die die Kirche gerade in einer sich polarisierenden Gesellschaft dringender denn je nötig hätte, um nicht auseinander zu fallen.
Woran Konservative leiden
Tobias Faix verweist darauf, dass gerade der Exodus der Konservativen für die Kirche besonders schmerzhaft ist, weil sie an der Basis oft sehr engagiert sind. Diese richtige Beobachtung ändert aber nichts daran, dass auf eben diese konservative Basis in Teilen meiner Kirche wenig Rücksicht genommen wird. Die Nordkirche (also die ev. Landeskirche in Schleswig Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern) hat jüngst nicht nur beschlossen, gleichgeschlechtliche Paare zu trauen. Viel weitreichender ist der Beschluss, dass die Gewissensfreiheit für Pastoren in dieser Frage abgeschafft wird. Das heißt: Es ist Pastoren nicht mehr möglich, eine Trauung gleichgeschlechtlicher Paare aus Gewissensgründen abzulehnen. Sie werden gezwungen, ihr Gewissen vor Gott und seinem Wort zu kompromittieren und etwas zu segnen, was in ihren Augen nicht unter dem Segen Gottes steht. Zu Ende gedacht kommt das im Grunde einem Ausschluss von Evangelikalen aus der Landeskirche gleich, und das nicht nur in der Nordkirche. Denn evangelikale Theologiestudenten, die ihrem Gewissen vor Gott treu bleiben wollen, müssen jetzt auch in anderen Landeskirchen damit rechnen, in einen unlösbaren Gewissenskonflikt getrieben zu werden, weil der Trend ja vielerorts in die gleiche Richtung geht. Wenn es keine Wende gibt, würde das für die evangelikalen Gemeindeglieder bedeuten, dass es langfristig in den Landeskirchen keine Pfarrer und Pastoren mit evangelikalen Überzeugungen mehr gibt. Damit würde es auf Dauer auch keine konservativ geprägten Richtungsgemeinden mehr geben. Denn die Pfarrer haben in den evangelischen Gemeinden eine dominante Position. Ich habe in den letzten Jahren mit so vielen tief enttäuschten und verletzten landeskirchlichen Evangelikalen gesprochen, dass ich inzwischen überzeugt bin: Die Schaffung von evangelikal geprägten erwecklichen Strukturen innerhalb der Landeskirche ist kaum möglich, wenn der Pfarrer dies nicht zumindest mit Wohlwollen und Sympathie für evangelikale Frömmigkeit schützt und wenigstens im Hintergrund auch unterstützt.
Nun ist diese Entwicklung für Evangelikale in der Landeskirche freilich nicht neu. Schließlich liegt die Dominanz der nichtevangelikalen Theologie in den landeskirchlichen Ausbildungsstätten schon seit Jahrzehnten bei nahezu 100 %. Auch in manchen freikirchlichen Ausbildungsstätten geht der Trend in diese Richtung. Hinzu kommt: Trotz akutem Pfarrermangel verwehrt meine evangelische Kirche den Abgängern konservativer Ausbildungsstätten den Zugang zum Pfarramt. Wenn aber die Ausbildung sämtlicher Gemeinde- und Kirchenleiter von einer Theologie geprägt ist, die auch in zentralen Glaubensfragen evangelikalen Überzeugungen widerspricht, dann ist es kein Wunder, wenn Evangelikale immer öfter den Eindruck haben: Wir haben mit dem, was uns wichtig ist, keinen Raum mehr.
Die doppelte Basis für die Einheit der Kirche
Auch wenn es mich jedes Mal tieftraurig macht: Ich habe Verständnis dafür, wenn Christen angesichts dieser Entwicklungen manchmal keine andere Möglichkeit mehr sehen, als aus der Kirche auszutreten. Aber viel mehr wünsche ich mir, dass wir Konservativen anfangen, gemeinsam für unsere Überzeugungen aufzutreten! Paulus hat es uns vorgemacht. Mit eindrücklichen Worten hat er klargestellt, was die beiden entscheidenden Elemente des Fundaments der Kirche Jesu sind:
„Wir sind sein Haus, das auf dem Fundament der Apostel und Propheten erbaut ist mit Christus Jesus selbst als Eckstein.“ (Epheser 2, 20).
Die gelebte Liebe und Nachfolge Jesu im Zentrum sowie die Verwurzelung in der Lehre der Apostel und Propheten, die wir in der Bibel finden: Beides zusammen bildet das Fundament der Kirche Jesu. Ein festes Jesus- und Schriftvertrauen ist also nicht etwa eine fundamentalistische Randposition, im Gegenteil: Es ist genau dieses doppelte Fundament, das die Kirche eint. Und zwar NUR dieses! Einen anderen Grund kann niemand legen. Wenn man den Worten von Paulus glaubt, ist die Kirche ohne dieses doppelte Fundament auf Sand gebaut.
Es wird ja oft darauf hingewiesen, dass auch die Konservativen trotz gemeinsamem Bekenntnis zur Autorität der Bibel zerstritten seien. Ja, in der Tat: Auch da gibt es Misstrauen, Konflikte und Spaltungen. Aber immerhin haben die Konservativen mit der Bibel noch einen gemeinsamen Grund, auf dessen Basis man zumindest miteinander streiten und um gemeinsamen Grund ringen kann. Und Fakt ist: In den vergangenen Jahrzehnten ist über Konfessions- und Prägungsgrenzen hinweg überall dort sehr viel Einheit gewachsen, wo einerseits der Schrift fest vertraut wurde und andererseits eine gelebte Liebesbeziehung zu Jesus im Mittelpunkt stand. Im Buch „Zeit des Umbruchs“ berichte ich im letzten Kapitel ausführlicher von diesen hoffnungsvollen Entwicklungen. Eindrücklich war für mich dazu auch ein Erlebnis in diesem Sommer: Wir saßen mit Freunden im Garten, als wir vom Weg vor dem Garten plötzlich Gesang hörten. Wir gingen hinaus und begegneten brasilianischen Christen. Wir kannten uns nicht. Wir konnten uns wegen der Sprachbarriere nur spärlich unterhalten. Aber wir haben spontan Jesus zusammen angebetet und uns beim Abschied herzlich umarmt in dem Bewusstsein: Wir sind Geschwister in dieser einen großen Familie Gottes. Spätestens im Himmel werden wir uns wiedersehen. Jesus und sein Wort schafft Einheit – über alle Grenzen, Kulturen und Prägungen hinweg.
Verpackung oder Inhalt?
Angesichts von Austrittswellen, sinkenden Mitgliederzahlen und schrumpfendem Gottesdienstbesuch wird in letzter Zeit immer häufiger die Frage gestellt: Wie kann die Kirche wieder Zukunft gewinnen? Brauchen wir vielleicht mehr Digitalisierung? Müssen wir näher bei den Menschen sein? Brauchen wir mehr soziologische Untersuchungen, um besser zu verstehen, welche Fragen die Menschen bewegen? Oder brauchen wir vielleicht frische Formen von Gemeinde, Kirche und Veranstaltungsformen, die besser zu den heutigen Lebenswelten und Milieus unserer Gesellschaft passen? Ja, ich glaube, all das brauchen wir. Aber wir dürfen dabei nie vergessen: Entscheidend ist am Ende nicht die Verpackung. Entscheidend ist der Inhalt! Jeder Manager weiß: Selbst das beste Marketingkonzept hilft auf Dauer nichts, wenn man kein überzeugendes Produkt hat. Genauso ist es bei der Kirche: Wir brauchen uns mit der Verpackung unserer Botschaft eigentlich gar nicht zu beschäftigen, solange wir uns nicht im Klaren darüber sind, was im Kern eigentlich unsere Botschaft ist.
Eigentlich hat die Kirche ja gar keine eigene Botschaft. Sie ist nur Botschafter an Christi statt (2. Kor. 5,20). Diese Botschaft Christi kennt die Kirche einzig und allein aus der Bibel. Wenn wir den biblischen Texten nicht vertrauen, verlieren wir deshalb zwangsläufig auch die Vertrauenswürdigkeit, die Klarheit und damit auch die Kraft, die Schönheit und Dynamik des Evangeliums. Umso mehr hoffe und bete ich, dass es in meiner Kirche wieder eine Umkehr gibt hin zu einer authentisch gelebten Liebe zu Jesus und zu einer neuen Ehrfurcht vor Gottes Wort. Und ich hoffe und bete, dass unsere freikirchlichen Freunde nicht ebenso ihre Ausbildungsstätten der liberalen Theologie überlassen, wie wir Landeskirchler das getan haben. Es ist nun einmal keine Rechthaberei, keine Angst und keine Enge, die Evangelikale wie mich so nervös werden lässt, wenn universitäre Theologie in ihrer ganzen Bandbreite über Portale wie Worthaus nun auch mitten in die evangelikale Welt hineingetragen wird. Nein, es ist ganz einfach die Sorge um das einzig tragfähige Fundament der Kirche Jesu, ohne das keine christliche Gemeinde, kein christliches Werk und keine Denomination auf Dauer bestehen kann.
Lasst uns Häuser bauen
Ich freue mich sehr darüber, dass ich in einem Land leben darf, in dem in der Mitte fast jeder Ortschaft ein Haus zur Ehre Gottes steht. Aber ich sehne mich danach, dass diese Häuser aus Stein wieder gefüllt werden mit Häusern aus Menschen, die sich zusammenfügen lassen zu einem „Tempel aus lebendigen Steinen“, wie Petrus es ausdrückt (1. Petr.2,5). Ich habe Sehnsucht danach, dass an allen Orten geistliche Häuser entstehen, in denen Jesus gegenwärtig ist und in denen unsere Mitmenschen nach Hause kommen können und Heimat, Erlösung und ewiges Leben finden bei diesem wundervollen himmlischen Vater, von dem uns die Bibel berichtet. Meine Frau und ich arbeiten an unserem Heimatort gemeinsam mit vielen anderen Christen seit Jahren dafür, dass so ein geistliches Haus entsteht. Und ich freue mich darüber, dass sich viel Gutes entwickelt, weil Gottes Wort Kraft hat, Menschen bewegt und verändert. Aber in den letzten Jahren ist uns noch deutlicher geworden: Es reicht nicht, schöne Programme und Veranstaltungen zu gestalten. Wenn wir ein nachhaltiges geistliches Haus bauen wollen, dann müssen wir aufs Fundament achten. Wenn Menschen sich nicht verwurzeln in der Liebe und im Wort Gottes, dann hat das Haus, das wir bauen, auf Dauer keinen Bestand.
Lassen Sie uns deshalb an allen Orten wieder Häuser auf gesunden Fundamenten bauen. Und lassen Sie uns beten, dass Gott einen neuen Aufbruch schenkt, eine neue Bewegung von Menschen, die Jesus Christus von Herzen lieben und die ihre Bibel kennen und tief in ihr verwurzelt sind.
Gemeinsam Auftreten
Wir Evangelikalen wollen keinen Streit. Wir sehnen uns nach Einheit, damit das Evangelium glaubwürdig verkündigt werden kann. Aber in der Bibel sehen wir, dass es manchmal auch not-wendend sein kann, in kontroversen Fragen Position zu beziehen, um Orientierung zu geben und Christen zu ermutigen. Eine gute Gelegenheit, gemeinsam aufzutreten, ist zum Beispiel der Studientag des Netzwerks Bibel und Bekenntnis am 16. November in Siegen. Ich würde mich sehr freuen, Sie dort zu treffen!
Danke Markus, dass du deine Gedanken so offen teilst. Ich hoffe, dass viele in Deutschland deinem Aufruf folgen. Und dass viele in meinem eigenen Land der Schweiz deine Worre zu Herzen nehmen!
Danke für deine Gedanken.
Hier in Österreich sieht die Situation ganz ähnlich aus.
Bleibt zu hoffen und zu beten, dass Jesus noch einmal Gnade schekt.
Danke für die Rückmeldung und herzliche Grüße nach Österreich!
Hallo Markus,
besten Dank an der Stelle für dein Buch Zeit des Umbruchs das ich mit großem Interesse gelesen habe. Beim Ausblick am Schluss bin ich von deinem Optimismus beeindruckt.
In deinem aktuellen Blogbeitrag ist dieser Optimismus auch deutlich spürbar, den ich insofern Teile, das Jesus seine Gemeinde auf jeden Fall bauen wird.
Das unsere evangelische Landeskirche Württemberg, der ich bis vor einer Woche auch noch angehörte (incl. Amt als KGR) einen wesentlichen Beitrag dazu leisten wird, das bezweifle ich allerdings stark.
Ein Großteil der Gemeinden ist im “ Kulturchristentum“ verhaftet und mit Selbstorganisation und Gebäudeunterhaltung beschäftigt. Hin und wieder ein Gemeindefest dessen Erfolg dann am finanziellen Erlös gemessen wird, für die Senioren hin und wieder etwas leicht christlich angehauchte Bespaßung.
Mein Anliegen war es nun allerdings nicht in ein allgemeines Jammern und Meckern einzustimmen, das ist wie du es im Buch ja auch beschreibst nicht der Lösungsansatz, sondern das Problem. Und die Frage was ich in meiner Zeit im Leitungsgremium dagegen getan habe, ist an mich selber ja zuerst zu stellen.
Der Ansatz im Bezug auf die Landeskirche ist meines Erachtens die Notwendigkeit einer grundlegenden Reformation, die allerdings aufgrund der Bandbreite innerhalb der Landeskirche nicht in einer Einheit enden kann.
Mein eigentliches Anliegen ist es, diesbezüglich auf einen Vortrag von Al. Mohler über das Thema
„Reformation heute – Was wir von den Südlichen Baptisten lernen können“ hinzuweisen. Al. Mohler war 2017 als Redner auf der Evangelium 21 Konferenz in Hamburg.
Der Vortrag steht auf der Homepage von E 21 zur Verfügung.
https://www.evangelium21.net/media/638/reformation-heute-was-wir-von-den-suedlichen-baptisten-lernen-koennen?autoplay-video=true
oder als Boocklet
https://www.evangelium21.net/media/1380/reformation-heute
Dir Markus Gottes Segen
Jan Maurer Mötzingen
Lieber Jan Maurer, vielen Dank für Deine Zeilen und Deine traurige Beschreibung landeskirchlicher Realitäten. Wie gesagt: Auch wenn es mich jedes Mal tieftraurig macht: Ich habe Verständnis dafür, wenn Christen angesichts dieser Entwicklungen manchmal keine andere Möglichkeit mehr sehen, als aus der Kirche auszutreten. Ich hoffe, dass Du neue Orte der Vernetzung mit anderen Christen gefunden hast? Den Vortrag von Al Mohler kenne ich, den habe ich mit größtem Interesse gehört. Sehr gut! Und sehr herausfordernd. Ich fürchte, dass nicht nur die Landeskirche sondern auch viele freikirchlichen Strukturen vor dieser Herausforderung stehen. Herzliche Grüße aus Weil im Schönbuch
zu einem Thema deines Blogartikels passt dieser schweizer Blogartikel gut:
https://sola-gratia.ch/10-thesen-zur-ehe-fuer-alle-sek-joerg-frey/
Hey Markus,
gerade habe ich diese Predigt gehört. Musst du unbedingt anhören!! Es ist unfassbar erhellend und berührend.
Danny Cortez (2014 at New Heart Community Church, LA) auf YouTube:
https://youtu.be/WqYvkVqVLFo
Katharina
Hier gibts sogar eine Version mit deutschen Untertiteln (ich weiß aber nicht, wie gut die Übersetzung ist) https://www.youtube.com/watch?v=fNwqKuAXNOg
Hallo Markus,
eine gute Ergänzung zu dem Thema habe ich hier gehört: https://movecast.podbean.com/e/mc-85-glaubensentfremdung-warum-christen-schleichend-ihre-kirchen-verlassen/
Es ist ja nicht nur so, dass Menschen die Landeskirchen verlassen. Sondern es verlassen auch zunehmend Menschen die evangelikalen Kreise. Und mehr als ein „die sind eben vom rechten Glauben abgefallen“ hat man dort leider oft nicht für sie übrig, fühlt man sich doch selbst so sicher in seinen eigenen Traditionen und dem eigenen Gottesbild und Bibelbild.
Habe ich auch schon gehört. Leider wird da nur sehr oberflächlich dargestellt, was Postevangelikismus bedeutet. Bei den meisten Punkten würde ich sagen: Wenn das Postevangelismus ist, dann wäre ich auch ein Postevangelikaler. Die „Knackpunktthemen“, die ich in meinem Buch geschrieben habe, werden aber leider völlig außen vorgelassen.
Hallo Markus,
in dem movecast wird sehr konkret dargestellt, was Postevangelikalismus bedeutet. Ganz präzise und gut verständlich in den 6 Punkten. Ich weiß ja nicht, wo du da hingehört hast…??
Dass DEINE Knackpunktthemen nicht angesprochen werden, könnte auch daran liegen, dass sie eben für andere keine Knackpunktthemen sind. Du solltest dich wirklich langsam mal davon lösen, zu meinen, dass das, was DU für zentral und relevant hältst, für alle anderen gleichermaßen zentral und relevant sein muss. Oder überall anders auch als Knackpunktthemen dargestellt werden muss. Dann kann sich auch wieder eine entspannte Diskussionskultur einstellen.
Danke für die Antwort, damit bestätigst Du meine These. Denn ich mache ja nur darauf aufmerksam, dass die leibliche Auferstehung und das stellvertretende Sühneopfer für Evangelikale im Zentrum stehen, absolut zentral und höchst relevant sind, für andere aber nicht mehr in dem Maße. Darüber darf, darüber muss man reden. Aber keine Sorge: Ich bin sehr entspannt. 🙂
Ok. Und weshalb bezeichnest du dann eine Darstellung als „oberflächlich“, nur weil sie DEINE Knackpunkte nicht beinhaltet?
„Entspannt“ definieren wir beide ganz offenbar unterschiedlich 😉
Zu den Themen leibliche Auferstehung und Sühnopfer:
Ich bin mir zwar sicher, dass du zu diesen Themen schon mit anderen bibelkundigen Menschen gesprochen hast, aber offenbar kam die Message nicht an. Daher in aller Kürze: Die Bibel selbst ist nicht eindeutig in ihren Aussagen darüber, wie leiblich der Auferstehungsleib war. Sich auf die Stellen zu fixieren, an denen Jesus Fisch gegessen und seine Wunden gezeigt hat, und alle Meinungen nicht gelten zu lassen, die sagen, dass der Auferstehungsleib auch noch eine andere Dimension außer die leibliche hatte (er konnte durch Wände gehen, wirkte wie ein Gespenst, hatte ein anderes Aussehen als der vorösterliche Jesus, konnte plötzlich erscheinen und verschwinden…), zeugt von einer sehr selektiven Art und Weise, die Bibel zu lesen.
Ebenso bei der Deutung des Todes Jesu als Sühneopfer. Sie ist eines von vielen (ich meine, es sind um die 10) verschiedenen Bilder im NT, die versuchen, das Kreuzesgeschehen, ein für Menschen nicht fassbares Ereignis, in menschenverständliche Worte zu fassen. Sich auf eine Deutung als die „einzig wahre“ zu beschränken und alles andere als „vom rechten Glauben abgefallen“ abzustempeln, wird einfach der Bibel nicht gerecht und ist lieblos den Mitchristen gegenüber, die nach gründlichem Bibelstudium betonen, dass das nicht die einzige Beschreibungsmöglichkeit für den Kreuzestod ist. Hierzu findest du unter diesem Link eine hervorragende Predigt, die einige Deutungen des Kreuzestodes aus dem NT zusammenfasst: https://soundcloud.com/jesustreff/jesu-tod-am-kreuz-warum-lasst-uns-das-haufig-kalt-bibel-und-botschaft-09042019?in=jesustreff/sets/bibel-und-botschaft
Bitte glaub mir: Ich kenne diese Debatte und die Argumente sehr genau. Dass es da Differenzen gibt, die aus evangelikaler Sicht für den christlichen Glauben sehr gravierend sind, darf man einfach mal nüchtern und gelassen wahrnehmen.
Mir ist schon klar, dass du die Argumente kennst. Aber sie bewirken bei dir nichts.
Es gibt einen eindeutigen biblischen Befund, nämlich, dass die Bibel in diesen beiden Fragen vielseitig ist. Dazu braucht es keine Theologen, da muss man einfach nur mal in die Bibel gucken und sie gründlich durchlesen. Aber dieser Befund wird leider nach wie vor von vielen Evangelikalen ignoriert. Obwohl sie doch immer behaupten, sie würden sich einzig und allein an der Bibel orientieren.
Woran liegt das?
Ich würde gerne noch wissen, weshalb es so „gravierend“ ist, wenn jemand Jesu Tod nicht als Sühnopfer versteht. Auch, um meine Brüdergemeinde-Geschwister besser zu verstehen, die diejenigen als „irregeleitet“ und „nicht rechtgläubig“ bezeichnen, die nicht das Bild des Sühnopfers für Jesu Tod verwenden.
Ich bin bspw. keine Jüdin, nicht mit den alten jüdischen kultischen Traditionen und Opferriten vertraut und lebe auch nicht in einer Gesellschaft, in der Sühnopferriten üblich sind. Mir ist dieses Bild total fremd und ich weiß auch nicht recht, wie das mit dem Tod Jesu zusammenhängt.
Für mich sind andere Bilder leichter verständlich. Zum Beispiel, dass wir durch Jesus von der Knechtschaft des Gesetzes erlöst sind und den Geist der Kindschaft empfangen haben (ein Bild, das Paulus im Galaterbrief verwendet, Schlüsselverse Gal 4,4&5), oder dass wir durch Christus allein aus Gnaden gerechtfertigt sind (Römer 3), oder dass wir durch ihn Zugang zum Vater haben (Epheser 2) oder dass er all unsere Krankheiten und Schmerzen auf sich nahm und an unserer Stelle trug (Gottesknechtslied Jesaja 53, hier V.4). Oder das Bild vom Weizenkorn, dass sterben muss, um Frucht/neues Leben zu bringen und Gemeinschaft zu stiften, mit dem Jesus selbst bei der Ankündigung seines Todes seinen Tod deutet (Joh. 12).
Was ist daran konkret „gravierend“?
Bei Dir bewirken die Argumente auch nicht allzu viel… 😉 Jetzt hab ich den Worthausvortrag von Peter Wick zum Kreuzestod gehört. Eigentlich ein guter Vortrag (den über Wunder fand ich richtig spitze), der aber leider der Debatte, die bei diesem Thema tobt, nicht gerecht wird. Ich kenne niemand, der der Meinung ist, dass das Sühneopferbild das einzige relevante Bild für die richtige Deutung des Geschehens am Kreuz wäre. Die Debatte dreht sich ja vielmehr darum, dass viele Theologen das Sühneopfer und die Stellvertretung generell in Frage stellen. So äußert z.B. Dr. Breuer bei Worthaus, das Sühneopferbild stehe für einen blutigen Rachegott und somit für ein Gottesbild, das er heute nicht mehr akzeptieren könne. Zudem wird ja auf breiter Front in Frage gestellt, dass Jesu Tod „sein musste“, um uns zu erlösen (Dr. Breuer erwähnt, dass er sich mit Prof. Zimmer darin einig sei, dass Jesus frühestens in Jerusalem zu der Überzeugung gelangte, dass sein Tod offenbar unausweichlich sei.) Gut, dass Wick hier klarstellt, dass dieses „MUSS“ durchgängig im NT beueugt wird. Ein Knackpunkt in Wicks Vortrag ist sein Bericht ganz am Ende, wie einmal jemand nach seinem Vortrag zu diesem Thema geäußert hätte, dass er ausschließlich mit dem Zugang 5 („radikales Vorbild“) etwas anfangen könne. Wicks Antwort: Das ist gut, dann konzentrieren Sie sich doch jetzt einmal auf diesen einen Zugang. Dazu formuliert er die Hoffnung: Das könnte ja dann ein Eintritt in eine Gottesbeziehung sein, die dann schrittweise auch offen macht für die anderen Zugänge. Hm… In einem persönlichen Seelsorgegespräch mag das vielleicht tatsächlich ein Zwischenschritt sein. Aber theologisch müssen wir angesichts der laufenden Debatte dringend klarstellen: Die Stellvertretung spielt letztlich in allen neutestamentlichen „Zugängen“ eine zentrale Rolle (siehe dazu der Artikel „Das Kreuz – Stolperstein der Theologie“). Die Reduktion des Kreuzesgeschehens auf einen Vorbildcharakter beraubt Jesu Tod im Kern seinen Erlösungscharakter und beschädigt deshalb das neutestamentliche Evangelium elementar. Schade, dass das in diesem Vortrag nicht deutlich wird. Den Vortrag vom Jesus Treff höre ich mir noch an. Danke für den Hinweis!
Danke für deine ausführliche Antwort!
Dass deine Argumente bei mir nicht allzu viel bewirken, hat, wie du ja weißt, den einfachen Grund, dass ich mit diesen Argumenten aufgewachsen bin und sie den Lackmustest meines Lebens nicht bestanden haben. Und ich kann nur einen Glauben befürworten, der im Leben trägt, in schwersten Krisen überleben lässt und vor allem durch den Tod trägt. Ein Glaube, der nur durch bestimmte Argumente lebt und aufrecht erhalten werden muss (z.B. „Die Bibel hat Recht, weil…- und dann werden Naturwissenschaftler & Historiker angeführt; „Die Bibel ist wahr, weil… – und dann werden naturwissenschaftliche & historische Aspekte angeführt; „Der christliche Glaube ist vernünftig, weil…“), hat sich für mich ganz real und faktisch nicht als tragfähig und dauerhaft fruchtbar (um mal deine Vokabeln zu verwenden) erwiesen. Hinter diese Erkenntnis kann ich nicht mehr zurück. Denn das Evangelium ist nunmal nicht vernünftig, das „Wort vom Kreuz“ auch nicht, sondern es ist, wie es die Bibel selbst sagt, eine „Torheit“ und Gottes Torheit macht alle menschliche Weisheit zunichte. Das habe ich am eigenen Leib und an der eigenen Seele erlebt. Meine Lebensumstände haben mich gezwungen, diese Glaubensargumente nach dem paulinischen Prinzip zu prüfen und konnte sie nicht als „gut“ bewerten.
Der Vortrag von Peter Wick war, denke ich, gar nicht darauf ausgelegt, der Debatte, wie du sie wahrnimmst, gerecht zu werden – schade, dass du schon wieder etwas abwertest, nur weil es deinem Bedürfnis nach Themen, die vorkommen müssen, nicht entspricht. Sondern darauf, verschiedene biblische Zeugnisse/Bilder/Deutungen des Todes Jesu darzustellen. Und dass immer Stellvertretung vorkommen muss, so wie du es forderst, gibt eben der biblische Befund nicht her. Da ist ganz klar ein NEIN zu setzen gegenüber deiner Behauptung, dass die Stellvertretung in ALLEN biblischen Bildern eine Rolle spielt. Denn gerade in Herrn Wicks Vortrag wird ja deutlich: es gibt beispielsweise auch das Bild des „radikalen Vorbildes“ in der Bibel, das NICHTS mit Stellvertretung zu tun hat (und ich ergänze das Bild vom Weizenkorn, das Jesus selbst verwendet; da ist auch nicht der Stellvertretungsgedanke mit drin). Es ist unfair, Herrn Wick dafür zu kritisieren, dass etwas in der Bibel anders steht, als du es dachtest. Außerdem hast du ja selbst verstanden, dass sein Rat ein seelsorgerlicher war. Hier aufzuschreien, dass jemand dem Tod den Erlösungscharakter beraubt und das Evangelium elementar beschädigt, ist mehr als übertrieben und zudem auch einfach nicht wahr (diese Art der „Aufschreie“, die ich bei dir so oft finde, nehme ich übrigens als unentspannt wahr).
Ich kenne keinen Theologen, der das Sühneopfer und die Stellvertretung generell in Frage stellt. Auch nicht Herr Breuer. Da hast du etwas ganz gründlich missverstanden!! Es geht nicht gegen die Deutung als Sühneopfer, sondern gegen eine FALSCHE INTERPRETATION des biblischen Bildes vom Sühneopfer, die sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hat und nicht dem ursprünglichen, aus dem jüdisch-kultischen Kontext entstandenen Bild entspricht. Nämlich die Deutung Gottes als rachsüchtigen Gott, der zufrieden gestellt werden muss und Blut sehen muss, damit er sich beruhigt. Die von dir kritisierten Theologen arbeiten heraus, wie sich dieser jüdisch-kultische Begriff durch Vermischung mit anderen Religionen von seiner ursprünglichen Bedeutung soweit entfernt hat, dass daraus eine schräge Theologie und ein schräges Gottesbild wurde. Und das versuchen sie, zu korrigieren, indem sie klarstellen, wie die Bibel das sieht, welches Gottesbild die Bibel entwirft und was „Sühneopfer“ im ursprünglichen Sinn bedeutet. Die Debatte darüber, dass Theologen das Sühneopfer und die Stellvertretung in Frage stellen, ist also eine klassische Strohmanndebatte.
Zu dem MUSS: Da hast du zwei Dinge durcheinandergewürfelt, die zu trennen sind: Herrn Breuer und Herrn Zimmer ging es um die Frage, wie/ ab wann Jesus von Nazareth selbst das mit seinem Tod verstanden hat. Also sozusagen die Innensicht Jesu vor seinem Tod und seiner Auferstehung, die Sichtweise der historischen Person Jesus von Nazareth. In den Evangelien und bei Paulus geht es aber um eine Deutung des Todes Jesu, die im Lichte der Auferstehung entstanden ist, also um die Sicht AUF Jesus als den Christus von außen und nach seinem Tod – hätten die Jünger schon vor Jesu Tod um die geistliche Dimension seines Todes gewusst oder Jesu Andeutungen verstanden, wären sie ja nicht alle weggerannt oder hätten ihn verleugnet, sondern hätten das Ereginis gebührend gefeiert. Und: Jesus war ja nicht nur Gott und der auferstandene Christus, sondern auch ganz Mensch. Das ist doch der Clou der Erlösungsgeschichte! Ich bin immer wieder erstaunt und auch etwas ratlos, wenn ich sehe, wie negativ die Frage danach/ die wissenschaftliche Forschung darüber bewertet wird, wie und wer dieser Mensch Jesus eigentlich war. Wenn wir ernst nehmen, dass Jesus ganz Gott und zugleich ganz Mensch war, ist das doch ebenso wichtig wie die Frage, wie und wer er als Gott und der Auferstandene war. Und die Gruppe Juden/ die Römer, die Jesu Tod wollten und ihn hingerichtet haben, haben das eben nicht deshalb, damit der Mensch Jesus von Nazareth als Erlöser für die Menschheit stirbt, sondern weil er aus ihrer Sicht Gott gelästert hat bzw. ein Aufständischer war, der ihre Macht bedrohte. Das muss man eben auch mal ganz nüchtern so sehen.
Weshalb bist du der Meinung, dass das „muss“ im NT der Annahme widerspricht, dass Jesus erst in Jerusalem zur Erkenntnis gekommen ist, sein Tod sei unausweichlich? Jesus sagt doch selbst in Jerusalem, dass er den Menschen überantwortet werden muss. Wo liegt da ein Widerspruch?