Brauchen wir eine neue Sexualmoral?

Eindrücke aus dem Buch „Freie Liebe: Über neue Sexualmoral“ von Bernhard Meuser

Der katholische Theologe Bernhard Meuser hat ein bewegendes Buch geschrieben, das ich auch uns Evangelikalen sehr ans Herz legen möchte. Zwischen Katholiken und Evangelikalen gibt es bedeutende theologische Differenzen, die nicht kleingeredet werden dürfen. In diesem Buch geht es jedoch um eine Herausforderung, mit der Evangelikale und Katholiken gleichermaßen konfrontiert sind.

Plötzlich sind wir ein Ärgernis

Über viele Jahre haben wir eine Sexualethik vertreten, die in wesentlichen Teilen auch in unserer christlich geprägten Gesellschaft hohe Anerkennung fand – weshalb es keinen Grund zu geben schien, sie vertieft zu durchdenken und zu begründen. Diese Situation hat sich nun in relativ kurzer Zeit dramatisch gewandelt. Plötzlich sind wir mit unseren Ansichten nicht nur Exoten sondern ein Ärgernis geworden. Bernhard Meuser begründet diese Umkehrung der Verhältnisse mit der wachsenden Dominanz von kirchenferner „Zivilmoral“:

„Kennzeichen der Zivilmoral ist, dass sie keinen Begriff von wahr und falsch hat (und haben kann), wie sie auch nicht von gut oder böse sprechen kann. … Toleranz ist ihre höchste und einzige Tugend, die sie mit höchster Intoleranz … einfordert. Der Andere ist anders. Mehr ist über ihn nicht zu sagen, darf über ihn nicht gesagt werden. … Höchste Unmoral ist die Ausgrenzung von etwas, das jemand als böse oder falsch klassifiziert. … Den Ausgrenzer muss man ausgrenzen. Das Gute gut und das Böse böse zu nennen, ist inkorrekt, weil darin Absolutheitsansprüche zum Ausdruck kommen, die mangelnde Toleranz verraten und damit gegen das Ich-bin-okay-du-bist-okay-Gebot verstoßen wird.“ (S. 77)

Bernhard Meuser weist zwar zurecht darauf hin, dass diese Zivilmoral „verdeckt antiintellektuell und vernunftfeindlich“ ist, weil sie Denkverbote erlässt und uns daran hindert, offen und ehrlich darüber nachzudenken, welche Konsequenzen sich aus welchen Lebensmodellen ergeben. Aber das ändert nichts an dem wachsenden Druck, den diese gesellschaftliche Entwicklung auf Christen ausübt.

Die Folge ist bei Katholiken wie bei Evangelikalen ähnlich: Wir spalten uns. Die einen wollen den gesellschaftlichen Trend mitgehen, um die Kirche aus der Schusslinie (bzw. „aus der Sackgasse“) zu holen. Die Anderen wollen an der traditionellen Sexualethik festhalten, haben aber kaum gelernt, diese Position vor sich selbst und vor anderen durchdacht zu begründen.

Die Schattenseiten des sexualethischen Wandels

In seinem Buch schildert Bernhard Meuser offen, wie er selbst eine Missbrauchserfahrung durch einen katholischen Priester erlitten hat. Umso bemerkenswerter ist es, dass Meuser sich leidenschaftlich dagegen wendet, die kirchliche Sexualmoral im Sinne des sogenannten „Synodalen Wegs“ zu verändern. Er entlarvt gründlich, dass die Missbrauchsskandale oft nur als Vorwand genutzt werden, um biblische Gebote über Bord werfen zu können, die doch vor Missbrauch gerade schützen würden. Das Buch von Meuser ist zudem mutig, weil es sich modernen Denkverboten in keiner Weise unterwirft. Meuser weist vielmehr schonungslos auf die Schattenseiten und blinden Flecken des sexualethischen Wandels hin:

„Für freie Liebe muss man Kinder töten. … Neun von zehn Kindern mit Down-Syndrom werden heute abgetrieben, als wären sie keine Menschen. Über 100.000 Kinder wurden 2018 in Deutschland im Mutterleib getötet. Ein Kind aber darf niemals der Kollateralschaden von Sex sein.“ „Die Begründungen … laufen in der Regel auf die Entpersonalisierung des Kindes hinaus. Das Kind im Bauch der Mutter darf kein „Jemand“ sein; deshalb ist es ein „werdendes Leben“, ein „Zellhaufen“, ein „Fötus“, eine „Schwangerschaft“, die man „unterbrechen“ kann. Um sie danach fortzusetzen?“ (S. 339/340) „Das Europaparlament hat 2019 … eine Resolution verabschiedet, mit der Polen gerügt wurde, weil die osteuropäischen Ignoranten in puncto Sexualaufklärung nicht auf der Höhe der allgemeinen Standards sind … : Damit … »Jugendliche […] gefahrlos sexuelle Erfahrungen […] machen können«, sei der Zugang zu »sicheren und rechtmäßigen Abtreibungen unabdingbar. « Mit anderen Worten: Damit etwas größere Kinder sorgenfreien Spaß im Bett haben, soll der polnische Gesetzgeber dafür Sorge tragen, dass kleine Kinder, die dabei zufällig entstehen, getötet werden dürfen. Und für diesen mörderischen Vorschlag findet sich eine Mehrheit von 471 Stimmen (!), bei 128 Gegenstimmen und 57 Enthaltungen.“ (S. 99) „Eine »neue Sexualmoral«, die ihre Kinder umbringt, ist weder sexy noch moralisch. Sie ist eine Lüge.“ (S. 109)

Meuser sieht beim Thema Abtreibung auch keinerlei Kompromissmöglichkeiten. Im Gegenteil fordert er: „Jetzt ist die Zeit gekommen, in „Abtreibung“ den Clearingpoint einer neuen Sexualmoral und die präzise Wasserscheide der Anthropologie zu sehen. Hier scheidet sich alles, was fließt. Die Wasser, die in die Zivilisation der Liebe fließen, fließen nicht in die Kultur des Todes und umgekehrt. Zwei nicht miteinander vereinbare Anthropologien trennen sich.“ (S. 343)

Die naive Sicht von “Lust”

Der Wandel in der Sexualethik zerstört aus Meusers Sicht aber nicht nur das Leben von Kindern, sondern auch die Seele von Erwachsenen, denn:

„Jede sexuelle Begegnung schafft Bindung; sie zu zerreißen, schlägt seelische Wunden, beim einen tiefer, beim anderen weniger tief. Nicht ich war gemeint, sondern mein Körper, lautet die Ent-Täuschung, die das Gift des Misstrauens in alle künftigen Lieben mischt. Wunden können vernarben; aber Narben machen auch gefühllos und taub an der Stelle, wo ich mich von Herzen und rückhaltlos verschenken sollte und künftig nur noch einen Teil von mir gebe – „fünfzig oder siebzig Prozent, besser nicht mehr!“, denn man könnte wieder enttäuscht werden. Was man landauf, landab noch immer als große Errungenschaft der sexuellen Revolution feiert – die Trennung von Sex und Liebe -, ist in Wahrheit der Sündenfall der Moderne.“ (S. 333)

Meuser prangert an, dass eine naive und verklärende Sichtweise von „Lust“ im Umlauf ist: „Nun ist Lust zweifelsfrei ein Wert. Aber Lust ist ein der Liebe nachgeordneter, ihr in glücklichen Umständen mitgegebener Wert. Liebe kann durchaus noch sein, wo kein Vergnügen mehr dabei ist – etwa am Bett eines kranken Partners. Aber Lust kann nicht sein, wo es an Liebe fehlt. Da nämlich mutiert die Lust ins Böse.“ (S. 219) Denn: „Sex ist jenseits von Liebe nicht denkbar ohne Entwürdigung der Person, die ich für meine Befriedigung benutze. Das ist selbst dann so, wenn Sex ohne Liebe eine Vereinbarung auf beiderseitigen Wunsch – eine „Harmonie von Egoismen“ – wäre.“ (S. 299) „Für eine Lebensweise, in der wir jemanden als Person ansehen und ihn nicht benutzen, haben wir das Wort ‚Liebe‘. … Liebe sucht den ganzen Menschen – die Person – und nicht den anderen Körper zur Triebabfuhr.“ (S. 297/298)

Das verzerrte Verständnis von “Moral”

Meuser beleuchtet in diesem Zusammenhang einen der großen Widersprüche unserer Zeit: Während die MeToo-Debatte unseren Hang zur sexuellen Übergriffigkeit und Missbrauch ins Scheinwerferlicht rückt, wird zugleich beim Thema „Lust“ die Sündhaftigkeit des Menschen weitgehend ausgeblendet. Dieser blinde Fleck zeigt sich vor allem an der modernen Tendenz, „Moral“ prinzipiell als etwas Negatives anzusehen – so als ob es der heutige Mensch gar nicht nötig hätte, durch ethische Gebote zu einem Handeln animiert zu werden, das für ihn selbst und für die Menschen um ihn herum lebensdienlich ist:

„Für viele Menschen ist „christliche Moral“ heute noch identisch mit Sanktionen, Leibfeindlichkeit, Sexualpessimismus, Lustverboten und restriktiven Anweisungen zum Sex.“ (S. 266)

An dieser Situation ist die Kirche nicht unschuldig, im Gegenteil. Die Kirche selbst hat die heilsame biblische Ethik oft verzerrt, „indem eine nach vorne reißende, mit langem Atem zum Guten verlockende, zu Fehlertoleranz befreiende, biblische fundierte, christologisch zentrierte und geistlich inspirierte „Tugendethik“ ersetzt wurde durch eine drohende, zum Guten schiebende, kurzatmige, gnadenlos knechtende, bibelferne, jesuslose und ungeistliche „Sollensethik“ oder Pflichtethik“. Du hast die Pflicht – statt: Du kannst das Leben gewinnen.“ (S. 275)

Kein Wunder, dass die Gesellschaft diese Pflichtethik abgeworfen hat – allerdings ohne sich die Konsequenzen bewusst zu machen. Extrem eindrücklich in Meusers Buch war für mich die fast dystopische Schilderung zur Situation in ehemals kommunistischen Ländern, die seit vielen Jahrzehnten die biblische Sexualethik verworfen haben. Eine Frau berichtet, dass ganze Generationen von Männern als Familienväter ausgefallen seien, weil sie zwar Sex wollten, aber die dauerhafte Verantwortung für Familie und Kinder von sich wiesen – ein Trend, der sich längst auch in den westlichen Ländern zeigt mit allen zerstörerischen Auswirkungen für die Kinder und für die Gesellschaft insgesamt. Umso dringender braucht es eine positive Definition von „Moral“, die Meuser wie folgt formuliert:

„»Moral« nenne ich alle flankierenden Maßnahmen, die »gutes Leben« ermöglichen.“ (S. 18) Es geht um den „Schutz von Leben, Liebe, Freiheit und Lust“. (S. 210)

Grundlegend für diesen Moralbegriff ist die Erkenntnis:

„Die Gebote Gottes sind menschengemäße Hilfestellungen Gottes und keine von oben ergangenen Willkürakte.“ (S. 293) „Jesus hat das Gesetz des Alten Bundes in keiner Weise relativiert, aber er hat es mit zwei Vorzeichen versehen, unter denen sie erst im richtigen Licht erscheinen. Das erste Vorzeichen heißt Leben: „Wenn du das Leben erlangen willst, halte die Gebote.“ (Mt. 19, 16) Die Gebote sind also kein Selbstzweck; sie führen zum Leben, sind Hinweise und Ermöglichungen guten Lebens.“ (S. 313) „Das zweite, noch bedeutendere Vorzeichen, unter das Jesus die Gebote gestellt hat, heißt Liebe.“ (S. 314) „Die Liebe und das Befolgen der Gebote sind ineinander verflochten und permanent miteinander im Gespräch.“ (S. 315) „Dass Gott das Beste für den Menschen will, ist sicher. Dass Menschen immer wissen, was das Beste für sie ist, steht dahin. Wer den Willen Gottes … als Fremdbestimmung auffasst, hat weder das Menschliche am Menschen noch das Göttliche an Gott verstanden.“ (S. 318)

Moral und Gottesbeziehung gehören zusammen!

Das Überraschende an diesem Buch war für mich: Meuser plädiert tatsächlich für eine NEUE Sexualmoral, weil die Kirche mit ihrem Moralismus vollständig gescheitert ist. Der Grundfehler der Kirche war aber nicht, dass sie die modernen sexualethischen Trends verpasst hat. Der Grundfehler war vielmehr die Trennung zwischen der Liebe zu Gott und dem Halten seiner Gebote:

„Es gibt christlich gesehen keine außerpersonale Ethik, kein beziehungsloses Regelwerk, keine anonyme Gesetzlichkeit. Ethik ist, dem nicht aus dem Weg zu gehen, dem ins Gesicht zu sehen, der sagt: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“ (Joh. 14, 15)“ (S. 252)

Die Liebesbeziehung mit Gott ist es, die Gottes Gebote herausholt aus der Sphäre einer kalten, lebensfremden Gesetzlichkeit:

„Das eigentlich Stabilisierende ist die stabile Treue Gottes, an die eine menschliche Liebesgeschichte andocken kann. „Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.“ (Mt. 19, 6) An diese größere Liebe Gottes angeschlossen, können zwei Menschen zu „Personen“ werden, sich bedenkenlos verschenken und dabei „für immer“ sagen: Ich mache mich Dir zum Geschenk. … Das ist es, worin die sexuellen Jäger- und Sammlerinstinkte der Männer gezähmt werden und worin auch Frauen ganzheitlich ankommen in ihrer rastlosen Suche nach Mr. Right. … Und darüber entsteht in gelassener Freude und wie beiläufig das Wärme und Sicherheit ausstrahlende Nest, auf das Kinder ein göttliches Recht haben.“ (S. 304-306)

Gottes lebensspendender Masterplan

Auf diesem gesunden Boden kann eine biblische Sexualmoral gedeihen, die Meuser wie folgt zusammenfasst:

„Die Heilige Schrift ist von der ersten bis zur letzten Seite unter der Prämisse der von Gott gegebenen Schöpfungsordnung in Genesis 1 und 2 zu lesen.“ (S. 247) „Erst kommt die Liebe, dann das »Für immer«-Versprechen, dann ist das sichere Nest gegeben für die Vereinigung, dann kann das Kind kommen und in der Liebe von Vater und Mutter selbst ein liebender Mensch werden. Diese Reihenfolge entspricht aus guten Gründen dem Masterplan Gottes.“ (S. 235)

Meuser weist darauf hin, dass genau diese Sichtweise historisch gesehen zu allen Zeiten die jüdische und die christliche Sexualethik geprägt hat, obwohl sie schon immer extrem exotisch war:

„Während der gesamten ersten christlichen Jahrhunderte, als jede Art von Sexualpraktik, die in der Menschheit jemals bekannt war, in der antiken griechischen und römischen Gesellschaft weit verbreitet war, bestanden Christen wie Juden darauf, dass die ausgelebte Sexualität auf die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau zu beschränken sei. Heute wie damals denkt der Rest der Welt, das sei verrückt. Der Unterschied besteht leider darin, dass heute auch die halbe Kirche dasselbe denkt.“ (Zitat N.T. Wright S. 246)

Der Auftrag der Kirche: Mutig Position beziehen!

Deshalb ist die Kirche Jesu heute ganz neu herausgefordert, die Schönheit und Sinnhaftigkeit der biblischen Sichtweise zur Sexualethik zu verteidigen:

„Es sind drei Momente, die in der „alten Sexualmoral“, so ergänzungsbedürftig sie sein mag, die Menschlichkeit menschlicher Sexualität ausmachten und die es auch heute unter allen Umständen zu hüten gilt:

1. Die Urgegebenheit des menschlichen Leibes als Mann oder Frau und die bleibende Komplementarität der beiden Geschlechter. Das ist auch heute zu sagen, und zwar gegen die neognostische Ideologie, der Mensch habe einen neutralen Körper und er könne ihn frei überschreiben mit einer willkürlichen Identität.

2. Die unbedingte Verknüpfung von Sexualität und Liebe, genannt „Ehe“, in der allein Mann und Frau – indem sie „ein Fleisch“ werden – zu sich und zum Anderen kommen. Das ist auch heute zu sagen, und zwar gegen die Trennung von Sexualität und Liebe … und gegen die Banalisierung der Sexualität als sinnfreies Spielzeug der Lustbeschaffung oder als bloßes Kommunikationsmittel zwischen unspezifischen Gleichgesinnten.

3. Der unauflösbare Zusammenhang von Sexualität und Generativität. Das ist auch heute zu sagen, und zwar … gegen die aberwitzigen Versuche, Abtreibung als Menschenrecht zu etablieren. Was an Fragmenten aus der ganzheitlichen Matrix herausgebrochen wird, rächt sich in dem, was ich die „Kollateralschäden fragmentierter Sexualität“ genannt habe.“ (S. 374/375)

Bernhard Meuser ist sich dabei bewusst, dass diese Sichtweise in unserer auf die menschliche Autonomie pochenden Gesellschaft unpopulär bleiben wird, denn:

„Man müsste seinen Lifestyle ändern. … Man müsste so leben, dass Sex dann an der Tagesordnung ist, wenn ein Kind kommen kann und von Herzen willkommen ist, weil es einen Mann und eine Frau gibt, die sich von Herzen lieben und volle Verantwortung füreinander und für ein weiteres Menschenwesen übernehmen. Aber wer denkt denn nach einer prickelnden Nacht im Club an so etwas?“ (S. 341)

Meuser meint jedoch: Trotzdem sollten wir Christen uns auf keinen Fall verbiegen lassen! Denn wir sind davon überzeugt, dass es einen liebenden Gott gibt, der die Wahrheit über uns Menschen kennt und der uns deshalb aus guten Gründen seine lebensspendenden Gebote mit auf den Weg gegeben hat. Für uns muss deshalb das Prinzip gelten: „Die Wahrheit richtet sich nicht nach uns, wir müssen uns nach der Wahrheit richten“ (S. 281), wenn wir einen gesunden und heilsamen Umgang mit uns selbst und unseren Mitmenschen finden wollen.

Zudem gilt für uns Christen ein Prinzip, das wir im Westen wohl wieder ganz neu durchbuchstabieren müssen:

„Das Erste der Zehn Gebote („Ich bin der Herr, Dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben“) … ist sozusagen die Magna Charta der christlichen Freiheit. Vor nichts und niemand muss sich unterwerfen, wer den einen wahren Gott zum Herrn hat. Wer sich zum Gott des Ersten Gebots bekennt, ist ein Königskind; er darf sich gar nicht unterwerfen. Mit der Anerkennung Gottes und seiner Gebote tut sich das Land der Freiheit auf und die Chance, wieder Luft zu bekommen zum freien Atmen. (S. 320)

Die Welt braucht den prophetischen Dienst der Kirche

Meuser beendet sein Buch mit einem feurigen Plädoyer an die Kirche Jesu, dem sich meines Erachtens auch die evangelikale Bewegung dringend stellen sollte. Ich möchte dieses Plädoyer deshalb am Ende für sich sprechen lassen:

„Wenn heute drei Leute zusammenstehen, hat einer von den dreien eine Geschichte von Missbrauch zu erzählen. Wie können ausgerechnet die Kirchen in naiven Sexualoptimismus verfallen und zur Verharmlosung der sexuellen Begierde beitragen, als sei sie [im Original: die Konkupiszenz] ein fröhliches Spaßteil für alle?! Wo ist sie – die „neue Sexualmoral“, die endlich all die vielfältigen Instrumente von Kultur, Religion und Moral bündelt, um diese Urkraft zu zähmen und im Garten des Menschlichen zu beheimaten?

Starke politische Kräfte etablieren Abtreibung als Methode der Verhütung und als Menschenrecht. In Deutschland wird jedes vierte Kind im Mutterleib getötet. … Wo ist sie – die „neue Sexualmoral“, die endlich den systemischen Zusammenhang von Sexualverhalten und Lebensschutz thematisiert?

Pornografie ist ein Milliardengeschäft, das dem internationalen Drogenhandel gerade den Rang abläuft. Schon 10- und 11-jährige Kinder werden in visuelle Prostitution eingeweiht, als Suchtkunden konditioniert und zu übergriffigem Sexualverhalten erzogen; sie verwahrlosen dabei seelisch. Wo ist sie – die „neue Sexualmoral“, die der Pest des 21. Jahrhunderts die Stirn bietet?

Im 19. und 20. Jahrhundert ging der Kampf um die Produktionsmittel; heute geht der Kampf um die Reproduktionsmittel. Leihmutterschaft und eine immer skrupellosere Fortpflanzungs-Industrie machen die Beurt eines (passend designten) Kindes zu einem Geschäft oder einem technischen Akt. Wo ist sie – die „neue Sexualmoral“, die das Geschenk des Lebens vor dem Zugriff von Macht und Markt schützt?

Die ideologische Dekonstruktion der klassischen Familie, der Entzug ihrer ökonomischen und rechtlichen Grundlagen … zerstört die Keimzelle der Gesellschaft und den natürlichen Schutzraum von Kindern, die immer häufiger Opfer von Missbrauch werden. Wo ist sie – die „neue Sexualmoral“, die für das Leitbild der natürlichen Familie in die Offensive geht? …

Wo ist sie, die Kirche, die dafür kämpft?

Ich fürchte, sie ist auf der Reise nach Tarschisch. Eine Kirche aber, die aus Feigheit und Populismus ihren prophetischen Dienst verweigert und dem Gott des Lebens entkommen möchte, wird wie Jona über Bord geworfen. Sie wird – schwerer als die sie umgebenden Wasser – hinabsinken in das Meer des Vergessens, wird verschluckt werden von der öffentlichen Meinung. … Sie wird so lange mit Irrelevanz bestraft sein, bis sie – um des Wohles der großen Stadt willen – ausgerichtet hat, was zu sagen ihr auferlegt ist. Frei. Und aus Liebe.“ (S. 383)

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Das Buch „Freie Liebe: Über neue Sexualmoral“ von Bernhard Meuser ist 2020 im Fontis Verlag erschienen und kann hier bestellt werden.

Coming-In: Willkommenskultur oder Polarisierung?

Ich war sehr nachdenklich in den letzten Wochen. Was ich gehört und gelesen habe, hat mich aufgewühlt. So viele Meinungen, die meilenweit auseinander liegen. Und das nicht nur in unserer Gesellschaft, sondern auch mitten in unserem christlichen Umfeld. Das habe ich in diesem Ausmaß noch nie erlebt. Es scheint kein wirksames Mittel gegen die rasch wachsende Polarisierung zu geben.

Umgetrieben hat mich dabei auch die Internetseite „coming-in.de“, in der Christen Werbung machen für einen offenen Umgang mit LSBT (lesbische, schwule, bisexuelle und transidente)-Menschen in konservativen bzw. evangelikalen Gemeinden. Das fände ich ja eigentlich gut. Denn in der Tat gibt es da viel zu lernen unter uns Evangelikalen. Wie wir in der Vergangenheit mit diesem Thema und diesen Menschen umgegangen sind, ist teilweise ein schmerzhaftes Kapitel. Deshalb kann ich nur von Herzen zustimmen: Auch LSBT-Menschen sollen natürlich in unseren Gemeinschaften und Gemeinden herzlich willkommen sein! Denn es ist ja keine Frage: Gott liebt alle Menschen gleich. Er heißt alle Menschen willkommen. Und ja: Wir haben viel zu lernen im Umgang mit diesen Menschen. Ich zuerst.

Insofern könnte ich eigentlich viele Formulierungen auf dieser Seite unterschreiben. Ein „freundliches Gesicht“ gegenüber allen Menschen darf und muss unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung in unseren Gemeinden eine Selbstverständlichkeit sein. Und es tut mir leid, ja es schmerzt mich, dass dieses freundliche Gesicht Menschen mit homoerotischem Empfinden oft versagt worden ist. Wir haben viel Schuld auf uns geladen.

Geht es nur um Willkommenskultur?

Aber beim Lesen dieser Seite stellt sich mir die Frage: Geht es wirklich nur um Willkommenskultur? Geht es nur um ein „freundliches Gesicht“, das ich mir ja genauso wünsche? Zwischen den Zeilen und vor allem in den Statements von Persönlichkeiten wie Michael Diener, Martin Grabe, Tobias Künkler, Gofi Müller oder Jakob Friedrichs wächst in mir der Eindruck: Hier geht es um mehr. Willkommenskultur wird hier verknüpft mit der Forderung, ausgelebte Homosexualität gutzuheißen und ihr den Segen Gottes zuzusprechen. Martin Grabe, der zusammen mit Thorsten Dietz Hauptredner auf der letzten Coming-in-Tagung war, hatte in seinem aktuellen Buch ja bereits den folgenden „Einigungsvorschlag“ gemacht: „Homosexuelle Christen  dürfen ebenso wie heterosexuelle Christen eine verbindliche, treue Ehe unter dem Segen Gottes und der Gemeinde eingehen und sind in der Gemeinde in jeder Hinsicht willkommen.”

Nun waren sich fast 2000 Jahre lang die Christen weitestgehend einig, dass so eine Position mit der Bibel nicht vereinbar ist. Die meisten Christen weltweit sehen das auch heute noch so. Die Aussagen der Bibel sind einfach zu eindeutig und zu durchgängig. Deshalb stellt sich mir die Frage: Soll hier etwa der großen Mehrheit der Christen die Freundlichkeit, Offenheit und Willkommenskultur grundsätzlich abgesprochen werden, weil sie sich an diese biblischen Aussagen gebunden fühlen?

Hängt Annahme mit der Befürwortung des Lebensstils zusammen?

Die Frage stellt sich ja ganz grundsätzlich: Bin ich nur dann ein freundlicher und offener Mensch, wenn ich alles absegne, was mein Gegenüber tut? Ist menschliche Annahme nur dann echt, wenn sie den Lebensstil des Anderen befürwortet? Bei den folgenden Zeilen bekomme ich jedenfalls den Eindruck, dass die Macher von Coming-In offenbar genau dieser Meinung sind:

Das freundliche Gesicht hat „Willkommen!“ gesagt.
Ich hoffe, dass es ernst gemeint war.
Weil ich nicht immer willkommen bin.
Weil ich eine Frau liebe und selbst eine bin.
Wenn das freundliche Gesicht es ernst gemeint hat, dann ist ihm das egal.
Es wäre so schön, wenn es egal wäre.
Wenn wirklich alle willkommen wären.

„Egal“ steht hier sicher nicht für Desinteresse oder Gleichgültigkeit. „Egal“ meint hier vielmehr „Gleich-Gültigkeit“. Erwartet wird, dass eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft genauso befürwortet wird wie eine heterosexuelle Partnerschaft. Auf dieser Verknüpfung von Annahme mit Befürwortung des Lebensstils basieren nach meinem Eindruck einige Texte auf dieser Seite. Dadurch entsteht – gewollt oder ungewollt – das Bild: Christen, die sich in ihrem Gewissen an die biblische Ablehnung praktizierter Homosexualität gebunden fühlen, sind grundsätzlich unfreundlich, kalt und abweisend. Sie glauben nicht, dass bei Gott alle Menschen willkommen sind und dass Gott alle Menschen liebt. Michael Diener stellt sie gar in eine Reihe mit Christen, die Antisemitismus, Sklaverei oder Rassismus befürwortet hatten. Deshalb meint er: Es ist 20 nach 12, dass gerade konservative Kirchen und Gemeinschaften umkehren. Dafür setze ich mich ein – mit aller Kraft.”

Ist das eine Kampfansage?

Ich verstehe ja, dass viele LSBT-Menschen ihre Sexualität nicht nur als ein „Tun“ sondern als Teil ihrer Identität ansehen und dass es ihnen deshalb schwerfällt, sich angenommen zu fühlen, wenn man ihrem Tun aus Gewissensgründen nicht zustimmen kann. Trotzdem zucke ich zusammen, wenn z.B. Tobias Künkler von der CVJM-Hochschule Kassel schreibt:

„Wie viele Gemeinden und wie viele Menschen sind an dieser Frage zerbrochen… Ich bin mittlerweile aus guten Gründen überzeugt: Dieses ‚Menschenopfer‘ ist dem Herrn ein Gräuel.“

Werden hier konservative Christen bezichtigt, dem Moloch Menschenopfer zu bringen? Wenn ja, dann frage ich mich: Wie soll bei solchen Ansagen noch ein respektvolles Nebeneinander oder gar Miteinander gelingen? Oder kommt jetzt die Zeit, in der die evangelikale Bewegung insgesamt auf einen spaltenden Konflikt zusteuert, wie ihn die methodistische Weltkirche schon seit längerem durchleidet?

Ich kann jedenfalls nicht anders, als in derartigen Aussagen eine offene Kampfansage zu sehen, die ich so bislang nur aus meiner Landeskirche kannte. So hatten zum Beispiel die Tübinger Theologieprofessoren meine konservative Position für „unerträglich“ erklärt. Die Predigerin beim Abschlussgottesdienst des letzten Kirchentags Sandra Bils schrieb schon 2015 in ihrem Blog, dass sie der Gedanke stört, dass man der konservativen Position noch eine Daseinsberechtigung zuspricht. Inzwischen lehrt Sandra Bils an der CVJM-Hochschule Kassel. Umso mehr wächst in mir das Gefühl: „Ambiguitätstoleranz“ war gestern. Jetzt scheint eine neue Phase zu beginnen, in der wohl auch im freikirchlichen Bereich und im Bereich der Gemeinschaftsverbände Menschen mit konservativen Positionen eher verdrängt werden sollen – genau wie es in meiner evangelischen Kirche ja schon längst geschieht. Wird aus dem „Coming-In“ am Ende womöglich ein „Get out“?

Bitte sprecht anderen Christen nicht von vornherein die Liebe ab!

Um das zu vermeiden würde ich mir von Christen, die die Position von Coming-In teilen, ein paar Dinge wünschen. Das erste ist:

Sprecht doch bitte nicht allen Menschen, die aufgrund ihres Glaubens zu dem Schluss kommen, dass Gott praktizierte Homosexualität nicht segnet, von vornherein die Liebe, den Respekt, die Freundlichkeit und die Offenheit ab. Man kann auch herzlich, offen und freundlich sein, wenn man den Lebensstil des Gegenübers nicht unterstützt und andere Werte vertritt. Mehr noch: Echte Annahme funktioniert generell nicht ohne das gleichzeitige Aushalten von unterschiedlichen Sichtweisen. Ich wünsche mir das jedenfalls von meinen Mitmenschen und auch von euch: Dass ihr mich annehmt, mir freundlich begegnet, mich willkommen heißt, auch wenn ihr einige meiner Meinungen oder Elemente meines Lebensstils nicht für richtig haltet – und wenn ihr deshalb lieber nicht wollt, dass ich in euren Kreisen predige.

Alle christlichen Gemeinden müssen lernen, alle Menschen als von Gott geliebte Menschen freundlich willkommen zu heißen, auch wenn sie nicht mit allem einverstanden sind, was diese Menschen denken und auch wenn es ihnen nicht egal sein kann, was diese Menschen tun und womit sie sich identifizieren. Alle Christen sollten zum Beispiel allen Muslimen freundlich, liebevoll, offen und einladend begegnen, auch wenn sie der Überzeugung sind, dass ihr Glaube ein Irrtum ist und sie nicht retten kann. Da für viele Muslime ihr islamischer Glaube ein wichtiger Teil ihrer Identität ist, ist das gar nicht so einfach. Umso mehr müssen wir lernen, dass die Annahme von Menschen und die Befürwortung ihres Lebensstils zwei grundverschiedene Dinge sind, die wir unbedingt auseinanderhalten müssen, wenn wir auf ein gelingendes Miteinander in der Gesellschaft hinarbeiten wollen.

Baut selbst Gemeinden statt andere Gemeinden umdrehen zu wollen!

Und zweitens: Es ist relativ leicht, unterschiedlichste Christen zu verbinden, wenn man ein emotional besetztes Feindbild hat. Liebevolle Gemeinschaften mit Ausstrahlung aufzubauen wird in dem Moment spannend, in dem man sich auf eine positive Glaubensbotschaft einigen muss. Und das wird nach meiner Erfahrung umso schwerer, je diverser die theologischen Positionen sind. Ihr wünscht euch lebendige Gemeinden, in denen gleichgeschlechtliche Paare ganz selbstverständlich in allen Dingen gleichgestellt sind? Dann ermutige ich euch: Gründet und baut solche Gemeinden! Oder belebt Gemeinden, die jetzt schon eure Werte teilen! Gerade in meiner evangelischen Landeskirche gibt es massenhaft Gemeinden, in denen ihr mit dieser Position uneingeschränkt begrüßt werdet und in denen ihr euch fröhlich entfalten könnt. Viele davon sind kurz vor dem Absterben. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr solche Gemeinden wieder zum Wachsen und zum Blühen bringt, zumal ihr ja offenkundig fest überzeugt seid, dass Gott nur eure Position wirklich gut findet und segnet.

Aber wenig fair und überzeugend finde ich es, wenn ihr stattdessen mit missionarischem Eifer die lebendigen Gemeinden umdrehen wollt, die Christen mit einer anderen Position als der euren zum Blühen gebracht haben. Bitte habt doch Respekt vor Gemeinschaften, die diese Frage für sich anders entschieden haben, weil sie so wie ich der Überzeugung sind, dass man nur schwer oder gar nicht missionarische Gemeinde bauen kann mit dem einseitig historisierenden oder gar liberalen Bibelverständnis, das eure Position nun einmal zwangsläufig im Gepäck hat und das mir bei vielen Vertretern, die ich auf eurer Seite sehe, begegnet ist. Ich weiß, ihr seht das anders. Aber beweist mir das Gegenteil doch lieber durch euren eigenen fruchtbaren Gemeindebau statt durch die Forderung, in konservativen Gemeinden predigen zu dürfen, um dort für eure Position zu missionieren.

Und schließlich: Helft doch bitte mit, dass in unserem Land eine Atmosphäre echter Toleranz bewahrt bleibt, in der auch Gemeinschaften mit einer konservativen Position sein dürfen und respektiert werden, so dass es ein respektvolles Nebeneinander und vielleicht sogar zumindest punktuell ein Miteinander geben kann, bei dem wir trotz dieser Differenz gemeinsam ein Zeugnis für unseren Glauben sein können. Vielleicht gelingt das ja eines Tages, dass wir gelassen sagen können: We agree to disagree. Wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind. Aber wir unterstellen dem Anderen deshalb keine bösen Motivationen. Das wäre aus meiner Sicht echter Brückenbau.

Wohin mit dem Sex?

„Kein Sex vor der Ehe!“ wird von „konservativen“ Christen vertreten. Außerhalb dieser Kreise empfindet man solch eine Haltung als fundamentalistisch und weltfremd.“ Dieser Zustandsdiagnose von Marcel Locher ist ohne Frage zuzustimmen. Umso erfreulicher ist es, dass der Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP) seinen 1. Theologischen Studientag im März 2019 der spannenden Frage gewidmet hat: „Wohin mit dem Sex? – Schriftverständnis und die Folgen für die Lebensführung“. Die Tagungsbeiträge gibt es inzwischen in Buchform zu kaufen. In der Einführung schreibt der Leiter des theologischen Ausschusses des BFP, Dr. Bernhard Olpen: Der „Studientag stellt die theologische Standortbestimmung zur Schrift vor, wie sie das Präsidium des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP) vertritt.“ Das Buch hat also Gewicht für den gesamten BFP. Umso spannender ist die Frage, welche Ansichten hier zu diesem so umstrittenen Thema vertreten werden.

Die Positionen zur Sexualethik hängen vom Schriftverständnis ab

„Wie wir in Fragen der Sexualethik entscheiden, hängt maßgeblich von unserem Schriftverständnis und von unserer Hermeneutik[1] ab,“ schreibt Matthias C. Wolf zurecht. Deshalb ist es nur konsequent, dass sich der erste Beitrag von Dr. Bernhard Olpen zunächst der Frage nach dem Schriftverständnis in seiner geschichtlichen Entwicklung und seinen Konsequenzen für die Sexualethik widmet. Dazu gibt Olpen einen hochinteressanten Überblick von den ersten Kirchenvätern bis heute. Er zeigt dabei auf: Trotz Unterschieden im Detail war bis zur Aufklärung die Sichtweise dominant, dass die ganze Bibel inspiriert und von Gottes Geist eingehaucht ist. Luther ging zudem „das Wagnis ein, den literarischen Sinn der Schrift für ausreichend klar und aussagekräftig zu halten. Eine Grundannahme, die fortan für den Protestantismus grundlegend geworden ist“.

Erst mit der Aufklärung begann eine Sichtweise, in der der Bibeltext selbst nicht mehr unmittelbar als Wort Gottes betrachtet wurde. Die Trennung von Schriftwort und Offenbarung hatte auch für die Sexualethik gravierende Konsequenzen. Von den Kirchenvätern bis zu den Reformatoren war zuallermeist noch die Ehe als der einzig legitime Ort für Geschlechtsverkehr angesehen worden. Auch Mitte des 19. Jahrhunderts prägten noch „evangelikale Ideen über Moral und Sex die Kultur der Mittelklasse in England“, u.a. getrieben durch den Einfluss bekannter Erweckungsprediger wie John Wesley. Ebenso ging der deutsche Pietismus noch weitgehend von einer Klarheit und „Vollkommenheit der Schrift“ (J. A. Bengel) aus und „hielt in Anlehnung an Luthers Schriftverständnis an der Ehe als einzig legitimem Ort gelebter Sexualität fest.“ Erst in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte sich in Bezug auf die Sexualethik eine Sichtweise durch, die nicht nur den Bibeltext sondern auch „zeitbedingte Anschauungen zur Grundlage macht“. Beispielhaft verweist Olpen auf die vieldiskutierte EKD-Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ sowie auf die Arbeit von „Worthaus“:

„Siegfried Zimmer, einer der Initiatoren, versucht in der Darlegung seines Bibelverständnisses zwar eine vermittelnde Rolle einzunehmen, folgt in der Praxis jedoch dem Argument der veränderten gesellschaftlichen Wirklichkeit, die zu einer Neubewertung biblischer Texte führen müsse. Schriftstellen mit einem sexualethischen Bezug versteht er als zeitgebundene Dokumente einer vergangenen Zeit, die heute keine Gültigkeit mehr beanspruchen können. Er geht dabei so weit, einer Mutter, die von ihrem Sohn erwartet, mit Sex bis zur Ehe zu warten, eine „perverse Ethik“ zu unterstellen. Ähnlich wie die Verfasser der EKD-Orientierungshilfe stellt er normative und deskriptive Aussagen auf die gleiche Ebene und kommt zu dem Schluss, wer aus der Schrift herauslesen wolle, dass Sex vor der Ehe keine biblische Option sei, müsse sich auch für Polygamie, möglichst frühe und möglichst durch die Eltern arrangierte Ehen, Kinderreichtum und das Patriarchat aussprechen. Dass die Schrift selbst eine Bewertung der hier undifferenziert nebeneinandergestellten Texte und Modelle vornimmt, gerät ihm dabei völlig aus dem Blick. Unter dem Label „postevangelikal“ hält diese Form der Hermeneutik auch Eingang in das gemeindliche Leben freikirchlicher Strukturen…“

Marcel Locher geht noch genauer auf Zimmers Worthaus-Vortrag über christliche Sexualethik ein. Dort führt Zimmer „unterschiedliche historische Argumente an, welche die „konservative“ Sichtweise theologisch und ethisch infrage stellt. Auf diese historischen Argumente gründet Siegfried Zimmer seine Sexualethik. Armin Baum greift Zimmers historisch begründete Kritik an der „konservativen“ Sexualethik auf.[2] Baum entkräftet Zimmers Position mit überzeugenden wissenschaftlich-historischen Argumenten. Er verdeutlicht durch seine sachliche wissenschaftliche Herangehensweise, dass Zimmers Argumentation historisch nicht haltbar ist, und belegt damit, dass die daraus resultierenden sexualethischen Positionen nicht überzeugen können. Somit sind wir in dieser Fragestellung auf die ethische Norm der Schrift verwiesen und können diese nicht als kulturbedingt relativieren. Daher ist die ethische Weisung der Schrift bezüglich des Geschlechtsverkehrs vor der Ehe auch in unserer Zeit von Bedeutung.“

Olpen beschließt seinen Beitrag zum Thema Schriftverständnis und Sexualethik mit einem Fazit: „Eine biblische Hermeneutik, die den eigenen Verstehenshorizont zum Maßstab des Verstehens Gottes und der Schrift macht und die Maßstäbe einer weitgehend säkularisierten Mehrheitsgesellschaft mehr oder weniger unkritisch oder wertneutral als gesetzt ansieht, kann der Zeit, in der wir leben, nichts Wesentliches und Normschöpfendes bieten. Sie steht immer in der Gefahr, in der sie umgebenden Gesellschaft aufzugehen, statt ihr ein Gegenüber zu sein.“

Von der Wichtigkeit gründlicher theologischer Arbeit

Ganz ähnlich wie Olpen baut auch Matthias C. Wolff seine Ausführungen auf der soliden Grundlage des reformatorischen „Sola Scriptura“ und der sich selbst auslegenden Bibel auf. Er macht aber auch deutlich: Bibelstellen können nicht ohne weiteres wörtlich 1:1 auf heutige Situationen übertragen werden. Der biblische Gesamtkontext, die innerbiblische Gewichtung, die Textgattung und der historische Kontext müssen beachten werden, um klären zu können, welche konkreten ethischen Normen in unserem heutigen gesellschaftlichen Umfeld aus der Bibel abzuleiten sind: „Die Bibel ist Gottes Wort, aber sie ist nicht an uns geschrieben worden; sie ist stets Gottes Wort für uns, aber nicht immer Gottes Gebot an uns.“ Trotzdem spricht die Bibel nicht nur in ihre Zeit, denn „sie ist auch Gottes Reden für uns und vermittelt allgemeingültige Prinzipien für das Heil und das Zusammenleben der Menschen. Eine oberflächliche und meist willkürliche Eingrenzung von biblischen Anweisungen auf die damalige Zeit wird ihrem Selbstzeugnis und dem Anspruch der biblischen Theologie nicht gerecht.“

Und was lehrt die Bibel nun?

Als zeitlos gültige biblische Botschaft arbeitet Matthias Wolff zum einen heraus, dass Sexualität in der Bibel durchweg bejaht wird. „Erst durch die Begegnung mit Strömungen der griechisch-hellenistischen Philosophie und dem damit verbundenen Zug zur Verachtung des Leibes wie der irdischen Welt überhaupt fand eine Malefizierung der Sexualität über neuplatonisch geprägte Theologen (wie Augustinus) Eingang in das christliche Denken.“

Zugleich macht er klar: „An prominentester Stelle der biblischen Sexualethik steht der unbedingte Schutz der Ehe.“ Das bedeutet auch, „dass dem israelitischen Mann keine legitimen vor- oder außerehelichen Betätigungsräume offenstanden. Sex als folgenloses Privatvergnügen ohne Verantwortung und Konsequenzen ist dem Glauben des AT fremd.“ Und im Neuen Testament erfährt diese Linie sogar „eine ausdrückliche Verschärfung.“ So antwortete Paulus auf die Frage, wie denn mit sexuellem Verlangen umzugehen sei: „Wenn sie [gemeint sind Ledige oder Witwen] sich nicht enthalten können, sollen sie heiraten …“ (1Kor 7,9), und nicht etwa: „Habt Sex!“ oder Ähnliches.“ Wolff zitiert dazu Prof. Armin Baum: „Das ethische Prinzip, dass all diesen biblischen Texten gemeinsam ist, lautet: Je weniger Verbindlichkeit, desto weniger Intimität. Je mehr Verbindlichkeit, desto mehr Intimität. Und maximale Intimität verlangt maximale Verbindlichkeit.“ Das wird auch unterstrichen durch die Bedeutung des Begriffs „Unzucht“ (porneia, z.B. in Gal. 5,19) im Neuen Testament: „Es meint zum einen Prostitution, zum anderen aber auch jeglichen vor- und außerehelichen Geschlechtsverkehr, sowohl bei Verheiraten als auch bei Unverheirateten.“ Locher ergänzt: „Somit wird deutlich, dass für das Zeugnis der Schrift auch Geschlechtsverkehr vor und außerhalb der Ehe mit Unzucht bezeichnet wird.“

Rauen Gegenwind gab es schon immer!

Bemerkenswert ist, dass sich die christliche Gemeinde nicht erst ab dem 20. Jahrhundert, sondern auch schon in der Antike mit dieser Lehre in einem scharfen Gegensatz zu ihrem Umfeld befand:

„Der entschlossene Rückgriff auf die in der Schöpfungsordnung angelegte Unauflöslichkeit der Ehe brachte die junge Gemeinde in deutlichen Kontrast zu der sexuellen Verkommenheit der griechisch-römischen Gesellschaft. … Wer behauptet, früher sei alles einfacher gewesen, etwa weil jeder mit dem Eintritt der Geschlechtsreife geheiratet habe, oder in unserer Welt könne man mit solchen Werten nicht mehr ankommen, dem fehlt das Verständnis für die antike Umwelt der Urkirche, die das Evangelium und seine Ethik in scharfem Kontrast zum Zeitgeist unerschrocken und unter hohen Risiken verkündigt hat. „Die Menschen der Bibel standen vor denselben Herausforderungen wie wir.“

Erst Recht vor dem Hintergrund dieses wachsenden Gegenwinds stellt sich nun aber die Frage:

„Wie sollen wir dies denn leben?“

Marcel Locher zeigt auf, wie wichtig es ist, nicht nur „eine starre Prinzipienethik“ zu lehren, „welche blutleer die Lebensrealität übergeht“ und die „nicht selten die Tendenz zur Gesetzlichkeit hat. Es geht um eine Jüngerschaftsethik, die im Geist Christi geführt wird und nur aus dem Geist Gottes heraus gelebt werden kann.“ Wichtig ist auch, die hohe Sinnhaftigkeit von Gottes Geboten zu verdeutlichen. Dabei ist insbesondere darauf hinzuweisen, wie wichtig die biblischen Prinzipien für den Schutz von Kindern sind, schließlich „birgt Geschlechtsverkehr immer auch die Möglichkeit der Zeugung eines Kindes in sich. Wer diese Möglichkeit ausschließt, setzt die individuelle sexuelle Selbstverwirklichung über den verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Sexualität. … Schon die Aussage, dass eine Frau ungewollt schwanger geworden ist und sich nun gezwungen sieht, dass Kind abzutreiben, zeigt die dahinterstehende Tragik.“ Nur die Ehe gibt Kindern den Schutzraum, den sie brauchen, um in einem gesunden, stabilen Umfeld aufwachsen zu können.

Und wie funktioniert das in der gemeindlichen Praxis?

Dazu liefert das Buch 2 anregende Praxisbeispiele. Christian Knorr aus der Christus Gemeinde Wuppertal schreibt: „Unserer Ansicht nach kommt keine Gemeinde umhin, sich hinsichtlich biblisch-theologischer Richtlinien zum Thema „Sexualität“ zu positionieren. … Es sollte beispielsweise nicht verborgen bleiben, wenn die Gemeinde den Wert „Kein Sex vor bzw. außerhalb der Ehe“ als von der Bibel her verbindlich ansieht.“ Neben dieser Verbindlichkeit im Kern sind ihm aber offene Ränder wichtig: „Jeder Mensch soll die Möglichkeit haben, so niederschwellig wie möglich die Gemeinde kennenzulernen. So ist auch Mitarbeit in vielen Teams möglich, auch wenn jemand noch nicht gläubig ist oder die ethischen Maßstäbe der Gemeinde nicht teilt.“ Wichtig ist ihm auch: „Kein Richtlinienpapier kann für jeden Fall und für jede Lebenssituation eine klare Antwort geben. … Aus unserer Sicht wären allzu detaillierte Listen, die jeden Fall erfassen, eine Praxis gelebter Gesetzlichkeit. Ein Wert bzw. Prinzip Gottes sollte „im Herzen“ eines Christen leben und von innen nach außen gelebt werden.“ „Klar in der Sache, aber offen und wertschätzend im Umgang mit Menschen“ ist für ihn eine zentrale Handlungsdevise. Dabei ist ihm wichtig, dass „wir nur durch eine gute Beziehung und aus Liebe heraus das Recht erwerben, in das Leben von Menschen zu sprechen.“ „Beziehung kommt immer vor Erziehung.“

Auch Mark Schröder von der Elim-Gemeinde Leipzig schreibt: „Wir sind der Überzeugung, dass Gott für die Sexualität den Rahmen der Ehe gegeben hat. Sex vor der Ehe ist nicht im Sinne des Erfinders. Wer das nicht beachtet, tut sich selbst nichts Gutes. Das kommunizieren wir deutlich.“ Er ergänzt aber auch: „Wir wollen keinen mit Regeln zwingen, sondern erreichen, dass aus eigener Überzeugung gehandelt wird.“ „Unser Ziel ist nicht, dass Menschen uns etwas beweisen, sondern dass sie selbst zum reifen Handeln befähigt werden. Nur dann schafft man ein Klima, in dem auch mit Versagen ehrlich umgegangen werden kann.“ In allen Gesprächen „geht es nicht um eine Be- oder Verurteilung eines Verhaltens, sondern darum, Ermutiger zu sein, damit die Lebensführung auf den richtigen Weg kommt.“

Man kann diesem wichtigen Buch nur eine möglichst weite Verbreitung wünschen. Denn auch unter Evangelikalen ist heute leider nicht mehr klar, was in der Bibel vermittelt und in diesem Buch vielfältig erläutert und unterstrichen wird:

„Wohin mit dem Sex? – in die Ehe!“


Das Buch “Schriftverständnis und die Folgen für die Lebensführung” ist beim Forum Theologie & Gemeinde als Paperback und als E-Book erhältlich.


[1] Wolff definiert dabei den Begriff „Hermeneutik“ wie folgt: „Hermeneutik (gr. hermeneia) = Wissenschaft/Kunst der Auslegung (altgr. hermeneúein: erklären, auslegen, übersetzen). Die Hermeneutik ist die Wissenschaft der Auslegung (biblischer) Texte. Es sind die Regeln, die bei der Bibelauslegung zur Anwendung kommen. Was darf man mit biblischen Texten machen und was nicht?

[2] Armin Baum: „Vorehelicher Geschlechtsverkehr in der Antike und in der Bibel“ https://www.weisses-kreuz.de/dynamo/files/user_uploads/mediathek/Weitere/WKExtra_Zimmer_Ehe.pdf

„Ehe für alle“ – Fortschritt wohin?

Ein Diskussionsbeitrag von Gastautor Dr. Reinhard Junker
Der Artikel kann mit ausführlicheren Anmerkungen hier als PDF heruntergeladen werden.

„Ehe für alle“ – klingt gut und einladend, es wird niemand „diskriminiert“, es gelten gleiche Rechte für alle, niemandem wird etwas weggenommen. Und wenn Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen, ist das doch wertvoll und verdient Unterstützung, unabhängig davon, ob es sich um eine hetero- oder homosexuelle Beziehung handelt. Wo also  ist das Problem?

In diesem Beitrag möchte ich zunächst darlegen, was aus christlicher Sicht zur Ehe gesagt werden kann und anschließend die Argumente untersuchen, die spezifisch von kirchlicher Seite für die „Ehe für alle“ vorgebracht werden. Im zweiten Teil soll es um Argumente gehen, die unabhängig von christlicher Dogmatik und Ethik in der Diskussion über die „Ehe für alle“ (Efa) vorherrschen: Wie begründen die Befürworter die Efa und aus welchen Gründen lehnen sie ihre Gegner ab? In einem dritten Teil werden einige Konsequenzen erörtert.

1. „Ehe für alle“ aus christlicher Sicht

Beim Thema „Ehe“ fängt man aus christlicher Sicht am besten buchstäblich bei Adam und Eva an. Nach dem biblischen Schöpfungszeugnis schuf Gott den Menschen als Mann und Frau, beide zusammen zu seinem Bilde (1. Mose 1,27), unterschiedlich – nicht nur körperlich, sondern auch in ihrem Fühlen, Denken und Handeln. Das unterstreicht 1. Mose 2, wo gesagt wird, dass die Frau als „passende Entsprechung“ zu Adam geschaffen wurde. Die Frau ergänzt den Mann im Sinne einer Gleichstufigkeit und Gleichwertigkeit.[1] Auch wird die Unterschiedlichkeit von Anfang an betont, die schon vor dem Fall schöpfungsmäßig vorgegeben ist. Beide werden mit einer bipolaren Sexualität ausgestattet: „Er schuf sie männlich und weiblich.“ 1. Mose 2,18.20 bringt die Zuordnung und das Miteinander der beiden Geschlechter zum Ausdruck: Der Mann ist hilfs- und ergänzungsbedürftig; „es ist nicht gut“, dass Adam allein ist.[2] Der Mann ist unvollständig und bedarf eines passenden Gegenübers. Die wunderhafte Erschaffung Evas nicht aus Staub (wie bei Adam), sondern aus der „Seite“ (wahrscheinlich aus der Herzgegend) bringt zum Ausdruck, wie wesensverwandt beide sind. Der abschließende Jubelruf Adams in 2,23 und 2,24 bestätigt, wie großartig Gottes Idee der Ehe ist, die hier eingesetzt wird.

Die Unterschiedlichkeit von Mann und Frau ist also schöpfungsmäßig gegeben, es handelt sich um eine geschöpfliche Grundtatsache, und so ist auch die Ehe zwischen Mann und Frau von Gott als Grundordnung eingesetzt worden. Jesus bestätigt dies nach dem Zeugnis der Evangelien ausdrücklich und uneingeschränkt mit Verweis auf die Heilige Schrift (Mt 19,4-5: „Habt Ihr nicht gelesen?“) und zitiert sinngemäß aus 1. Mose 1 und wörtlich aus 1. Mose 2. Es geht in Mt 19,3ff. zwar um die Frage der Ehescheidung, aber Jesus begründet die Antwort auf die ihm gestellte Frage mit Verweis auf den Anfang und bekräftigt damit, dass die Unterschiedlichkeit von Mann und Frau geschöpfliche Realitäten sind und dass die Ehe von Gott selber am Anfang eingesetzt wurde. Entscheidend ist hier die Grundhaltung Jesu zur (damals gegebenen) Heiligen Schrift, die er als Autorität anerkennt.

Paulus geht noch weiter: Auch er zitiert 2. Mose 2,24 und nimmt die Ehe von Mann und Frau als Bild für die Beziehung zwischen Christus und der Gemeinde (bzw. Kirche). So wie Christus die Kirche geliebt und sich für die hingegeben hat, so sollen Männer ihre Frauen lieben (Eph 5, 25). Das darf den Männern durchaus zu denken geben, und Paulus wiederholt das sinngemäß in V. 29. Dieser Vergleich macht nochmals klar: So wie Christus und seine Kirche lebenslang in einer Liebes- und Treuebeziehung zusammengehören, so auch Mann und Frau in der Ehe. Wir befinden uns hier im Zentrum dessen, was die christliche Lehre und Botschaft ausmachen: Schöpfung und Erlösung (hier: die Hingabe Jesu an die Kirche, wie Paulus es formuliert).

Folgen wir der Heiligen Schrift, ist also klar: Die Ehe ist ausschließlich eine auf lebenslange Treue angelegte Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau. Der Theologe Wolfhart Pannenberg schreibt dazu: „Denn eine Kirche, die sich dazu drängen ließe, homosexuelle Betätigung nicht mehr als Abweichung von der biblischen Norm zu behandeln und homosexuelle Lebensgemeinschaften als eine Form persönlicher Liebesgemeinschaft neben der Ehe anzuerkennen, eine solche Kirche stünde nicht mehr auf dem Boden der Schrift, sondern im Gegensatz zu deren einmütigem Zeugnis. Eine Kirche, die einen solchen Schritt tut, hätte darum aufgehört, evangelische Kirche in der Nachfolge der lutherischen Reformation zu sein.“[3]

Einwände

Trotz dieses klaren biblisch-exegetischen Befundes werden von kirchlicher Seite Argumente für eine „Ehe für alle“ (Efa) angeführt, die nachfolgend genannt und bewertet werden sollen.

Zunächst fällt auf, dass auf die Schöpfungstexte meist gar nicht eingegangen wird, obwohl es für einen Christen in dieser Frage kaum eine grundsätzlichere Begründung als die geschöpfliche Wirklichkeit geben kann. Stattdessen wird auf das Liebesgebot Jesu und auf heutige Kenntnisse über Homosexualität verwiesen und der Begriff „Ehe“ wird mit neuem Inhalt gefüllt. So seien „Vertrauen, Verlässlichkeit und die Übernahme von Verantwortung in der Gestaltung menschlicher Beziehungen von zentraler Bedeutung“ und dafür biete die Ehe beste Voraussetzungen, heißt es in einer Stellungnahme der EKD, in der die Efa gutgeheißen wird. Damit werde die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau nicht geschmälert, sondern unterstrichen.[4] Matthias Hestermann vom Gesprächskreis „Offene Kirche“ der Evangelischen Landeskirche in Württemberg nimmt ebenfalls Bezug auf eine lebenslange Verantwortung, die Menschen füreinander übernehmen, daher sei eine Home-Ehe gerechtfertigt.[5] Mit solchen Argumentationen wird jedoch „Ehe“ grundlegend neu definiert – darauf soll weiter unten eigens eingegangen werden.
Weiter wird argumentiert, man müsse die Bibel von ihrer Mitte her verstehen, dazu gehöre, dass Jesus niemanden ausgrenzen wolle.[6] Die Befürworter der Efa betonen in diesem Zusammenhang, dass Jesus Christus die Liebe über das Gesetz gestellt habe[7], aus zentralen biblischen Geboten ergebe sich „der Impuls zu einer Öffnung der Kirche gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften“, so der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm.[8]

Entgegnung: Diese Argumentation ist aus zwei Gründen unhaltbar, aus einem logischen und aus einem exegetischen.

Zum einen: Weder aus dem Liebesgebot Jesu noch aus irgendwelchen anderen Worten oder Taten Jesu kann logisch etwas darüber gefolgert werden, was „Ehe“ bedeutet. Dass Jesus sich ausgegrenzten Menschen zugewendet hat, hat mit der Definition von Ehe und somit mit der Efa schlicht nichts zu tun. Diese Argumentation könnte allenfalls greifen, wenn „Ehe“ neu definiert wird (dazu siehe den 2. Teil).

Zum anderen: Man kann nicht bestimmte Jesusworte (und Taten) gegen andere (oder auch gegen die der Apostel[9]) ausspielen oder als höher- oder geringerwertig einstufen. Denn sie stammen alle aus denselben Quellen, den Evangelien (bzw. dem ganzen Neuen Testament).[10] Mit welcher Begründung wollte man Jesu Aussagen über Ehe und Ehescheidung in Mt 19,3ff. als ungültig oder zeitbedingt erklären, das Liebesgebot aber nicht? Wenn manche Jesusworte als maßgeblich akzeptiert und gegen andere ausgespielt werden, bedeutet das einen selektiven Umgang mit Jesu Worten, und man stellt sich damit über die Heilige Schrift. Dann aber kann man nicht behaupten, man berufe sich auf die Bibel. Denn unter diesen Umständen ist nicht das uns in der Heiligen Schrift gegebene Wort Gottes entscheidend, sondern das, was man selber dafür hält. „Wenn Du glaubst, was Dir am Evangelium gefällt, und zurückweist, was Dir nicht gefällt, vertraust Du nicht dem Evangelium, sondern Dir selbst“ (Aurelius Augustinus[11]). Es kommt hinzu, dass Jesus ausdrücklich das Halten der Gebote gefordert hat; Jesusliebe und das Halten der Gebote gehören zusammen: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten“ (Joh 14,15; vgl. 2. Joh 4-6). Das Gesetz ist durch das Evangelium nicht außer Kraft gesetzt, sondern erfüllt worden. Zudem ist ja auch das Liebesgebot ein Gebot. Stünde die Liebe über den Geboten, wäre auch das Liebesgebot betroffen, was zu einem Selbstwiderspruch führen würde.

Wenn von Befürwortern der Efa doch einmal auf 1. Mose 1 und 2 Bezug genommen wird, dann in einer kritischen Haltung. Diese Texte seien veraltet bzw. spiegelten ein veraltetes Verständnis von Mann und Frau wider. Auch die durchweg negative Bewertung praktizierter Homosexualität  in biblischen Texten wird auf diese Weise abgetan. Man wisse heute, dass Homosexualität wie z. B. die Haarfarbe angeboren sei, während Jesus das nicht bekannt war; Gott habe manche Menschen so geschaffen; das müsse die Theologie heute berücksichtigen.[12] Abgesehen davon, dass hier erneut moderne Einschätzungen und Meinungen über die Heilige Schrift gestellt werden[13], ist die Behauptung, Homosexualität sei angeboren (und somit auch von Gott geschaffen), unbewiesen und aufgrund vieler Studien auch unwahrscheinlich. Die Entwicklung von Homosexualität scheint vielmehr durch besondere Umstände während der Entwicklung in Kindheit und Jugendzeit begünstigt zu werden.[14] Jesus als Sohn Gottes und Schöpfungsmittler wusste natürlich über Homosexualität Bescheid (vgl. Mt 19,12). Und die Behauptung, Paulus habe in der damaligen Lebenswelt noch auf Treue angelegte homosexuelle Partnerschaften nicht im Blick haben können, ist mittlerweile widerlegt.“[15]

2. Zum Artikel 6 des deutschen Grundgesetzes

Wir wenden uns nun den Aussagen des deutschen Grundgesetzes zu Ehe und Familie zu und fragen, ob die Efa damit vereinbar ist, welche Begründungen für eine Vereinbarkeit vorgetragen werden und wie diese zu bewerten sind.

Im Grundgesetz widmet sich Artikel 6 dem Thema Ehe und Familie. Absatz 1 und 2  formulieren:
„(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“ Hier ist nicht nur von der Ehe die Rede, sondern – unterscheidend davon – auch von Familie; im Weiteren dann – in unmittelbarem Zusammenhang – von der Erziehung der Kinder. Es ist also im Kontext völlig klar, dass mit Ehe nur eine Verbindung von Mann und Frau gemeint ist, auch wenn das nicht ausdrücklich gesagt wird. Die Väter des Grundgesetzes hatten natürlich an nichts anderes gedacht, es war zu selbstverständlich, als dass das extra hätte gesagt werden müssen.[16] Da im unmittelbaren Zusammenhang von Kindern die Rede ist, die nun einmal nur aus einer Verbindung von Mann und Frau hervorgehen können, ist jeder Zweifel über die grundgesetzmäßige Bedeutung von „Ehe“ ausgeschlossen. Das wird noch dadurch unterstrichen, dass damals öffentlich praktizierte Homosexualität unter Strafe gestellt war. Weiter bestätigt wird das durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts (BVG) aus den Jahren 2002 und 2012, in denen expressis verbis zum Ausdruck gebracht wird, dass eine Ehe zwischen einem Mann und einer Frau geschlossen wird.[17]

Wenn also andere Beziehungen anders behandelt werden als die Ehe von Mann und Frau, ist das eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Es wird zurecht ein Unterschied gemacht; genauer: Der Unterschied ist bereits in der Sache vorhanden. Gleiches wird gleich und Unterschiedliches unterschiedlich gehandhabt. Jeder Mensch hat genau einen Vater und eine Mutter, daher ist die Ehe von Mann und Frau etwas Exklusives und entsprechende Ungleichbehandlung („Diskriminierungen“) sind angebracht. Es gibt in der Gesellschaft unzählige sachlich begründete „Diskriminierungen“ im Sinne von Ungleichbehandlungen, ohne dass jemals ein Problem darin gesehen würde.[18]

Fazit: Um Abbau von „Diskriminierung“ und „Gleichstellung“ kann es bei der Efa gar nicht gehen. Denn die Ehe von Mann und Frau ist in relevanten Punkten etwas substantiell anderes als andere Beziehungen. Die Frage ist vielmehr, ob ein Unterschied für eine unterschiedliche Behandlung relevant ist oder ob in den relevanten Punkten überhaupt Gleichheit gegeben ist, die eine Gleichstellung begründet. Letzteres ist bei der Ehe eben nicht der Fall – für einen Christen in erster Linie aus biblischen Gründen. Doch auch wenn Gottes Wort nicht als maßgeblich anerkannt wird, gibt es Grund genug, einen Unterschied zu machen: Nur aus der Verbindung von Mann und Frau kann potentiell Nachwuchs hervorgehen. Nur diese Verbindung kann potentiell zum Erhalt des Gemeinwesens der kommenden Generationen beitragen. Hier kann man nichts „gleichstellen“ und eine Ungleichbehandlung ist sachlich gerechtfertigt.

Begründung für Efa

Trotz der klaren Aussagen des Artikels 6 des Grundgesetzes (GG) und der Urteile des BVG aus den Jahren 2002 und 2012 behaupten die meisten Befürworter der Efa, diese sei mit dem GG vereinbar. Im Wesentlichen werden dafür zwei Begründungen genannt: 1. Es gebe in der Gesellschaft einen Wandel des Eheverständnisses, 2. Es sei ein Abbau von Diskriminierung gefordert.

Zu 1.: Bezüglich der „Ehe für alle“ wird argumentiert, dass Artikel 6, Absatz 1 des Grundgesetzes heute anders gelesen werden müsse, nämlich „im Lichte des 21. Jahrhunderts“, während er früher sehr wörtlich verstanden worden sei.[19] Es ist die Rede von einem „Verfassungswandel“; beim Ehebegriff des Grundgesetzes stehe nach heutigem Verständnis der Gedanke im Vordergrund, dass Menschen einander beistünden und Verantwortung füreinander übernähmen.[20] Der Ehebegriff habe sich so sehr gewandelt, dass man heute etwas signifikant anderes darunter verstehen müsse als früher. Er könne an die jeweiligen zeitlichen Vorstellungen angepasst werden, da der Grundgesetzgeber den Begriff der Ehe nicht definiert habe.[21] 
Damit ist also nicht mehr wesentlich, dass ein Mann und eine Frau eine Treuebeziehung eingehen, und es ist nicht mehr wesentlich, dass nur aus einer solchen Beziehung potentiell (!) Nachwuchs hervorgehen kann. Was eine Ehe ist, ergibt sich nicht mehr als der natürlichen (bzw. geschöpflichen) sich ergänzenden Verschiedenartigkeit der Geschlechter. Stattdessen soll „dauerhafte Verantwortung“ das Kriterium sein (derzeit zwischen zwei Personen).
Ein zentraler Begriff des menschlichen Miteinanders erhält somit eine völlig neue, weitreichend veränderte Bedeutung. „Ehe für alle“ geht also nur durch eine grundlegende Umdefinierung von Ehe und auch nur durch Missachtung der unbestreitbaren natürlichen leiblichen und geistig-seelischen Unterschiede von Mann und Frau.

Einwände: Wenn der Ehebegriff wirklich so grundlegend wandelbar wäre, hätte das Grundgesetz (GG) an dieser Stelle seine Funktion als Korrektiv verloren. „Grundrechte haben eine leitende und schützende Funktion für jeden einzelnen Bürger und für die Gesellschaft.“[22] Der einzige Sinn einer Verfassung ist gerade der Schutz vor dem Zeitgeist, und es geht immer darum, wie die Gesetze ursprünglich gemeint waren. Sonst bräuchten wir keine Verfassung und man könnte sonst fast Beliebiges in die Verfassung hineinlesen oder aus ihr herausstreichen, womit sie faktisch unwirksam gemacht würde. Es steht einem Parlament und überhaupt niemandem zu, den Ehebegriff umzudefinieren.[23] Wie bereits erläutert war es für die Väter des Grundgesetzes nicht erforderlich, „Ehe“ zu definieren; der Begriff „Ehe“ ist vorstaatlich und kann vom Gesetzgeber gar nicht definiert werden, genauso wenig wie z.B. „Menschenwürde“.[24] Wer darauf verweist, dass das GG „Ehe“ nicht definiert habe und daraus den Schluss zieht, eine Ehe könne auch unter gleichgeschlechtlichen Partnern vollzogen werden, sollte bedenken, dass das GG auch nicht definiert, dass eine Ehe zwischen nur zwei Personen geschlossen wird.[25] Darauf kommen wir weiter unten zurück.

Vor diesem Hintergrund kommentiert Matthias von Gersdorff die Umdefinierung der Ehe treffend: „Wer so denkt, braucht gar keine Verfassung. Für ihn ist die Kultur oder besser gesagt, der Zeitgeist, die absolute Richtschnur für politisches und gesellschaftliches Leben. … Recht wird in dieser Welt von demjenigen definiert, der die Deutungshoheit über die Kultur besitzt. Kultureller Einfluss ersetzt geradezu das Recht. Wer gesellschaftlichen Einfluss besitzt, der definiert auch, was Recht ist. Er definiert also, was die Ehe ist, was Eigentum ist, was ‚Recht auf Leben‘ ist etc.“[26]
Der Journalist Jürgen Liminski weist darauf hin, dass bis auf spezielle Ausnahmen bei allen 5000 Gesellschaften, „die wir seit dem ersten Geschichtsschreiber Herodot kennen“, das „konjugale Prinzip“ vorherrschend war, das heißt die Verbindung von Mann und Frau. Dies sei der „Kern der Gesellschaft, aus ihr entsteht die Generationenfolge, in ihr wurzelt die Identität der Familienmitglieder … Ausnahmen entstanden meistens aus Not. … Es ist nicht das Recht, das Gleichgeschlechtlichen gemeinsame Kinder verbietet, sondern die Natur.“[27]

Befürworter der Efa weisen darauf hin, dass sich die Ehe auch früher gewandelt habe, etwa dass z. B.  konfessionsverschiedene Ehen oder Ehen zwischen Bürgerlichen und Adligen ein Tabu gewesen seien[28] oder dass Vernunftehen früher gegenüber Liebesheiraten vorherrschten; doch das alles betrifft nicht die Bedeutung dessen, was eine Ehe ist.[29] Der Wandel in der Praktizierung von Ehen kann keine Begründung für eine Neudefinition von Ehe sein.

Wenn „dauerhafte Verantwortung“ das Kriterium für eine „Ehe“ ist, ist zu erwarten, dass weitere Änderungen folgen werden und sie werden auch schon reichlich gefordert.[30] Warum soll das nur für zwei Menschen gelten? Wenn Ehe aber alles Mögliche sein kann, ist der Ehebegriff faktisch aufgelöst.

Die Folgen sind darüber hinaus von grundsätzlicher Art: Eine klar verständliche Bedeutung der Sätze des Artikels 6 wäre verloren gegangen, wenn einfach zu verstehende Sätze und Begriffe scheinbar nach Belieben umgedeutet werden können. Somit wird Sprache geradezu absurd. Wenn der Wortsinn nicht mehr gilt, ist klare Kommunikation nicht mehr möglich.

Zu 2.:Als Begründung für die Efa wird häufig auch auf den Gleichheitsgrundsatz und der Abbau von Diskriminierungen verwiesen. So hieß es in einem der Gesetzesentwürfe zur Efa: „Gleichgeschlechtlichen Paaren ist bis heute die Ehe verwehrt, was eine konkrete und symbolische Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität darstellt.”[31] Im Juni 2015 kam von den Landesregierungen Niedersachsens und Thüringens eine Bundesratsinitiative, in der es heißt: „Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die verfassungswidrige Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften zu beenden.“[32]  

Dieses Argument ist falsch, denn es wird niemand diskriminiert, weil er ein Mann oder sie eine Frau ist oder wegen der sexuellen Orientierung. Sondern es wird ein Unterschied zwischen der „klassischen“ Ehe und anderen Beziehungen gemacht – wie oben dargelegt aus gutem Grund.

3. Konsequenzen der „Ehe für alle“

Es wird oft gesagt, die Efa nehme niemandem etwas weg; das war auch in der kurzen Debatte im Bundestag am 30. 6. 2017 zu hören, nach der 393 Parlamentarier für die Efa stimmten. Auf den zweiten Blick kommen aber Zweifel auf.

Efa bedeutet auch Kinder für alle, da damit auch das Adoptionsrecht gegeben ist. Manchen Kindern werden dadurch die wahren Eltern bzw. das Aufwachsen mit Vater und Mutter vorenthalten;[33]die Kinder werden aber irgendwann nach ihren wahren Eltern fragen. Welche Folgen wird das haben? Außerdem ist zu bedenken: „Heranwachsende werden im Prozess der Identifikation mit ihrem biologischen Geschlecht verunsichert, wenn ihnen vorgespiegelt wird, daß Menschen gleichen Geschlechtes ‚heiraten‘. Die Ausbildung stabiler mit sich selbst identischer Persönlichkeiten wird behindert.“[34] 
Frauen werden als Leihmütter benötigt und verlieren ihre Würde als Mütter.
Wie dargelegt wird klare Sprache vernebelt und das Rechtsverständnis verliert an Glaubwürdigkeit, wenn Begriffe umdefiniert werden.[35]

„Ehe für alle“ – nur ein Anfang?

Wie oben erläutert geht Efa nur durch eine Neudefinition von Ehe, was mit einem Wandel des Eheverständnisses in der Gesellschaft begründet wird und damit, dass das GG „Ehe“ nicht definiere. Beide (wie gezeigt unhaltbaren) Begründungen begünstigen weitere Veränderungen: Auch Beziehungen zwischen mehr als zwei Personen und alle auf Dauer angelegten Verantwortungsgemeinschaften fallen unter das neue Kriterium und wären dann vom GG ebenfalls nicht ausgeschlossen, wenn wirklich nicht klar wäre, was das GG mit „Ehe“ meint.[36] Die faktisch der Efa zugrunde gelegte Neudefinition von „Ehe“ ermöglicht keine Abgrenzung und keine Privilegierung der Ehe im ursprünglichen Sinne des Artikels 6 GG. Wenn es wirklich um „Ehe für alle“ geht, kann man die Institution „Ehe“ gleich ganz abschaffen.[37]

Es muss in diesem Zusammenhang zu denken geben, dass gerade diejenigen, die bisher abfällig über die Ehe geredet und jahrelang die Ehe als Auslaufmodell diffamiert haben, sie jetzt für alle haben wollen.[38] Ist es also überhaupt glaubwürdig, dass es den Befürwortern der Efa wirklich um die „Ehe“ geht – oder ist die Efa nur ein Schritt zu ihrer Abschaffung?

Kirchenrat Hans Lachenmann analysiert m.E. treffend, wenn er feststellt: „Bei der Offensive der Schwulen- und Lesbenbewegung geht es nur vordergründig um die Gleichberechtigung der Homosexuellen und gegen deren ‚Diskriminierung‘ durch die Gesellschaft. Es geht um die Frage, welches Menschenbild unsere Kultur prägen soll: Das jüdisch-christliche Menschenbild von 1. Mose 1,27f oder das Menschenbild, das die Polarität der Geschlechter (Die Doppelikone ‚Adam und Eva‘ als Ebenbild Gottes) einebnet in einen ‚Monoïkismus‘[39] (G.-F. Dumont), von dem nach der Gleichsetzung von Ehe und ‚Homo-Ehe‘ auch noch weitere ‚Lebensformen‘ ableitbar sind.“[40]

Die Efa muss im größeren Zusammenhang des Gender Mainstreaming angesehen werden. Nach den Vorstellungen der „Gender“-Lehre ist die Zweigeschlechtlichkeit keine natürliche (oder geschöpfliche) Gegebenheit, sondern ein gesellschaftliches Konstrukt, das es zu überwinden gelte zugunsten einer sexuellen Vielfalt – zugunsten einer vom Menschen selbst konstruierten Welt. Markus Till schreibt dazu auf seinem Blog zurecht: „Dieser Wandel wird nach meiner festen Überzeugung schwerwiegende Folgen für unsere Gesellschaft nach sich ziehen, denn die immer lauter werdende Ermutigung zum ‚Anything goes‘ bringt am Ende eben weniger und nicht mehr verbindliche Partnerschaften und damit auch weniger Schutzräume für das gesunde Aufwachsen von Kindern hervor.“[41]

Zur Konstruktion einer eigenen Wirklichkeit anstelle der Akzeptanz des geschöpflich Gegebenen gehört auch eine entsprechende Sprache und in diesem Zusammenhang muss die oben angesprochene Umdefinition des Begriffs „Ehe“ gesehen werden. So werden an sich klare Texte dekonstruiert und „ihre“ Bedeutung (nach den eigenen Vorstellungen) neu konstruiert. Diese Zusammenhänge können hier nur angedeutet werden. Aus christlicher Sicht sind solche Entwicklungen Symptome eines Aufstandes gegen die geschöpfliche Wirklichkeit und Schöpfungsordnung Gottes.

Mit der „Ehe für alle“ werden fundamentale Grenzen durchbrochen – Grenzen, die durch die Schöpfung vorgegeben sind (oder für den Nicht-Schöpfungsgläubigen: durch die Natur gegeben). „Ehe für alle“ steht für einen grundlegenden Paradigmenwechsel: Nicht die vorgegebene Schöpfung bildet den Rahmen für das Leben, sondern es wird eine Wirklichkeit nach eigenem Gutdünken selbst konstruiert. Auf Dauer kann es aber nicht gut gehen, wenn man die geschöpflichen Vorgaben auflöst. Die Nichtakzeptanz der geschöpflichen Wirklichkeit und deren Ersetzung durch eigene, letztlich realitätsferne Konstrukte bedeutet nichts anderes als eine Art Vergewaltigung der Wirklichkeit, mit bösen Folgen.[42] Das Verbleiben an den geschöpflichen Vorgaben bzw. eine Umkehr zu diesen ist daher das Gebot der Stunde.

Hinweis: In der PDF-Version sind viele Zitate, die hier aus Platzgründen nur in Kurzform oder paraphrasiert wiedergegeben wurden, komplett enthalten.

[1] Das ist gegenüber den außerbiblischen Schöpfungstexten einzigartig und liegt in der Ebenbildlichkeit des Menschen begründet. Auf das Verhältnis von Mann und Frau aus biblischer Sicht wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen.

[2] Nach dem wiederholten „Es war (sehr) gut“ in 1. Mose, sticht das „es ist nicht gut …“ umso deutlicher heraus.

[3] Beiträge zur Ethik, Göttingen, S. 102.

[4] EKD 28. 6. 2017: https://www.ekd.de/Stellungnahme-des-Rates-der-EKD-zur-Debatte-um-die-Ehe-fuer-alle-24373.htm.

[5] http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.streit-um-segnung-homosexueller-paare-zeitgeist-darf-nicht-der-massstab-sein.39f8c2e6-2166-4b51-a35a-38fce8a305d7.html

[6]  Vgl. z. B.: http://www.idea.de/frei-kirchen/detail/sollte-sich-die-kirche-an-einer-homosexuellen-parade-beteiligen-101831.html

[7] http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.wildberg-ehe-fuer-alle-geraet-zum-hauptthema.17b725df-9ca2-4baf-88ef-d79c6baa81a3.html

[8] http://www.idea.de/frei-kirchen/detail/kritik-an-bedford-strohm-weil-er-die-ehe-fuer-homosexuelle-befuerwortet-90949.html

[10] Die damit zusammenhängenden bibelwissenschaftlichen Fragen sollen hier nicht aufgeworfen werden. Im Zusammenhang mit der Efa wird darauf nach meinen Beobachtungen nicht Bezug genommen.

[11] zitiert unter https://theoblog.de/das-ganze-evangelium/5021/.

[12] http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.streit-um-segnung-homosexueller-paare-zeitgeist-darf-nicht-der-massstab-sein.39f8c2e6-2166-4b51-a35a-38fce8a305d7.html

[13] Das müsste schlüssig begründet werden und darf nicht einfach nur behauptet werden. Oder soll „veraltet“ heißen, dass heute eben gilt, was „modern“ ist?

[14] Zwillings- und Geschwisterstudien sprechen deutlich gegen die „Veranlagung“-These. Die Behauptung, Homosexualität sei Sache der Vererbung oder Anlage ist daher aus sachlichen Gründen zurückzuweisen. Außerdem: Auch wenn Dispositionen angeboren sein mögen, kann es moralisch verwerflich sein, den Neigungen nachzugeben. Paulus mahnt: „Alle, die zu Christus Jesus gehören, haben das Fleisch und damit ihre Leidenschaften und Begierden gekreuzigt“ (Gal. 5,24).

[15] http://www.mariowahnschaffe.de/blog/einzelpredigten/prof-dr-siegfried-zimmer-und-die-schwule-frage

[16] Begriffe mit einer klaren Bedeutung müssen nicht definiert werden genauso wenig man z. B. „Mensch“ oder „Menschenwürde“ definieren muss.

[17] BVG 17. 7. 2002: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2002/07/fs20020717_1bvf000101.html,

BVG 19. 6. 2012: http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2012/bvg12-059.html

[18] Zwei Beispiele von vielen: Nur wer die Hochschulreife hat, darf studieren; nur wer den Führerschein erworben hat, darf einen PKW fahren usw.

[19] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ehe-fuer-alle-thomas-heilmann-erklaert-seine-position-a-1154998.html

[20] http://www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/ehe-fuer-alle-gastbeitrag-ehe-fuer-alle-15092764.html?printPagedArticle=true#pageIndex2

Weitere Belege siehe PDF-Version.

[21] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/ehe-fuer-alle-ist-ohne-grundgesetzaenderung-moeglich-15092930.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

[22] „Ehe für alle – eine Gewissensfrage?“ Eine Stellungnahme der Deutschen Evangelischen Allianz,http://www.ead.de/nachrichten/nachrichten/einzelansicht/article/ehe-fuer-alle-eine-gewissensfrage.html

[23] Vgl.  http://www.gemeindenetzwerk.de/?p=14851

[24] Ein Leser macht in einer Zuschrift an die FAZ klar, warum die Möglichkeit eine Umdefinierung zur Beliebigkeit des Ehebegriffs würde: „Das hieße für Art. 6 GG: ‚Ehe und Familie, wie auch immer sie im Zuge der Weiterentwicklung der gesellschaftlichen Gegebenheiten verstanden werden, stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.‘ Daraus geht unmittelbar die Absurdität der Auffassung hervor, denn wie kann etwas besonders geschützt werden, was gar nicht definiert ist?“ (Andres Lang, Birkenau, Leserbrief am 13. 7. 17)

[25] Das Grundgesetz hat nur wenige Begriffe definiert aus dem einfachen Grund, dass die Bedeutung von Begriffen lexikalisch fixiert ist, im Hinblick auf die damals üblichen Verwendungen und Referenzen der Begriffe.

[26] http://mathias-von-gersdorff.blogspot.de/2017/07/heiko-maas-und-die-homo-ehe-ersetzt-der.html

[27] http://www.deutschlandfunk.de/metzner-vs-liminski-ist-die-gleichstellung-von.2927.de.html?dram:article_id=391174, http://www.i-daf.org/aktuelles/aktuelles-einzelansicht/archiv/2017/07/01/artikel/selbstmord-der-zivilisation.html

[28] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ehe-fuer-alle-thomas-heilmann-erklaert-seine-position-a-1154998.html, http://www.deutschlandfunk.de/metzner-vs-liminski-ist-die-gleichstellung-von.2927.de.html?dram:article_id=391174

[29] Die im Text https://www.welt.de/debatte/kommentare/article166332757/Das-Herz-des-Grundgesetzes-ist-gross-genug-fuer-alle.html von Bundesjustizminister Heiko Maas gezogenen Vergleiche gehen an der Sache völlig vorbei.

[30] Zahlreiche Belege dazu sind in der PDF-Version zusammengestellt. Selbst innerhalb der Kirche gibt es bereits Bestrebungen zur Anerkennung von Polyamorie: http://www.deutschlandfunkkultur.de/mehr-als-die-monogame-ehe.1278.de.html?dram:article_id=260748

[31] http://www.deutschlandfunk.de/ehe-fuer-alle-abstimmung-wohl-am-freitag.2852.de.html?dram:article_id=389737

[32] http://www.faz.net/aktuell/politik/bundeslaender-mit-rot-gruen-koalition-wollen-homo-ehe-13625827.html

[33] Die Tatsache, dass viele Kinder mit nur einem Elternteil aufwachsen, ändert daran nichts; niemand wird schließlich behaupten wollen, dass es keinen Unterschied ausmacht, ob beide Eltern oder nur ein Elternteil für die Kinder da sind.

„Nicht Erwachsene haben ein Recht auf ein Kind, auch Heteropaare nicht, sondern Kinder ein Recht auf Mama und Papa. …  Dem Recht auf Adoption folgt dann automatisch das Recht auf künstliche Befruchtung“ (Birgit Kelle, https://www.welt.de/debatte/kommentare/article166078234/Wir-erleben-gerade-die-Vernichtung-der-Ehe.html)

[34] Stellungnahme Gemeindenetzwerk unter http://www.gemeindenetzwerk.de/?p=14851; vgl. https://philosophia-perennis.com/2017/06/30/regenbogenfamilien-der-mensch-ist-kein-spielzeug/). Zur Frage, ob Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufwachsen, keinerlei Benachteiligung haben, siehe https://www.mercatornet.com/features/view/hijacking-science-how-the-no-differences-consensus-about-same-sex-families/18900 und http://www.dijg.de/homosexualitaet/adoptionsrecht/gleichgeschlechtliche-elternschaft/

[35] Vgl. die Einschätzung des ehem. Bundesverfassungsrichters Hans Hugo Klein unter http://cicero.de/innenpolitik/ehe-fuer-alle-aus-meiner-sicht-ein-verfassungsbruch).

[36] Es würde auch nichts nützen, die Ehe ausdrücklich als Verbindung genau zweier Menschen zu definieren, denn das könnte später geändert werden – mit derselben Begründung wie für die Efa: gesellschaftlicher Wandel, Verfassungswandel.

[37] http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kommentar-zur-ehe-fuer-alle-die-ehe-wird-abgeschafft-15079952.html

[38] http://www.sueddeutsche.de/politik/ehe-fuer-alle-hauptsache-liebe-1.3567789, http://cicero.de/innenpolitik/ehe-fuer-alle-weshalb-ueberhaupt-heiraten

[39] Monoikismus ist eine extreme bzw. extremistische Auffassung von Gleichheit.

[40] http://www.cbb-baden.de/pdf/doks%20gegenwind.pdf

[41] M. Till, Offener Brief an H. Bedford-Strohm, 31. 5. 17, https://blog.aigg.de/?p=1136

[42] „… Joseph D. Unwin (1895 – 1936), hat allerdings in einer umfangreichen Untersuchung über ‚Sex and Culture‘ an 80 unzivilisierten und 8 Hochkulturen über 5000 Jahre herausgefunden, dass alle Hochkulturen streng monogam begannen und eine Generation nach dem Zerfall der Familienstrukturen untergingen. Die ‚Ehe für alle‘ könnte diesen Prozess beschleunigen und dem großen Kulturhistoriker Arnold Toynbee recht geben, der sagte: ‚Zivilisationen gehen nicht zugrunde, sie begehen Selbstmord‘“ (JürgenLiminski, http://www.i-daf.org/aktuelles/aktuelles-einzelansicht/archiv/2017/07/01/artikel/selbstmord-der-zivilisation.html).

„Trauung für alle“ in der Ev. Landeskirche Württemberg?

Die Landessynode der Evangelischen Landeskirche Württemberg wird in ihrer Herbsttagung vom 27.-30. November 2017 eine weitreichende Entscheidung treffen: Der Oberkirchenrat möchte der Synode vorschlagen, zukünftig die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in öffentlichen Gottesdiensten zu ermöglichen. Das Thema ist keine Kernfrage des Evangeliums. Es ist zudem komplex und aufwühlend, weil die Geschichte des Umgangs mit homosexuell empfindenden Menschen auch unter Christen teils so dunkel und schuldbeladen ist, dass man nur weinen und um Vergebung bitten kann.

Aber es geht bei diesem Thema eben auch um das Schriftverständnis und somit um die Gesamtausrichtung der Kirche. Und es geht um die Frage, welche Zukunft konservative Christen in der evangelischen Kirche haben. Die badische Landeskirche, die (so wie viele andere Landeskirchen auch) die Segnung oder Trauung gleichgeschlechtlicher Paare bereits eingeführt hat, hat jüngst klargestellt: Konservative Pfarrer müssen damit rechnen, eines Tages ihren Gewissensschutz und damit möglicherweise ihren Job zu verlieren, wenn sie sich solchen Segnungen verweigern. Für Dekane gilt das schon jetzt. Junge konservative Christen müssen daher schon jetzt gut überlegen, ob sie überhaupt noch ein Pfarramt in der badischen Landeskirche anstreben können.

Die Ermöglichung öffentlicher Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare wird den öffentlichen Druck bei diesem Thema auf die lokalen Gemeindeleitungen verlagern. Der Konflikt, der bislang nur an der Kirchenspitze tobt, wird damit vielfach multipliziert. Realistisch und nüchtern gesehen müssen wir damit rechnen, dass damit viele Gemeinden in kraftraubende Konflikte stürzen werden, manche werden sich gar spalten. Noch mehr engagierte konservative Mitarbeiter (die vielerorts die tragenden Säulen lebendiger Gemeindearbeit sind) werden aus der Kirche austreten. Warum meines Erachtens auch die Glaubwürdigkeit der Kirche insgesamt leiden und die Kirche weiter schrumpfen wird, habe ich in einem offenen Brief an Landesbischof Dr. Frank Otfried July erläutert.

Da es also um so enorm viel geht befasst sich der AiGG-Blog in diesem und im nächsten Artikel noch einmal mit diesem Thema. Zunächst möchte ich den AiGG-Blog-Lesern die jüngste Veröffentlichung des Albrecht-Bengel-Hauses Tübingen ans Herz legen. Rektor Dr. Clemens  Hägele hat in einer Sonderausgabe der Zeitschrift THEOLOGISCHE ORIENTIERUNG (TO) die Frage „TRAUUNG FÜR ALLE in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg?“ behandelt. Sehr sorgfältig beantwortet er darin 22 Fragen, die den Gegnern einer Segnung oder Trauung gleichgeschlechtlicher Paare oft gestellt werden. Die Schrift ist mit herausgegeben von Dekan Ralf Albrecht, dem Vorsitzenden der Christusbewegung Lebendige Gemeinde Württemberg, und von Pfarrer Steffen Kern, dem Vorsitzenden der Apis (Evangelischer Gemeinschaftsverband Württemberg) und der Vereinigung Gnadau Württemberg. Ich wünsche diesem aus meiner Sicht sehr gelungenen Text größtmögliche Verbreitung. 

Im folgenden Artikel wird Gastautor Dr. Reinhard Junker die Hintergründe und Konsequenzen der sog. “Ehe für alle” beleuchten.

Siehe auch: 

5 Argumente gegen die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare

Heute habe ich meinem Landesbischof einen Brief geschrieben. Meine evangelische Landeskirche in Württemberg steht vor einer äußerst wichtigen Weichenstellung: Im Herbst wird die Synode entscheiden, ob sie – so wie die meisten anderen Landeskirchen – die Segnung oder gar die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare ermöglichen wird oder nicht. Ich habe die Kirchenleitung dringend gebeten, die geltenden Regelungen zum Umgang mit gleichgeschlechtlichen Paaren NICHT zu ändern. Bevor Du meine Argumente dazu liest eine Anregung: Wie wäre es, wenn Du ebenfalls einen Brief an den Landesbischof (Adresse siehe hier) und/oder an einen Dir bekannten Synodalen schreibst? Du kannst gerne meine Argumente übernehmen oder – noch besser – Deine eigenen Gedanken formulieren. Als Kirchengemeinderat habe ich sehr pragmatisch argumentiert, ich hoffe, dass Andere noch viel stärker theologisch argumentieren werden. Wichtig ist: Immer respektvoll und freundlich bleiben. Und am besten ein inniges Gebet hinterherschicken. Lasst uns auf jeden Fall gemeinsam aktiv werden! Denn diese Entscheidung wird für meine Landeskirche dramatische Konsequenzen nach sich ziehen. Davon bin ich fest überzeugt aus folgenden Gründen:

1. Die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ist für viele aktive Gemeindeglieder
nicht mit der Bibel und ihrem Gewissen vor Gott vereinbar

Es ist unstrittig, dass sämtliche biblische Passagen zum Thema Homosexualität negativ konnotiert sind. Die verschiedenen Ansätze, gleichgeschlechtliche Partnerschaften trotzdem mit dem biblischen Zeugnis vereinbar zu machen, sind umstritten. Insbesondere wurde die Behauptung, Paulus habe in der damaligen Lebenswelt noch gar keine auf Treue angelegte homosexuelle Partnerschaften im Blick haben können, mittlerweile klar widerlegt.1 Fakt ist: Eine Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften wurde in der Vergangenheit quer durch die Jahrhunderte von allen Kirchen durchgängig abgelehnt. Auch heute noch stellt diese Position in der weltweiten Kirche Jesu eine Minderheitenmeinung dar. Im pietistisch geprägten Württemberg ist gerade unter den aktiven ehrenamtlichen Mitarbeitern der Anteil derer besonders hoch, die diesen exegetischen Sonderweg nicht mit ihrem Gewissen vor Gott vereinbaren können und ihn als Bruch mit dem reformatorischen Grundsatz des „Sola Scriptura“ und mit den Bekenntnissen der Kirche empfinden werden. Das wird das fruchtbare Miteinander von Kirchenleitung und ehrenamtlicher Mitarbeiterschaft zum Nachteil Aller spürbar belasten. Wir müssen damit rechnen, dass es auch unter engagierten Mitarbeitern zu Kirchenaustritten kommt und Gemeinden spürbar geschwächt werden.

2. Die Ermöglichung von Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare verlagert den
öffentlichen Druck auf die lokalen Gemeindeleitungen

Bislang sind die lokalen Gemeindeleitungen vor dem öffentlichen Druck auf Segnung bzw. Trauung gleichgeschlechtlicher Paare durch das gültige Kirchenrecht geschützt. Wenn die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ermöglicht wird, wird dieser Druck, der seit der politischen Durchsetzung der sog. „Ehe für alle“ noch einmal größer geworden ist, von der Kirchenspitze auf die lokalen Gemeindeleitungen verlagert, möglicherweise mit massiven Auswirkungen bis ins Privatleben von Ehrenamtlichen hinein. Es ist davon auszugehen, dass dies das gedeihliche Wirken vieler engagierter Leiter stark belasten wird und dass Manche auch aufgeben werden, weil sie sich dem Druck und dem Gewissenskonflikt auf Dauer nicht aussetzen wollen oder können.

3. Die Ermöglichung von Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare verlagert den
Konflikt auf die lokale Ebene und multipliziert ihn dadurch

Das gültige Kirchenrecht verhindert bislang, dass der Konflikt in örtlichen Gemeinden ausgetragen wird. Dadurch werden viele Reibungsverluste vermieden. Wenn die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ermöglicht wird, kann der Konflikt prinzipiell in jeder einzelnen Kirchengemeinde ausbrechen und das gemeindliche Leben massiv belasten oder gar ersticken. Immer wieder ist nachzulesen, dass lokale Konflikte zu diesem Thema auch in die überregionale Presse getragen werden. Dadurch wird nicht nur die Einheit einzelner Gemeinden sondern auch das Ansehen der ganzen Landeskirche und damit auch ihre missionarische Ausstrahlung aufs Spiel gesetzt.

4. Die Ermöglichung von Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare unterminiert
die Glaubwürdigkeit der Kirche

Kirche hat keine Autorität aus sich selbst heraus sondern nur als Botschafter von Gottes zeitlosem Wort und Gebot. Sie kann nur deshalb Trost und Antworten für die grundlegenden Ewigkeitsfragen der Menschen geben, weil sie aus einer göttlichen Erkenntnisquelle schöpft, die außerhalb ihrer selbst liegt. Die Menschen haben ein feines Gespür dafür, ob Kirche aus der Autorität einer zeitlosen Wahrheit heraus handelt oder ob sie den Menschen nach dem Mund redet. Die breite öffentliche Kritik an der EKD-Orientierungshilfe zu Ehe und Familie oder am Ablegen des Kreuzes auf dem Tempelberg bis tief in säkular/bürgerliche Milieus hinein belegt das. Die Ermöglichung der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare mag kurzfristig Beifall bei einem Teil der Bevölkerung und der Medien bringen. Gleichzeitig jedoch höhlen solche Meinungsänderungen die Autorität und Glaubwürdigkeit der Kirche aus. Es führt dazu, dass die Stimme der Kirche zeitgeistabhängig und beliebig wirkt und sich selbst marginalisiert im vielfältigen Meinungskonzert einer offenen Gesellschaft. Da ist es kein Wunder, dass laut dem Religionssoziologen Detlef Pollack von der Universität Münster der Hauptgrund für den Kirchenaustritt mittlerweile schlicht darin liegt, dass den Menschen die Kirche ganz einfach egal ist.2

5. Ein theologisch liberaler Kurs lässt weltweit Kirchen schrumpfen

Eine neue kanadische Studie3 hat gezeigt, dass eine konservative Theologie gepaart mit innovativen Gottesdienstformen eine deutlich messbare positive Auswirkung auf das Gemeindewachstum hat. Detlef Pollack hat festgestellt, dass es der evangelischen Kirche dort am besten geht, wo sie „evangelikal oder sogar fundamentalistisch“ ist.2 Tatsächlich bestätigt sich dieser Trend weltweit: Die Kirchen schrumpfen im liberal geprägten Westen, aber sie wachsen in anderen Teilen der Welt, wo sie zuallermeist fest zum biblischen Wortlaut stehen. Auch die württembergische Landeskirche wird massiven Schaden nehmen, wenn sie noch stärker auf den Kurs der schrumpfenden liberalen Kirchen einschwenkt.

Auch mir ist wichtig, dass wir gemeinsam darüber nachdenken, wie wir homosexuell empfindenden Menschen noch liebe- und respektvoller begegnen können. Aber weil ich meine Kirche liebe hoffe und bete ich, dass sie an der Gültigkeit des biblischen Zeugnisses festhält, auch wenn es einmal – wie in diesem Fall – dem Zeitgeist widerspricht. Ohne das Fundament des “sola sriptura” hat Kirche keine Zukunft.

1: Zusammengefasst unter anderem im Artikel „Prof. Dr. Siegfried Zimmer und die Schwule Frage” von Mario Wahnschaffe 05 / 2015
2: Katholisches Online Magazin Kirche + Leben Netz 06 / 2017
3: Theology Matters: Comparing the Traits of Growing and Declining Mainline Protestant Church Attendees and Clergy, Rev Relig Res (2016), zusammengefasst in idea 22.11.2017

Siehe auch:

Homosexuell und bibeltreu

Ein Redebeitrag des homosexuell empfindenden Pfarrers Sam Allberry in der Synode der Kirche Englands schlägt große Wellen. Das Video mit seinem bewegenden Plädoyer für die biblische Ehe und gegen das Mobbing von Menschen wie ihm wurde bereits mehr als 200.000 mal angeklickt. Der nachfolgende Text ist eine deutsche Übersetzung seiner 3-minütigen Ansprache vor dem anglikanischen Kirchenparlament im Februar 2017:

„Schon mein ganzes Leben lang fühle ich mich zum gleichen Geschlecht hingezogen. Das bedeutet, ich fühle mich in einer sexuellen, romantischen und tiefen emotionalen Weise von Menschen des gleichen Geschlechts angezogen. Ich habe mich entschieden, mich selbst so zu beschreiben, weil Sexualität für mich keine Frage der Identität ist – und das ist eine gute Nachricht! Ob ich mich als menschliches Wesen wertvoll und erfüllt fühle hängt nicht davon ab, ob ich romantische oder sexuelle Erfüllung finde – und das ist befreiend! Die vollständigste und erfüllteste Person, die jemals gelebt hat, war Jesus Christus. Er hat nie geheiratet. Er hatte nie eine romantische Beziehung und niemals Sex. Wenn wir sagen, diese Dinge wären essentiell für menschliches Leben, dann sprechen wir unserem Erlöser die Menschlichkeit ab.

Ich habe buchstäblich hunderte von Christen getroffen, die in meiner Situation sind. Ich kenne tausende mehr, die sich vom gleichen Geschlecht angezogen fühlen und fröhlich das traditionelle Verständnis von Ehe zwischen einem Mann und einer Frau als dem einzigen gottgemäßen Rahmen für Sex befürworten. Dass Du nicht öfter von uns hörst liegt daran, dass es sehr hart ist, aufzustehen und in dieser Art und Weise über uns zu sprechen. Als jemand, der über gleichgeschlechtliche Anziehung spricht, muss ich sagen, dass meine Kirche kein sicherer Ort für mich ist. Mit „Kirche“ meine ich nicht meine Gemeinde sondern diese Synode. Das liegt nicht an dem, was in der Verlautbarung steht* sondern was seither geschehen ist. Ich wurde in der Schule dafür gemobbt, schwul zu sein. Jetzt fühle ich mich in der Synode gemobbt dafür, dass ich mich vom gleichen Geschlecht angezogen fühle und der Lehre Jesu über Ehe treu bin.

Ich bin dankbar, dass die Verlautbarung* die traditionelle Lehre über die Ehe bestätigt. Ich bin besorgt, dass wir uns schon jetzt darauf vorbereiten, dies pastoral zu unterlaufen. Deshalb ist meine Frage an die Bischöfe nicht: Werdet ihr diese Lehre bewahren? Meine Frage ist: Glaubt ihr wirklich daran? Ist es eine gute Nachricht für die Welt? Viele von uns haben herausgefunden, dass diese Lehre Leben spendet, so wie es die Botschaft und die Lehre Jesu immer tut. Danke.”

*: Sam Allberry erklärt den Hintergrund der Verlautbarung, die der Debatte zugrunde lag, wie folgt: „Das Treffen im Februar hatte viele Themen auf der Agenda, aber es war die Debatte über gleichgeschlechtliche Beziehungen, die am meisten Aufmerksamkeit erhielt. Zuvor hatte die Versammlung der Bischöfe eine Verlautbarung vorgelegt, in dem zum Thema Homosexualität Stellung genommen wurde. Sie machten darin klar, dass es keinen Anlass gab, die historische Definition von Ehe als eine Gemeinschaft von 1 Mann und 1 Frau zu ändern, dass es aber möglich sei, pastorale Beratung anderer Formen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften anzubieten, damit auch mögliche neue liturgische Segensformen. Normalerweise diskutiert und debattiert die Synode über eine solche Verlautbarung, um sie dann offiziell „zur Kenntnis“ zu nehmen, was bedeutet dass die Verlautbarung und ihr Inhalt bestätigt wird.  Jedoch bei dieser speziellen Verlautbarung gab es so außergewöhnlich starken Widerspruch, dass die Synode am Ende beschloss, die Verlautbarung nicht einmal zur Kenntnis zu nehmen.“

In einem äußerst lesenswerten Interview erläutert Sam Allberry seinen Standpunkt im Nachgang noch genauer. Daraus hier einige wichtige Zitate:

“Das christliche Verständnis der Ehe ist äußerst wichtig. Jesus selbst lehrte, dass die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau geschlossen wird (Matthäus 19, 3-6) und dass jede sexuelle Aktivität außerhalb dieses Rahmens Sünde ist (Matthäus 15, 19). Christen können sich mit Teilen dieser Lehre schwer tun, aber wenn wir aufrichtig sein wollen müssen wir Jesus auf jeden Fall darin folgen. Der größere biblische Kontext zeigt uns, dass die Einheit zwischen Mann und Frau in der Ehe in Wahrheit ein Bild ist für die Einheit zwischen Himmel und Erde in Christus (Epheser 5, 32). Die Ehe soll das Evangelium verdeutlichen. Sie umzudefinieren wird das Evangelium verdunkeln, das sie darstellen sollte.”

“Einige wundern sich, wie es möglich ist, ein Christ zu sein und so zu empfinden. Meine Antwort ist, dass jeglicher unangemessene Wunsch eine Form von Versuchung ist, die bekämpft werden muss. … Versuchung ist keine Sünde. Die Bibel hat nie versprochen, dass wir von Versuchung vollständig verschont werden in diesem Leben, nur dass Gott uns die Kraft geben wird, gut damit umzugehen.”

“Die wichtigste – und oft übersehene – Tatsache ist, dass das Evangelium uns alle gleich behandelt. Wir sind alle Gefallene im sexuellen Bereich, egal ob wir uns vom gleichen oder vom anderen Geschlecht angezogen fühlen. Wir sind alle in der gleichen Situation und brauchen alle Vergebung und Wiederherstellung, die nur in Christus gefunden werden kann. Jüngerschaft beinhaltet für uns alle die gleichen Kosten: Sich selbst verleugnen und das Kreuz auf sich nehmen. Ich vermute, dass Christen, die es scheuen, ihren schwulen Freunden die Kosten des Evangeliums zuzumuten, niemals angefangen haben, die Kosten der Jüngerschaft in ihrem eigenen Leben zu zählen.”

“Wir müssen den säkularen Narrativen antworten mit einer christlichen Botschaft, und das versuche ich zu tun. Die Welt muss hören, dass homoerotisch empfindende Christen wie ich die Erfahrung der Güte Gottes bei diesem Thema miteinander teilen. Die Kultur muss wissen, dass es einen anderen Maßstab gibt, um menschliches Glück zu messen. Ein anderes, besseres Lebensmuster ist verfügbar. Gottes Wort über dieses Thema ist nicht nur wahr; es ist wirklich gut. Und die Zukunft ist großartig.”

Siehe auch:

5 Thesen zu Partnerschaft und Sexualität

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Für gar nicht so wenige Christen ist dieses Thema einer der größten Beweise dafür, dass die Bibel Gottes Wort ist. Warum? Weil die Aussagen der Bibel dazu heutzutage so oft lächerlich gemacht und als mittelalterlich abgetan werden. Doch ein Blick in unsere Gesellschaft reicht, um zu sehen, dass die sogenannte sexuelle Befreiung keinesfalls zu mehr Entfaltung und Glück geführt hat. Andererseits erleben Christen, die es wagen, diese alten, verlachten Aussagen der Bibel ernst zu nehmen, dass die Prinzipien Gottes wirklich “funktionieren” und absolut beglückend sind.

Christen müssen sich nicht schämen für das, was die Bibel zu diesen Themen sagt. Im Gegenteil: Sie haben allen Grund, damit zu prahlen. Denn es ist definitiv das Beste, was es zu diesem Thema zu sagen gibt. In jedem Fall weit besser als das, was BRAVO, Beate Uhse, RTLII oder Hollywood darüber vermittelt. Und es gibt einen einfachen Grund, warum das so ist:

Sexualität ist von Gott!

Es ist leider etwas Eigenartiges passiert: In unserer Gesellschaft hat sich die Meinung breitgemacht, dass freier Sex etwas tolles sei und die Christen gegen Sex seien. Etwa so: Der Teufel ist für Sex und Gott ist dagegen. Der Teufel gönnt es uns und Gott ist der ewige Miesmacher.

Leider haben die Christen viel zu diesem völlig falschen Bild beigetragen. Lange Zeit galt Sex unter Christen als Tabuthema, etwas Peinliches, etwas Unsauberes, etwas, über das man nicht spricht. Man hatte das Bild, dass die wirklich Heiligen sich vom Sex enthalten. Aber ist Gott wirklich gegen Sex? Die Wahrheit ist genau das Gegenteil:

Gott ist für Sex und der Teufel dagegen. Gott hat den Sex erfunden! Als Gott Mann und Frau schuf und sie zum ersten Mal zusammen kamen sagte er: SEHR GUT!!! Wenn ein Paar in den Flitterwochen zum 1. Mal zusammenkommt, sagt er: WUNDERVOLL!! Es hat wieder einmal funktioniert. Und Gott ist begeistert. Gott möchte, dass wir Spaß, Freude und Erfüllung finden in der Sexualität.

Sprüche 5, 18-19: “Deine Quelle sei gesegnet, erfreue dich an der Frau deiner Jugend! Die liebliche Hirschkuh und anmutige Gemse – ihre Brüste sollen dich berauschen jederzeit, in ihrer Liebe sollst du taumeln immerdar!”

Gott hat die Sexualität geschaffen. Es war seine Idee! Deshalb weiß er auch am besten, wie sie funktioniert. Deshalb hat er uns Regeln gegeben dafür, wie wir Sexualität leben können, so dass sie uns beglückt und nicht kaputt macht.

Es ist der Teufel, der Sex hasst und ihn deshalb pervertiert und kaputt macht. Und mit dem Sex macht er die Menschen kaputt, die Familien, die Beziehungen, die Kinder.

Sex kann etwas wunderschönes, erfüllendes, verbindendes sein. Er kann aber auch frustrierend, abstoßend, ekelerregend, entwürdigend und zerstörerisch sein, wenn er vom Teufel pervertiert wird.

Umfragen zeigen immer wieder, dass die Menschen in unserer Gesellschaft trotz der Sexüberflutung nur wenig echte erfüllende Sexualität erleben. Der Grund ist naheliegend: Die Menschen haben die Gebrauchsanleitung Gottes verworfen. Denn nur der, der die Sexualität erfunden hat  weiß, wie sie wirklich funktioniert! Deshalb müssen wir diese Gebrauchsanleitung wieder ernst nehmen. Das Nachdenken über die folgenden 5 Thesen soll dabei helfen:

5 Thesen zum Thema Partnerschaft und Sexualität:

  1. Ich glaube, dass es gut ist, einige Freundschaften gehabt zu haben, bevor man sich endgültig bindet.
  2. Ich glaube, dass es für manche Menschen Liebe auf den ersten Blick gibt.
  3. Ich glaube, es ist nicht schwer, wahre Liebe von einer Schwärmerei zu unterscheiden.
  4. Bevor jemand gar keinen Partner findet, ist es O.K., auch einen Nichtchristen zu heiraten.
  5. Geschlechtsverkehr vor der Ehe ist unbedenklich, solange das Paar eine echte Beziehung verbindet.

These 1: Ich glaube, dass es gut ist, einige Freundschaften gehabt zu haben, bevor man sich endgültig bindet.

Diese Meinung wird heute überall vertreten. Jede Partnerschaft, die wieder zerbricht, soll eine gute Vorbereitung auf die Ehe sein. Wenn man den Medien und dem Zeitgeist glaubt, sieht der normale Weg in die Ehe etwa so aus (wenn man überhaupt noch die Ehe anstrebt):

Partnerschaftsentwicklung heutzutage

Nach mehreren Freundschaften, in denen ich mit dem Partner alles mache, was ich auch mit einem Ehepartner machen würde (man will ja nicht die “Katze im Sack” kaufen!), finde ich den/die Richtige(n) und heirate. Vielleicht habe ich Glück und es geht gut. Ansonsten lasse ich mich eben scheiden und fange das „Spiel“ wieder von vorne an. Ist das wirklich gut so?? Eine Gegenthese:

Jede Partnerschaft, die zerbricht, zerstört ein Stück unserer Fähigkeit, zu vertrauen und uns zu öffnen.

Eine Partnerschaft einzugehen bedeutet: Sich öffnen, Vertrauen investieren, sich verletzbar machen, etwas von sich verschenken, sich binden, sich an jemand hängen. Wenn diese Bindung zerbricht, zerbricht wirklich etwas in uns, nämlich unsere Fähigkeit, uns wieder zu öffnen, wieder zu vertrauen, sich wieder verletzbar zu machen. Wir werden schon mit der Angst in die Partnerschaft gehen: Ob er/sie mich wieder enttäuscht? Und aus Angst vor einem erneuten Bruch öffnen wir uns schon ein Stück weniger, sind schon etwas vorsichtiger, kühler, distanzierter. Je öfter das passiert, um so beziehungsunfähiger werden wir.

Genau hier liegt der Grund dafür, warum die Beziehungen in unserer Gesellschaft immer oberflächlicher werden und die Fähigkeit zu dauerhafter Partnerschaft immer mehr zurückgeht.

Die Folgen sind weit beunruhigender als Umweltverschmutzung oder eine drohende Wirtschafts­krise: Die Partnerschaften werden immer unbeständiger, Familien gehen in die Brüche, Kinder wachsen ohne Orientierung auf und tragen von klein auf psychische Schäden mit sich herum in ihrer Identität und Beziehungsfähigkeit. Wenn diese Generation dann Familien gründet wird es ihnen noch schwerer fallen, stabile Partnerschaften und Familien zu bauen. Wir sind jetzt schon dabei, die Früchte zu ernten dessen, was wir durch die Abkehr von Gottes guten Geboten gesät haben.

Die Bibel macht uns daher einen anderen Vorschlag, wie ein guter Weg in die Ehe aussieht. Die Bibel kennt nur 3 Phasen: Alleine sein, verlobt sein und verheiratet sein. Was wir nirgends finden in der Bibel ist Freundschaft (im Sinne von sexuell angereicherter Partnerschaft ohne feste Bindung) und Scheidung. Das biblische Ideal sieht daher in etwa so aus (wobei das Leben natürlich immer komplizierter ist!!!):

Partnerschaftsentwicklung biblisch

Der entscheidende Unterschied zum ersten Modell ist, dass bereits die Freundschaft eine lebenslange Perspektive hat. In dem Moment, wo ich eine Bindung eingehe, dann muss die Perspektive ein „hoffentlich für immer“ sein.

Das bedeutet konkret: Gehe eine Bindung zu einer Person nur dann ein, wenn Du die Entscheidung getroffen hast: Mit dieser Person könnte ich mir vorstellen, mein ganzes Leben zu verbringen!!! Denn wenn Du einem Menschen sagst, dass Du vermutlich nur eine Zeit lang mit ihm/ihr zusammen bleiben willst dann zerstört das die Sicherheit und das Vertrauen, bedingungslos geliebt zu werden.

Solange Du diese Person noch nicht getroffen hast, genieße die Freiheit. Und dann prüfe genau, bevor Du eine Partnerschaft eingehst.

These 2:    Ich glaube, dass es für manche Menschen Liebe auf den ersten Blick gibt.

Das hört sich gut an, wenn man es zum ersten Mal hört. Jeder, der Titanic gesehen hat, ist fest überzeugt von dieser These. Das Problem dieser These ist, dass man den Unterschied zwischen Liebe und Verliebtsein nicht verstanden hat:

Verliebtsein ist ein Gefühl. Wie alle Gefühle ist es äußerst unbeständig, wechselhaft, abhängig von den Hormonen, vom Wetter, von der Jahreszeitlove-150277_1280 und anderen äußeren Einflüssen. Es kann besonders ausgelöst werden vom Duft oder besonderen Aussehens- oder Verhaltensmerkmalen der anderen Person wie Frisur, Figur, der Humor oder die Muskeln einer Person.

Das Problem am Verliebtsein ist: Es ist nicht auf Dauer da. So wie die Umstände sich ändern, die Hormone nicht mehr so fließen, die Jahreszeit wechselt, der Duft, die Frisur und auch die Figur sich ändern kann, so wird auch dieses Gefühl des Verliebtseins verschwinden.

Wenn dieses Gefühl die Basis einer Partnerschaft ist, dann ist sie zum Scheitern verurteilt.

Als Europäer kennen wir das Konzept der Liebesheirat und halten es für das einzig wahre und sind entsetzt, dass in anderen Ländern der Ehepartner von den Eltern ausgesucht wird. Und natürlich ist Liebesheirat auch wirklich absolut klasse. Das Problem an der Liebesheirat, wie wir sie verstehen ist nur, dass wir Liebe mit Verliebtsein verwechseln. Wenn dieses Gefühl dann verschwindet sagen wir: Wir lieben uns nicht mehr. Wir sollten uns trennen. Und ab geht’s zum nächsten Lebensabschnittspartner….

Mit dieser Haltung ist es leider unmöglich, dauerhafte, tiefe vertrauensvolle Partnerschaften und Familien aufzubauen, die auch für Kinder ein gesundes Zuhause sein können. Diese Partnerschaften brauchen ein anderes Fundament, nämlich echte Liebe.

Liebe beruht auf einer Willensentscheidung, sich fest zu binden, dem anderen zu dienen, ihn zu beschenken, treu zu sein, sich für den anderen hinzugeben und aufzuopfern, ihn zu schätzen, zu ehren, zu fördern und ihm zu vergeben.

Aus dieser Entscheidung heraus wächst eine tiefe Vertrautheit, eine innige Partnerschaft, die viel tiefer ist als ein flattriges Gefühl und viel beständiger als zittrige Knie.

Aber echte Liebe ist eine Sache, die Zeit braucht, in die man viel investieren muss. Liebe kommt nicht von jetzt auf nachher. Sie ist die Frucht einer festen Entscheidung, von viel Beziehungsarbeit, Vergebung und Hingabe. Diese Liebe ist das schönste, was man sich vorstellen kann. Hier ist ein Mensch, dem ich rückhaltlos vertrauen kann, der zu mir steht, egal was passiert, ob ich krank werde, einen Unfall habe, ob ich meine Schönheit oder Intelligenz verliere oder mein Geld. Ich habe eine Zuflucht und ein Zuhause bei diesem Menschen, meinem Freund und Partner, meinem Geliebten und Gefährten. Diese Liebe ist es, die ein Leben lang hält und trägt.couple-157612_1280

Verliebtsein ist etwas Großartiges, etwas von Gott gewolltes, aber kein Fundament für eine lebenslange Partnerschaft. Für echte Liebe brauchst Du eine feste Entscheidung für einen Menschen, der zu Dir passt und mit dem Du ein echtes Team bilden kannst.

Ob Du so einen Menschen gefunden hast, sieht man nicht auf den ersten Blick. Um das herausfinden zu können, braucht man Zeit, die man sich unbedingt lassen sollte, bevor man die zweitwichtigste Entscheidung im Leben trifft und die über den ganzen restlichen Lebensweg entscheidet!

These 3:    Ich glaube, es ist nicht schwer, wahre Liebe von einer Schwärmerei zu unterscheiden.

Doch es ist schwer! Es gibt das alte Sprichwort: Liebe macht blind. Dieses Sprichwort ist falsch. Liebe macht nicht blind, ganz im Gegenteil: Nichts befähigt mehr, einen Menschen wirklich kennen zu lernen als Liebe. Aber Verliebtsein macht sehr wohl blind! Die Hormone und das Kribbeln im Magen können uns im wahrsten Sinne des Wortes um den Verstand bringen. Das ist ja nichts Schlechtes, wenn wir am richtigen Partner dran sind. Aber es ist schon gefährlich, wenn sich unsere Gefühle auf die falsche Person eingeschossen haben…

Wir sollten Verliebtsein nicht fürchten oder meiden, im Gegenteil. Verliebtsein ist etwas Wundervolles, das Gott sich ausgedacht hat. Aber wir sollten so realistisch sein, um zu wissen, dass uns diese Gefühle auch auf Irrwege schicken können.

Und wenn wir das wissen, dann werden wir uns vornehmen, uns bei der zweitwichtigsten Entscheidung im Leben nicht nur von solchen Gefühlen steuern zu lassen. Diese Entscheidung braucht ein besseres Fundament. Wie sieht dieses Fundament aus?

Ein gutes Fundament für die Entscheidung für einen Partner hat 3 Elemente:

  1. Eine nüchterne Prüfung: Überlege doch mal gründlich, ob dieser Mensch zu Dir passt. Natürlich ist es nicht nötig, dass die Neigungen, die Zukunftsvorstellungen, die Vorlieben 100%ig übereinstimmen. Aber es macht Sinn, sich die Unterschiede zumindest einmal klar zu machen und dann eine bewusste Entscheidung zu treffen.
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  2. Der Rat von anderen Menschen: Wenn mein eigener Verstand schon ausgeschaltet ist, dann brauche ich wenigstens den Verstand der Anderen, selbst wenn ich ihn eigentlich fürchte, weil ich Angst habe, sie könnten mir einen Rat entgegen meiner Gefühle geben. Aber wer diesen Rat meidet, begibt sich in die Gefahr, sich sein Leben im Überschwang der Gefühle durch die Entscheidung für einen falschen Partner kaputt machen zu lassen.
  1. Die Sicherheit, dass Gott ja sagt zu dieser Partnerschaft – wie auch immer Du diese Sicherheit findest: Es kann ein Friede in Deinem Herz und Deinem Gewissen sein oder aber die Bestätigung durch Mitchristen. Vorsicht: Christliche Zeichendeuterei hat schon die unmöglichsten Blüten getrieben. Zeichen von Gott können nur Bestätigungen sein, niemals ein Fundament für eine Partnerschaft.

Warum ist dieses Fundament so wichtig? Weil es uns tragen wird in schweren Zeiten! Denn in vielen Partnerschaften kommt der Zeitpunkt, wo der Teufel kommt und uns einredet: Diese Entscheidung war ein Fehler. Hättest Du nur diese oder diesen nicht geheiratet. Was antwortest Du dann? Jede Bestätigung von Geschwistern oder Gott ist wertvoll für diese Zeit. Sie wird Dich tragen und Dir helfen, treu zu sein, wenn Deine Gefühle am liebsten ausbrechen würden aus dieser Partnerschaft.

Deshalb ist es so wichtig, Dir und Deinen Gefühlen erst mal ein wenig zu misstrauen und die Entscheidung für eine(n) Partner(in) gründlich zu prüfen und auch den Rat von Anderen zu suchen. Wichtig ist dabei aber auch: Am Ende entscheidest Du, nicht andere Menschen! Lass Dich nicht fremdbestimmen. Denn Du trägst ja auch die Folgen Deiner Entscheidung.

These 4:    Bevor jemand gar keinen Partner findet, ist es O.K., auch einen Nichtchristen zu heiraten.

Auch diese These wird oft vertreten. Was ist schon dabei, wenn er/sie nett ist und liebevoll? Warum nicht? Vielleicht bekehrt sich die Person ja noch…

Es gibt einige gute Gründe, lieber auf einen christlichen Partner zu warten als auf eine spätere Bekehrung zu hoffen. Der erste ist: Es keine gute Basis für eine Partnerschaft, wenn ich den Anderen nicht so annehme wie er ist, sondern von vornherein hoffe, ihn umdrehen und bekehren zu können. Was würdest Du denken, wenn Dein Partner so über Dich denken würde?

Der 2. Grund ist die Bibel:

2. Korinther 6, 14: “Geht nicht unter fremdartigem Joch mit Ungläubigen! Denn welche Verbindung haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? Oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis?”

Das Bild vom Joch ist ein gutes Bild für die Ehe: Gemeinsam werden die Ochsen unter das Joch gespannt, damit sie mit vereinten Kräften ziehen können. Sie sind wie zusammengekettet. Es ist unsere Wahl, mit wem wir unter dieses Joch wollen. Aber wenn wir einmal darunter sind, ist es nicht mehr unsere Wahl, ob wir dort bleiben wollen oder nicht. Deshalb diese Ermahnung: Geht nicht unter fremdartigem Joch mit Ungläubigen! Warum spricht hier die Bibel so deutlich?

Die Bibel nennt 3 Bereiche, die uns als Person ausmachen: Leib, Seele und Geist. Das Geheimnis einer tiefen, erfüllenden Partnerschaft liegt in der Einheit in allen 3 Lebensbereichen, im Leib, in der Seele, aber eben auch im Geist:

Geist Seele Leib

Gott wünscht sich für uns, dass unser Partner unser Liebhaber (Leib), unser bester Freund (Seele) und unser wichtigster Bruder/Schwester (Geist) sein kann. Dann können wir in allem eins sein. Dann können wir gemeinsame Ziele haben und entwickeln. Dann werden wir uns eins sein im Setzen unserer Prioritäten. Dann werden wir uns verstanden fühlen können in allen Lebensbereichen. Wir werden gleiche Werte und Normen haben, auch in der Kindererziehung. Eine solche Partnerschaft wird mit Menschen, die Jesus nicht kennen, nur eingeschränkt funktionieren, weil die Einheit im geistlichen Bereich unmöglich ist.

Am Anfang einer Partnerschaft fällt uns das nicht so auf, weil man noch sehr auf den körperlichen Bereich fixiert ist. Aber später, wenn die erste körperliche Faszination nachlässt, dann zeigt sich das wahre Fundament einer Ehe. Dann ist es so wichtig, dass wir diese Einheit haben in allen Bereichen.

Irgendwie neigen wir zu der Ansicht: Besser einen schlechten Partner als gar keinen Partner. Aber Vorsicht: Ehe kann etwas Wundervolles, Erfüllendes und Beglückendes sein. Sie kann aber auch eine zutiefst frustrierende Angelegenheit sein, die sich wie ein Gefängnis anfühlt, wenn wir nicht den richtigen Partner haben.

Es kann deshalb sehr wohl besser sein, Single zu sein als mit dem falschen Partner zusammen zu leben. Vielleicht sagen jetzt manche Singles zu Ehepaaren: Du hast gut reden als Verheirateter. Aber Tatsache ist: Ehe ist manchmal harte und schwere Arbeit und alles andere als romantisch. Wehe dem, der diese Arbeit tun muss mit dem falschen Partner, wo alle Arbeit und Bemühung nicht zum Ziel der Einheit und des Glücks führt.

These 5:    Geschlechtsverkehr vor der Ehe ist unbedenklich, solange das Paar eine echte Beziehung verbindet.

Immer wieder hört man auch unter Christen die Ansicht, es würde nichts davon in der Bibel stehen, dass man mit dem Geschlechtsverkehr bis zur Ehe warten soll. Aber in 5.Mose 22,13-21 kann man z.B. nachlesen: In Israel war es absolut selbstverständlich, dass der erste Geschlechtsverkehr in der Hochzeitsnacht stattfindet. Auch im neuen Testament finden sich dazu Bibelstellen:

1. Korinther 7, 8-9: “Ich sage aber den Unverheirateten und den Witwen: es ist gut für sie, wenn sie bleiben wie ich. Wenn sie sich aber nicht enthalten können, so sollen sie heiraten, denn es ist besser, zu heiraten als vor Verlangen zu brennen.”

1.Korinther 7, 36: “Wenn aber jemand denkt, er handle ungeziemend mit seiner Jungfrau, wenn er in der Vollkraft steht, und es muss so geschehen, so tue er, was er will; er sündigt nicht; sie sollen heiraten.”

Paulus nennt 2 Alternativen: Entweder Enthaltsamkeit oder Heirat. Offensichtlich war auch für ihn Geschlechtsverkehr ohne Heirat überhaupt kein Thema.

Aber wenn Gott solche Anweisungen gibt, dann muss das Gründe haben. Es geht ihm ja nicht um spaßverderbende Verbote. Aber was sind Gottes gute Gründe für diese Regel?

  • Die Bibel sagt uns, dass beim Geschlechtsverkehr mehr passiert als nur ein körperlicher Akt. Sie sagt „Die 2 werden 1 Fleisch sein.“ In der Verlobungszeit wollen wir ja noch prüfen und uns eine Hintertür offenlassen. Wenn wir vor der Hochzeit miteinander schlafen und uns schon vorher vereinigen, berauben wir uns dieser Verlobungs- und Prüfungszeit, denn wir schaffen schon vorher endgültige Fakten.
  • Wer mit dem Geschlechtsverkehr bis zur Hochzeit wartet, erlebt diese als den Beginn eines völlig neuen Lebensabschnitts. Mit der festen Entscheidung für den Partner wird gleichzeitig das wunderbare Erlebnis der körperlichen Vereinigung verbunden. Die gefühlsmäßige Bindung an den Partner bekommt ein festeres Fundament. Wer die körperliche Vereinigung dagegen der äußeren Vereinigung vorzieht raubt der Hochzeit diesen Wert und macht sie zu einer reinen Festivität. Die Hochzeit, die uns eigentlich ein Leben lang an die zweitbeste Entscheidung unseres Lebens erinnern sollte, hat einen wichtigen Teil ihres Glanzes verloren.couple-1299677_1280
  • Entscheidend für tiefe, erfüllende Sexualität ist die absolute Gewissheit der Treue und ungeteilten Liebe des Partners, um sich ihm völlig hingeben zu können. Die Rahmenbedingungen für erfüllenden Geschlechtsverkehr sind deshalb nur in der Ehe (also nach dem endgültigen Versprechen) wirklich gegeben.
  • Etwas, auf das man warten muss, steigt im Wert. Wenn man es sich aber sofort nimmt und nicht warten kann, verliert es seinen Reiz (wie beim vorher ausgepackten Weihnachtsgeschenk!)
  • Eine Partnerschaft aufzubauen, ist viel Arbeit. Es braucht viel Zeit zum Reden, sich kennenlernen, Konfliktpunkte erkennen und daran arbeiten. Wer sich zu früh auf das Körperliche konzentriert vernachlässigt die wichtige Beziehungsarbeit.
  • Eine Schwangerschaft ist erst im geschützten Raum der Ehe möglich!

Wer sich vorgenommen hat, erst in der Hochzeitsnacht mit seinem Partner zu schlafen tut gut daran, sich für die Zeit davor ein paar Regeln für das Miteinander zu geben, z.B.:

  • Wir gehen nicht zu zweit in den Urlaub.
  • Wir übernachten nicht zu zweit miteinander im gleichen Raum.
  • Wir entkleiden uns nicht komplett voreinander.
  • Wir streicheln uns an bestimmten Stellen nicht bzw. nicht unter der Kleidung.

Warten ist manchmal schwer und in der heutigen Zeit geradezu verpönt. Aber die Belohnung ist einfach riesig und die Mühe allemal wert! Und im Warten zeigen wir dem Anderen: Du bist es mir wert, die Spannung auszuhalten bis zu dem Tag, an dem wir uns vor Gott und der Welt versprechen, für immer zusammen zu bleiben. Es gibt kein größeres Treueversprechen, keine größere Liebesbekundung und somit auch kein besseres Fundament für eine lebenslange Liebe!

Es gibt immer einen Neuanfang!

Vielleicht geht es manchen nicht gut bei diesen Gedanken. Vielleicht tragen wir Verletzungen mit uns herum. Vielleicht fühlt sich mancher betrogen und beraubt, weil Dinge schiefgelaufen sind oder Du hast Dich von Gefühlen fortreißen lassen zu Dingen, die Du jetzt bereust.

Aber es gibt eine gute Nachricht: Es gibt immer einen Neuanfang bei Jesus. Was auch immer passiert ist, wir können es am Kreuz bereinigen und von vorne anfangen. Deshalb kann selbst eine Prostituierte, wenn sie umkehrt, im weißen Kleid heiraten, weil Jesus sie ganz neu anfangen lässt und ihr auch die körperliche Unschuld zurückgibt. Wenn Dinge schiefgegangen sind: Bereinige es, bring es ans Licht, lass Dir Vergebung und den Neuanfang zusprechen.

Und dann geh wieder von Herzen den Weg Gottes und lass Dich nicht davon abbringen! Achte darauf, was Du Dir anschaust, halte Dein Gewissen und Deine Seele rein und vermeide Pornographie!

Dann werden wir als Nachfolger Jesu einen Unterschied machen und ein Zeugnis sein für eine Gesellschaft, die sich eigentlich nach Familienglück sehnt aber immer mehr verlernt, wie wir dieses Glück finden können. Und vor allem werden wir glücklich werden, weil sich Gottes gute Gebote heilsam auswirken für alle, die sich daran halten.

Siehe auch:

Die EKD und die Homo-Ehe

Ein offener Brief an Heinrich Bedford-Strohm

Sehr geehrter Herr Bedford-Strohm,

Sie begründen Ihr Votum für die Homo-Ehe mit der Aussage, dass die Bibel zur “Überwindung von Diskriminierung jeder Art” ermutige. Damit tragen Sie leider mit dazu bei, dass jedes auch noch so seriöse Argument gegen die Homo-Ehe als “Diskriminierung” abgestempelt wird. So wird der notwendige Dialog leider verhindert, nicht gefördert.

Ihre Argumentation ist zudem äußerst fragwürdig: Es gibt viele Varianten, in denen Menschen verbindlich zusammen leben und sich lieben können, nicht nur die Verbindung zweier Partner. So hat Eske Wollrad von den evangelischen Frauen ja bereits gefordert, sich genauso für polyamore Beziehungen zu öffnen. Wenn die Definition von Ehe = 1 Mann und 1 Frau aufgelöst wird und nur noch Liebe und Verbindlichkeit die Kriterien sind, gibt es keinen Grund, nicht auch noch weitere vielfältige Formen des Zusammenlebens als Ehe zu bezeichnen.

Ganz abgesehen davon, dass das theologisch äußerst fragwürdig ist: Die Väter und Mütter des Grundgesetzes hatten gute Gründe, gerade die Verbindung von 1 Mann und 1 Frau besonders zu schützen, denn diese Verbindung ist nun einmal in unvergleichlicher Weise die Keimzelle einer Gesellschaft und der optimale Schutzraum für das Gebären und das Aufwachsen von Kindern. Durch den Art. 6 des Grundgesetzes wird niemand diskriminiert oder abgewertet. Mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft haben gleichgeschlechtlich Liebende auch jetzt schon die Möglichkeit, ihrem Willen zu einer lebenslang verbindlichen Partnerschaft eine rechtlich verbindliche Gestalt zu geben. Die Rechtsfolgen sind – abgesehen von der Adoption, die ja auch Sie (noch?) in Frage stellen – auch schon jetzt den Rechtsfolgen der Ehe zum größten Teil nachgebildet.

Aber wenn Sie die gleichgeschlechtliche Partnerschaft als “Ehe” bezeichnen helfen Sie mit, dass das Leitbild der Ehe zwischen Mann und Frau durch das Leitbild der sexuellen Vielfalt ersetzt wird. Dieser Wandel wird nach meiner festen Überzeugung schwerwiegende Folgen für unsere Gesellschaft nach sich ziehen, denn die immer lauter werdende Ermutigung zum “Anything goes” bringt am Ende eben weniger und nicht mehr verbindliche Partnerschaften und damit auch weniger Schutzräume für das gesunde Aufwachsen von Kindern hervor.

Viele engagierte Kirchenmitglieder, die sich – so wie Volker Kauder – gegen die Homo-Ehe aussprechen, sehen sich gerade jetzt einem enormen medialen Trommelfeuer ausgesetzt (in den Tagesthemen wurden Gegner der Homoehe z.B. jüngst als “intolerante Ewiggestrige” bezeichnet). Das gilt noch mehr für unsere Geschwister in der katholischen Kirche. Ihr einseitiges Votum fügt deshalb der Ökumene genau wie dem innerkirchlichen Miteinander Schaden zu.

Als Ratsvorsitzender wäre es deshalb das Mindeste gewesen, sich auch vor diese Kirchenmitglieder zu stellen, indem Sie klar stellen, dass ein Votum gegen die Homo-Ehe zunächst einmal mit Diskriminierung und Intoleranz NICHTS zu tun hat und indem Sie um Verständnis und Respekt für die vielen Christen werben, denen zwar Liebe und Respekt für Menschen mit homoerotischem Empfinden äußerst wichtig ist, die aber aus ihrem Gewissen vor Gott einer Homo-Ehe nicht zustimmen können.

In der Sorge um die Kirche und der Liebe zu Jesus verbunden,

Dr. Markus Till

Die Stellungnahme von Herrn Bedford-Strohm im Wortlaut:

Nach der Volksabstimmung in Irland wird in Deutschland über die Konsequenzen für unser eigenes Land diskutiert. Folgendes habe ich dem SPIEGEL auf Anfrage dazu gesagt:

“Mich haben nach der Entscheidung in Irland die Fernsehbilder von den Menschen berührt, die diese Entscheidung ausgelassen gefeiert haben, weil sie gleichgeschlechtlich Liebenden einen Weg eröffnet, ihre Liebe verbindlich zu leben. Man kann sich nur darüber freuen, wenn Menschen, die sich lieben, ihre Liebe auch verbindlich und verantwortlich leben. Das gilt für Mann und Frau. Das gilt aber auch für gleichgeschlechtlich Liebende. In der evangelischen Kirche ist in dieser Frage in den letzten Jahren ein Diskussionsprozess in Gang gekommen, der noch nicht abgeschlossen ist. Für mich ergibt sich aus zentralen biblischen Geboten der Impuls zu einer Öffnung der Kirche gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Das Liebesgebot Jesu und seine „Goldene Regel“ („Alles, was ihr wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch“) sind Grundorientierungen, die zur Überwindung von Diskriminierung jeder Art ermutigen. Sie wiegen für mich schwerer als einzelne Bibelstellen, die Homosexualität kritisieren. Ich wünsche mir für unsere Gesellschaft eine neue Kultur der Verbindlichkeit in unseren Beziehungen. Deswegen ist die Ehe für mich ein Zukunftsmodell, für das ich werbe. Dass es für gleichgeschlechtlich Liebende die Möglichkeit gibt, ihrem Willen zu einer lebenslang verbindlichen Partnerschaft eine auch rechtlich verbindliche Gestalt zu geben, begrüße ich ausdrücklich. Die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau wird dadurch kein bisschen geschmälert. Im Gegenteil – sie wird noch einmal unterstrichen. Entscheidend ist die Stärkung der Verbindlichkeit unserer Lebensformen. Im Blick auf das Adoptionsrecht hat die EKD in der Vergangenheit darauf aufmerksam gemacht, dass bei Adoptionen nicht der Wunsch von Erwachsenen, sondern das Wohl der Kinder der entscheidende Gesichtspunkt sein muss. Hier sehen wir weiterhin Diskussionsbedarf.”

Siehe auch: