„Ehe für alle“ – Fortschritt wohin?

Ein Diskussionsbeitrag von Gastautor Dr. Reinhard Junker
Der Artikel kann mit ausführlicheren Anmerkungen hier als PDF heruntergeladen werden.

„Ehe für alle“ – klingt gut und einladend, es wird niemand „diskriminiert“, es gelten gleiche Rechte für alle, niemandem wird etwas weggenommen. Und wenn Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen, ist das doch wertvoll und verdient Unterstützung, unabhängig davon, ob es sich um eine hetero- oder homosexuelle Beziehung handelt. Wo also  ist das Problem?

In diesem Beitrag möchte ich zunächst darlegen, was aus christlicher Sicht zur Ehe gesagt werden kann und anschließend die Argumente untersuchen, die spezifisch von kirchlicher Seite für die „Ehe für alle“ vorgebracht werden. Im zweiten Teil soll es um Argumente gehen, die unabhängig von christlicher Dogmatik und Ethik in der Diskussion über die „Ehe für alle“ (Efa) vorherrschen: Wie begründen die Befürworter die Efa und aus welchen Gründen lehnen sie ihre Gegner ab? In einem dritten Teil werden einige Konsequenzen erörtert.

1. „Ehe für alle“ aus christlicher Sicht

Beim Thema „Ehe“ fängt man aus christlicher Sicht am besten buchstäblich bei Adam und Eva an. Nach dem biblischen Schöpfungszeugnis schuf Gott den Menschen als Mann und Frau, beide zusammen zu seinem Bilde (1. Mose 1,27), unterschiedlich – nicht nur körperlich, sondern auch in ihrem Fühlen, Denken und Handeln. Das unterstreicht 1. Mose 2, wo gesagt wird, dass die Frau als „passende Entsprechung“ zu Adam geschaffen wurde. Die Frau ergänzt den Mann im Sinne einer Gleichstufigkeit und Gleichwertigkeit.[1] Auch wird die Unterschiedlichkeit von Anfang an betont, die schon vor dem Fall schöpfungsmäßig vorgegeben ist. Beide werden mit einer bipolaren Sexualität ausgestattet: „Er schuf sie männlich und weiblich.“ 1. Mose 2,18.20 bringt die Zuordnung und das Miteinander der beiden Geschlechter zum Ausdruck: Der Mann ist hilfs- und ergänzungsbedürftig; „es ist nicht gut“, dass Adam allein ist.[2] Der Mann ist unvollständig und bedarf eines passenden Gegenübers. Die wunderhafte Erschaffung Evas nicht aus Staub (wie bei Adam), sondern aus der „Seite“ (wahrscheinlich aus der Herzgegend) bringt zum Ausdruck, wie wesensverwandt beide sind. Der abschließende Jubelruf Adams in 2,23 und 2,24 bestätigt, wie großartig Gottes Idee der Ehe ist, die hier eingesetzt wird.

Die Unterschiedlichkeit von Mann und Frau ist also schöpfungsmäßig gegeben, es handelt sich um eine geschöpfliche Grundtatsache, und so ist auch die Ehe zwischen Mann und Frau von Gott als Grundordnung eingesetzt worden. Jesus bestätigt dies nach dem Zeugnis der Evangelien ausdrücklich und uneingeschränkt mit Verweis auf die Heilige Schrift (Mt 19,4-5: „Habt Ihr nicht gelesen?“) und zitiert sinngemäß aus 1. Mose 1 und wörtlich aus 1. Mose 2. Es geht in Mt 19,3ff. zwar um die Frage der Ehescheidung, aber Jesus begründet die Antwort auf die ihm gestellte Frage mit Verweis auf den Anfang und bekräftigt damit, dass die Unterschiedlichkeit von Mann und Frau geschöpfliche Realitäten sind und dass die Ehe von Gott selber am Anfang eingesetzt wurde. Entscheidend ist hier die Grundhaltung Jesu zur (damals gegebenen) Heiligen Schrift, die er als Autorität anerkennt.

Paulus geht noch weiter: Auch er zitiert 2. Mose 2,24 und nimmt die Ehe von Mann und Frau als Bild für die Beziehung zwischen Christus und der Gemeinde (bzw. Kirche). So wie Christus die Kirche geliebt und sich für die hingegeben hat, so sollen Männer ihre Frauen lieben (Eph 5, 25). Das darf den Männern durchaus zu denken geben, und Paulus wiederholt das sinngemäß in V. 29. Dieser Vergleich macht nochmals klar: So wie Christus und seine Kirche lebenslang in einer Liebes- und Treuebeziehung zusammengehören, so auch Mann und Frau in der Ehe. Wir befinden uns hier im Zentrum dessen, was die christliche Lehre und Botschaft ausmachen: Schöpfung und Erlösung (hier: die Hingabe Jesu an die Kirche, wie Paulus es formuliert).

Folgen wir der Heiligen Schrift, ist also klar: Die Ehe ist ausschließlich eine auf lebenslange Treue angelegte Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau. Der Theologe Wolfhart Pannenberg schreibt dazu: „Denn eine Kirche, die sich dazu drängen ließe, homosexuelle Betätigung nicht mehr als Abweichung von der biblischen Norm zu behandeln und homosexuelle Lebensgemeinschaften als eine Form persönlicher Liebesgemeinschaft neben der Ehe anzuerkennen, eine solche Kirche stünde nicht mehr auf dem Boden der Schrift, sondern im Gegensatz zu deren einmütigem Zeugnis. Eine Kirche, die einen solchen Schritt tut, hätte darum aufgehört, evangelische Kirche in der Nachfolge der lutherischen Reformation zu sein.“[3]

Einwände

Trotz dieses klaren biblisch-exegetischen Befundes werden von kirchlicher Seite Argumente für eine „Ehe für alle“ (Efa) angeführt, die nachfolgend genannt und bewertet werden sollen.

Zunächst fällt auf, dass auf die Schöpfungstexte meist gar nicht eingegangen wird, obwohl es für einen Christen in dieser Frage kaum eine grundsätzlichere Begründung als die geschöpfliche Wirklichkeit geben kann. Stattdessen wird auf das Liebesgebot Jesu und auf heutige Kenntnisse über Homosexualität verwiesen und der Begriff „Ehe“ wird mit neuem Inhalt gefüllt. So seien „Vertrauen, Verlässlichkeit und die Übernahme von Verantwortung in der Gestaltung menschlicher Beziehungen von zentraler Bedeutung“ und dafür biete die Ehe beste Voraussetzungen, heißt es in einer Stellungnahme der EKD, in der die Efa gutgeheißen wird. Damit werde die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau nicht geschmälert, sondern unterstrichen.[4] Matthias Hestermann vom Gesprächskreis „Offene Kirche“ der Evangelischen Landeskirche in Württemberg nimmt ebenfalls Bezug auf eine lebenslange Verantwortung, die Menschen füreinander übernehmen, daher sei eine Home-Ehe gerechtfertigt.[5] Mit solchen Argumentationen wird jedoch „Ehe“ grundlegend neu definiert – darauf soll weiter unten eigens eingegangen werden.
Weiter wird argumentiert, man müsse die Bibel von ihrer Mitte her verstehen, dazu gehöre, dass Jesus niemanden ausgrenzen wolle.[6] Die Befürworter der Efa betonen in diesem Zusammenhang, dass Jesus Christus die Liebe über das Gesetz gestellt habe[7], aus zentralen biblischen Geboten ergebe sich „der Impuls zu einer Öffnung der Kirche gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften“, so der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm.[8]

Entgegnung: Diese Argumentation ist aus zwei Gründen unhaltbar, aus einem logischen und aus einem exegetischen.

Zum einen: Weder aus dem Liebesgebot Jesu noch aus irgendwelchen anderen Worten oder Taten Jesu kann logisch etwas darüber gefolgert werden, was „Ehe“ bedeutet. Dass Jesus sich ausgegrenzten Menschen zugewendet hat, hat mit der Definition von Ehe und somit mit der Efa schlicht nichts zu tun. Diese Argumentation könnte allenfalls greifen, wenn „Ehe“ neu definiert wird (dazu siehe den 2. Teil).

Zum anderen: Man kann nicht bestimmte Jesusworte (und Taten) gegen andere (oder auch gegen die der Apostel[9]) ausspielen oder als höher- oder geringerwertig einstufen. Denn sie stammen alle aus denselben Quellen, den Evangelien (bzw. dem ganzen Neuen Testament).[10] Mit welcher Begründung wollte man Jesu Aussagen über Ehe und Ehescheidung in Mt 19,3ff. als ungültig oder zeitbedingt erklären, das Liebesgebot aber nicht? Wenn manche Jesusworte als maßgeblich akzeptiert und gegen andere ausgespielt werden, bedeutet das einen selektiven Umgang mit Jesu Worten, und man stellt sich damit über die Heilige Schrift. Dann aber kann man nicht behaupten, man berufe sich auf die Bibel. Denn unter diesen Umständen ist nicht das uns in der Heiligen Schrift gegebene Wort Gottes entscheidend, sondern das, was man selber dafür hält. „Wenn Du glaubst, was Dir am Evangelium gefällt, und zurückweist, was Dir nicht gefällt, vertraust Du nicht dem Evangelium, sondern Dir selbst“ (Aurelius Augustinus[11]). Es kommt hinzu, dass Jesus ausdrücklich das Halten der Gebote gefordert hat; Jesusliebe und das Halten der Gebote gehören zusammen: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten“ (Joh 14,15; vgl. 2. Joh 4-6). Das Gesetz ist durch das Evangelium nicht außer Kraft gesetzt, sondern erfüllt worden. Zudem ist ja auch das Liebesgebot ein Gebot. Stünde die Liebe über den Geboten, wäre auch das Liebesgebot betroffen, was zu einem Selbstwiderspruch führen würde.

Wenn von Befürwortern der Efa doch einmal auf 1. Mose 1 und 2 Bezug genommen wird, dann in einer kritischen Haltung. Diese Texte seien veraltet bzw. spiegelten ein veraltetes Verständnis von Mann und Frau wider. Auch die durchweg negative Bewertung praktizierter Homosexualität  in biblischen Texten wird auf diese Weise abgetan. Man wisse heute, dass Homosexualität wie z. B. die Haarfarbe angeboren sei, während Jesus das nicht bekannt war; Gott habe manche Menschen so geschaffen; das müsse die Theologie heute berücksichtigen.[12] Abgesehen davon, dass hier erneut moderne Einschätzungen und Meinungen über die Heilige Schrift gestellt werden[13], ist die Behauptung, Homosexualität sei angeboren (und somit auch von Gott geschaffen), unbewiesen und aufgrund vieler Studien auch unwahrscheinlich. Die Entwicklung von Homosexualität scheint vielmehr durch besondere Umstände während der Entwicklung in Kindheit und Jugendzeit begünstigt zu werden.[14] Jesus als Sohn Gottes und Schöpfungsmittler wusste natürlich über Homosexualität Bescheid (vgl. Mt 19,12). Und die Behauptung, Paulus habe in der damaligen Lebenswelt noch auf Treue angelegte homosexuelle Partnerschaften nicht im Blick haben können, ist mittlerweile widerlegt.“[15]

2. Zum Artikel 6 des deutschen Grundgesetzes

Wir wenden uns nun den Aussagen des deutschen Grundgesetzes zu Ehe und Familie zu und fragen, ob die Efa damit vereinbar ist, welche Begründungen für eine Vereinbarkeit vorgetragen werden und wie diese zu bewerten sind.

Im Grundgesetz widmet sich Artikel 6 dem Thema Ehe und Familie. Absatz 1 und 2  formulieren:
„(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“ Hier ist nicht nur von der Ehe die Rede, sondern – unterscheidend davon – auch von Familie; im Weiteren dann – in unmittelbarem Zusammenhang – von der Erziehung der Kinder. Es ist also im Kontext völlig klar, dass mit Ehe nur eine Verbindung von Mann und Frau gemeint ist, auch wenn das nicht ausdrücklich gesagt wird. Die Väter des Grundgesetzes hatten natürlich an nichts anderes gedacht, es war zu selbstverständlich, als dass das extra hätte gesagt werden müssen.[16] Da im unmittelbaren Zusammenhang von Kindern die Rede ist, die nun einmal nur aus einer Verbindung von Mann und Frau hervorgehen können, ist jeder Zweifel über die grundgesetzmäßige Bedeutung von „Ehe“ ausgeschlossen. Das wird noch dadurch unterstrichen, dass damals öffentlich praktizierte Homosexualität unter Strafe gestellt war. Weiter bestätigt wird das durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts (BVG) aus den Jahren 2002 und 2012, in denen expressis verbis zum Ausdruck gebracht wird, dass eine Ehe zwischen einem Mann und einer Frau geschlossen wird.[17]

Wenn also andere Beziehungen anders behandelt werden als die Ehe von Mann und Frau, ist das eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Es wird zurecht ein Unterschied gemacht; genauer: Der Unterschied ist bereits in der Sache vorhanden. Gleiches wird gleich und Unterschiedliches unterschiedlich gehandhabt. Jeder Mensch hat genau einen Vater und eine Mutter, daher ist die Ehe von Mann und Frau etwas Exklusives und entsprechende Ungleichbehandlung („Diskriminierungen“) sind angebracht. Es gibt in der Gesellschaft unzählige sachlich begründete „Diskriminierungen“ im Sinne von Ungleichbehandlungen, ohne dass jemals ein Problem darin gesehen würde.[18]

Fazit: Um Abbau von „Diskriminierung“ und „Gleichstellung“ kann es bei der Efa gar nicht gehen. Denn die Ehe von Mann und Frau ist in relevanten Punkten etwas substantiell anderes als andere Beziehungen. Die Frage ist vielmehr, ob ein Unterschied für eine unterschiedliche Behandlung relevant ist oder ob in den relevanten Punkten überhaupt Gleichheit gegeben ist, die eine Gleichstellung begründet. Letzteres ist bei der Ehe eben nicht der Fall – für einen Christen in erster Linie aus biblischen Gründen. Doch auch wenn Gottes Wort nicht als maßgeblich anerkannt wird, gibt es Grund genug, einen Unterschied zu machen: Nur aus der Verbindung von Mann und Frau kann potentiell Nachwuchs hervorgehen. Nur diese Verbindung kann potentiell zum Erhalt des Gemeinwesens der kommenden Generationen beitragen. Hier kann man nichts „gleichstellen“ und eine Ungleichbehandlung ist sachlich gerechtfertigt.

Begründung für Efa

Trotz der klaren Aussagen des Artikels 6 des Grundgesetzes (GG) und der Urteile des BVG aus den Jahren 2002 und 2012 behaupten die meisten Befürworter der Efa, diese sei mit dem GG vereinbar. Im Wesentlichen werden dafür zwei Begründungen genannt: 1. Es gebe in der Gesellschaft einen Wandel des Eheverständnisses, 2. Es sei ein Abbau von Diskriminierung gefordert.

Zu 1.: Bezüglich der „Ehe für alle“ wird argumentiert, dass Artikel 6, Absatz 1 des Grundgesetzes heute anders gelesen werden müsse, nämlich „im Lichte des 21. Jahrhunderts“, während er früher sehr wörtlich verstanden worden sei.[19] Es ist die Rede von einem „Verfassungswandel“; beim Ehebegriff des Grundgesetzes stehe nach heutigem Verständnis der Gedanke im Vordergrund, dass Menschen einander beistünden und Verantwortung füreinander übernähmen.[20] Der Ehebegriff habe sich so sehr gewandelt, dass man heute etwas signifikant anderes darunter verstehen müsse als früher. Er könne an die jeweiligen zeitlichen Vorstellungen angepasst werden, da der Grundgesetzgeber den Begriff der Ehe nicht definiert habe.[21] 
Damit ist also nicht mehr wesentlich, dass ein Mann und eine Frau eine Treuebeziehung eingehen, und es ist nicht mehr wesentlich, dass nur aus einer solchen Beziehung potentiell (!) Nachwuchs hervorgehen kann. Was eine Ehe ist, ergibt sich nicht mehr als der natürlichen (bzw. geschöpflichen) sich ergänzenden Verschiedenartigkeit der Geschlechter. Stattdessen soll „dauerhafte Verantwortung“ das Kriterium sein (derzeit zwischen zwei Personen).
Ein zentraler Begriff des menschlichen Miteinanders erhält somit eine völlig neue, weitreichend veränderte Bedeutung. „Ehe für alle“ geht also nur durch eine grundlegende Umdefinierung von Ehe und auch nur durch Missachtung der unbestreitbaren natürlichen leiblichen und geistig-seelischen Unterschiede von Mann und Frau.

Einwände: Wenn der Ehebegriff wirklich so grundlegend wandelbar wäre, hätte das Grundgesetz (GG) an dieser Stelle seine Funktion als Korrektiv verloren. „Grundrechte haben eine leitende und schützende Funktion für jeden einzelnen Bürger und für die Gesellschaft.“[22] Der einzige Sinn einer Verfassung ist gerade der Schutz vor dem Zeitgeist, und es geht immer darum, wie die Gesetze ursprünglich gemeint waren. Sonst bräuchten wir keine Verfassung und man könnte sonst fast Beliebiges in die Verfassung hineinlesen oder aus ihr herausstreichen, womit sie faktisch unwirksam gemacht würde. Es steht einem Parlament und überhaupt niemandem zu, den Ehebegriff umzudefinieren.[23] Wie bereits erläutert war es für die Väter des Grundgesetzes nicht erforderlich, „Ehe“ zu definieren; der Begriff „Ehe“ ist vorstaatlich und kann vom Gesetzgeber gar nicht definiert werden, genauso wenig wie z.B. „Menschenwürde“.[24] Wer darauf verweist, dass das GG „Ehe“ nicht definiert habe und daraus den Schluss zieht, eine Ehe könne auch unter gleichgeschlechtlichen Partnern vollzogen werden, sollte bedenken, dass das GG auch nicht definiert, dass eine Ehe zwischen nur zwei Personen geschlossen wird.[25] Darauf kommen wir weiter unten zurück.

Vor diesem Hintergrund kommentiert Matthias von Gersdorff die Umdefinierung der Ehe treffend: „Wer so denkt, braucht gar keine Verfassung. Für ihn ist die Kultur oder besser gesagt, der Zeitgeist, die absolute Richtschnur für politisches und gesellschaftliches Leben. … Recht wird in dieser Welt von demjenigen definiert, der die Deutungshoheit über die Kultur besitzt. Kultureller Einfluss ersetzt geradezu das Recht. Wer gesellschaftlichen Einfluss besitzt, der definiert auch, was Recht ist. Er definiert also, was die Ehe ist, was Eigentum ist, was ‚Recht auf Leben‘ ist etc.“[26]
Der Journalist Jürgen Liminski weist darauf hin, dass bis auf spezielle Ausnahmen bei allen 5000 Gesellschaften, „die wir seit dem ersten Geschichtsschreiber Herodot kennen“, das „konjugale Prinzip“ vorherrschend war, das heißt die Verbindung von Mann und Frau. Dies sei der „Kern der Gesellschaft, aus ihr entsteht die Generationenfolge, in ihr wurzelt die Identität der Familienmitglieder … Ausnahmen entstanden meistens aus Not. … Es ist nicht das Recht, das Gleichgeschlechtlichen gemeinsame Kinder verbietet, sondern die Natur.“[27]

Befürworter der Efa weisen darauf hin, dass sich die Ehe auch früher gewandelt habe, etwa dass z. B.  konfessionsverschiedene Ehen oder Ehen zwischen Bürgerlichen und Adligen ein Tabu gewesen seien[28] oder dass Vernunftehen früher gegenüber Liebesheiraten vorherrschten; doch das alles betrifft nicht die Bedeutung dessen, was eine Ehe ist.[29] Der Wandel in der Praktizierung von Ehen kann keine Begründung für eine Neudefinition von Ehe sein.

Wenn „dauerhafte Verantwortung“ das Kriterium für eine „Ehe“ ist, ist zu erwarten, dass weitere Änderungen folgen werden und sie werden auch schon reichlich gefordert.[30] Warum soll das nur für zwei Menschen gelten? Wenn Ehe aber alles Mögliche sein kann, ist der Ehebegriff faktisch aufgelöst.

Die Folgen sind darüber hinaus von grundsätzlicher Art: Eine klar verständliche Bedeutung der Sätze des Artikels 6 wäre verloren gegangen, wenn einfach zu verstehende Sätze und Begriffe scheinbar nach Belieben umgedeutet werden können. Somit wird Sprache geradezu absurd. Wenn der Wortsinn nicht mehr gilt, ist klare Kommunikation nicht mehr möglich.

Zu 2.:Als Begründung für die Efa wird häufig auch auf den Gleichheitsgrundsatz und der Abbau von Diskriminierungen verwiesen. So hieß es in einem der Gesetzesentwürfe zur Efa: „Gleichgeschlechtlichen Paaren ist bis heute die Ehe verwehrt, was eine konkrete und symbolische Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität darstellt.”[31] Im Juni 2015 kam von den Landesregierungen Niedersachsens und Thüringens eine Bundesratsinitiative, in der es heißt: „Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die verfassungswidrige Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften zu beenden.“[32]  

Dieses Argument ist falsch, denn es wird niemand diskriminiert, weil er ein Mann oder sie eine Frau ist oder wegen der sexuellen Orientierung. Sondern es wird ein Unterschied zwischen der „klassischen“ Ehe und anderen Beziehungen gemacht – wie oben dargelegt aus gutem Grund.

3. Konsequenzen der „Ehe für alle“

Es wird oft gesagt, die Efa nehme niemandem etwas weg; das war auch in der kurzen Debatte im Bundestag am 30. 6. 2017 zu hören, nach der 393 Parlamentarier für die Efa stimmten. Auf den zweiten Blick kommen aber Zweifel auf.

Efa bedeutet auch Kinder für alle, da damit auch das Adoptionsrecht gegeben ist. Manchen Kindern werden dadurch die wahren Eltern bzw. das Aufwachsen mit Vater und Mutter vorenthalten;[33]die Kinder werden aber irgendwann nach ihren wahren Eltern fragen. Welche Folgen wird das haben? Außerdem ist zu bedenken: „Heranwachsende werden im Prozess der Identifikation mit ihrem biologischen Geschlecht verunsichert, wenn ihnen vorgespiegelt wird, daß Menschen gleichen Geschlechtes ‚heiraten‘. Die Ausbildung stabiler mit sich selbst identischer Persönlichkeiten wird behindert.“[34] 
Frauen werden als Leihmütter benötigt und verlieren ihre Würde als Mütter.
Wie dargelegt wird klare Sprache vernebelt und das Rechtsverständnis verliert an Glaubwürdigkeit, wenn Begriffe umdefiniert werden.[35]

„Ehe für alle“ – nur ein Anfang?

Wie oben erläutert geht Efa nur durch eine Neudefinition von Ehe, was mit einem Wandel des Eheverständnisses in der Gesellschaft begründet wird und damit, dass das GG „Ehe“ nicht definiere. Beide (wie gezeigt unhaltbaren) Begründungen begünstigen weitere Veränderungen: Auch Beziehungen zwischen mehr als zwei Personen und alle auf Dauer angelegten Verantwortungsgemeinschaften fallen unter das neue Kriterium und wären dann vom GG ebenfalls nicht ausgeschlossen, wenn wirklich nicht klar wäre, was das GG mit „Ehe“ meint.[36] Die faktisch der Efa zugrunde gelegte Neudefinition von „Ehe“ ermöglicht keine Abgrenzung und keine Privilegierung der Ehe im ursprünglichen Sinne des Artikels 6 GG. Wenn es wirklich um „Ehe für alle“ geht, kann man die Institution „Ehe“ gleich ganz abschaffen.[37]

Es muss in diesem Zusammenhang zu denken geben, dass gerade diejenigen, die bisher abfällig über die Ehe geredet und jahrelang die Ehe als Auslaufmodell diffamiert haben, sie jetzt für alle haben wollen.[38] Ist es also überhaupt glaubwürdig, dass es den Befürwortern der Efa wirklich um die „Ehe“ geht – oder ist die Efa nur ein Schritt zu ihrer Abschaffung?

Kirchenrat Hans Lachenmann analysiert m.E. treffend, wenn er feststellt: „Bei der Offensive der Schwulen- und Lesbenbewegung geht es nur vordergründig um die Gleichberechtigung der Homosexuellen und gegen deren ‚Diskriminierung‘ durch die Gesellschaft. Es geht um die Frage, welches Menschenbild unsere Kultur prägen soll: Das jüdisch-christliche Menschenbild von 1. Mose 1,27f oder das Menschenbild, das die Polarität der Geschlechter (Die Doppelikone ‚Adam und Eva‘ als Ebenbild Gottes) einebnet in einen ‚Monoïkismus‘[39] (G.-F. Dumont), von dem nach der Gleichsetzung von Ehe und ‚Homo-Ehe‘ auch noch weitere ‚Lebensformen‘ ableitbar sind.“[40]

Die Efa muss im größeren Zusammenhang des Gender Mainstreaming angesehen werden. Nach den Vorstellungen der „Gender“-Lehre ist die Zweigeschlechtlichkeit keine natürliche (oder geschöpfliche) Gegebenheit, sondern ein gesellschaftliches Konstrukt, das es zu überwinden gelte zugunsten einer sexuellen Vielfalt – zugunsten einer vom Menschen selbst konstruierten Welt. Markus Till schreibt dazu auf seinem Blog zurecht: „Dieser Wandel wird nach meiner festen Überzeugung schwerwiegende Folgen für unsere Gesellschaft nach sich ziehen, denn die immer lauter werdende Ermutigung zum ‚Anything goes‘ bringt am Ende eben weniger und nicht mehr verbindliche Partnerschaften und damit auch weniger Schutzräume für das gesunde Aufwachsen von Kindern hervor.“[41]

Zur Konstruktion einer eigenen Wirklichkeit anstelle der Akzeptanz des geschöpflich Gegebenen gehört auch eine entsprechende Sprache und in diesem Zusammenhang muss die oben angesprochene Umdefinition des Begriffs „Ehe“ gesehen werden. So werden an sich klare Texte dekonstruiert und „ihre“ Bedeutung (nach den eigenen Vorstellungen) neu konstruiert. Diese Zusammenhänge können hier nur angedeutet werden. Aus christlicher Sicht sind solche Entwicklungen Symptome eines Aufstandes gegen die geschöpfliche Wirklichkeit und Schöpfungsordnung Gottes.

Mit der „Ehe für alle“ werden fundamentale Grenzen durchbrochen – Grenzen, die durch die Schöpfung vorgegeben sind (oder für den Nicht-Schöpfungsgläubigen: durch die Natur gegeben). „Ehe für alle“ steht für einen grundlegenden Paradigmenwechsel: Nicht die vorgegebene Schöpfung bildet den Rahmen für das Leben, sondern es wird eine Wirklichkeit nach eigenem Gutdünken selbst konstruiert. Auf Dauer kann es aber nicht gut gehen, wenn man die geschöpflichen Vorgaben auflöst. Die Nichtakzeptanz der geschöpflichen Wirklichkeit und deren Ersetzung durch eigene, letztlich realitätsferne Konstrukte bedeutet nichts anderes als eine Art Vergewaltigung der Wirklichkeit, mit bösen Folgen.[42] Das Verbleiben an den geschöpflichen Vorgaben bzw. eine Umkehr zu diesen ist daher das Gebot der Stunde.

Hinweis: In der PDF-Version sind viele Zitate, die hier aus Platzgründen nur in Kurzform oder paraphrasiert wiedergegeben wurden, komplett enthalten.

[1] Das ist gegenüber den außerbiblischen Schöpfungstexten einzigartig und liegt in der Ebenbildlichkeit des Menschen begründet. Auf das Verhältnis von Mann und Frau aus biblischer Sicht wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen.

[2] Nach dem wiederholten „Es war (sehr) gut“ in 1. Mose, sticht das „es ist nicht gut …“ umso deutlicher heraus.

[3] Beiträge zur Ethik, Göttingen, S. 102.

[4] EKD 28. 6. 2017: https://www.ekd.de/Stellungnahme-des-Rates-der-EKD-zur-Debatte-um-die-Ehe-fuer-alle-24373.htm.

[5] http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.streit-um-segnung-homosexueller-paare-zeitgeist-darf-nicht-der-massstab-sein.39f8c2e6-2166-4b51-a35a-38fce8a305d7.html

[6]  Vgl. z. B.: http://www.idea.de/frei-kirchen/detail/sollte-sich-die-kirche-an-einer-homosexuellen-parade-beteiligen-101831.html

[7] http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.wildberg-ehe-fuer-alle-geraet-zum-hauptthema.17b725df-9ca2-4baf-88ef-d79c6baa81a3.html

[8] http://www.idea.de/frei-kirchen/detail/kritik-an-bedford-strohm-weil-er-die-ehe-fuer-homosexuelle-befuerwortet-90949.html

[10] Die damit zusammenhängenden bibelwissenschaftlichen Fragen sollen hier nicht aufgeworfen werden. Im Zusammenhang mit der Efa wird darauf nach meinen Beobachtungen nicht Bezug genommen.

[11] zitiert unter https://theoblog.de/das-ganze-evangelium/5021/.

[12] http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.streit-um-segnung-homosexueller-paare-zeitgeist-darf-nicht-der-massstab-sein.39f8c2e6-2166-4b51-a35a-38fce8a305d7.html

[13] Das müsste schlüssig begründet werden und darf nicht einfach nur behauptet werden. Oder soll „veraltet“ heißen, dass heute eben gilt, was „modern“ ist?

[14] Zwillings- und Geschwisterstudien sprechen deutlich gegen die „Veranlagung“-These. Die Behauptung, Homosexualität sei Sache der Vererbung oder Anlage ist daher aus sachlichen Gründen zurückzuweisen. Außerdem: Auch wenn Dispositionen angeboren sein mögen, kann es moralisch verwerflich sein, den Neigungen nachzugeben. Paulus mahnt: „Alle, die zu Christus Jesus gehören, haben das Fleisch und damit ihre Leidenschaften und Begierden gekreuzigt“ (Gal. 5,24).

[15] http://www.mariowahnschaffe.de/blog/einzelpredigten/prof-dr-siegfried-zimmer-und-die-schwule-frage

[16] Begriffe mit einer klaren Bedeutung müssen nicht definiert werden genauso wenig man z. B. „Mensch“ oder „Menschenwürde“ definieren muss.

[17] BVG 17. 7. 2002: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2002/07/fs20020717_1bvf000101.html,

BVG 19. 6. 2012: http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2012/bvg12-059.html

[18] Zwei Beispiele von vielen: Nur wer die Hochschulreife hat, darf studieren; nur wer den Führerschein erworben hat, darf einen PKW fahren usw.

[19] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ehe-fuer-alle-thomas-heilmann-erklaert-seine-position-a-1154998.html

[20] http://www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/ehe-fuer-alle-gastbeitrag-ehe-fuer-alle-15092764.html?printPagedArticle=true#pageIndex2

Weitere Belege siehe PDF-Version.

[21] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/ehe-fuer-alle-ist-ohne-grundgesetzaenderung-moeglich-15092930.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

[22] „Ehe für alle – eine Gewissensfrage?“ Eine Stellungnahme der Deutschen Evangelischen Allianz,http://www.ead.de/nachrichten/nachrichten/einzelansicht/article/ehe-fuer-alle-eine-gewissensfrage.html

[23] Vgl.  http://www.gemeindenetzwerk.de/?p=14851

[24] Ein Leser macht in einer Zuschrift an die FAZ klar, warum die Möglichkeit eine Umdefinierung zur Beliebigkeit des Ehebegriffs würde: „Das hieße für Art. 6 GG: ‚Ehe und Familie, wie auch immer sie im Zuge der Weiterentwicklung der gesellschaftlichen Gegebenheiten verstanden werden, stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.‘ Daraus geht unmittelbar die Absurdität der Auffassung hervor, denn wie kann etwas besonders geschützt werden, was gar nicht definiert ist?“ (Andres Lang, Birkenau, Leserbrief am 13. 7. 17)

[25] Das Grundgesetz hat nur wenige Begriffe definiert aus dem einfachen Grund, dass die Bedeutung von Begriffen lexikalisch fixiert ist, im Hinblick auf die damals üblichen Verwendungen und Referenzen der Begriffe.

[26] http://mathias-von-gersdorff.blogspot.de/2017/07/heiko-maas-und-die-homo-ehe-ersetzt-der.html

[27] http://www.deutschlandfunk.de/metzner-vs-liminski-ist-die-gleichstellung-von.2927.de.html?dram:article_id=391174, http://www.i-daf.org/aktuelles/aktuelles-einzelansicht/archiv/2017/07/01/artikel/selbstmord-der-zivilisation.html

[28] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ehe-fuer-alle-thomas-heilmann-erklaert-seine-position-a-1154998.html, http://www.deutschlandfunk.de/metzner-vs-liminski-ist-die-gleichstellung-von.2927.de.html?dram:article_id=391174

[29] Die im Text https://www.welt.de/debatte/kommentare/article166332757/Das-Herz-des-Grundgesetzes-ist-gross-genug-fuer-alle.html von Bundesjustizminister Heiko Maas gezogenen Vergleiche gehen an der Sache völlig vorbei.

[30] Zahlreiche Belege dazu sind in der PDF-Version zusammengestellt. Selbst innerhalb der Kirche gibt es bereits Bestrebungen zur Anerkennung von Polyamorie: http://www.deutschlandfunkkultur.de/mehr-als-die-monogame-ehe.1278.de.html?dram:article_id=260748

[31] http://www.deutschlandfunk.de/ehe-fuer-alle-abstimmung-wohl-am-freitag.2852.de.html?dram:article_id=389737

[32] http://www.faz.net/aktuell/politik/bundeslaender-mit-rot-gruen-koalition-wollen-homo-ehe-13625827.html

[33] Die Tatsache, dass viele Kinder mit nur einem Elternteil aufwachsen, ändert daran nichts; niemand wird schließlich behaupten wollen, dass es keinen Unterschied ausmacht, ob beide Eltern oder nur ein Elternteil für die Kinder da sind.

„Nicht Erwachsene haben ein Recht auf ein Kind, auch Heteropaare nicht, sondern Kinder ein Recht auf Mama und Papa. …  Dem Recht auf Adoption folgt dann automatisch das Recht auf künstliche Befruchtung“ (Birgit Kelle, https://www.welt.de/debatte/kommentare/article166078234/Wir-erleben-gerade-die-Vernichtung-der-Ehe.html)

[34] Stellungnahme Gemeindenetzwerk unter http://www.gemeindenetzwerk.de/?p=14851; vgl. https://philosophia-perennis.com/2017/06/30/regenbogenfamilien-der-mensch-ist-kein-spielzeug/). Zur Frage, ob Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufwachsen, keinerlei Benachteiligung haben, siehe https://www.mercatornet.com/features/view/hijacking-science-how-the-no-differences-consensus-about-same-sex-families/18900 und http://www.dijg.de/homosexualitaet/adoptionsrecht/gleichgeschlechtliche-elternschaft/

[35] Vgl. die Einschätzung des ehem. Bundesverfassungsrichters Hans Hugo Klein unter http://cicero.de/innenpolitik/ehe-fuer-alle-aus-meiner-sicht-ein-verfassungsbruch).

[36] Es würde auch nichts nützen, die Ehe ausdrücklich als Verbindung genau zweier Menschen zu definieren, denn das könnte später geändert werden – mit derselben Begründung wie für die Efa: gesellschaftlicher Wandel, Verfassungswandel.

[37] http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kommentar-zur-ehe-fuer-alle-die-ehe-wird-abgeschafft-15079952.html

[38] http://www.sueddeutsche.de/politik/ehe-fuer-alle-hauptsache-liebe-1.3567789, http://cicero.de/innenpolitik/ehe-fuer-alle-weshalb-ueberhaupt-heiraten

[39] Monoikismus ist eine extreme bzw. extremistische Auffassung von Gleichheit.

[40] http://www.cbb-baden.de/pdf/doks%20gegenwind.pdf

[41] M. Till, Offener Brief an H. Bedford-Strohm, 31. 5. 17, https://blog.aigg.de/?p=1136

[42] „… Joseph D. Unwin (1895 – 1936), hat allerdings in einer umfangreichen Untersuchung über ‚Sex and Culture‘ an 80 unzivilisierten und 8 Hochkulturen über 5000 Jahre herausgefunden, dass alle Hochkulturen streng monogam begannen und eine Generation nach dem Zerfall der Familienstrukturen untergingen. Die ‚Ehe für alle‘ könnte diesen Prozess beschleunigen und dem großen Kulturhistoriker Arnold Toynbee recht geben, der sagte: ‚Zivilisationen gehen nicht zugrunde, sie begehen Selbstmord‘“ (JürgenLiminski, http://www.i-daf.org/aktuelles/aktuelles-einzelansicht/archiv/2017/07/01/artikel/selbstmord-der-zivilisation.html).

Sex und Kultur

Die aufrüttelnde Studie von Joseph D. Unwin

Immer wieder begegnet mir die Meinung, dass Christen sich viel zu sehr um Fragen der Sexualmoral drehen. Wer sich heute noch gegen Sex vor der Ehe oder gegen die “Ehe für alle” ausspricht würde das Christentum ewiggestrig, moralinsauer und intolerant erscheinen lassen. Entsprechend empfiehlt jetzt ein Gremium der evangelischen Kirche, vom Zeitgeist zu lernen und sich der sexuellen Freiheit und Vielfalt zu öffnen. Die evangelische Frauen- sowie Männerarbeit setzt sich schon länger für die Anerkennung vielfältiger, auch polyamorer Beziehungsformen ein. Und überhaupt: Kann denn Liebe Sünde sein? Ist es nicht ein Gebot der Nächstenliebe, all die vielfältigen sexuellen Neigungen und Praktiken einfach für gleichwertig normal zu halten?

Der Diplom-Soziologe Konstantin Mascher hat für das deutsche Institut für Jugend und Gesellschaft eine spannende Zusammenfassung des Buchs “Sex and Culture” von Joseph D. Unwin verfasst. In diesem bis heute einzigartigen Werk aus dem Jahr 1934 untersucht der damalige Ethnologe der Universität Cambridge, ob es einen Zusammenhang zwischen der Sexualmoral und dem Kulturniveau einer Gesellschaft gibt. Über seine Ergebnisse war Unwin selbst völlig überrascht:

Die Untersuchung von 80 Naturvölkern ergab einen nahezu strikten Zusammenhang zwischen dem Kulturniveau und der vorehelichen sexuellen Regulierung. Alle höher entwickelten Gesellschaften bestanden auf vorehelicher Enthaltsamkeit. Alle Gesellschaften, die voreheliche Enthaltsamkeit forderten, hatten ein höher entwickeltes kulturelles Niveau:Vergleich Kulturniveau und SexualmoralVergleichsskala voreheliche Voreheliche Enthaltsamkeit (oben) und Kulturniveau (unten) bei 80 Naturvölkern

Bei der Untersuchung von 16 höher entwickelten Kulturen stellte Unwin fest, dass sie am Anfang ihres kulturellen Aufstiegs neben der vorehelichen Enthaltsamkeit zusätzlich auf einer absoluten ehelichen Treue und Monogamie bestanden: „In der Vergangenheit stiegen unterschiedliche Gesellschaften auf in unterschiedlichen Teilen der Erde, gediehen prächtig, und gingen wieder nieder. In jedem Fall fing die Gesellschaft ihre historische Karriere in einem Zustand der absoluten Monogamie an.“

Unwin prüfte weiterhin, wie sich Veränderungen in der Sexualmoral auf die kulturelle Entwicklung auswirken. Dafür untersuchte er die historischen Verläufe von 6 Hochkulturen. Das Ergebnis war verblüffend: „Diese Gesellschaften lebten in unterschiedlichen geographischen Regionen; sie gehörten zu unterschiedlichen Rassen; aber ihre Geschichte der Heiratsordnung ist dieselbe. Am Anfang hatte jede Gesellschaft dieselben Ideen in Bezug auf die sexuellen Regulierungen. … Jede Gesellschaft reduzierte die Möglichkeiten der sexuellen Befriedigung auf ein Minimum, wies große soziale Energie auf und florierte. Dann erweiterte sie die Möglichkeiten der sexuellen Befriedigung; ihre Energie wurde weniger und löste sich auf. Das einzig Außergewöhnliche an dem Ganzen ist die absolut gleichförmige Wiederholung.

Bei Griechen und Römern z.B. sei zu erkennen, wie sich die Gesellschaft, in der sich die Einehe als Norm etablierte und Promiskuität verboten war, innerhalb von drei Generationen festigte und zu einer gewissen Vormachtstellung gelangte. In den kulturellen Hochphasen kam es zu einer Aufwertung der Genussorientierung (Hedonismus) und damit auch zu einer Aufweichung der Sexualnormen. Die Scheidung wurde erleichtert und der außer- und voreheliche Geschlechtsverkehr zunehmend akzeptiert. Nach einer relativ kurzen Phase von Wohlstand und sexueller Freizügigkeit kippte die Situation: In den wohlhabenden Schichten wurden immer weniger Kinder geboren und die Bemühungen des Staates, die Geburtenrate anzuheben, griffen nicht mehr. Der kulturelle Abstieg und die feindliche Übernahme durch fremde, aufstrebende Kulturen waren nicht mehr abzuwenden. Die Generation, die von der “sozialen Energie” der Gründerzeit ihrer Väter zehrte, deren Verzichtbereitschaft jedoch verwarf, hatte den eigenen Erben nicht mehr viel weiterzugeben. Aus dem empirischen Material folgerte Unwin, dass sich die Folgen einer veränderten Sexualnorm nach ca. 100 Jahren (3 Generationen) bemerkbar machen.

Unwins Fazit: „Der kulturelle Zustand jedweder Gesellschaft in jedweder geographischen Umgebung wird durch die vergangenen und gegenwärtigen Methoden der Regulierung der Beziehungen der Geschlechter zueinander bestimmt.” „Manchmal hört man, dass jemand die Vorteile eines hohen kulturellen Niveaus genießen möchte und gleichzeitig die Begrenzung der sexuellen Triebbefriedigung abschaffen wolle. Das Wesen des menschlichen Organismus scheint jedoch so beschaffen zu sein, dass diese Wünsche unvereinbar sind, sogar einander widersprechen. Solch ein Reformer gleicht dem törichten Jungen, der den Kuchen essen und gleichzeitig behalten will. Jede menschliche Gesellschaft hat die Freiheit, sich zu entscheiden, ob sie hohe soziale Energie oder sexuelle Freizügigkeit will. Die Fakten zeigen, dass beides gleichzeitig nicht länger als eine Generation möglich ist.Unwin ZitatAber warum wird diese verblüffende Studie heute nirgends diskutiert? Der katholische Theologe Dr. Spindelböck schreibt dazu: “Die Grundthese Unwins, wonach es einen eindeutig feststellbaren empirischen Zusammenhang zwischen vorehelicher sexueller Enthaltsamkeit und strikter Monogamie auf der einen und dem höheren kulturellen Status einer Gesellschaft auf der anderen Seite gibt, ist bis jetzt nicht widerlegt. … Die von Unwin in seiner Hauptthese aufgezeigten Zusammenhänge sind zwar in einschlägigen Kreisen bekannt und anerkannt; im öffentlichen gesellschaftlichen Diskurs hindert es gegenwärtig eine so genannte „political correctness“ im Rahmen der Gender- und Homosexualitäts-Ideologie, dass die Ergebnisse Unwins zum Gegenstand weiterer Analysen und Schlussfolgerungen gemacht werden.”

Prägend sind stattdessen bis heute die Sexualstudien des oft als Held der “sexuellen Revolution” gefeierten Alfred Kinsey, obwohl sie z.T. unter kriminellen Umständen zustande kamen und Dokumente schlimmsten Kindesmissbrauchs beinhalten (Achtung: Dieser schockierende Bericht darüber ist nichs für schwache Nerven, ebensowenig die verstörende Originalschrift von Kinsey über die Sexualität von Kindern). Kinsey war ein wichtiger Wegbereiter des heutigen enttabuisierten “anything goes-Klimas”, in dem ethisch/moralische Bewertungen sexuellen Verhaltens grundsätzlich verpönt sind. Somit hat sich 1 Vorhersage Unwins schon jetzt bestätigt: In der Zeit des Wohlstands werfen wir sexuelle Einschränkungen über Bord und hören lieber auf Leute, die uns sagen, was wir gerne hören wollen (2. Tim. 4, 3), selbst wenn sie noch so fragwürdig sind.

Wird Unwin auch mit der anderen Vorhersage recht behalten, dass das Verwerfen sexueller Einschränkungen nach 3 Generationen zum Niedergang der Gesellschaft führt? Wenn man die sexuelle Befreiung in der 68er-Generation verortet wären wir jetzt schon auf halber Strecke. Und tatsächlich sind wir inzwischen Weltmeister im Senken der Geburtenrate. Die wenigen Kinder reißen wir zudem frühzeitig von den Eltern weg und destabiliseren sie dadurch emotional. Gleichzeitig wird der Wertekonsens unserer Gesellschaft durch Einwanderung aus fremden Kulturen und durch die Säkularisierung ausgehöhlt. Sind wir vielleicht tatsächlich dabei, unsere Gesellschaft zu destabiliseren? Dem Fazit von Konstantin Mascher ist m.E. jedenfalls zuzustimmen: “Eine Gesellschaft, die Egozentrismus und Hedonismus fördert, die die Zukunft nicht genügend in den Blick nimmt und auch nicht zum Verzicht bereit ist, richtet nachhaltigen Schaden an.”

Es stimmt schon: Die wichtigste Botschaft, die unsere Gesellschaft von uns Christen hören sollte ist nicht unsere Meinung zur Sexualmoral. Und richtig ist auch, dass wir sensibel darauf achten müssen, Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Identitäten nicht herabzuwürdigen sondern liebe- und respektvoll mit allen Menschen umzugehen.

Aber richtig ist auch: Wir erweisen unseren Mitmenschen einen Bärendienst, wenn wir ihnen nach dem Mund reden und die großartigen und heilsamen biblischen Werte über Sexualität, Treue und Verbindlichkeit (hier großartig erklärt von Johannes Hartl) verschweigen oder verschämt für uns behalten. Denn diese Werte sind nicht nur für einzelne Menschen sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes wichtig und heilsam.

Quellen:

Vielen Dank an Konstantin Mascher für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung dieses Artikels.

Siehe auch: