Die Bibel ist nicht irrtumslos…

Die “Irrtumslosigkeit der Schrift” ist hoch umstritten. Das liegt zum Teil auch daran, dass Begriffe wie “Irrtumslosigkeit” oder “Unfehlbarkeit” nicht sauber definiert werden. Dieser Artikel fasst die wesentlichen Aspekte kurz zusammen:

Die Bibel, wie sie uns heute vorliegt, ist nicht irrtumslos…

… in Bezug auf den richtigen Urtext.

Die überlieferten Abschriften der biblischen Texte unterscheiden sich immer wieder in Details, so dass der Urtext nicht in allen Teilen hundertprozentig sicher rekonstruiert werden kann.

… in Bezug auf die Ränder des Kanons.

Bei einigen wenigen Texte der Bibel ist nicht abschließend geklärt, ob sie zu den „kanonischen“ Schriften gehören (das heißt die allgemein als apostolisch oder prophetisch anerkannt werden). Dazu gehört zum Beispiel der „lange Markussschluss“ in Markus 16, 9-20.

… in Bezug auf die richtige Übersetzung.

Aufgrund der großen zeitlichen und kulturellen Distanz zu den biblischen Sprachen, die heute nicht mehr gesprochen werden, ist die Übersetzungsarbeit des Öfteren komplex und lässt immer wieder auch unterschiedliche Optionen zu.

… wenn ihr Wahrheitsmaßstäbe unterstellt werden, die von den Autoren nicht beabsichtigt waren.

Die Bibel kann Stilmittel wie gerundete Zahlen, Bild- und Symbolsprache verwenden. Sie kann die Welt poetisch und aus der Beobachterperspektive heraus beschreiben. Sie kann Zitate als korrekt ansehen, wenn sie zwar inhaltlich stimmen, aber nicht den exakten Wortlaut wiedergeben. Sie kann Stoffe thematisch statt chronologisch ordnen.

Irrtumslos ist vor allem nicht unsere Auslegung der Bibel.

Beim Ringen um die richtige Auslegung gab es quer durch die Kirchengeschichte hindurch immer wieder Meinungsverschiedenheiten – auch unter solchen Theologen, die der Autorität der Bibel vollständig vertrauen.

Aber: Die Bibel ist irrtumslos…

… in Bezug auf die Aussageabsicht der biblischen Autoren in den kanonischen Texten!

Augustinus, Luther und die Unterzeichner der Lausanner Verpflichtung sind sich einig: Die Irrtumslosigkeit der biblischen Autoren ist keine fundamentalistische Randposition, sondern christlicher Mainstream quer durch die Kirchengeschichte hindurch. Sie passt zum durchgängigen Selbstanspruch der Bibel, inspiriertes Wort Gottes zu sein. Gott macht keine Fehler!

Die Unklarheiten in Bezug auf den Urtext sind kaum relevant!

Kein antikes Dokument ist auch nur annähernd so gut überliefert wie das Neue Testament. Die wenigen Unsicherheiten in Bezug auf den Urtext sind heute in vielen Übersetzungen dargestellt. Ein Experte schreibt: “Insgesamt ist die Überlieferung der Bibel sehr gut und sehr treu. In den theologischen Punkten gibt es unter den Abertausenden Handschriften kaum Abweichungen.“

Die Unschärfen an den Kanonrändern fallen kaum ins Gewicht!

Rund 85% des neutestamentlichen Textbestandes waren von Beginn an vollkommen unumstritten. Über die 27 neutestamentlichen Bücher besteht heute weltweiter Konsens. Der Umfang umstrittener Textabschnitte ist also so gering, dass der Umgang mit ihnen praktisch keine theologischen Konsequenzen hat.

Die Verfügbarkeit vieler Übersetzungen garantiert heute mehr denn je, dass wir einen soliden Zugang zur Botschaft der biblischen Autoren haben!

Auch wenn es knifflige Fälle gibt: Durch den leichten Zugang zu verschiedenen professionellen Übersetzungen können wir uns heute mehr denn je ein gutes Bild von den biblischen Aussagen machen – selbst wenn wir weder griechisch noch hebräisch beherrschen.

Die zentralen und heilsrelevanten Aussagen der Bibel sind so klar und deutlich, dass Jeder sie verstehen kann!

Trotz aller Differenzen in Auslegungsfragen zeigt sich weltweit und kulturübergreifend: Wenn Christen der Autorität der Bibel vertrauen, sie möglichst unvoreingenommen lesen und vom Prinzip ausgehen, dass die Schrift sich selbst auslegen muss, dann kommen sie vor allem bei den zentralen, heilsrelevanten Fragen immer wieder zu vergleichbaren Auslegungsergebnissen. Es gibt also eine „Klarheit der Schrift“. Das heißt: Die Bibel ist in den wichtigen Fragen aus sich selbst heraus ausreichend verständlich und jedermann zugänglich.

Fazit: In welcher Hinsicht ist die Bibel irrtumslos?

Ist die Bibel nun in allen ihren Aussagen irrtumslos? Oder nur in ihren theologischen und heilsrelevanten Aussagen? Ich würde sagen: Die Bibel ist in allen Aussagen irrtumslos, die sie machen möchte! Wenn sie historische oder wissenschaftliche Aussagen machen möchte, dann ist sie auch darin irrtumslos. Wenn sie exakte Daten liefern möchte, dann ist sie irrtumslos exakt. Wenn hingegen ein Bibeltext poetisch gemeint ist oder nur grobe, gerundete Mengengaben machen möchte, dann ist er irrtumslos in seiner poetischen Aussage bzw. in seiner groben, gerundeten Mengenangabe. Die Kunst liegt darin, im einzelnen herauszufinden, was denn die Aussageabsicht der biblischen Autoren war. Lukas macht es uns hier leicht, weil er extra seinen Selbstanspruch betont, historisch exakte Angaben zu machen (Lukas 1,1-4). Bei manchen anderen Texten fällt diese Entscheidung nicht so leicht. Der letzte Maßstab, um die Aussageabsicht herauszufinden, muss immer die Bibel selbst sein. Der gesamtbiblische Kontext ist entscheidend! Wenn ein Bibeltext einem anderen Bibeltext eine realhistorische Aussageabsicht beimisst, dann sollten wir ihn nicht nur symbolisch deuten, sondern vielmehr dabei bleiben, dass die Schrift sich selbst auslegt. Aber trotz dem Prinzip der sich selbst auslegenden Schrift werden bei der Frage nach der biblischen Aussageabsicht nicht alle Christen bei allen Texten zu gleichen Schlussfolgerungen kommen. Hier können wir auch mal respektvoll streiten und um die Wahrheit ringen. Aber niemals sollten Christen darüber streiten, dass die biblischen Autoren in dem, was sie in ihren kanonischen Texten sagen wollten, absolut verlässliche Autoritäten sind. Luther hat dieses Prinzip so zusammengefasst und sich dabei auf den Kirchenvater Augustinus bezogen:

Welch große Irrtümer sind schon in den Schriften aller Väter gefunden worden? Wie oft widerstreiten sie sich selbst?  Wie oft weichen sie voneinander ab? […] Niemand hat eine mit der Schrift gleichwertige Stellung erlangt […] Ich will […], dass allein die Schrift regiert […] Dafür habe ich als besonders klares Beispiel das des Augustinus, […] [der] in einem Brief an den Heiligen Hieronymus sagt: ‚Ich habe gelernt, allein diesen Büchern, welche die kanonischen heißen, Ehre zu erweisen, so dass ich fest glaube, dass keiner ihrer Schreiber sich geirrt hat.“ (Aus „Assertio omnium articulorum“, 1520)

Vertiefend zu diesem Thema:

Haben Fundamentalisten die Unfehlbarkeit der Bibel erfunden? – Ein Faktencheck

Es macht mich immer skeptisch, wenn eine theologische Lehre den Anspruch erhebt, neu und innovativ zu sein. Ich glaube, dass die biblische Offenbarung abgeschlossen ist. Es ist für mich schwer vorstellbar, dass der Heilige Geist uns nach 2000 Jahren immer noch völlig neue Auslegungen offenbart. Ich halte es deshalb lieber mit C.H. Spurgeon, wenn er schreibt: „Es gibt nichts Neues in der Theologie außer dem, was falsch ist.“

Neuerdings werden aber Stimmen lauter, die genau diesen Vorwurf gegenüber theologisch konservativen Christen erheben. Konkret wird behauptet: Die Lehre von der Fehlerlosigkeit der Schrift sei eine moderne Erfindung von protestantischen Fundamentalisten aus dem späten 19. bzw. frühen 20. Jahrhundert. So berichtet der US-amerikanische Kirchenhistoriker Prof. John Woodbridge in seiner Analyse zu der Frage, ob Fundamentalisten die Irrtumslosigkeit erfunden haben:

„Noch in den 1970er Jahren gingen die meisten Evangelikalen davon aus, dass die biblische Irrtumslosigkeit zu ihren nicht verhandelbaren Grundüberzeugungen gehört.“ Doch eine „neue Darstellung der historischen Entwicklung schlug vor, dass die biblische Irrtumslosigkeit angeblich weder eine evangelikale Lehre noch eine zentrale Lehre der westlichen christlichen Kirchen sei. Vielmehr handele es sich um eine typisch fundamentalistische Überzeugung, die ihren Ursprung im späten neunzehnten Jahrhundert habe. …  Die neue historische Darstellung, dass die biblische Irrtumslosigkeit eine fundamentalistische Lehre ist, hat das Denken einer Reihe angesehener protestantischer und römisch-katholischer Theologen und Kirchenhistoriker geprägt.“

Tatsächlich äußerte Prof. Thorsten Dietz in einem IDEA-Interview (Ausgabe 21.2022):

„Die absolute Irrtumslosigkeit der Bibel ist ja eine Idee des 20. Jahrhunderts. Ich weiß, dass diejenigen, die die völlige Irrtumslosigkeit der Bibel vertreten, das anders sehen. Sie glauben, dass sie die traditionelle Auffassung vertreten. Das tun sie aber nicht!“

Nun sind Begriffe wie „Irrtumslosigkeit“ oder „Unfehlbarkeit“ natürlich definitionsbedürftig (siehe dazu der AiGG-Artikel „Ist die Bibel unfehlbar?“). Bei Fragen zum Urtext, zu den Kanonrändern, zur Textgattung, zur Aussageabsicht und zur Auslegung kann es auch aus meiner Sicht keine Unfehlbarkeit geben. Trotzdem hat mich die These von Thorsten Dietz überrascht. Im AiGG-Artikel über „das biblische Bibelverständnis“ habe ich begründet, warum ich überzeugt bin, dass schon die Bibel selbst die Heiligen Schriften als inspiriertes Wort Gottes mit absoluter Autorität ansieht (2.Tim.3,16; 2.Petr.1,20+21). Auch Prof. Gerhard Maier zeigt sich überzeugt: „Im Neuen Testament wird das gesamte damalige ‚Alte Testament‘ … als von Gott eingegeben aufgefasst.“ Für die Autoren des Neuen Testaments waren „die beiden Wendungen ‚Die Schrift sagt‘ und ‚Gott sagt‘ untereinander austauschbar.“ Für Jesus war „selbst die kleinste Einzelheit von Gottes Gesetz gültig“ (Matth. 5, 18). Entsprechend durfte von den Schriften nichts weggelassen, hinzugefügt oder verdreht werden (Offb.22,18-19, 5.Mose13,1; 2. Petr.3,15-16).

Kann der Glaube an die Irrtumslosigkeit der Schrift also wirklich etwas so Neues sein?

Irrtumslosigkeit der Schrift bei den Kirchenvätern

Der renommierte Neutestamentler Theodor Zahn hielt fest, dass auch im Vorstellungskreis der nachapostolischen Generation die Möglichkeit, „dass ein Apostel in seinen an die Gemeinden gerichteten Lehren und Anweisungen geirrt habe könnte“ offenbar keinen Raum hatte. Tatsächlich finden sich viele Belege für den Glauben an die Unfehlbarkeit in den Schriften der frühen Kirchenleiter. Der Harvard-Professor James L. Kugel, selbst kein Anhänger der Irrtumslosigkeit der Schrift, hielt es für „auffallend, dass alle antiken Ausleger anscheinend die gleichen Erwartungen an den biblischen Text hatten”, nämlich dass die „Bibel keine Widersprüche oder Fehler enthält.“ „Und natürlich sollte die Bibel sich nicht selbst widersprechen oder sich sogar scheinbar unnötig wiederholen, so dass, wenn es zweimal heißt »und die beiden gingen zusammen«, das zweite Vorkommen nicht einfach eine Wiederholung sein kann; es muss etwas anderes bedeuten als das erste. Kurzum, die Bibel sei ein völlig konsistentes, nahtloses, perfektes Buch.“

Auch der oft als „Kirchenvater“ bezeichnete Augustinus sah es im 4. Jahrhundert als eine nicht verhandelbare kirchliche Lehre an, dass es in der Heiligen Schrift keine Fehler gibt:

„Ich habe gelernt, diesen Respekt und diese Ehre nur den kanonischen Büchern der Schrift zu geben: Nur von diesen allein glaube ich fest entschlossen, dass das, was Autoren geschrieben haben, ohne jegliche Fehler ist. Und wenn ich in diesen Schriften auf etwas stoße, das mir der Wahrheit zu widersprechen scheint, so zögere ich nicht, anzunehmen, dass entweder die Handschrift fehlerhaft ist, oder dass der Übersetzer den Sinn des Gesagten nicht erfasst hat, oder dass ich selbst es nicht verstanden habe.“

Für Augustinus gab es im Falle eines scheinbaren Fehlers also nur 3 Möglichkeiten: Ein Fehler im Manuskript. Ein Fehler in der Übersetzung. Oder aber der Ausleger hatte eine Aussage der Schrift einfach falsch verstanden. Ein Fehler des biblischen Autors kam für ihn nicht in Frage.

Irrtumslosigkeit in der Reformationszeit

Genau auf diese Aussage von Augustinus berief sich später auch Martin Luther, als er in seiner „Assertio omnio articulorum“ schrieb:

„Wieviele Irrtümer sind schon in den Schriften aller Väter gefunden worden! Wie oft widersprechen sie sich selbst! Wie oft sind sie untereinander verschiedener Meinung! … Keiner hat der Heiligen Schrift Vergleichbares erreicht … Ich will …, dass allein die Heilige Schrift herrsche … [Ich] ziehe … als hervorragendes Beispiel Augustinus heran … was er in einem Brief an Hieronymus schreibt: ‚Ich habe gelernt, nur den Büchern, die als kanonisch bezeichnet werden, die Ehre zu erweisen, dass ich fest glaube, keiner ihrer Autoren habe geirrt.“

Luther hatte zwar bei manchen biblischen Büchern Zweifel, ob sie zum Kanon gehören. Aber kanonische Bücher hatten für ihn absolute Autorität. Laut Hans Küng hatte die Sichtweise von Augustinus das ganze Mittelalter hindurch bis in die Neuzeit hinein starken Einfluss. Deutlich wird das zum Beispiel an einer Debatte zwischen Johannes Eck, einem römisch-katholischen Zeitgenossen Martin Luthers, und dem Gelehrten Erasmus. Letzterer vertrat die Meinung, dass es der Schriftautorität keinen Abbruch täte, falls zum Beispiel Matthäus ein Jeremiazitat versehentlich Jesaja zugeschrieben hätte – eine Argumentation, die man auch heute häufig hört. Sind also kleinere Fehler unrelevant? Die Antwort von Eck ist bemerkenswert. Er zitiert die seiner Meinung nach zentrale augustinische Lehre von der Irrtumslosigkeit der Bibel:

“Hör zu, lieber Erasmus: Glaubst du, dass irgendein Christ es geduldig erträgt, wenn man ihm sagt, dass die Evangelisten in ihrem Evangelium Fehler gemacht haben?” “Wenn die Autorität der Heiligen Schrift an dieser Stelle wackelig ist, kann dann irgendeine andere Stelle frei vom Verdacht des Irrtums sein? Eine Schlussfolgerung, die der heilige Augustinus in einer eleganten Argumentationskette gezogen hat.”

Irrtumslosigkeit als kirchliche Lehre in der Moderne

Nicht nur für Luther, sondern auch für seinen katholischen Kontrahenten war also die völlige Fehlerfreiheit der kanonischen Schriften eine Selbstverständlichkeit. Diese Position wurde in der katholischen Kirche noch lange Zeit aufrecht erhalten. Ende des 19. Jahrhunderts hielt Papst Leo XIII. in einer Enzyklika fest, dass die römisch-katholische Kirche die Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift nicht nur in Fragen des Glaubens und der Praxis, sondern auch in Fragen der Geschichte und der Wissenschaft bejaht. Er tadelte diejenigen, die die Irrtumslosigkeit der Schrift auf Fragen des Glaubens und der Moral beschränken wollten mit dem Hinweis, dass sich doch alle Väter einig seien, „dass die göttlichen Schriften… frei von jedem Irrtum sind“ und dass sie sich deshalb „ernsthaft bemühten, … jene zahlreichen Stellen miteinander zu versöhnen, die widersprüchlich zu sein scheinen.“ Erst in der letzten Ausgabe von „Dei Verbum“ im Jahr 1965 wurde in Bezug auf die Irrtumslosigkeit der Bibel eine Formulierung gewählt, die so verstanden werden kann, dass die Irrtumslosigkeit nur solche Aussagen betreffe, die „um unseres Heils willen“ offenbart wurden.

Entsprechend zitiert John Woodbridge den bekannten US-amerikanischen Geschichtstheologen Richard A. Muller mit den Worten:

„Die katholische Lehre vor der Reformation ging von der Unfehlbarkeit der Schrift aus, ebenso wie die Reformatoren – die protestantischen Orthodoxen haben das Konzept nicht erfunden. Die Lehre von der unfehlbaren Autorität der Schrift blieb eine Konstante.”

Und Woodbridge ergänzt: „Die zentrale Debatte drehte sich nicht um die Unfehlbarkeit der Heiligen Schrift – diese wurde von beiden Seiten als selbstverständlich angesehen – sondern um die Frage der Autorität, insbesondere der Autorität der Auslegung.“

Die Unfehlbarkeit der Bibel: Eine gängige Lehre der christlichen Kirchen

Das Fazit von John Woodbridge fällt eindeutig aus:

„Die Lehre von der Irrtumslosigkeit der Bibel ist keine späte, fantasievolle Schöpfung … des amerikanischen Fundamentalismus des 20. Jahrhunderts. Vielmehr ist sie eine wesentliche evangelische Überzeugung, die sich auf eine biblische Begründung stützt. Sie steht ganz in der augustinischen Tradition der Wahrhaftigkeit der Bibel. Sowohl die römischen Katholiken als auch die protestantischen Reformatoren haben diese Lehre der Kirche bekräftigt. …  Vor 1881 glaubten zahllose römische Katholiken und evangelische Protestanten, dass die Bibel nicht nur in Fragen des Glaubens und der Praxis, sondern auch in Geschichte und Wissenschaft unfehlbar sei. Die diesbezügliche Lehre des Augustinus kam für viele römische Katholiken und Protestanten einer wesentlichen Kirchenlehre gleich. Einige behaupteten, dieser Glaube ergebe sich direkt aus der Prämisse, dass Gott, der Urheber der Wahrheit, auch der letztliche Autor der Heiligen Schrift sei. Daher sei die Schrift ohne Irrtum. Viele glaubten, die Lehre diene als starke Leitplanke gegen die Möglichkeit, in falsche Lehre oder Schlimmeres abzurutschen oder abzustürzen. Viele gingen davon aus, dass dies eine nicht verhandelbare Überzeugung ihrer evangelischen theologischen Identität sei.“

Viele Zitate dieses Artikels stammen aus „Did Fundamentalists Invent Inerrancy?“ von Prof. John Woodbrigde. Der Artikel ist eine Bearbeitung des Kapitel 4 “Evangelical Self-Identity and the Doctrine of Biblical Inerrancy” in “Understanding the Times: New Testament Studies in the 21st Century: Essays in Honor of D. A. Carson on the Occasion of His 65th Birthday” (Crossway, 2011).

Prof. Gerhard Maier über die Auslegung der Schrift

In der Mediathek offen.bar wurde am 13. Juni 2022 der Grundlagenvortrag “Die Auslegung der Schrift” von Prof. Gerhard Maier veröffentlicht:

Nachfolgend die wichtigsten Aussagen von Prof. Gerhard Maier aus diesem Vortrag:

Gerhard Maier über…

… die Rolle des wissenschaftlichen Zweifels in der Bibelwissenschaft:

Die Bibel will ja die Begegnung von Gott und Mensch. Wie kann eine Begegnung seitens des Menschen stattfinden? Soll der wissenschaftliche Zweifel der Ausgangspunkt sein, wie es auf Seiten der historisch kritischen Theologie oft behauptet wird? Dann würden dem Verständnis zwei Barrikaden im Wege stehen:

  1. Der Zweifel verdichtet sich rasch zu einer grundsätzlichen Distanz, die eine echte Begegnung immer schwerer macht.
  2. Der Zweifel hat die Tendenz, sich zur Lösung seiner Fragen der Vernunft zu überlassen.

Damit erhält die menschliche Vernunft von Anfang an die Rolle eines Schiedsrichters und einer überlegenen Instanz. Weit besser ist es, von einer grundsätzlichen Offenheit gegenüber der biblischen Offenbarung zu sprechen. Um den Ton des Vertrauens und der Güte Gottes, der sie durchzieht, wahrzunehmen, ist ein anfänglicher Glaube sogar eine Hilfe. Er ist kein Vorurteil, das eine klare Sicht verhindern würde. Ein anfänglicher Glaube, eine anfängliche Offenheit, kann durchaus das leisten, was Johann Albrecht Bengel als die Notwendigkeit eines geziemend genauen Forschens bezeichnete.

… die Verlässlichkeit der Schrift:

Wie verlässlich ist das alles, was die Schrift sagt? Oder muss man unterscheiden zwischen Teilen, die verlässlich sind und eben Teilen, die dies weniger sind? Damit stehen wir an einer Grundsatzfrage, die sich stellt, seit es überhaupt eine schriftliche Überlieferung der Gottesoffenbarung gibt.

Auch hier nehmen wir unseren Ausgangspunkt bei Jesus. In vielen Gesprächen stellte er die Frage: „Habt ihr nicht gelesen?“ (Matthäus 12, 3; Lukas 10, 26). Diese Frage setzt voraus, dass das Gelesene richtig ist und eine vertrauenswürdige Auskunft gibt!

Das Gewicht der biblischen Offenbarung wird noch einmal größer, wenn Jesus davor warnt, sie an irgendeiner Stelle aufzulösen oder zu brechen (Matthäus 5, 19; Johannes 10, 35).

Und es unterstreicht die Verlässlichkeit der Schrift ein drittes Mal, wenn Jesus sagt, es werde alles geschehen, was in ihr geschrieben steht (Matthäus 5, 18).

Wir können die Linie von da aus weiter ziehen durch das ganze Neue Testament hindurch. Was Gott verheißen hat, durch seine Propheten in der Heiligen Schrift, das ist nach Paulus vollkommen zuverlässig (Römer 1, 2). Wenn er die Frage stellt „Was sagt die Schrift?“ (Römer 4, 3), dann ist mit der Schrift die Grundlage alles christlichen Denkens in einer unangreifbaren Weise gelegt.

Dabei behandelt Paulus die Schrift als eine geschlossene Größe und so, als wäre sie eine sprechende Person.

Paulus behandelt die Schrift als eine geschlossene Größe und so, als wäre sie eine sprechende Person.

Wir sahen schon, dass diese Bewertung der Schrift aufs Engste mit der Überzeugung zusammenhängt, dass alle heiligen Schriften Israels, das Gesetz, die Propheten und die Psalmen durch Gottes Geist zustande gekommen sind, also durch die göttliche Inspiration. Wir erinnern uns jetzt erneut an 2. Timotheus 3, 16: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben.“ Aber auch an die Aussage des Petrus im 2. Petrus 1, 21: „Getrieben vom Heiligen Geist haben Menschen in Gottes Auftrag geredet.“ Paulus und Petrus werden ergänzt durch die Aussage des Johannes in der Offenbarung, wonach dort der Geist und die Braut gewisse und wahrhaftige Worte der Weissagung sprechen. Entscheidend ist für die Schriftauslegung, ob sie den Ausgangspunkt nun bei Menschen oder eben bei den Aussagen der biblischen Offenbarung nimmt.

Entscheidend ist für die Schriftauslegung, ob sie den Ausgangspunkt nun bei Menschen oder eben bei den Aussagen der biblischen Offenbarung nimmt.

… den Niedergang und die Notwendigkeit der biblische Inspirationslehre:

Es besagt viel, wenn ein gemäßigter Kritiker wie Peter Stuhlmacher in seinem Buch „Vom Verstehen des Neuen Testaments“ 1986 schreibt: „Die Inspirationslehre droht gegenwärtig zu verkommen oder ganz in Vergessenheit zu geraten.“ Die 1500 Jahre lang von den christlichen Lehrern und Lehrstühlen hochgehaltene Inspirationslehre wurde zuerst ermäßigt zur sogenannten Realinspiration, wonach nur bestimmte Aussagen der Schrift inspiriert seien, aber keineswegs alle. Die nächste Rückzugsstellung sah so aus, dass man auch nicht mehr bestimmte Aussagen für inspiriert betrachtete, sondern nur noch Personen. Bei einer solchen personalen Inspiration konnte man bestimmte Personen würdigen, war aber an keinerlei Inhalte mehr gebunden.

Keine dieser Rückzugsstellungen war hilfreich. Sie brachte nur Unsicherheit und ganz subjektive, ja gegensätzliche Einschätzungen dessen, was in der Schrift noch glaubwürdig sei. Wir müssen den Faden wieder dort aufnehmen, wo ihn die historische Kritik fallen ließ. Das heißt, wir müssen zur biblischen Inspirationslehre zurückkehren.

Wir müssen den Faden wieder dort aufnehmen, wo ihn die historische Kritik fallen ließ. Das heißt, wir müssen zur biblischen Inspirationslehre zurückkehren.

… die Frage nach der Irrtumslosigkeit der Schrift:

Am besten fasst man die biblische Inspiration dem biblischen Sprachgebrauch entsprechend unter dem Stichwort der Ganzinspiration zusammen, vergleiche noch einmal Paulus in 2. Timotheus 3, 16: „Alle Schrift von Gott eingegeben“, formuliert er dort. Auf diese Weise wird der Blick auf das Ganze der Schrift gerichtet. Man muss dann nicht jeden Ausfall eines Wortes in der Überlieferungsgeschichte, nicht jedes Schwanken der Handschriften bezüglich eines Begriffes, nicht jeden alltagssprachlichen Ausdruck statt des juristisch korrekten Ausdrucks als Belastung oder gar als Katastrophe betrachten. Wie klug waren hier die alten Ausleger! Angesichts von Verschiedenheiten in der Textüberlieferung schrieb Johann Albrecht Bengel am 24. Februar 1521 an seinen Schüler Jeremias Friedrich Reuss: „Iss Du einfältig das Brot, wie du es vorfindest, und kümmere dich nicht darum, ob du etwa hier und da ein Sandkörnlein aus der Mahlmühle darin findest.“

In der Theologiegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, vor allem der angelsächsischen, spielen Begriffe wie Irrtumslosigkeit, Fehlerlosigkeit oder Unfehlbarkeit eine Rolle. Diese haben an ihrem Ort, vor allem im Bereich der angelsächsischen Theologiegeschichte, ihre Berechtigung. Für uns, die wir aus der deutschen, kontinentalen, von Luther und vom Pietismus geprägten Theologiegeschichte kommen, legen sich andere Begriffe näher. Ich nehme als Beispiel Luthers Äußerungen über die Heilige Schrift von 1520: „Die Schrift ist die Allergewisseste, die leichtest zugängliche, die allerverständlichste, die, die sich selber auslegt, die alle Worte aller bewährt, urteilt und erleuchtet.“ Zweifellos ist hier die Sprache Luthers näher an der Bibel. Die Hypothek auf Begriffen wie Irrtumslosigkeit oder Unfehlbarkeit ist die, dass sie in der Bibel nicht gebraucht werden. Dafür steht anderes im Vordergrund in der Bibel: „Dein Wort ist die Wahrheit.“ (nach Johannes 17, 17). Oder die Versicherung: „Gott ist treu.“ (1. Korinther 1, 9). Besser sollte man daher von der Wahrheit und der vollkommenen Verlässlichkeit der Schrift sprechen.

… die Unterwanderung der Autorität der Schrift durch Nebeninstanzen:

Wer nach der Autorität der Schrift fragt, steht auch vor der Frage, welcher Instanz unsere Schriftauslegung verpflichtet ist. Traditionell wird hier schnell das Lehramt in der katholischen Kirche genannt. Im Vatikanum 2 ist festgehalten: Alles, was die Art der Schrifterklärung betrifft, untersteht letztlich dem Urteil der Kirche, deren gottgegebener Auftrag und Dienst es ist, das Wort Gottes zu bewahren und auszulegen. Damit war die römisch-katholische Kirche in der Lage, über die Jahrhunderte hinweg am Kern ihrer kirchlichen Lehre festzuhalten. Zugleich aber ist klar, dass hier eine zweite Instanz neben der Schrift errichtet wurde. Das reformatorische Bekenntnis, dass die Schrift allein Königin sei, und eine solche hohe Wertung des kirchlichen Lehramts in der Glaubenslehre schließen sich gegenseitig aus.

Das reformatorische Bekenntnis, dass die Schrift allein Königin sei, und eine solche hohe Wertung des kirchlichen Lehramts in der Glaubenslehre schließen sich gegenseitig aus.

Aber wie steht es mit weiteren Instanzen neben oder gar über der Schrift in der weiteren Geschichte des Protestantismus?

Wir zitieren noch einmal aus dem theologisch politischen Traktat von Baruch de Spinoza (1670 erschienen). In seinem 6. Kapitel von den Wundern findet sich die Feststellung, dass alles nach den Naturgesetzen geschieht. Was ist dann aber mit den Wundern der Bibel? Auch hier bleibt Spinoza ganz stringent. Findet sich irgendetwas – schreibt er – von dem man unumstößlich beweisen kann, dass es den Naturgesetzen widerstreitet oder sich nicht aus ihnen herleiten lässt, so muss man ohne Weiteres annehmen, dass es von Frevlerhänden in die Heilige Schrift eingefügt worden ist. Damit ist völlig klar, dass unsere menschliche Vernunft darüber urteilen muss, ob das in der Schrift Niedergeschriebene den Rang einer göttlichen Offenbarung haben kann. Das Primat der Vernunft war errichtet, und diesem Primat folgte die protestantische Theologie mehr und mehr, bis es auch Einfluss in der katholischen Theologie gewann.

Der amerikanische Theologe Shailer Matthews konnte um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert sagen, er behandle die Bibel und die intellektuelle Redlichkeit mit gleichem Respekt. Das heißt nichts anderes, als dass die Vernunft die letzte und höchste Autorität beansprucht.

Schlägt man den Weg ein, zuerst die biblische Offenbarung selbst zu hören, dann muss man auch ihren Anspruch auf Autorität ernst nehmen. Man kann sich nicht als Schrifttheologe oder Bibellehrer bezeichnen, wenn man diesen Anspruch beiseiteschiebt.

Schlägt man den Weg ein, zuerst die biblische Offenbarung selbst zu hören, dann muss man auch ihren Anspruch auf Autorität ernst nehmen. Man kann sich nicht als Schrifttheologe oder Bibellehrer bezeichnen, wenn man diesen Anspruch beiseiteschiebt.

… die Grundlage der biblischen Autorität:

Die Wurzel der biblischen Autorität liegt in dem schlichten und doch einzigartigen Satz der Bibel: „Und Gott sprach.“ Wenn das wahr ist, dann bleibt ihre Autorität in diesen einzigartigen Reden Gottes begründet. An dieses Wort hat sich Gott nach den Aussagen der Schrift gebunden. Er hat es zum Ort der Begegnung mit uns bestimmt. Die Schriftautorität ist also im Grunde die Personenautorität des hier begegnenden Gottes.

Die Schriftautorität ist die Personenautorität des hier begegnenden Gottes.

… den Umgang mit Wundern in der Bibel:

Altchristliche Theologen in der Antike begründeten die Autorität der Bibel sogar mit der Tatsächlichkeit der dort berichteten Wunder. Aber nicht nur sie, auch die Reformationstheologen Melanchthon und Flacius zogen sie zur Begründung der Schriftautorität heran. Dann aber wurden solche Wunder zunehmend verdächtig. Weil die Vernunft zur obersten Instanz der Auslegung wurde, kam es zu eigenartigen Deutungen. Beispielsweise deutete Christoph Matthäus Pfaff (1686 – 1760, Kanzler der Universität Tübingen) Jona 2 so, dass Jona von einem Schiff namens Walfisch aufgenommen wurde. Eine erste Spitze erreichte diese Entwicklung bei Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher. Ihm zufolge sind eigentliche Wunder unmöglich. Nicht anders Ferdinand Christian Baur, der ja einen ganz weiten Einfluss auf die Theologie des 19. Jahrhunderts hatte. Gegenüber dieser Entwicklung, die ja bei Bultmann zu einer radikalen Ablehnung der Wunderwelt des Neuen Testaments geführt hatte, muss allerdings auch zitiert werden, dass die päpstliche Kommission noch 1964 an dem Eingreifen des persönlichen Gottes in der Welt und der Möglichkeit und Tatsächlichkeit von Wundern in der Bibel festhielt. Jedenfalls: Wer sich der Spur der historisch kritischen Theologie anschließen will, kann die biblischen Wunder nicht mehr bejahen.

Und um dem Gegenüber das Anliegen einer biblischen Theologie noch einmal zu unterstreichen: Sie hält an dem Reden Gottes auch dort fest, wo er in seine Wunderkraft Einzigartiges vollbringt.

… die enorme Bedeutung der Klarheit der Schrift:

Es verwundert, mit welcher Energie Martin Luther gerade auf die Klarheit der Schrift hingewiesen hat. So steht es ja in seiner „Assertio omnium articulorum“: Die Schrift sei die leichtest Zugängliche, die Allerverständlichste. Im Vertrauen darauf gaben die Reformatoren die Bibel jedem in die Hand, richteten ein bewundernswertes Schulwesen ein. Evangelische Slowenen verbreiteten die Botschaft in ihrem Land so wie Primus Truber (1508 bis 1586), der bei uns in Derendingen begraben liegt. Die Württemberger richteten in dem kleinen Urach eine Druckerei ein, druckten slowenische Bibeln. Helfer brachten sie über die Karawanken. All dies wäre undenkbar gewesen, hätte dahinter nicht die Überzeugung gestanden, dass jeder Mensch in der Lage ist, die Gotteserfahrung und Gottesoffenbarung in der Bibel angemessen zu verstehen. Das ist heute noch die Überzeugung in unseren württembergischen Stunden.

… den Umgang mit den dunklen Stellen in der Schrift:

Die alten Kirchenlehrer und die alte reformatorische Theologie antworteten, dass alles Heilsnotwendige klar sei. Das wird man kaum bestreiten können. Ebenso wichtig ist die allgemein christliche Erfahrung, dass man dunkle Stellen aus den hellen erklären kann. Von da aus bewährt sich der alte und von Luther erneut betonte Grundsatz, dass die Schrift sich selber auslegt. Wer Schrift mit Schrift auslegt, macht immer wieder die beglückende Erfahrung, dass sich der Zusammenhang und die Bedeutung der Schrift immer neu erschließt. Auch den sogenannten schlichten Christen. „Nimm und lies!“ – „„Tolle Lege!“ – Dieser Schlüsselsatz von Augustinus bewährt sich immer neu.

… bibeleigene Aussagen zur Klarheit der Schrift:

Ist es nicht die biblische Offenbarung selbst, die von ihrer Klarheit spricht? Schon das Mosegesetz ermutigt zu ihrem Studium: „Dieses Gebot, das ich dir heute gebiete, ist nicht zu hoch für dich und ist dir nicht zu fern.“ (5. Mose 30, 11) Im Römerbrief, der gewiss nicht immer leicht zu lesen ist, nimmt Paulus diese Ermutigung auf: „Das Wort ist dir nahe in deinem Munde und in deinem Herzen.“ (Römer 10, 8) Micha konnte ganz allgemeinverständlich reden: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert: Nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ (Micha 6, 8)

Fassen wir zusammen: Die biblische Offenbarung selbst sagt aus, dass sie für jedermann zugänglich und genügend verständlich sei.

Die biblische Offenbarung selbst sagt aus, dass sie für jedermann zugänglich und genügend verständlich sei.

… das Verständnis der Einheit der Schrift bei Luther und im Pietismus:

Ich erinnere mich daran, dass Ernst Käsemann einmal einen Neutestamentler aus Mainz eingeladen hatte, um über Einheit und Widersprüche im Neuen Testament zu sprechen. Der lebhafte Vortrag endete mit der Widersprüchlichkeit des Neuen Testaments und mit dem Satz: Nun sehen sie zu, wo Sie sich ansiedeln. Es ist allerdings nicht nur in der universitären Theologie so, dass die Aussage von der Widersprüchlichkeit der Bibel selbstverständlich geworden ist. Das war am Anfang der Kirche anders. Dazu nur wenige Beispiele:

In der Mitte des 2. Jahrhunderts nach Christus schrieb Justin, der als Märtyrer starb, in seinem Dialog mit dem Juden Tryphon: „Ich bin schlechterdings überzeugt, dass keine Schriftstelle einer anderen widersprechen kann.“ Noch stärker spitzte dies Augustinus zu. Er schrieb ein eigenes Werk („De consensu Evangelistarum“- „Über das übereinstimmende Zeugnis der Evangelisten“) und äußerte sich darin ganz scharf gegen diejenigen, die den Evangelisten Widersprüche unterschieben wollten. Er nannte die Behauptung der Widersprüchlichkeit das Prunkstück der Eitelkeit.

Wieder beobachten wir, dass diese Linie bei Luther und dem Pietismus fortgeführt wurde. Luther konnte ja doch sagen, die biblische Offenbarung sei die allergewisseste und eine, die sich selber auslegt. Hier ist also die biblische Offenbarung als eine einheitliche Größe verstanden.

Für Johann Albrecht Bengel ist die Schrift ein zusammenhängender, wunderbarer Organismus. Ich zitiere ihn: „Jedes Wörtchen ist aus dem Heiligen Geist hervorgegangen.“ Bengel nimmt sehr wohl die Vielfarbigkeit der biblischen Aussagen wahr. Da er aber die Bibel heilsgeschichtliche auslegt, sagt er: „Unterscheide die Zeiten, dann stimmt die Schrift zusammen.“ Er ist nicht einmal bereit, die manchmal abschätzigen Urteile Luthers über den Jakobusbrief nachzuvollziehen. Nein, sagt er, der ganze Brief geht aus jener neuen Christenheit hervor.

… die Formel Martin Luthers „Was Christum treibet“:

Oft wird behauptet, Luthers Formel, „was Christum treibet“ sei die Mitte der Schrift für ihn und auch die Möglichkeit, Widersprüche in der Schrift wahrzunehmen und mit ihnen umzugehen. Das ist ein grober Fehlschluss. Denn für Luther ist eine Formel wie „was Christum treibet“ eine Richtungsanweisung für die Auslegung, so wie etwa bei Irenäus Johannes durchaus seine eigene Verkündigung hat und dennoch denselben Glauben verkündete wie die anderen Evangelisten.

… die Grundlage für die Einheit der Schrift:

Die Einheit der Schrift wird zunächst durch ein dreifaches begründet:

  1. Durch den einen Urheber, den sie hat, nämlich Gottes Heiligen Geist.
  2. Dadurch, dass alle Bücher der Bibel zum Glauben an den einen, denselben Gott aufrufen. Dass der Gott des Alten Testaments ein anderer sei als der Gott des Neuen Testaments ist eine eindeutige Irrlehre. Dagegen haben sich schon die alten Kirchenlehrer mit aller Energie gewehrt.
  3. Ein dritter Grund liegt darin, dass der Gott, der sich in der Schrift offenbart, eine Geschichte geschaffen hat, die alle Glaubenden aller Zeitalter verbindet.

… die Einheit der Schrift als Grundlage für den Kampf gegen Irrlehre:

Sollte die christliche Theologie jemals die Erkenntnis von der Einheit der Schrift aufgeben, dann wäre es unmöglich, den Kampf gegen die Irrlehren zu führen.

Sollte die christliche Theologie jemals die Erkenntnis von der Einheit der Schrift aufgeben, dann wäre es unmöglich, den Kampf gegen die Irrlehren zu führen.

Denn jede Irrlehre, angefangen von den Gegnern der Apostel über die Gnostiker und Leugner der Dreieinigkeit bis hin zur modernen Losung „Wir haben alle denselben Gott“ eignet sich Bruchstücke aus der Bibel an. Nur der Zusammenhang der ganzen Schrift bewahrt uns darin, dass wir nach Philipper 3, 10 das Ganze Erlösungshandeln Gottes erkennen.

… das Schriftverständnis von Karl Barth:

Das Wirken von Karl Barth (1896 bis 1968) überspannt ein rundes halbes Jahrhundert. Bis heute genießt er besondere Wertschätzung wegen seines Widerstands gegen den Nationalsozialismus und später auch gegen die Entmythologisierungstheologie. Was seine Hermeneutik betrifft, so ist dafür grundlegend die Annahme von einem dreifachen Wort beziehungsweise von drei Gestalten des Wortes Gottes. Die erste dieser Gestalten ist die eigentliche Offenbarung, das Wort hinter den Wörtern. Sie geht nur gebrochen in die Bibel, die schriftliche Gottesoffenbarung ein. Was wir dann vorliegen haben, ist also nur ein Zeugnis von der Offenbarung, ein Zeugnis, das durchaus kritisch zu bearbeiten ist. Anders formuliert: Wir müssen unterscheiden zwischen dem Wortlaut und dem, was dahinter da ist.

Aber Gottes Wort steht nicht hinter den Worten der Bibel, so dass wir es erst herausdestillieren müssten. Gott redet zu uns im Wort der Bibel, wie es ist. Hier lässt er sich von uns finden. Karl Barth hilft uns also nicht aus dem Dilemma heraus, in das uns die historisch kritische Methode mit ihrer Zerstörung der überlieferten Inspirationsquelle und ihrer Vorordnung der menschlichen Vernunft vor der göttlichen Offenbarung gebracht hat. Viel empfehlenswerter ist es, den Anschluss an das altchristliche, das reformatorische und pietistische Schriftverständnis zu suchen.

… „gemäßigte Kritik” an der Bibel:

Und was ist mit der sogenannten gemäßigten Kritik? Sie wurde und wird vor allem von Peter Stuhlmacher vertreten, mit dem mich persönlich manches verbindet. Er äußerte auch Verständnis für die Ablehnung der historisch kritischen Methode und findet freundliche Worte für diejenigen, die sie ablehnen. Ja, er kann von gravierenden Fehlleistungen der historischen Kritik sprechen. Dennoch will er nur die Einseitigkeiten der radikalen Kritik korrigieren. Jedoch soll die historisch kritische Arbeit an der Bibel weiterhin für unaufgebbar gelten. Wie sieht das aus?

Er kann einerseits auf die hermeneutisch fundamentale Bedeutung der Lehre von der Schriftinspiration neu hinweisen. Ja, er stimmt zu, dass eine biblische Hermeneutik wirklich primär von der Schrift her entwickelt werden muss. Dann aber folgt eine Wende. Nicht nur vor der Schrift allein, sondern auch vor dem kritischen Wahrheitsbewusstsein unserer Zeit, müssten wir uns verantworten. Damit sind wir wieder vor zwei Instanzen, die eine Sachkritik an der Bibel erlauben.

Die wichtigste hermeneutische Entscheidung bleibt also nach wie vor diejenige, ob die Instanz der Offenbarung wirklich die erste und entscheidende bleibt und ob wir von daher die Sachkritik an der Bibel überwinden.

Die wichtigste hermeneutische Entscheidung bleibt diejenige, ob die Instanz der Offenbarung wirklich die erste und entscheidende bleibt und ob wir von daher die Sachkritik an der Bibel überwinden.

… die Notwendigkeit auf eine schriftgemäße Schriftauslegung:

Zuerst und zuletzt: Wir brauchen eine schriftgemäße Schriftauslegung! Unsere Begriffe, unsere Gedanken, unsere Schlüsse müssen sich auf die biblische Offenbarung selbst stützen.

Wir brauchen eine schriftgemäße Schriftauslegung!

… die Notwendigkeit, am reformatorischen und pietistischen Schriftverständnis anzuknüpfen:

In ihrer Rolle als erste und entscheidende Instanz ist sie durch nichts zu ersetzen und auch durch nichts zu ergänzen. Wir können und sollen wieder dort anknüpfen, wo Luther in aller Schlichtheit sagen konnte, dass die Schrift durch sich selber sei die allergewisseste, die leichtest Zugängliche, die allerverständlichste, die, die sich selber auslegt, die alle Worte aller Worte bewährt, urteilt und erleuchtet, an einen Luther, der selber in dieser Position auf den Schultern der Kirchenväter stand. Leider hat die protestantische Forschung die Kirchenväter viel zu oft übergangen.

Wir haben nun freilich auf evangelischer Seite nicht nur das Beispiel Luthers und der frühen Reformatoren, es ist daneben die reiche pietistische Schriftauslegung zu bedenken. Noch einmal sei der Name Johann Albrecht Bengels erwähnt. Für ihn war ja die Einheit von Altem und Neuem Testament eine feste Voraussetzung. Nicht unterschlagen sei dabei sein Urteil über die damalige Aufklärung: Sie, so sagt er, richtet in Ecclesia Lutherana [d.h. in der Kirche Luthers] schreckliche Gräuel an. Wenn wir uns also außer an den Kirchenvätern und Luther beziehungsweise der frühen reformatorischen Schriftauslegung auch am Pietismus orientieren, dann nehmen wir in der Tat ein reiches Erbe auf.

… die zentrale Weichenstellung der Christenheit:

An der Bibelfrage wird sich nicht nur das Schicksal des Protestantismus, sondern auch weithin das Schicksal des Christentums entscheiden.

An der Bibelfrage wird sich das Schicksal des Christentums entscheiden.

Aber das Schönste an der Bibel bleibt: Es trifft ein, was sie sagt.

Starke Argumente – Warum es auch heute noch vernünftig ist, der Bibel zu vertrauen

Die Inhalte dieses Artikels sind auf YouTube als Vortrag verfügbar, der am 1.11.2019 bei einer Tagung des deutschen christlichen Techniker-Bunds (DCTB) gehalten wurde.

Der Artikel steht auch als PDF zum Download bereit.

Lange Zeit war der Blick auf die Bibel in der akademischen Welt geprägt von einem Wissenschaftsbegriff, der es Wissenschaftlern prinzipiell unmöglich machte, mit übernatürlichen Ereignissen, mit göttlicher Offenbarung oder mit vorhersagender Prophetie zu rechnen. Die Folgen für die Theologie und die Kirche waren umwälzend. Zentrale Bekenntnisse des Christentums wurden in Frage gestellt oder umgedeutet. Völlig aus dem Blick gerieten zudem die vielen Argumente dafür, dass die Existenz und die Botschaft der Bibel ein Wunder ist, das mit menschlichen Mitteln nicht erklärt werden kann.

Seit der Aufklärung ist der akademische Wissenschaftsbegriff geprägt von einem starken oder zumindest schwachen bzw. methodischen Naturalismus. Das heißt: Die Wissenschaft hat sich der Selbstbeschränkung unterworfen, hinter allen Phänomenen prinzipiell eine natürliche Ursache zu vermuten. Die Bibel unterstützt diese Sichtweise! Denn sie trennt strikt zwischen Schöpfer und Schöpfung. Allerdings macht die Bibel auch deutlich: Punktuell nimmt sich der Schöpfer durchaus die Freiheit, übernatürlich ins Weltgeschehen einzugreifen.[1] Das gilt besonders für die Erschaffung der Welt. Aber auch danach berichtet die Bibel immer wieder von punktuellen Eingriffen Gottes ins Weltgeschehen, z.B. beim Auszug Israels aus Ägpyten oder bei der Auferstehung Jesu. Zudem behaupten die biblischen Autoren, dass Gott auch bei der Entstehung der biblischen Texte intensiv beteiligt war.

Die Bibel erforschen, „als ob es Gott nicht gäbe“?

Für Theologen, die mit dem vorherrschenden naturalistisch geprägten Wissenschaftsbegriff die Bibel erforschen wollen, hat das weitreichende Konsequenzen. In ihrer Forschung werden sie gezwungen, prinzipiell nicht damit zu rechnen, dass Gott direkt und unter Aufhebung der Naturgesetze ins Weltgeschehen eingegriffen hat. Sie müssen die Bibel so zu untersuchen, „als ob es Gott nicht gäbe“ („etsi deus non daretur“). Dabei glauben Theologen, die so arbeiten, durchaus daran, dass es Gott gibt. Aber in der praktischen Bibelforschung dürfen sie direkte göttliche Eingriffe ins Weltgeschehen nicht in ihre Überlegungen einbeziehen.

Zudem galt auch in der Bibelwissenschaft zunehmend die aufklärerische Maxime, dass nüchterne Wissenschaft jeden Forschungsgegenstand prinzipiell dem wissenschaftlichen Zweifel, also dem Urteil der menschlichen Vernunft, unterwerfen muss. Das wäre aber nicht möglich, wenn die Bibel eine göttliche Offenbarung wäre – denn göttliche Offenbarung kann nun einmal nicht kritisieren werden. Dann wäre die Theologie aber nach aufklärerischem Verständnis keine Wissenschaft mehr. Dann hätte sie auch an den Universitäten nichts mehr zu suchen.

Deshalb trifft es zu, wenn der finnische Professor Tapio Puolimatka schreibt: „Wenn Theologen zum Ausgangspunkt ihrer Forschung nehmen würden, dass Gott gesprochen habe und dass man Gottes Sprechen erkennen und verstehen könne, dann würden sie in einen Konflikt mit der breiten wissenschaftlichen Öffentlichkeit geraten.“[2]

Ein Gott, der spricht und verstanden wird, der somit das Weltgeschehen ganz direkt beeinflusst, der passt nicht ins Weltbild des (schwachen) Naturalismus. Diese faktische Selbstbeschränkung auf einen methodischen Naturalismus hatte ohne Zweifel gewaltige Konsequenzen für die Theologie und folglich auch für die Kirche.

4 Konsequenzen des methodischen Naturalismus für die Theologie

Das „Arbeitsbuch zum Neuen Testament“ von den Professoren Hans Conzelmann und Andreas Lindemann liegt mittlerweile in der 14. Auflage vor. Vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde es an den Universitäten vielfach in der studentischen Ausbildung eingesetzt. Aktuell wird an der 15. Auflage gearbeitet. Das Buch ist also durchaus nach wie vor aktuell.

Natürlich denken bei weitem nicht alle Theologen wie Conzelmann und Lindemann. Aber ohne Zweifel hatten diese beiden Theologen in den vergangenen Jahrzehnten erheblichen Einfluss. Besonders deutlich wurde die Denkweise von Prof. Lindemann in einem Interview, das er 1999 dem Magazin Spiegel gegeben hat.[3] Das Arbeitsbuch zum Neuen Testament und dieses Spiegel-Interview eignen sich besonders gut, um die Konsequenzen des methodischen Naturalismus für die Theologie nachzuvollziehen.

1.   Die Bibel kann keine übernatürliche Offenbarung sein!

Wenn Gott nicht direkt ins Weltgeschehen eingreift, dann kann die Bibel natürlich keine göttliche Offenbarung sein. Stattdessen gehen Prof. Conzelmann und Prof. Lindemann von einer anderen Sichtweise auf die Bibel aus. In ihrem Arbeitsbuch schreiben sie: „Die biblischen Texte werden methodisch nicht anders behandelt als andere literarische Zeugnisse, insbesondere solche der Antike. … Die Bibel enthält geschichtlich entstandene Dokumente, die – in großer Vielfalt theologischer Meinungen – den jüdischen bzw. christlichen Glauben bezeugen und darstellen.“ (S. 3)

Die Konsequenz ist klar: Wenn die Bibel keine göttliche Offenbarung ist sondern ein Buch wie jedes andere, dann wissen wir letztlich nichts Gesichertes über Gott, über Jesus und über die ewigen Fragen. Die Naturwissenschaft kann bei solchen Fragen schon aus methodischen Gründen nicht weiterhelfen. Denn Gott ist „transzendent“, d.h. er steht als Schöpfer jenseits dieser Welt – genau wie ein Regisseur hinter einem Film steht, im Film selbst aber nicht zu sehen ist. Auch wenn wir den Inhalt eines Films ganz genau erforschen – seine Handlung, die Schauspieler, die Kulissen, die Musik und die Spezialeffekte – wissen wir trotzdem so gut wie nichts über den Regisseur. Wir können zwar spekulieren, was uns der Film vielleicht über das Wesen des Regisseurs sagen könnte. Aber das bleibt Spekulation – es sei denn, der Regisseur baut sich selbst in eine Filmszene ein, so wie es Alfred Hitchcock regelmäßig getan hat. Noch viel mehr erfahren wir, wenn dem Film ein „Making of“ mit einem Interview des Regisseurs beigefügt wird. Nur wenn der Regisseur sich offenbart, können wir etwas verlässliches über ihn herausfinden. Ohne eine solche Offenbarung bleibt alles Spekulation.

So ist es auch bei Gott. Wir wissen nichts über ihn – außer das, was uns die Bibel offenbart. Wenn die Bibel aber gar keine Offenbarung sondern nur ein Werk mit sich widersprechenden menschlichen Meinungen ist, dann bleibt es unserer subjektiven Einschätzung überlassen, ob wir der Bibel folgen wollen oder nicht – und dann bleibt letztlich alles subjektive Spekulation. Dann verlieren die Theologie und die Kirche letztlich ihre Grundlage, weil sie über diesen Gott überhaupt nichts Verlässliches wissen oder sagen kann.

2.   Die biblischen Wundergeschichten können nicht historisch sein!

Eine 2. Konsequenz ist: Wenn Gott nicht wundersam in die Weltgeschichte eingreift, dann können die biblischen Wundergeschichten nicht historisch sein. Entsprechend äußert Prof. Lindemann im Spiegel-Interview: „Ich halte es für ausgeschlossen, dass Jesus die …  genannten Wunder getan hat. Solche Erzählungen gab es damals auch über andere große Männer.“

Was ist die Konsequenz dieser Annahme? Wenn die biblischen Wundergeschichten nicht geschehen sind, dann ist die Kernaussage des Johannesevangeliums, dass die Wunder Jesus als Messias ausweisen, falsch: „Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch. Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes.“ (Joh. 20, 31)

Als Johannes, der Täufer, Zweifel bekam, ob Jesus wirklich der Messias ist, schickte er aus dem Gefängnis heraus seine Jünger zu Jesus und ließ ihn fragen: Bist du der, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? Die Antwort Jesu unterstreicht, wie entscheidend wichtig die Wunder dem Evangelienschreiber sind: „Geht hin und sagt Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf.“ (Luk. 7, 22) Jesus machte also deutlich: Gerade diese Wunder sind es, die Jesus als den von den Propheten angekündigten Messias ausweisen.

Eine weitere Konsequenz ist deshalb: Wenn die biblischen Wundergeschichten nicht geschehen sind, dann sind die biblischen Texte insgesamt nicht vertrauenswürdig, weil sie selbst viele Wundergeschichten eindeutig als historische Geschehnisse einstufen. Oft wird zwar behauptet, es sei für den Glauben und die theologische Aussage der biblischen Texte nicht relevant, ob diese Wunder wirklich passiert sind oder ob diese Geschichten als Gleichnisse zu verstehen sind. Die Texte selbst machen aber immer wieder deutlich, dass sie tatsächlich historisch verstanden werden wollen. Und die Tatsächlichkeit der Wunder ist ein wesentlicher Teil ihrer theologischen Aussage! Deshalb werden die Texte zwangsläufig unglaubwürdig, wenn die Wunder nicht wirklich geschehen sind. Und deshalb wird auch die theologische Aussage der Texte ausgehöhlt, wenn man mit der historischen Tatsächlichkeit der Wunder nicht rechnen möchte. Besonders dramatisch wirkt sich das bei der Auferstehung Jesu aus:

3.   Jesus kann nicht leiblich von den Toten auferstanden sein!

Wenn Gott nicht in die Geschichte eingreift, dann kann Jesus auch nicht leiblich von den Toten auferstanden sein. Zumindest in der praktischen Forschung müssen Theologen dann von natürlichen Ursachen für die Entstehung des Osterglaubens ausgehen. Aber welche Ursachen könnten das sein? Die Jünger könnten Visionen oder Halluzinationen gehabt haben. Sie könnten sich selbst etwas eingeredet haben. Oder sie könnten ihr Festhalten an den Ideen und den Lehren Jesu mit dem Bild von der Auferstehung verknüpft haben.

Solche Theorien haben lange Zeit breiten Raum in der Theologie eingenommen. Conzelmann und Lindemann schreiben dazu: „Die immer wieder diskutierte Frage, ob die Auferstehung Jesu ein „historisches Ereignis“ sei, ist von vornherein abzuweisen.“ (S. 524) Im Spiegel-Interview wird Prof. Lindemann noch deutlicher: „Man würde auf dem Film die von Paulus erwähnten Menschen (die den Auferstandenen gesehen haben), vielleicht ihre Reaktionen, aber gewiss kein filmisch wahrnehmbares Gegenüber sehen.“

Wichtig ist, festzuhalten: Solche Theorien wurden nicht etwa aus einer genaueren Analyse der biblischen Texte abgeleitet, denn diese geben solche Deutungen ganz sicher nicht her. In den biblischen Ostergeschichten haben die Jünger Jesus angefasst. Sie haben mit ihm gesprochen. Sie haben mit ihm zusammen gegessen. Sie haben vom leeren Grab berichtet. Wenn Theologen trotz dieser absolut eindeutigen Texte zu dem Schluss kommen, die Auferstehung wäre nur eine Vision gewesen, dann steht dahinter besonders offenkundig die außerwissenschaftliche Denkannahme, dass es so etwas wie eine Auferstehung von den Toten aus biologischen Gründen eben nicht geben kann.

Die Konsequenz für den christlichen Glauben ist dramatisch. Denn wenn das Grab nicht leer war, verliert die christliche Auferstehungshoffnung im Kern ihre Basis. Die Bibel macht den Gläubigen ja ebenfalls Hoffnung auf eine eigene Auferstehung. Dabei gründet sie die Auferstehungshoffnung für die Christen auf die Auferstehung Jesu! Wie sollen wir auf unsere eigene Auferstehung hoffen, wenn Paulus schon in Bezug auf die Auferstehung Jesu geirrt hat? Entsprechend spricht Paulus dann auch Klartext, wenn er sagt: Wenn Jesus nicht auferstanden ist, „dann ist euer Glaube nutzlos …, dann lasst uns Feste feiern und uns betrinken, denn morgen sterben wir!“ (1. Korinther 15, 17+32) Die Auferstehungshoffnung stand von Beginn an im innersten Zentrum des christlichen Glaubens. Sie hat dazu geführt, dass sich das Christentum trotz massiver Verfolgung so rasant ausbreiten konnte. Wer die Botschaft vom leeren Grab durchstreicht, streicht die christliche Hoffnungsbotschaft im Kern durch.

4.   Es wird nicht mit vorhersagender Prophetie gerechnet!

Wenn Gott nicht in die Geschichte eingreift, dann gibt es auch keine vorhersagende Prophetie. So schreiben Conzelmann und Lindemann zum Beispiel: „Ebenso wie Matthäus (und wohl auch Markus) ist Lukas jedenfalls nach 70 verfasst worden; in Lk. 21,10 ist unmissverständlich auf die Belagerung Jerusalems am Ende des Jüdischen Krieges und auf die Zerstörung der Stadt angespielt.“ (S. 343) Die Autoren befassen sich in diesem Abschnitt mit der Frage: Wann sind eigentlich die Evangelien verfasst worden? Und ihre Argumentation lautet: Im Lukasevangelium spricht Jesus von der Belagerung und Zerstörung Jerusalems und des Tempels. Das ereignete sich im Jahr 70 nach Christus. Deshalb – so die Schlussfolgerung – müssen die Evangelien nach 70 nach Christus geschrieben worden sein. Denn erst da wusste man ja von dieser Zerstörung.

Dieses Argument ist für Conzelmann und Lindemann so stark, dass andere Argumente für eine frühere Entstehung der Evangelien gar nicht erst diskutiert werden: Denken wir nur an die Apostelgeschichte, die ganz plötzlich noch zu Lebzeiten des Paulus endet. Paulus starb etwa Mitte der 60iger Jahre den Märtyrertod. Warum hört die Apostelgeschichte vorher auf? Warum schrieb Lukas zwar ausführlich über den Märtyrertod von Stephanus, während er den Tod von Paulus und Petrus mit keinem Wort erwähnt? Warum kommt insgesamt die Zerstörung Jerusalems und des Tempels abgesehen von diesen prophetischen Ankündigungen nirgends vor im Neuen Testament? Dazu muss man sich vor Augen führen: Die Zerstörung des Tempels war sicher ein extrem traumatisches Erlebnis für alle Juden. Dass dieses Ereignis nirgends erwähnt wird ist eigentlich ein mächtiges Argument für eine frühere Datierung. Aber das zählt natürlich nicht, wenn man die Denkvoraussetzung hat, dass es vorhersagende Prophetie nicht gibt.

Aber der Ausschluss vorhersagender Prophetie hat noch mehr dramatische Konsequenzen: Wenn es keine biblischen Vorhersagen gibt, dann sind etwa 30 % der biblischen Texte eine Vorspiegelung falscher Fähigkeiten. Die Bibel ist schließlich voll von Prophetien und Vorhersagen und von der Behauptung, dass Vorhersagen sich tatsächlich erfüllt haben. Sie warnt sogar selbst vor falschen Propheten, die nur vortäuschen, etwas über die Zukunft zu wissen (z.B. 5. Mose 18, 22). Wenn aber die biblischen Propheten selbst nichts über die Zukunft wussten und zugleich vor falschen Propheten gewarnt haben, die nichts über die Zukunft wissen, dann müssten wir ihnen einen äußerst fragwürdigen Charakter unterstellen.

Eine weitere Konsequenz aus der Ablehnung vorhersagender Prophetie ist, dass die biblischen Texte erst spät nach den prophezeiten Ereignissen entstanden sind oder zumindest nachträglich manipuliert wurden. In der Folge sind dann auch die Evangelien keine Augenzeugenberichte mehr, weil sie erst viele Jahrzehnte nach Jesu Tod aufgeschrieben wurden. Die Konsequenz daraus ist, dass die Evangelien nicht den historischen Jesus zeigen sondern nur die Vorstellungen der urchristlichen Gemeinde über Jesus beschreiben. Prof. Lindemann sagt dazu im Interview: Dass es sich bei den Evangelien um Lebensbeschreibungen Jesu handelt, wird „seit Jahrzehnten von keinem ernst zu nehmenden Exegeten mehr behauptet.“ Ganz offenkundig handelte es sich bei dieser Sichtweise also nicht etwa um eine Außenseiterposition sondern vielmehr um den Mainstream in der universitären Theologie. Aber wie können wir einem Jesus vertrauen, von dem wir nichts Verlässliches wissen, weil die einzigen Aufzeichnungen über ihn religiös ausgeschmückte, verfälschte Geschichten sind? Ich könnte das jedenfalls nicht. Und ich habe Verständnis, dass viele Zeitgenossen in Bezug auf die Bibel abschalten und aus der Kirche austreten, wenn sie solche Äußerungen von Theologen hören.

Angesichts derart dramatischer Konsequenzen für den christlichen Glauben und die Kirche stellt sich umso mehr die Frage:

Hat sich der methodische Naturalismus in der Bibelwissenschaft bewährt?

Anders gefragt: Hat es sich denn gelohnt, diesen hohen Preis in der Theologie zu bezahlen? Eine gute wissenschaftliche Theorie zeigt sich ja daran, dass sie sich mit der Zeit verfestigt, dass sie immer stabiler wird, dass sie Vorhersagen machen kann, die dann auch tatsächlich eintreffen und dass unterschiedliche Wissenschaftler bei der Erforschung des gleichen Gegenstands zu den gleichen Schlüssen kommen. Ist das so in der universitären Bibelwissenschaft? Können wir das beobachten in der vom methodischen Naturalismus geprägten Theologie? Haben wir heute mehr Klarheit darüber, worin die Botschaft der Bibel besteht und wie ihre Texte auszulegen sind? Haben wir mehr Klarheit, was eigentlich das Evangelium ist und was im Zentrum der christlichen Botschaft steht? Und haben wir heute ein genaueres Bild vom historischen Jesus und von dem, was Jesus wirklich gelehrt und verkündigt hat? Sah Jesus sich selbst als Messias oder nicht? Wollte er eine Kirche gründen oder nicht? War Maria wirklich Jungfrau? War sein Tod ein bewusstes, stellvertretendes Sühneopfer oder war Jesus einfach ein Opfer der römischen Justiz? Ist Jesus wirklich auferstanden? Oder haben die Jünger nur Visionen gesehen? War das Grab wirklich leer? All das sind ja keine Randthemen des christlichen Glaubens. Und doch ist die Vielfalt an Meinungen zu allen diesen Themen und Fragestellungen fast unübersehbar. Der Theologe Prof. Heinzpeter Hempelmann schrieb deshalb:

„Wenn die Anwendung eines methodischen Instrumentariums bei der Auslegung biblischer Texte zu völlig unterschiedlichen und sogar gegensätzlichen Ergebnissen führt, gibt dies …  Anlass zur Rückfrage nach der Stringenz des Methodenkanons. … Christlicher Glaube und christliche Kirche haben seit nunmehr fast 2000 Jahren sehr genau gewusst, wovon im Neuen und Alten Testament die Rede ist, und genau dies hat diese religions-geschichtlich einzigartige Bewegung zur Bewegung gemacht und bis heute in Bewegung gehalten. Wenn wir dies heute mit unseren Methoden nicht mehr einzuholen wissen, … wenn neutestamentliche Exegese nicht mehr sagen kann oder will, wer der Jesus des Neuen Testamentes historisch ist, dann ist das bezeichnend für heutige Wissenschaft vom Neuen Testament.“[4]

Wenn Prof. Hempelmann mit dieser Aussage recht hat, dann müssten wir eigentlich konsequenterweise sagen: Nein, das spricht nicht dafür, dass die moderne historisch-kritische Methode ein erfolgreicher wissenschaftlicher Ansatz ist. Das wäre ein guter Grund, diesen methodischen Ansatz in Frage zu stellen, weil er keine stabilen Ergebnisse zu den zentralen Fragen der Bibelauslegung liefern kann.

10 Argumente für die Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Offenbarungsqualität der Bibel

Eine weitere Konsequenz des methodischen Naturalismus in der Theologie ist, dass Argumente für die Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Offenbarungsqualität der Bibel gar nicht erst diskutiert werden. Wer schon vor Beginn seiner Forschung die Vorentscheidung getroffen hat, dass es keine Wunder und keine Offenbarung gibt, der braucht sich mit Argumenten für die Historizität der Wunder und der Offenbarungsqualität der Bibel erst gar nicht auseinandersetzen. Denn das wäre ja unwissenschaftlich. Wie Schade! Denn in Wahrheit gibt es phantastische Argumente dafür, dass die Bibel tatsächlich ein Wunder göttlicher Offenbarung ist. 10 dieser Argumente wollen wir nun genauer betrachten:

1.   Die einzigartige Überlieferungs­qualität

Die ältesten Abschriften bekannter antiker Texte wie z.B. die Annalen von Tacitus oder die Ilias von Homer sind mindestens 400 Jahre jünger als das Original. Oft ist die Zeitdifferenz zwischen der Abfassung der Texte und der ältesten erhaltenen Abschrift noch viel größer. In allen Fällen haben wir nur relativ wenige historische Abschriften.

Beim Neuen Testament sieht das vollkommen anders aus. Die ältesten Abschriften, die wir heute noch besitzen, sind nur etwa 60 Jahre nach den Originalen entstanden. Dazu kommt: Es gibt ganze Berge von antiken Zeugnissen! Wir verfügen heute über ca. 5700 griechische Handschriften. Dazu kommen Übersetzungen ins Lateinische und in andere Sprachen sowie zahllose Zitate in antiken Schriften.

Das heißt: Die Qualität der Überlieferung des Neuen Testaments spielt im Vergleich zu allen anderen antiken Schriften in einer ganz eigenen Liga! Kein anderes Dokument ist auch nur annähernd so verlässlich überliefert wie das Neue Testament.

An der Universität Münster werden alle diese Textzeugnisse genau ausgewertet mit dem Ziel, einen möglichst genauen Urtext zu rekonstruieren. Das Zwischenergebnis ist: 99,9 % des Textes hat sich als absolut zuverlässig erwiesen! Der Projektleiter Prof. Holger Strutwolf sagt: „Insgesamt ist die Überlieferung der Bibel sehr gut und sehr treu. In den theologischen Punkten gibt es unter den Abertausenden Handschriften kaum Abweichungen.“ [5] Anders ausgedrückt: Wir können uns darauf verlassen, dass das, was wir heute lesen, tatsächlich das ist, was die biblischen Autoren damals geschrieben haben!

2.   Die Texteigenschaften authentischer Augenzeugenberichte

Die sehr gute Qualität der Überlieferung muss allerdings noch nicht heißen, dass ihre Inhalte zuverlässig sind. Haben sich die biblischen Autoren vielleicht nur lückenhaft erinnert, vieles verdreht und verwechselt?

Dagegen sprechen einige Eigenschaften des Textes im Neuen Testament, die darauf hindeuten, dass hier tatsächlich Augenzeugen geschrieben haben. Besonders eindrücklich ist die korrekte Häufigkeit der Namen und die richtige Namensverteilung in den Evangelien. Die Verwendung von Namen war schon immer eine Frage des Geschmacks, der einem starken Wandel unterlag. Durch die Auswertung von Gräbern konnte inzwischen recht gut rekonstruiert werden, welche Namen zur Zeit des Neuen Testaments besonders in Mode waren: 15,6 % aller Männer trugen die 2 häufigsten männlichen Namen Simon und Joseph. 28 % aller Frauen hießen entweder Maria und Salome. Dieser Befund deckt sich sehr genau mit der Häufigkeit der Namen im Neuen Testament. Besonders erstaunlich ist: Der Vergleich der 9 häufigsten Männernamen der damaligen Zeit mit den 9 häufigsten Männernamen im Neuen Testament deckt sich das sogar ganz hervorragend.

Das ist deshalb so bedeutsam, weil man eine genaue Namensverteilung Jahrzehnte später nicht mehr rekonstruieren kann. Ganz offenkundig haben hier also Leute geschrieben, die genau wussten, wie die Leute, die in den Geschichten vorkamen, tatsächlich hießen.

Das gleiche gilt für die zahlreichen Ortsnamen, die wir in den Evangelien finden. Interessant ist dabei der Vergleich mit den apokryphen Evangelien: Dort kommen Ortsnamen nämlich kaum vor! Das zeigt: Ortsnamen verwendet man nur, wenn man sich wirklich auskennt. Leute, die einen Bericht sehr viel später verfassen, können sich an solche Details ganz offenkundig nicht mehr erinnern.

Darüber hinaus enthält das Neue Testament zahlreiche korrekte historische Angaben. Prof. Puolimatka zitiert dazu den Forscher Colin Hemer, der die Kapitel 13 – 28 der Apostelgeschichte auf historisch überprüfbare Angaben ausgewertet hat. Im Ergebnis konnte Hemer in den 16 Kapiteln 84 korrekte historische Angaben nachweisen.[6] Das zeigt: Hier schreibt jemand, der wirklich dabei gewesen ist und entweder selbst Augenzeuge war oder aber seine Berichte auf Basis von Augenzeugenberichten erstellt hat, so wie Lukas das ja auch selbst von seinen Berichten behauptet hat.[7]

3.   Der enorme Erfolg in der Zeit und der Region der Augenzeugen

Es ist relativ einfach, wilde Geschichten über Ereignisse in weit entfernten Regionen in längst vergangenen Zeiten zu verbreiten, weil sie von niemand überprüft werden können. Ganz anders ist das bei Berichten über Ereignisse, die in der eigenen Zeit und der eigenen Region stattgefunden haben. Trotz dieser Überprüfbarkeit haben sich die biblischen Berichte in der Zeit und der Region der Augenzeugen extrem schnell ausgebreitet. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus berichtet, dass Kaiser Nero bereits im Jahr 64 nach Christus den Christen den Brand Roms in die Schuhe geschoben hat. Das heißt: Trotz fehlender Kommunikations- und Verkehrsmittel hatte sich die christliche Botschaft bereits 30 Jahre nach Jesu Tod bis ins weit entfernte Rom derart erfolgreich ausgebreitet, dass Nero sich genötigt fühlte, dieser neuen Religion einen kräftigen Dämpfer zu verpassen!

Der Althistoriker Dr. Jürgen Spieß berichtet, dass es unter Historikern völlig unbestritten ist, dass sich das Leben der Nachfolger Jesu in einem unglaublichen Ausmaß umgekrempelt hat. Bei sehr vielen Menschen gab es ganz offenkundig einen drastischen Bruch mit fest verankerten Traditionen. Besonders erstaunlich ist die Tatsache, dass so viele streng monotheistische Juden plötzlich begannen, den gekreuzigten Jesus als Gott anzubeten! Damals hatte Tradition eine sehr viel stärkere Bindungskraft als heute. Für einen derart drastischen Traditionsbruch fehlt bis heute jede natürliche Erklärung![8]

4.   Die extreme Opferbereitschaft der Zeugen

Der Geschichtsschreiber Tacitus berichtet eindrücklich von der grausamen Christenverfolgung in Rom: „Nero gab denen, die … das Volk Christen nannte, die Schuld und belegte sie mit den ausgesuchtesten Strafen. … In Felle wilder Tiere eingenäht wurden sie von Hunden zerfleischt oder mussten ans Kreuz geschlagen und angezündet nach Einbruch der Dunkelheit als nächtliche Beleuchtung brennen.“

Der Bericht von Tacitus ist nur einer von vielen Belegen, die zeigen: Die erste christliche Generation war einem brutalen Verfolgungsdruck ausgesetzt. Die meisten der Jünger Jesu starben den Märtyrertod. Der jüdische Geschichtsschreiber Josephus berichtet, dass auch Jakobus, der leibliche Bruder Jesu, der die Gemeinde in Jerusalem mit geleitet hat, den Märtyrertod für seinen Glauben an Jesus starb. Ist eine derartige Opferbereitschaft überhaupt denkbar, wenn Jesus nicht tatsächlich sichtbar auferstanden ist?

Die Jünger Jesu (und erst recht sein leiblicher Bruder Jakobus) wussten genau, ob die Botschaft von der Auferstehung stimmt oder ob es sich um eine Lüge handelt. Diese Menschen haben nicht nur ihr Leben umgekrempelt, sie haben nicht nur ihre Tradition über Bord geworfen, sie waren auch noch bereit, für diese Botschaft in den Tod zu gehen. Kann man all das wirklich durch eine Lüge oder durch einen psychologischen Effekt erklären?

5.   Das ungewöhnliche, unpopuläre Gottesbild

Zumal man eine Lüge normalerweise nur dann in die Welt setzt, wenn man sie für erfolgversprechend hält und man sich von ihr einen Vorteil verspricht. Aber was für ein Vorteil sollte das bei der Botschaft der ersten Christen gewesen sein? Ihre Botschaft war doch extrem seltsam: Ein göttlicher König, der weitgehend unbemerkt bei unbedeutenden Leuten in einem Stall geboren und dann am Kreuz ermordet wird. Im 5. Mose 21, 23 ist zu lesen: „Ein [am Holz] Aufgehängter ist verflucht bei Gott.“ Der Kreuzestod wurde in der damaligen Kultur so verachtet, dass es bis zum 4. Jahrhundert gedauert hat, bis das Kreuz zunehmend zum Symbol der Christen wurde. Es ist somit kein Wunder, dass Paulus schrieb: „Wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit.“ (1. Kor. 1, 23) Die Botschaft vom gekreuzigten Gott war also alles andere als attraktiv! Sie war im Gegenteil eine Provokation und ein Ärgernis. Und trotzdem war sie unfassbar erfolgreich, so dass reihenweise Menschen bereit waren, für diese Botschaft zu sterben. Wie kann man sich das erklären außer dadurch, dass die Ereignisse, die im neuen Testament geschildert werden, wirklich geschehen sind und dass Jesus wirklich von den Toten auferstanden ist?

6.   Die drastische Ehrlichkeit und
fehlende Idealisierung

Geschichtsschreiber wurden in der Antike oft von Herrschern beauftragt oder zumindest streng kontrolliert. Deshalb wurden viele Herrscher zu Helden oder gar zu Göttern verklärt. Deshalb wurden viele Herrscher zu Helden oder gar zu Göttern verklärt. Dazu wurde die eigene Nation oft heroisiert und so dargestellt, als wäre ihre Geschichte voll von ruhmreichen Heldentaten. Wir kennen das auch von heutigen Diktatoren. Nicht so in der Bibel! In ihr finden wir keine idealisierten Überflieger. In ihr finden wir nur Menschen mit Stärken und Schwächen.

Selbst die größten Helden der biblischen Geschichte blamieren sich reihenweise bis auf die Knochen: Noah hat sich betrunken. Abraham, der Vater des Glaubens, hat seine Frau mehrfach feige im Stich gelassen. Die Karriere Jakobs, des Namensgebers Israels, basierte auf einem Betrug. Mose war ein Mörder. Das Volk Israel war glaubensschwach und untreu. König David war ein Ehebrecher und Mörder. Der weise König Salomo betete Götzen an. Petrus hat Jesus verleugnet. Paulus hat sich mit Barnabas und Petrus zerstritten…

Besonders auffällig: Frauen waren die ersten Zeugen der Auferstehung! Das ist bemerkenswert, denn das Zeugnis von Frauen galt damals als wertlos.[9] Wer seine Mitmenschen von der Auferstehung überzeugen wollte brauchte also Männer als Zeugen. Und wer Andere von der Autorität und dem Vorbildcharakter eines Abraham, Jakob oder Petrus überzeugen will, braucht Helden statt Versager. Trotzdem ist die Bibel durchgängig ehrlich und realistisch. Sie hat diesen einzigartigen Klang der Wahrheit, der sie von allen Epen und Heldengeschichten unterscheidet.

7.   Die durchgängige Geschichte

Die Bibel besteht aus 66 Büchern. Sie wurde von mindestens 40 Autoren verfasst, die über einen Zeitraum von etwa 1600 Jahren in völlig verschiedenen Kulturen gelebt haben. Trotzdem enthält die Bibel eine durchgängige, sich immer weiter entfaltende Geschichte. Sie beginnt damit, wie die Beziehung zwischen Gott und Menschen zerbricht. Und sie endet damit, wie diese Beziehung wiederhergestellt wird und Gott wieder bei den Menschen wohnt. Durchgängig schildert die Bibel diesen heiligen und zugleich liebenden Gott, der alles dafür tut, um die Beziehung zu den Menschen wiederherzustellen. Schon auf den ersten Seiten beginnen die Hinweise auf einen geheimnisvollen Nachkommen Evas, der zwar von der Schlange gebissen, ihr aber den Kopf zertreten wird. (1. Mose 3, 15) Danach folgt die Bibel durchgängig immer dieser einen Abstammungslinie, die schlussendlich zu Jesus führt.

Insgesamt finden sich etwa 63.000 Querverweise in der Bibel. Grafisch dargestellt wird deutlich: Die Bibel ist ein Gesamtkunstwerk, in dem jeder Text mit vielen anderen Texten verknüpft ist. Die große Frage ist: Wer hat in diesem Buch die Regie geführt? Wer hat den roten Faden durch dieses Buch gelegt? Wer hat darauf geachtet, dass alle 40 Autoren an dieser einen Geschichte weiterschreiben?

8.   Die zahllosen erfüllten Vorhersagen

Die Bibel ist ein Buch, das ein gewaltiges Risiko eingeht. Etwa 30 % der biblischen Texte enthalten prophetische Vorhersagen für die Zukunft. Zugleich wird immer wieder gewarnt: Wenn Vorhersagen nicht eintreffen, dann müssen die Propheten verworfen werden. Es ist höchst gefährlich, solche Texte zu schreiben, wenn man die Zukunft nicht wirklich vorhersehen kann. Die Bibel ist dieses Risiko eingegangen. Und das Gewaltige ist: Tatsächlich haben sich zahllose Vorhersagen der Bibel buchstäblich erfüllt:

Der Prophet Jesaja sagte nicht nur voraus, dass der Tempel zerstört wird, sondern auch, dass er später wieder aufgebaut wird. Er nannte sogar den Namen des Herrschers Kyrus, der diesen Wiederaufbau voranbringen wird (Jes. 44, 28).

Der Prophet Daniel sagte die nach ihm kommenden 4 Weltreiche voraus. Über Jesus gibt es zahlreiche Vorhersagen: Die Geburt in Betlehem (Micha 5, 1), die Abstammung aus dem Stamm Juda (1. Mose 49, 10), der Einzug in Jerusalem auf einem Esel (Sacharja 9, 9) sowie viele Details und sogar der Zeitpunkt der Kreuzigung (Psalm 22, Jesaja 53, Daniel 9, 24-27[10]).

Dass es viele korrekte Vorhersagen in der Bibel gibt, ist weitgehend unbestritten. Deshalb wird seit langem diskutiert, ob entweder die Texte oder aber die spätere Geschichte nachträglich manipuliert wurden. So könnten z.B. die Evangelisten behauptet haben, dass Jesus in Bethlehem von einer Jungfrau geboren wurde, damit es gut zu den prophetischen Vorhersagen passt – obwohl Jesus eigentlich in Nazareth geboren worden war. Die Frage ist nur: Ist das glaubwürdig? Hat zum Beispiel Jakobus, der leibliche Bruder Jesu und Leiter der Gemeinde in Jerusalem, wirklich die Behauptung des Geburtsorts Bethlehem mitgetragen, obwohl er genau wusste, dass das gar nicht stimmt? Haben die jüdischen Schriftgelehrten, denen doch eine ausgeprägte Ehrfurcht vor ihren heiligen Texten nachgesagt wird, wirklich regelmäßig und in großem Umfang die Texte der Propheten manipuliert, um nachträglich den Anschein zu erwecken, dass es sich um korrekte Vorhersagen handelt?

Besonders schwierig zu erklären sind die Vorhersagen, die die Bibel für die Neuzeit gemacht hat. Schon in den Mosebüchern lesen wir erstaunliche Vorhersagen über das Volk Israel: Das Volk würde unter alle Nationen zerstreut und dort verfolgt werden (5. Mose 28, 64-65, 3. Mose 26, 38). In der Zeit des Alten Testaments ist Israel zwar verschleppt worden. Aber die Zerstreuung unter alle Nationen begann tatsächlich erst im 1. Jahrhundert nach Christus. Seither gab es kein Volk, dass durch alle Zeiten hindurch und in allen Kulturen so irrational gehasst und verfolgt worden ist wie die Juden, so dass fast jedes Kind den Fachbegriff kennt für diesen Hass: Antisemitismus. Für welches andere Volk kennen wir einen solchen Begriff?

Am unglaublichsten aber ist sicher die vielfache biblische Vorhersage, dass die Juden aus allen Ecken der Welt wieder in ihr Land zurückkehren werden (Hes. 11,17; 36,13; Jes. 43,5-6; Jer. 16,14-15). Viele Jahrhunderte lang schien die Erfüllung dieser Vorhersagen undenkbar. Aber seit dem Ende des 19. Jahrhunderts geschieht es vor unseren Augen: Die Juden kehren in ihr Land zurück aus allen Ländern der Welt. Wir müssen uns klar machen, was da geschehen ist: Ein Volk, das 2000 Jahre lang in alle Welt verstreut ist, behält trotzdem seine Kultur und seine Identität und kehrt dann wieder zurück in sein Land. Das ist ein absolut einmaliger Vorgang der Weltgeschichte. Die Bibel hat genau das schon vor mehr als 2.000 Jahren vielfach angekündigt.

Jesus hat zudem angekündigt, dass seine Worte nie vergehen (Lukas 21,33) und in aller Welt gepredigt werden (Matth. 24,14) – eine extrem gewagte Ankündigung für einen Wanderprediger in einem unbedeutenden Land, der seine Worte nicht einmal aufgeschrieben hat. Heute ist die Bibel tatsächlich das mit großem Abstand am weitesten verbreitete und am meisten übersetzte Buch der Welt. Wir stehen kurz davor, dass buchstäblich jedes Volk der Erde die Worte Jesu in seiner Sprache hören kann. Können das denn wirklich alles Zufälle sein?

9.   Das zutreffende Welt- und Menschenbild und die wegweisende Ethik

Die Bibel liefert insgesamt ein Weltbild, das den Test der modernen Wissenschaft hervorragend bestanden hat! Sie sagt voraus, dass wir bei der Erforschung der Welt immer mehr natürliche Erklärungen für die Naturphänomene finden werden, weil das Geschaffene nicht göttlich ist und somit nach festen Gesetzen funktioniert. Aber sie sagt auch voraus, dass wir bei den Ursprungsfragen immer mehr Anzeichen von Design und bewusster Planung finden werden, weil die Welt von Gott geschaffen wurde. Tatsächlich können wir heute staunen über die extreme Feinabstimmung des Universums oder über extrem ausgeklügelte molekulare Maschinen. Je mehr Entdeckungen wir machen, umso mehr bestätigen sich die biblischen Vorhersagen.[11]

Das gilt auch für das biblische Menschenbild. Die Bibel verleiht jedem Menschen zwar eine unveräußerliche Würde, zugleich schmiert sie uns Menschen aber auch keinen Honig um den Mund. Sie schildert sehr realistisch, dass der Mensch im Kern eben nicht gut, sondern unheilbar mit dem Bösen verstrickt ist (1. Mose 8,21; Röm. 3,12). Die Weltgeschichte hat diese Sichtweise durchgängig und eindrücklich bestätigt. Gesellschaftssysteme, die auf einen guten Kern im Menschen setzen (Sozialismus, Kommunismus) sind bislang immer krachend gescheitert. Erfolgreich waren hingegen Systeme, die auf dem menschlichen Egoismus aufbauen (Kapitalismus, soziale Marktwirtschaft) und in denen jeder Mensch, der Macht hat, effektiv kontrolliert wird (Demokratie).

Umso wertvoller sind die herausragenden biblischen Texte über Ethik und ein gelingendes menschliches Zusammenleben. Texte wie die 10 Gebote oder die Bergpredigt haben weltweit die Kulturen mehr geprägt als jedes andere Buch der Welt.

10.    Der Selbstanspruch, göttliche Offenbarung zu sein

Die Bibel ist voller Aussagen, dass in ihr nicht primär Menschen sprechen sondern Gott selbst. Jeremia schreibt zum Beispiel: „Der Herr sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund.“ (Jer. 1,9) Ganz ähnlich äußert sich Paulus, wenn er sagt: „Das Evangelium, das von mir gepredigt ist, ist nicht von menschlicher Art … sondern eine Offenbarung Jesu Christi.“ (Gal. 1,11-12) Diese extrem steilen Selbstbehauptungen führen zu einer großen Frage:

Die Bibel: Was ist das eigentlich?

Ist die Bibel einfach eine Sammlung inspirierender Berichte über religiöse Erfahrungen und Ideen? Sind das kluge Lehren über Gott und Moral? Tatsache ist: Genau das wollen die biblischen Texte ausdrücklich nicht sein! In der Welt gibt es viele religiöse Erfahrungsberichte und interessante Abhandlungen über religiöse Themen. Aber dieses Buch hat den Anspruch, eine Offenbarung Gottes zu sein! Wenn jemand seine Lehre oder seine Erfahrungen mit diesem Anspruch verknüpft, dann müssten wir doch eher sagen: So ein Text muss ein Werk von Lügern oder die Phantasie von religiösen Schwärmern sein. Aber passt diese These zu den Eigenschaften der biblischen Texte? Denken wir an die wegweisende Ethik, das zutreffende Welt- und Menschenbild, die vielen erfüllten Vorhersagen, die extreme Opferbereitschaft der Zeugen, die extreme Ehrlichkeit der biblischen Texte… Nein, hier waren keine Lügner und auch keine Schwärmer am Werk. Die Inhalte und Eigenschaften der Texte sprechen vollkommen dagegen.

Aber was ist die Bibel dann? Es bleibt nur eine Möglichkeit: Die Bibel ist das, was sie selbst behauptet zu sein: Gottes offenbartes Wort. Tatsächlich bezeugen Menschen in der ganzen Welt: Dieses Buch verändert Leben. Es verändert ganze Kulturen.[12] Wir haben wirklich allen Grund, diesem Buch unser Vertrauen zu schenken, unser Leben und unsere Gesellschaft darauf aufzubauen.                                 n

____________________________________________________________________

Dr. Markus Till, veröffentlicht im April 2020

Die Inhalte dieses Artikels wurden zunächst für einen Vortrag erarbeitet, der am 1.11.2019 auf einer Tagung des deutschen christlichen Technikerbunds (DCTB) gehalten wurde.

Weiterführend zu diesem Thema sind im AiGG-Blog (blog.aigg.de) folgende Artikel erschienen:

[1] Sehr empfehlenswert dazu ist der Worthausvortrag von Prof. Peter Wick „Das Mys­te­ri­öse – Von der rationalen Wunderkritik über den postmodernen Wunderglauben zurück zu Jesus“

[2] Tapio Puolimatka, „Glaube, Naturwissenschaft und Bibel“, Ruhland-Verlag, 2018, S. 28

[3] „Ist Jesus dem Glauben im Weg“, Der Spiegel, 13.12.1999

[4] In: „Was heißt christlicher Glaube? Reflexionen über einen ebenso notwendigen wie unmöglichen Begriff“, in: Theologische Beiträge 44 (2013) 4/5, S.

185–201, hier: S. 197.

[5] Nähere Informationen dazu im AiGG-Artikel „Meister der Überlieferung“(blog.aigg.de/?p=1924)

[6] In T. Puolimatka: „Glaube, Wissenschaft und die Bibel“, Ruhland-Verlag 2018, S. 486 ff.

[7] Lukas 1, 1-4; Man beachte dazu auch die Passagen der Apostelgeschichte, die in „Wir-Form“ verfasst sind, z.B. Apg. 16, 10 ff.

[8] Siehe dazu z.B. den Vortrag von Dr. Jürgen Spieß: „Ein Althistoriker über die Glaubwürdigkeit des NT“

[9] So schrieb z.B. der jüdische Geschichtsschreiber Josephus: „Das Zeugnis der Frau ist nicht rechtsgültig wegen der Leichtfertigkeit und Dreistigkeit des weiblichen Geschlechts.“

[10] Siehe dazu den AiGG-Artikel: „Hat Daniel das Datum der Kreuzigung vorhergesagt?“ (blog.aigg.de/?p=2204)

[11] Siehe dazu der Vortrag von Markus Till: „Außerwissenschaftliche Vorannahmen – Denkvoraussetzungen von Wissenschaftlern und Theologen“

[12] Die kulturverändernde Kraft der Bibel wurde eindrücklich dargelegt vom Inder Vishal Mangalwadi in seinem „Buch der Mitte“.

Mission und Schriftvertrauen – 5 Gründe, warum das eine nicht ohne das andere geht

Spielt unser Bibelverständnis eine Rolle für unsere missionarische Dynamik? Seltsamerweise wird diese Frage kaum gestellt. Oft höre ich stattdessen: Über das richtige Bibelverständnis wird man sich ohnehin nie einigen können, selbst unter den Konservativen nicht. Die verschiedenen fruchtbaren missionarischen Initiativen seien keinesfalls auf ein bestimmtes konservatives Schriftverständnis fixiert. Deshalb sollten wir uns auf unserer Suche nach neuer missionarischer Dynamik doch lieber auf die praktischen Themen konzentrieren, statt über solche theologische Fragen zu streiten.

Tatsächlich scheint in vielen Veranstaltungen und Veröffentlichungen zum Thema Mission (wie z.B. im Buch „Mission Zukunft“) trotz vieler guter Impulse die Frage nach dem Schriftverständnis und der theologischen Ausbildung kaum eine Rolle zu spielen. Auch beim 3-tägigen Zukunftsforum der deutschen evangelischen Allianz wurden ohne Zweifel zahllose wertvolle Ideen für mehr missionarische Dynamik bedacht. Aber schon beim Lesen des Berichts fiel mir auf, was am Ende dann auch als Äußerung eines Teilnehmers wiedergegeben wird: „Die Bibel sei als Thema untergegangen…“

Im Grunde kann ich das ja auch verstehen. Bis vor etwa 2 Jahren hatte ich den Eindruck, dass die Evangelikalen sich in den wichtigen Fragen zur Bibel im Grunde einig und die Differenzen nebensächlich sind. Im Vordergrund stand für mich die Einheit der Jünger Jesu als DIE wesentliche Grundlage für erfolgreiche missionarische Arbeit (Joh. 17,23). Eine große Koalition für die Mission schien mir deshalb doch ungleich wichtiger, als sich in theologischen Debatten zum Schriftverständnis zu verhaken. Schließlich kommt kein einziger Mensch durch Debatten zum lebendigen und rettenden Glauben an Jesus. Oder?

Grundsätzlich bin ich dieser Meinung immer noch. Am Ende ist entscheidend, dass die Kirche missionarische Dynamik gewinnt. Eine Schriftdebatte um der Schriftdebatte Willen hilft niemandem. Allerdings bin ich seit kurzem auch zu folgender Überzeugung gelangt:

Eine nachhaltige missionarische Dynamik ist nicht möglich ohne das Vertrauen in den Offenbarungscharakter der Heiligen Schrift!

Lassen Sie mich die 5 Gründe erläutern, die diesen Meinungsschwenk bei mir bewirkt haben:

1. Ohne Bibelvertrauen verlieren wir den Inhalt unserer Mission

Die Kirche ist ein „Botschafter an Christi statt“ (2.Kor.5,20). Das heißt: Sie hat keine eigene Botschaft, sondern den Auftrag, die Botschaft Christi in der Welt weiter zu sagen. Den Inhalt dieser Botschaft kennen wir einzig und allein aus der Bibel. Wenn die Kirche dieses Dokument in Frage stellt, hat sie keine Basis mehr, worauf sie ihre Botschaft gründen könnte.

Und tatsächlich zeigt sich in der Praxis: Wenn die Bibel nicht mehr als Offenbarung angesehen wird, sondern höchstens als menschliches und somit fehlerhaftes Zeugnis der Offenbarung, dann ist die Tür ganz offenkundig weit offen für unterschiedlichste Meinungen, auch zu den grundlegendsten und innersten Fragen des christlichen Glaubens. Die nachfolgende Liste stellt nur eine Auswahl von Fragen dar, die früher von Evangelikalen selbstverständlich gemeinsam mit einem leidenschaftlichen JA beantwortet wurden, die heute aber auch unter Evangelikalen zur Diskussion stehen und teilweise sogar offen verneint werden:

  • Ist Jesus leiblich auferstanden?
  • Wurde Jesus von einer Jungfrau geboren? War der irdische Jesus nicht nur ganz Mensch, sondern auch ganz (präexistenter) Gott?
  • War der Tod Jesu ein bewusst herbeigeführtes stellvertretendes Sühneopfer?
  • Ist der Glaube an den biblischen Jesus Christus der einzige Weg zu Gott und zum ewigen Leben? Gibt es somit eine Dringlichkeit der christlichen missionarischen Botschaft, weil der Weg ohne Jesus in die Gottferne führen kann, die die Bibel „Hölle“ nennt?
  • Bedeutet Mission primär, Menschen in die Nachfolge Jesu zu führen, statt sie nur für ein „jesusmäßiges“ Verhalten zu gewinnen?
  • Ist das Herz des Menschen im Kern unheilbar mit der Sünde verstrickt? Braucht der Mensch somit im Kern Erlösung von seinem sündigen Herzen, statt nur von schlechten Umständen?
  • Führt christlicher Glaube auch zu ethischen Normen, die für Christen heute noch bindend sind?

Die Liste ließe sich fortsetzen. Wohl eher kurz würde hingegen die Liste der Punkte, über die sich im Grunde alle einig sind. Dazu würde wohl gehören, dass Gott Liebe ist. Aber schon bei der Frage, was das praktisch bedeutet und wie sich diese Liebe ausdrückt, wäre die Einigkeit wohl zu Ende.

Nun ist der Umstand, dass es unter Christen theologische Differenzen gibt, eine Selbstverständlichkeit – auch bei Detailfragen zum Schriftverständnis. Uneinigkeit bei theologischen Randfragen gab es schon immer. Das müssen und dürfen wir fröhlich aushalten lernen. Aber die oben genannten Fragen betreffen nicht nur den Rand, sondern den innersten Kern des christlichen Glaubens und damit auch der Evangeliumsbotschaft. Wenn diese Fragen unterschiedlich beantwortet werden, dann müssen wir ehrlicherweise von unterschiedlichen Evangeliumsbotschaften sprechen – egal auf welcher Seite des Meinungsspektrums wir stehen. Wir haben dann nur die Wahl zwischen den beiden folgenden Optionen:

  1. Wir dünnen die missionarische Botschaft auf den kleinsten gemeinsamen Nenner aus. Dann wird unsere Botschaft zwangsläufig verwaschen – und letztlich verstummt sie, wie Steffen Kern in „Mission Zukunft“ (S. 225) schreibt: „Selbst in den zentralsten Glaubens- und Lebensfragen werden viele unsicher. Was früher manchmal so klar schien, scheint auf einmal zwischen den Fingern zu zerrinnen. Die Kirchen und Gemeinden, die Haltungen und Positionen werden pluraler, Orientierung zu finden immer schwieriger. Darum verfallen wir über Frömmigkeitsgrenzen hinweg ins Schweigen.“ Wenn wir das nicht wollen, bleibt nur die 2. Option:
  2. Wir schicken verschiedene, sich widersprechende Botschaften in die Welt. Aber wenn nicht einmal wir Christen uns einig sind, was eigentlich im Kern unsere Botschaft ist: Wer soll uns das dann noch abkaufen?

Womit wir bereits beim zweiten Grund wären, warum Bibelvertrauen untrennbar mit der missionarischen Dynamik verknüpft ist:

2. Ohne Bibelvertrauen verlieren wir unsere Einheit und Glaubwürdigkeit

Die Einheit der Christen ist gemäß der Aussage unseres Herrn entscheidend für die Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft in der Welt (Joh.17, 23). Dass dieses Prinzip stimmt, erleben auch unsere politischen Parteien. Innerparteilicher Streit schadet immer den Umfragewerten. Politiker müssen sich deshalb sehr genau überlegen, welcher innerparteiliche Streit sich tatsächlich lohnt. Meine Antwort wäre: Der Streit lohnt sich auf jeden Fall dann, wenn die Basis des Zusammenhalts gefährdet ist. Für die Einheit der Christen ist die Bibel ohne Frage von grundlegender Bedeutung. Elke Werner schreibt dazu in „Mission Zukunft“ (S. 340): „Bei aller konfessionellen und missionarischen Offenheit ist es zugleich wichtig, einen Maßstab zu haben, der für alle verbindlich ist. Das sind für uns die Bibel und ihre sinnstiftenden und Orientierung gebenden Anweisungen für ein gelingendes und von Gott gesegnetes Leben.“

Natürlich wird es immer Auseinandersetzungen um die richtige Auslegung der Bibel geben. Aber ohne Vertrauen in den Offenbarungscharakter der Bibel gibt es überhaupt keine Grundlage mehr, auf deren Basis wir uns überhaupt streiten könnten. Jesus selbst hat in theologischen Debatten immer auf der Basis der Schrift argumentiert („Habt ihr nicht gelesen?“). Ist die Autorität der Bibel aber in Frage gestellt, dann ist eine Einigung auf bestimmte Kernaussagen des christlichen Glaubens im Grunde nur noch durch Machtmittel möglich, sei es durch Dominanz in den Ausbildungsstätten und Machtzentralen, sei es durch die Definition eines Lehramts der Kirche, sei es durch die Forderung nach Akzeptanz der Ergebnisse der akademischen Bibelwissenschaft oder durch die Suche nach Dominanz im öffentlichen Diskurs und Diskreditierung von Andersdenkenden. Die Alternative dazu wäre, eine Einheit auf Basis von Lehraussagen grundsätzlich abzulehnen und jede subjektive (Erfahrungs-)Theologie als gleich gültig stehen zu lassen. Das Problem daran ist: Wenn alles gleich gültig ist, dann ist im Grunde alles gleichgültig. Dann verliert unsere Botschaft ihre Relevanz – ein Phänomen, unter dem die großen Kirchen heute ganz besonders leiden.

Beide Ansätze kann man in der Praxis beobachten, manchmal sogar in kombinierter Form. Aber keiner dieser Ansätze kann jemals zu echter Einheit führen. Die Kirche ist ein Geschöpf des Wortes („Creatura verbi“). Ihre Einheit basiert unter anderem darauf, dass sie sich aus diesem Wort heraus definiert. Einheit ist ein extrem hohes und zudem äußerst umkämpftes Gut. Es gibt viele Faktoren, die sie gefährden. Es wäre ein dramatischer Fehler, diese Einheit wegen Differenzen in theologischen Randfragen zu verlieren. Aber bei den Kernfragen und Knackpunktthemen des Glaubens lohnt es sich, auf biblischer Basis zu streiten – gerade um der Einheit der Kirche Jesu willen.

3. Ohne Bibelvertrauen verlieren wir Motivation und Opferbereitschaft

Im Buch „Mission Zukunft“ berichtet Pfarrer Alexander Garth von folgender Beobachtung in der bunten Gemeindeszene in Berlin: „Erfolgreiche missionarische Arbeit braucht eine konservative Theologie, weil nur diese das hohe Commitment ihrer Gemeindemitglieder zu generieren vermag, das nötig ist, damit die Dynamik für eine wachsende Gemeinde entsteht.“ (S. 292) Woran liegt das? Fakt ist: Mission und Gemeindebau ist (manchmal harte) Arbeit. Sie erfordert den Einsatz von Zeit, Kraft und Geld. Wer sich mit der Geschichte von Pioniermissionaren befasst, merkt schnell: Der einzige Grund, der es rechtfertigt, Hab und Gut aufzugeben und sogar sein Leben aufs Spiel zu setzen, um fernen Völkern das Evangelium zu bringen, ist die Dringlichkeit der Botschaft, die in den beiden folgenden simplen Sätzen zum Ausdruck kommt: „Wer den Sohn hat, der hat das Leben. Wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht“ (1.Joh.5,12). Und: „Niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Joh.14,6).

Die erste christliche Generation hat die Kirche unter härtester Verfolgung und extremsten Opfern gegründet und aufgebaut. In vielen Ländern der Welt bringen Christen bis heute unvorstellbare Opfer um des Evangeliums willen. Trotzdem wächst nicht selten gerade dort die Kirche am schnellsten. Wie ist das zu erklären? Jesus sagte den erstaunlichen Satz: „Habt keine Angst vor denen, die euch töten wollen. Sie können nur den Körper töten; mehr können sie euch nicht antun.“ (Luk.12,4) In der Botschaft Jesu spielt die Ewigkeitsperspektive in Kombination mit seinem Exklusivanspruch eine zentrale Rolle. Wenn die Kirche diese beiden Elemente verliert, verliert sie auch ihre Opfer- und Leidensbereitschaft. Und das beginnt schon bei der Frage, ob ich abends lieber gemütlich Netflix schaue oder Stühle stelle und Kaffee koche für einen Glaubenskursabend. Ohne diese Opferbereitschaft gibt es keine Mission.

4. Ohne Bibelvertrauen verlieren wir das wagemutige Christusvertrauen

Wer Menschen für die Nachfolge Jesu gewinnen möchte, kann nicht auf Dauer in einer gefahrlosen Komfortzone bleiben. Kirche Jesu zu bauen war schon immer ein Glaubensprojekt, für das mutige, risikobehaftete Entscheidungen getroffen werden müssen im festen Vertrauen auf Gottes Bewahrung und Versorgung für die notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen. Wer sich mit den Gründungsgeschichten großer geistlicher Werke und Erweckungsbewegungen befasst, stößt dort immer wieder auf glaubensstarke Menschen, die das Unmögliche für möglich hielten, weil sie ihrem großen Gott alles zugetraut haben. Auch die Bibel ist voll von solchen Geschichten. Dieses unverzichtbare, wagemutige Christusvertrauen resultiert immer schon aus einem starken Glauben an die Verheißungen Gottes. Und dieser Glaube wiederum ist eine Frucht von Gottes Wort, das unser Herz erreicht. Ohne ein festes Vertrauen in Gottes Wort vertrocknet deshalb auch das wagemutige Gottvertrauen.

Wagemut beginnt schon im Kleinen: Wenn Christen überlegen, einen Glaubenskurs zu starten, ein missionarisches Projekt zu initiieren, ein neues Veranstaltungsformat zu entwickeln, eine Gemeinde zu gründen oder einfach nur ihrem Berufskollegen von ihrem Glauben an Jesus zu erzählen, dann ist das immer auch ein „Schritt aufs Wasser“ in dem Bewusstsein: Wir könnten uns blamieren, scheitern und selber Schaden nehmen. Wagemut hängt nicht nur am Bibelvertrauen. Es gibt auch Unternehmer, Künstler oder Politiker mit erstaunlich großem Wagemut. Und doch ist meine Erfahrung: Gerade dort, wo Christen sich verwurzeln in einer lebendigen Beziehung zu dem Jesus, der ihnen in der Bibel große Versprechen und Verheißungen macht, da wächst eine Kultur des wagemutigen Christusvertrauens, die Christen ermutigt, gemeinsam mutige Schritte zu gehen. Wo diese in der Bibel gegründete Christusbeziehung vertrocknet, neigt auch das Christentum dazu, sich in die scheinbar risikolose Komfortzone zurückzuziehen, wo ihr am Ende aber erst recht der Boden unter den Füßen weggezogen wird, weil Kirche ohne mutige und leidenschaftliche Mission nun einmal keine Zukunft hat.

5. Ohne Bibelvertrauen verlieren wir das Wort Gottes als Waffe im geistlichen Kampf

Das Wesen von Mission erschöpft sich niemals nur in Aktivitäten und Methoden. Mission ist immer auch ein geistlicher Kampf – nicht gegen Fleisch und Blut sondern gegen unsichtbare Mächte und Gewalten. Paulus bemüht nicht nur in Epheser 6 Bilder aus dem Militärwesen, um diesen Kampf zu veranschaulichen. Das Wort Gottes ist für ihn dabei ein Schwert (Eph. 6,17). Als Jesus in der Wüste versucht wurde benutzte er genau diese Waffe im Kampf gegen die Versuchungen des Teufels („Es steht geschrieben…!“ Matth.4,6). Zudem macht die Bibel klar: Gottes Wort ist nicht nur Botschaft sondern auch Kraft (Röm.1,16) mit dem Potenzial, Festungen aus hochtrabenden Gedanken zu zerstören (2.Kor.10,5) und Menschen aus dem Gefängnis der Lüge zu befreien (Joh.8,32).

Ich erlebe es selbst immer wieder: Wenn Menschen ihr Herz öffnen für das Evangelium, dann ist das immer ein rational nicht ganz erklärbares Wunder. Ich führe dieses Wunder auch auf die Kraft von Gottes Wort zurück. Niemals könnte ich mir vorstellen, ohne dieses Vertrauen auf die Kraft von Gottes Wort zu evangelisieren. Solange die Kirche sich nur auf Methoden und Rhetorik verlässt, missachtet sie ihr entscheidendes Mittel, das Gott seiner Kirche für die Verbreitung des Evangeliums in die Hand gegeben hat und ohne das Kirche nicht gebaut werden kann: Die verändernde, glaubensweckende und erneuernde Kraft von Gottes Wort, das wir in der Bibel finden, von uns geglaubt und glaubensvoll gepredigt werden muss.

Was folgt daraus? Ohne Gebet und Gottes Wort ist alles nichts!

Im „Mission Zukunft“ hält Lothar Krauss in seinem bewegenden Bericht zum missionarischen Aufbruch in Gifhorn fest (S. 315): „Natürlich sind die Fragen nach dem Musikstil, der Sprache, der Kleidung auf der Bühne und so weiter nicht unwichtig. Aber es ist ein Fehler, zu denken, dass Veränderung in diesen Punkten eine Gemeinde verwandelt. Diese Themen ändern sich als Folge von Überzeugungen! Unsere Überzeugungen gewannen wir aus dem Studium der Bibel und wir bewegten sie im Gebet. Ohne Überzeugungen bleiben wir zu sehr an den Äußerlichkeiten hängen, die nicht unwichtig sind, aber eben auch nicht entscheidend.“

Die Leiter der ersten urchristlichen Gemeinde in Jerusalem haben deshalb streng darauf geachtet, dass ihnen genügend Zeit bleibt für die beiden wichtigsten Elemente ihres Dienstes: Gebet und Gottes Wort (Apg.6,2-4). Keine Frage: Damit Gemeinden missionarisch fruchtbar werden, braucht es vieles: Kreativität. Geld. Gaben. Leidenschaft. Liebe zu Gott und den Menschen. Vorausschauende Leitung. Lernfähigkeit. Gute Methoden. Ressourcen. Einheit… Aber ganz offensichtlich war schon den allerersten Gemeindeleitern bewusst: Damit all das Frucht bringen kann, braucht es im Kern genau zwei Dinge: Die Macht des Gebets und die Kraft von Gottes lebendigem Wort! Wo diese beiden Dinge auf dem Rückzug sind, da ist die Kirche Jesu auf dem Rückzug. Gebet und Gottes Wort ist nicht alles im Gemeindebau. Aber ohne Gebet und Gottes Wort ist alles nichts. Eine neue Kultur des Gebets, eine neue Liebe zum Bibellesen und ein neuer Hunger nach Gottes Wort muss deshalb zentral im Fokus unserer Bemühungen für eine neue missionarische Dynamik der Kirche Jesu stehen.

In seinem Buch „Natürliche Gemeindeentwicklung“ hat der Gemeindewachstumsforscher Christian A. Schwarz ein interessantes Ergebnis seiner systematischen Untersuchung von 45.000 Gemeinden aus der ganzen Welt präsentiert. Er schreibt: „Das Theologiestudium hat eine stark negative Beziehung sowohl zum Wachstum als auch zur Qualität der Gemeinde.“[1] Das heißt: Gemeinden, deren Leiter durch ein bibelkritisches Theologiestudium gegangen sind, leiden statistisch gesehen deutlich häufiger unter Qualitätsproblemen und Mitgliederverlust. Ich finde: Das sollte uns nicht überraschen. Die Ausrichtung einer Gemeinde wird nun einmal stark von den Gemeindeleitern geprägt. Solange die zukünftigen Leiter durch eine theologische Ausbildung gehen, die das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Bibel erschüttert statt stärkt, kann aus den genannten Gründen auch keine missionarische Dynamik wachsen. Ich denke oft: Wir Landeskirchler verhalten uns wie eine Metzgereikette, die ihre Filialleiter von Veganern ausbilden lässt und sich nachher wundert, warum die Umsätze einbrechen. Und die offenkundige Ursache des Problems ist eine heilige Kuh. Das muss sich ändern! Wenn es uns nicht gelingt, die Ehrfurcht vor Gottes offenbartem Wort gerade auch an den Ausbildungsstätten wieder aufzurichten, dann bleiben all die anderen Bemühungen um Gemeindewachstum am Ende vergebliche Liebesmüh.

Für die 20er-Jahre habe ich deshalb diese große Sehnsucht: Lassen Sie uns an allen Orten wieder leidenschaftlich dafür aufstehen, beten und arbeiten, dass die gelebte Liebe zu Christus, die Macht des Gebets und die Kraft des offenbarten Wortes Gottes wieder das Fundament ist, auf dem die Kirche Jesu gebaut wird.


P.S.: Diesen Artikel widme ich dem Albrecht-Bengel-Haus in Tübingen, das aktuell sein 50-jähriges Jubiläum feiert und somit seit Jahrzehnten Theologiestudenten dabei hilft, den Durchblick zu bewahren und auf einem biblisch-klaren Kurs zu bleiben. DANKE, dass ihr euch seit so langer Zeit aufopferungsvoll, kämpferisch und liebevoll um genau das Anliegen kümmert, das in diesem Artikel beschrieben wurde. Auf diese Weise seid ihr vielen Gemeinden unserer Landeskirche zum Segen geworden! Bitte lasst euch bei den Jubiläumsfeierlichkeiten nicht zu sehr umarmen sondern bleibt mutig, kantig und herausfordernd, wie die Bibel es auch schon immer war und immer sein wird.


[1] Abbildung aus Christian A. Schwarz: Natürliche Gemeindeentwicklung, c+p-Verlag, 4. Auflage 2006, S. 25

 

Staunen über das buchgewordene Wunder Gottes

Warum es auch heute noch vernünftig ist der Bibel zu vertrauen
– Vortrag beim Studientag des Netzwerks Bibel und Bekenntnis

Können wir der Bibel auch heute noch lückenlos vertrauen? Warum ist diese Frage überhaupt von Bedeutung für die Kirche Jesu? Um diese Fragen ging es im Vortrag “Warum es auch heute noch vernünftig ist, der Bibel zu vertrauen” beim Studientag des Netzwerks Bibel und Bekenntnis am 16.11.2019 in Gießen. Der Vortrag ist hier auf YouTube abrufbar. Nachfolgend das Manuskript zum Vortrag sowie einige Hinweise zu weiterführenden und vertiefenden Artikeln:


Das ist ja schon mutig, einen Biologen einzuladen, um bei einer solchen Tagung über ein theologisches Thema zu sprechen. Aber vor einiger Zeit habe ich festgestellt, dass das eigentlich gar nicht so ungewöhnlich ist, dass auch Biologen sich theologische Gedanken machen. Mir ist das an einem ganz bestimmten Punkt aufgefallen, nämlich bei der Diskussion um das menschliche Auge.

Ist das menschliche Auge fehlerhaft?

Auch Charles Darwin war aufgefallen, dass unser menschliches Auge ja wirklich meisterhaft konstruiert ist. Und da stellt sich natürlich in ganz besonderer Weise die Frage: Kann sich das wirklich so von selbst entwickelt haben? Oder muss das nicht das Werk eines genialen Designers, eines Schöpfers sein? Und im Verlauf dieser Diskussion hat ein Detail unseres Auges eine immer größere Rolle gespielt. Und dieses Detail betrifft die Netzhaut. Die Netzhaut in unserem Auge hat ja diese Fähigkeit, Licht in Nervenimpulse umzuwandeln. Damit sie das tun kann besteht die Netzhaut aus mehreren Zellschichten. Am wichtigsten ist die lichtempfindliche Zellschicht. Da wird tatsächlich das Licht wahrgenommen und in Nervenimpulse umgewandelt. Und diese Nervenimpulse werden dann in einer lichtunempfindlichen Zellschicht weitergeführt. Jetzt sollte man denken, dass die lichtempfindliche Zellschicht da sitzt, wo das Licht zuerst ankommt, damit das Licht ganz ungehindert auf diese Zellen einwirken kann. Das ist auch bei manchen Tieren so, z.B. beim Tintenfisch. Aber bei den Wirbeltieren und beim Menschen ist es genau anders herum: Da muss das Licht zuerst die lichtunempfindliche Zellschicht durchdringen, bevor es dann auf die lichtempfindlichen Zellen trifft. Und dazu kommt: Ganz oben auf dieser lichtunempfindlichen Zellschicht liegen die Nervenfasern, die die Nervenimpulse weiterleiten an den Sehnerv und an das Gehirn. Und weil die Nervenfasern ja dann irgendwo nach draußen zum Sehnerv und zum Gehirn geführt werden müssen muss es da ein Loch in der lichtempfindlichen Zellschicht geben. Und deshalb haben wir da einen blinden Fleck. Und da haben jetzt viele Biologen gesagt: Das ist doch ein Fehler – eine Fehlkonstruktion. Die Netzhaut ist falsch herum gebaut. Besser wäre es, wenn die Nervenfasern hinter der lichtempfindlichen Zellschicht sitzen würden und nicht davor.

Und dann wird’s theologisch. Die Biologen haben dann nämlich darüber nachgedacht, wie denn ein Schöpfer sein müsste. Und die These war: Ein Schöpfer hätte das niemals so konstruiert. Ein Schöpfer müsste doch perfekt sein und der müsste perfekte Konstruktionen abliefern. Und auf dieser Basis wurde dann argumentiert: Da ein göttlicher Schöpfer unserer theologischen Meinung nach nur perfekte Werke produziert, kann dieses Auge nicht das Werk eines göttlichen Schöpfers sein.

Gibt es auch in der Bibel Fehler?

Ich war überrascht, festzustellen, dass es da wirklich Parallelen zwischen Biologie und Theologie gibt. Denn mir scheint, dass gar nicht so wenig Theologen ganz ähnlich argumentieren, wenn es um die Bibel geht. Denn auch da wird mit Fehlern argumentiert. Zum Beispiel in der Apostelgeschichte. Da berichtet Lukas im 9. Kapitel, wie Paulus auf dem Weg nach Damaskus Jesus begegnet. Und Jesus spricht zu ihm aus diesem hellen Licht heraus. Und Lukas berichtet in Apostelgeschichte 9,7: „Die Männer, die Saulus begleiteten, … hatten … die Stimme gehört.“

In Apostelgeschichte 22 schildert dann Paulus selbst diese Szene und da behauptet er genau das Gegenteil. Er sagt: „Meine Begleiter … hörten die Stimme nicht.“ Also da muss jetzt irgendwo ein Fehler sein. Entweder hat Lukas das falsch notiert oder Paulus hat sich versprochen. Egal wie: Da ist irgendwo ein Fehler passiert.

Ist die Bibel Offenbarung oder Zeugnis der Offenbarung?

Und jetzt wird gesagt: Wenn die Bibel Fehler enthält, dann kann das keine göttliche Offenbarung sein. Dann ist die Bibel vielleicht ein Zeugnis der Offenbarung. Vielleicht hat Gott sich da wirklich dem Paulus offenbart und die Bibel berichtet von dieser Offenbarung, die Paulus erlebt hat. Aber so wie in jedem menschlichen Bericht haben sich da halt auch Fehler eingeschlichen. Wenn man menschliche Zeugen von einem Unfallgeschehen vernimmt, dann muss man damit rechnen, dass sich Fehler in ihr Zeugnis einschleichen, selbst wenn sie ganz gewissenhaft versuchen, das Geschehen aus ihrem Gedächtnis heraus so genau wie möglich zu schildern.

Geniale Architekten – geniale Schöpfung – geniale Bibel!

Wie gehen wir um mit dieser Art der Argumentation? Seit dem Sommer diesen Jahres muss ich immer an ein bestimmtes Gebäude denken, wenn ich solche Argumente höre. Meine Frau und ich waren in Dresden. Und unter anderem haben wir die Frauenkirche besichtigt. Was für ein herrliches Gebäude! Aber etwas wirkt seltsam, wenn man auf das Gebäude schaut und die Geschichte des Gebäudes nicht kennt: Die Fassade aus Sandstein ist ja wunderschön. Aber immer wieder sind da zwischen den wunderschönen neuen Sandsteinen fast schwarze und ganz gebraucht aussehende Steine verbaut. Und an einer Seite sieht ein ganzes Stück der Fassade ganz alt und gebraucht aus. Was ist denn da passiert? Das Gebäude ist doch erst kürzlich eingeweiht worden. Was war denn das für ein Architekt, der die schöne Fassade mit alten, abgenutzten dunklen Steinen verhunzt hat?

Wir alle wissen natürlich, was da los ist. Dieses Gebäude ist ja gar nicht neu. Es ist schon ziemlich alt. Aber im 2. Weltkrieg ist es weitgehend zerstört worden. Und beim Wiederaufbau hat man versucht, so viele alte Steine wie möglich wieder zu verwenden und wieder einzubauen. Aber diese dunklen Steine ändern überhaupt nichts daran, dass jeder sieht: Hier waren ganz offenkundig so phantastische Architekten und Ingenieure am Werk, dass man nur staunen kann über die Genialität dieser Leute.

Und genau so geht es mir, wenn ich die Schöpfung betrachte. Die Genialität der Schöpfung verschlägt mir immer wieder neu den Atem. Mich haben ja immer wieder Leute gefragt: Wie verträgt sich Dein Christsein mit dem Biologiestudium? Und ich sage immer: Mein Biologiestudium hat meinen Glauben enorm gestärkt. Denn das hat mich schon damals immer wieder zum Staunen gebracht über die Genialität meines Schöpfers.

Und genau so geht es mir, wenn ich die Bibel betrachte. Ja, da gibt es schon ein paar Stellen, die ich im Moment nicht verstehe, die mir dunkel erscheinen. Aber das ändert überhaupt nichts daran, dass ich nur staunen kann über die Genialität dieses Buches und seines Autors.

Und ich freue mich sehr darüber, dass ich Ihnen heute ein wenig darüber berichten darf darüber, was mich an diesem Buch so ins Staunen versetzt. Dazu gäbe es viel zu sagen. Lassen Sie mich nur ein paar wenige Punkte herausgreifen zu der Frage, warum es auch heute noch vernünftig ist, der Bibel zu vertrauen:

1. Die herausragend gute Überlieferung des Neuen Testaments

Wussten Sie schon, dass es kein einziges antikes Buch gibt, dass auch nur annähernd so gut überliefert ist wie das Neue Testament? Es gibt ja einige antike Werke, die wir heute noch lesen können. Die gallischen Kriege von Julius Cäsar zum Beispiel oder die Odyssee oder die Ilias von Homer. Von keinem dieser Werke haben wir noch das Original. Wir haben nur noch Abschriften. Und zwischen dem Original und der ältesten Abschrift, die wir heute noch haben, liegen viele hundert, manchmal mehr als 1000 Jahre. Und es sind dann auch nur relativ wenige historische Abschriften, die wir noch besitzen. Beim Neuen Testament ist das vollkommen anders. Zwar haben wir auch hier die Originalschriften nicht mehr. Aber wir haben heute etwa 5.700 griechische Handschriften, dazu zahlreiche Übersetzungen in andere Sprachen und Zitate in alten Schriften. Das heißt: Das Neue Testament spielt in Bezug auf seine Überlieferung im Vergleich zu allen anderen antiken Schriften in einer vollkommen eigenen Liga!

Dazu kommt: Die Unterschiede und Abweichungen in diesen tausenden von Handschriften sind sehr überschaubar. Prof. Holger Strutwolf von der Universität Münster ist mit seinem Team dabei, alle diese Quellen akribisch auszuwerten und er sagt: „Insgesamt ist die Überlieferung der Bibel sehr gut und sehr treu. In den theologischen Punkten gibt es unter den Abertausenden Handschriften kaum Abweichungen.“ Mit anderen Worten: Wir können uns heute sehr sicher sein, dass das, was wir da lesen, tatsächlich die Botschaft ist, die die Apostel der Kirche Jesu ins Stammbuch geschrieben haben.

Wir können uns heute sehr sicher sein, dass das, was wir da lesen, tatsächlich die Botschaft ist, die die Apostel der Kirche Jesu ins Stammbuch geschrieben haben.

2. Die einzigartige Glaubwürdigkeit der Autoren des Neuen Testaments

Aber die Frage ist ja dann: Wie glaubwürdig waren diese Leute? Haben die in ihrem religiösen Eifer vielleicht immer mal wieder ein wenig übertrieben? Oder kann man sich darauf verlassen, dass ihre Berichte zuverlässig sind?

Tatsache ist: Die Autoren des Neuen Testaments sind in einer ganz einzigartigen Weise glaubwürdig, und zwar aus 3 Gründen:

  1. Weil sie entweder zum Teil selbst Augenzeugen waren oder aber die Berichte von Augenzeugen kannten.
  2. Weil ihre Botschaft zwar äußerst unpopulär hätte sein müssen und trotzdem in der Zeit und der Region der Augenzeugen extrem erfolgreich war.
  3. Und weil sie fast alle bereit waren, mit ihrem Leben für diese Botschaft zu bezahlen.

Besonders deutlich wird das am Beispiel von Jakobus. Über Jakobus wissen wir einiges aus der Bibel, z.B. dass er ein leiblicher Bruder Jesu war und dass er einer der Hauptleiter der urchristlichen Gemeinde in Jerusalem war. Aber wir haben über ihn nicht nur die biblischen Berichte sondern auch ein wichtiges außerbiblisches Zeugnis, nämlich vom jüdischen Geschichtsschreiber Flavius Josephus. Von ihm lesen wir folgendes über Jakobus:

„Er (d.h. der Hohepriester Hannas) versammelte den Hohen Rat zum Gericht und stellte vor diesen den Bruder des Jesus, der Christus genannt wird, mit Namen Jakobus, sowie noch einige andere, die er der Gesetzesübertretung anklagte und zur Steinigung führen ließ.“

Jakobus wusste genau Bescheid, was wirklich passiert ist

Josephus war kein Christ. Aber er bestätigt hier ausdrücklich: Jakobus war ein leiblicher Bruder von Jesus. Das heißt auch: Jakobus gehörte auf jeden Fall zu den Augenzeugen vieler neutestamentlicher Ereignisse. Jakobus wusste also, ob Jesus wirklich in Bethlehem geboren ist oder nicht. Er wusste, ob Jesus wirklich Wunder vollbracht hatte. Er wusste, ob Jesus wirklich auferstanden ist oder nicht. Wenn da eine Lüge oder eine Übertreibung dabei gewesen wäre: Jakobus hätte es gewusst! Und trotzdem hat Jakobus wie auch tausende andere Jerusalemer Juden angefangen, diesen gekreuzigten Jesus als Herrn und Messias anzubeten. Dabei muss man wissen: Tradition war für die Juden damals von enormer Bedeutung. Das war nicht wie heute, dass sich jeder einfach selber aussucht, was man glauben will. Wenn plötzlich tausende streng monotheistische Juden anfangen, einen Menschen als Gott anzubeten, dann muss da irgendetwas Gewaltiges passiert sein.

Die Botschaft vom Kreuz hätte eigentlich auf massive Ablehnung stoßen müssen

Erst recht, weil es sich ja um einen gekreuzigten Menschen gehandelt hat. Mose hatte ja geschrieben: Verflucht ist, wer am Holz hängt. Dieser Jesus war einen verfluchten und extrem verachteten Tod gestorben, so verachtet, dass die Christen jahrhundertelang es strikt vermieden haben, das Kreuz als Symbol für ihren Glauben in den Vordergrund zu stellen. Die Botschaft, dass dieser Jesus der auferstandene Messias ist, hätte deshalb eigentlich in Jerusalem auf extreme Ablehnung stoßen müssen. Das war keine populäre, erfolgversprechende Botschaft. Paulus hat geschrieben, dass diese Botschaft für die Juden ein Ärgernis war. Und trotzdem war diese Botschaft extrem erfolgreich, und zwar direkt in der Zeit und der Region der Leute, die Jesus kannten.

Die Botschaft von der Gottheit Jesu hat sogar den leiblichen Bruder überzeugt!

Das ist wichtig, denn man kann sich ja irgendwelche verrückten Geschichten ausdenken über Sachen, die in längst vergangenen Zeiten in fernen Ländern gespielt haben. Aber wenn man über Menschen spricht, die bekannt sind, dann ist das etwas anderes. Und der Fall von Jakobus geht ja noch viel weiter. Hier wurde der leibliche Bruder überzeugt, dass sein Bruder Gott ist. Den eigenen Bruder kennt man nun wirklich durch und durch – samt allen seinen Schwächen. Wenn mir jemand sagen würde: Dein Bruder ist Gott, dann würde ich sagen: Ich schätze meine Brüder sehr. Das sind tolle Männer. Aber Gott sind sie sicher nicht. Dafür kenne ich sie einfach zu gut. Trotzdem hat das bei Jakobus funktioniert. Er hat als monotheistischer Jude angefangen, seinen Bruder als Gott anzubeten. Und davon war er so überzeugt, dass er bereit war, für diesen Glauben in den Tod zu gehen.

Niemand stirbt für eine eigene Lüge

Jetzt sagen Leute: Ja, das gibt es doch immer wieder, dass Leute so fanatisiert sind von einer Überzeugung, dass sie dafür in den Tod gehen. Ja, das mag sein, aber es gibt einen Unterschied: Diese Leute haben gesagt: Jesus ist auferstanden, DES SIND WIR ZEUGEN! Wir haben das selbst gesehen. Das heißt: Wenn das nicht gestimmt haben sollte, dann wären sie alle für eine eigene Lüge in den Tod gegangen. Und die Frage ist: Wie glaubwürdig ist das, dass hier reihenweise Leute für eine eigene Lüge in den Tod gehen? Und kein einziger hat im Angesicht seines Henkers einen Rückzieher gemacht und alles auffliegen lassen!

Der extreme Erfolg und die einzigartige Glaubwürdigkeit

Das heißt also: Diese Leute waren Augenzeugen. Sie wussten bestens Bescheid. Sie waren bereit für ihre Botschaft alles aufzugeben: Ihre Tradition. Ihr Ansehen. Ihre Heimat. Ihr Leben. Diese Leute sind quer durch die ganze damals bekannte Welt gereist und haben das Evangelium so glaubwürdig und so erfolgreich verbreitet, dass schon 30 Jahre nach Jesu Tod Kaiser Nero in Rom meinte, er muss jetzt den Christen den Brand Roms in die Schuhe schieben, so extrem schnell hat die christliche Botschaft um sich gegriffen. Diese Leute waren ganz offenkundig extrem glaubwürdig. Ihr lieben Theologen, ich bitte deshalb um Verständnis, dass ich diesen Leuten ein deutlich größeres Grundvertrauen entgegenbringe als allem, was heute so alles geschrieben wird.

Diese Leute waren Augenzeugen. Sie wussten bestens Bescheid. Sie waren bereit für ihre Botschaft alles aufzugeben: Ihre Tradition. Ihr Ansehen. Ihre Heimat. Ihr Leben. Diese Leute sind quer durch die ganze damals bekannte Welt gereist und haben das Evangelium so glaubwürdig und so erfolgreich verbreitet, dass schon 30 Jahre nach Jesu Tod Kaiser Nero in Rom meinte, er muss jetzt den Christen den Brand Roms in die Schuhe schieben, so extrem schnell hat die christliche Botschaft um sich gegriffen. Diese Leute waren ganz offenkundig extrem glaubwürdig. Ihr lieben Theologen, ich bitte deshalb um Verständnis, dass ich diesen Leuten ein deutlich größeres Grundvertrauen entgegenbringe als allem, was heute so alles geschrieben wird.

Aber es gibt noch viel mehr Gründe, warum wir der Bibel vertrauen können.

3. Die drastische Ehrlichkeit und fehlende Idealisierung

Eine absolut unglaubliche Eigenschaft der Bibel ist ihre Ehrlichkeit und die fehlende Idealisierung ihrer Helden. Viele Geschichtsschreiber der damaligen Zeit wurden von Herrschern beauftragt oder zumindest streng kontrolliert. Deshalb wurden viele Herrscher zu Helden oder gar zu Göttern verklärt. Und die eigene Nation wurde heroisiert und sie wurde so dargestellt, als wäre ihre Geschichte voll von ruhmreichen Heldentaten. Aber lies mal die Bibel. Da ist das vollkommen anders. In der Bibel findest Du keine idealisierten Helden. Da gibt es nur Menschen mit Stärken und Schwächen. Selbst die größten Helden der biblischen Geschichte blamieren sich reihenweise bis auf die Knochen.

Noah hat sich betrunken. Abraham, der Vater des Glaubens, hat seine Frau mehrfach feige im Stich gelassen. Die Karriere Jakobs, des Namensgebers Israels, basierte auf einem Betrug. Mose war ein Mörder. Das Volk Israel war glaubensschwach und untreu. König David war eine Ehebrecher und Mörder. Der weise König Salomo betete Götzen an. Petrus hat Jesus verleugnet. Paulus hat sich mit Barnabas und Petrus zerstritten. Eine besonders auffällige Sache: Frauen waren die ersten Zeugen der Auferstehung. Ich finde das ja toll, dass das so ist. Aber damals war das Zeugnis von Frauen nichts wert. Wenn Du Leute von der Auferstehung überzeugen willst, dann denkst Du Dir eine Geschichte aus, in der Männer die Zeugen sind, nicht Frauen. Und wenn Du Leute von der Autorität und dem Vorbildcharakter eines Abraham, David Jakob oder Petrus überzeugen willst, dann brauchst Du Helden statt Versager. Aber die Bibel ist geradezu provozierend ehrlich. Realistisch. Sie hat diesen einzigartigen Klang der Wahrheit, die sie von allen Epen und Heldengeschichten unterscheidet.

Die Bibel ist geradezu provozierend ehrlich. Realistisch. Sie hat diesen einzigartigen Klang der Wahrheit, die sie von allen Epen und Heldengeschichten unterscheidet.

4. Die durchgängige Geschichte

Aber auch das ist noch nicht alles. Eine der unglaublichsten Eigenschaften der Bibel ist die Tatsache, dass sie EINE durchgängige Geschichte erzählt. Das muss man sich mal vorstellen. Dieses Buch setzt sich aus 66 verschiedenen Büchern zusammen. Mehr als 40 verschiedene Leuten haben da geschrieben über einen Zeitraum von etwa 1600 Jahren, Leute, die in völlig verschiedenen Kulturen gelebt haben und die einen vollkommen unterschiedlichen Bildungsgrad hatten. Ich sehe ja, wie unterschiedlich und gegensätzlich die Texte und Aussagen von Theologen heute sind, obwohl sie eigentlich alle die Bibel als gemeinsame Grundlage haben. Aber diese Autoren hier hatten keine Bibel als gemeinsame Grundlage. Und trotzdem finden wir da diese eine durchgängige Geschichte, die sich immer weiter entfaltet. Sie beginnt damit, wie die Beziehung zwischen Gott und Menschen zerbricht. Und sie endet damit, wie diese Beziehung wieder hergestellt wird und Gott wieder bei den Menschen wohnt. Und sie schildert durchgängig diesen heiligen und zugleich liebenden Gott, der alles dafür tut, um die Beziehung zu den Menschen wieder herzustellen. Und schon auf den ersten Seiten beginnen die Hinweise auf diesen geheimnisvollen Nachkommen Evas, der zwar von der Schlange gebissen, ihr aber den Kopf zertreten wird. Und dann folgt die Bibel immer dieser einen Abstammungslinie, immer weiter und weiter, selbst wenn es gar nicht der Erstgeborene ist. Aber die Bibel bleibt bei dieser Linie, die schlussendlich zu diesem Jesus führt, bei dessen Tod der Vorhang im Tempel zerreißt und der Weg zu Gott wieder frei wird durch das Blut, das Jesus am Kreuz vergießt.

Und die große Frage ist: Wer hat in diesem Buch die Regie geführt? Wer hat den roten Faden durch dieses Buch gelegt? Wer hat darauf geachtet, dass alle 40 Autoren an dieser einen Geschichte weiterschreiben? Es gibt definitiv in der ganzen Welt kein Buch, dass auch nur annähernd mit der Bibel vergleichbar wäre.

5. Die zahlreichen erfüllten Vorhersagen

Aber wen das alles immer noch nicht überzeugt und begeistert, der sollte sich doch einmal mit den erfüllten Vorhersagen der Bibel befassen. Die Bibel ist ja ein Buch, das ein gewaltiges Risiko eingeht. Etwa 30 % der biblischen Texte sind prophetische Texte, in denen die Vorhersage der Zukunft eine gewaltige Rolle spielt. Kombiniert werden diese Texte mit der Aussage: Achtung! Ihr müsst Propheten prüfen. Wenn die Vorhersage eines Propheten nicht eintrifft, dann müsst ihr das verwerfen. Solche prophetischen Texte zu schreiben und vor falschen Propheten zu warnen, die gar nicht in die Zukunft sehen können, das ist ziemlich gewagt, wenn man selbst nicht in die Zukunft sehen kann.

Aber die Bibel ist dieses Risiko eingegangen. Und das Gewaltige ist: Sie ist tatsächlich voll von Vorhersagen, die sich tatsächlich erfüllt haben.

Ich kann jetzt nur ein paar wenige nennen. Der Prophet Jesaja sagte nicht nur voraus, dass der Tempel zerstört wird. Er sagte auch voraus, dass er später wieder aufgebaut wird. Und er sagte voraus, dass es einen Herrscher namens Kyrus geben wird, der diesen Wiederaufbau voranbringen wird. Und genauso ist es gekommen.

Daniel sagte die nach ihm kommenden 4 Weltreiche voraus.

Über Jesus gibt es zahlreiche Vorhersagen: Dass er in Betlehem geboren wird, dass er aus dem Stamm Juda kommt. Dass er in Jerusalem auf einem Esel einzieht, viele Details und sogar der Zeitpunkt der Kreuzigung. Und noch vieles mehr.

Alles Manipulation?

Dass es diese korrekten Vorhersagen in der Bibel gibt ist unbestritten. Aber in der Wissenschaft haben wir ein Problem. Denn wir haben heute einen vorherrschenden Wissenschaftsbegriff, der von Wissenschaftlern verlangt, von vornherein grundsätzlich nicht mit übernatürlichen Dingen zu rechnen, also auch nicht mit vorausschauender Prophetie. Und wer schon aus wissenschaftsphilosophischen Gründen heraus grundsätzlich nicht damit rechnet, dass es Prophetie geben kann, der muss natürlich glauben, dass es sich hier überall um nachträgliche Manipulationen handelt. Entweder wurde der Text manipuliert oder man hat die spätere Geschichte manipuliert, damit sie zu den Vorhersagen passt. Und dann hat man z.B. kurzerhand behauptet, Jesus wäre in Bethlehem von einer Jungfrau geboren, weil das so schön zur Vorhersage des Propheten Micha passt, obwohl Jesus in Wirklichkeit in Nazareth geboren wurde. Wirklich? Alles Manipulation? Hat Jakobus, der leibliche Bruder Jesu und Leiter der Gemeinde in Jerusalem wirklich diese Behauptung des Geburtsorts Bethlehem mitgetragen, obwohl er genau wusste, dass das gar nicht stimmt? Haben die jüdischen Schriftgelehrten, denen doch eine extrem ausgeprägte Ehrfurcht vor ihren heiligen Texten nachgesagt wird, wirklich regelmäßig und in riesigem Umfang die Texte der Propheten manipuliert, um nachträglich den Anschein zu erwecken, dass es sich um korrekte Vorhersagen gehandelt hätte?

Die erfüllten Vorhersagen für die Neuzeit

Nun, ob das glaubwürdig ist, kann ja jeder selber entscheiden. Aber vollends schwierig wird es mit den Vorhersagen, die die Bibel für die Neuzeit gemacht hat. Schon in den Mosebüchern lesen wir erstaunliche Vorhersagen über das Volk Israel. Da lesen wir zum Beispiel: „Der Herr wird euch unter alle Völker zerstreuen, von einem Ende der Erde bis zum anderen.“ In der Zeit des Alten Testaments ist Israel zwar verschleppt worden. Aber die Zerstreuung unter alle Nationen begann erst im 1. Jahrhundert nach Christus.

Und dann sagt die Bibel vorher: „Doch unter den fremden Völkern werdet ihr nicht sicher sein und nicht zur Ruhe kommen.“ Tatsächlich gab es kein Volk, dass durch alle Zeiten hindurch und in allen Kulturen so irrational gehasst und verfolgt worden ist wie die Juden, so dass fast jedes Kind den Fachbegriff kennt für diesen Hass: Antisemitismus. Für welches andere Volk kennen wir einen solchen Begriff?

Aber dann kommt das unglaublichste: Die Bibel sagt an vielen Stellen vorher, dass die Juden aus allen Ecken der Welt wieder in ihr Land zurückkehren werden. Ich will Ihnen nur 2 der vielen Bibelstellen dazu vorlesen: „Ich werde deine Kinder aus dem Osten holen und dich aus dem Westen sammeln. Zum Norden sage ich: `Gib her!´ Und zum Süden: `Halte niemanden zurück!´ Bring meine Söhne aus der Ferne, meine Töchter aus allen Winkeln der Erde.“   „Es kommen Tage, da man sagen wird: So wahr der HERR lebt, der die Kinder Israels heraufgeführt hat aus dem Land des Nordens und aus allen Ländern, wohin er sie verstoßen hatte! Denn ich will sie wieder in ihr Land zurückbringen, das ich ihren Vätern gegeben habe.“

Ist das nicht beeindruckend? Jahrhundertelang schien die Erfüllung dieser Vorhersagen undenkbar. Aber seit dem Ende des 19. Jahrhunderts geschieht es vor unseren Augen: Die Juden kehren in ihr Land zurück aus allen Ecken der Welt. Wir müssen uns klar machen, dass das ein absolut einmaliger Vorgang in der Weltgeschichte ist. Dass ein Volk 2000 Jahre lang in alle Welt verstreut ist, trotzdem seine Kultur und seine Identität behält und dann wieder zurückkehrt in sein Land, das gibt es nur bei Israel. Aber genau das hat die Bibel schon vor mehr als 2.000 Jahren vielfach angekündigt.

Dass ein Volk 2000 Jahre lang in alle Welt verstreut ist, trotzdem seine Kultur und seine Identität behält und dann wieder zurückkehrt in sein Land, das gibt es nur bei Israel. Aber genau das hat die Bibel schon vor mehr als 2.000 Jahren vielfach angekündigt.

Noch etwas: Jesus hat angekündigt: „Himmel und Erde werden vergehen, doch meine Worte bleiben ewig.“ „Die Botschaft vom Reich Gottes wird auf der ganzen Welt gepredigt werden, damit alle Völker sie hören.“ Was für eine extrem gewagte Ankündigung im 1. Jahrhundert. Dass die Worte eines armen Wanderpredigers aus einem unbedeutenden Land, der seine Worte nicht einmal aufgeschrieben hat, sich einmal über die ganze Welt verbreiten würden, das musste damals nach grenzenloser Selbstüberschätzung klingen. Heute stehen wir kurz davor, dass buchstäblich jedes Volk der Erde die Worte Jesu in seiner Sprache hören und lesen kann. Ist das nicht unglaublich?

6. Der Selbstanspruch, Gottes offenbartes Wort zu sein

Aber ich will Ihnen noch eine letzte Eigenschaft der Bibel zeigen, die mich persönlich am allermeisten überzeugt. Und diese Eigenschaft betrifft das Selbstbild der Bibel. Ich höre ja oft solche Aussagen wie: Die Bibel, das ist eine Sammlung inspirierender Berichte über religiöse Erfahrungen und Ideen. Oder die Bibel ist ein Buch, in dem kluge Lehrer etwas Kluges über Gott und Moral geschrieben haben. Das klingt ja schön. Das Problem daran ist nur: Die Bibel will genau das ausdrücklich nicht sein. Die Bibel will nicht nur ein Erfahrungsbericht sein. Sie will auch keine kluge Lehre über Gott sein. Die Bibel hat vielmehr den Anspruch, Wort des lebendigen Gottes zu sein.

In 2. Timotheus 3, 16 schreibt Paulus „Alle Schrift ist von Gott eingegeben.“ Genau übersetzt heißt das: Die Schrift ist geistgewirkt, geistdurchhaucht. Natürlich haben das Menschen geschrieben, Menschen, die bei vollem Bewusstsein waren, die ihre Eigenheiten, ihren Schreibstil, ihre Persönlichkeit eingebracht haben. Doch zugleich waren sie dabei von Gottes Geist bewegt und durch und durch von ihm geprägt. Petrus hat das in 2. Petrus 1, 21 so ausgedrückt: „Denn niemals wurde eine Weissagung durch den Willen eines Menschen hervorgebracht, sondern von Gott her redeten Menschen, getrieben von Heiligem Geist.“ Auch hier also haben wir beides: Natürlich haben da Menschen geredet. Aber sie waren bewegt, getrieben, geprägt vom Heiligen Geist.

Und es kann überhaupt keinen Zweifel geben, dass genau das die Sichtweise der Juden der damaligen Zeit über ihre heiligen Schriften war. Die Juden hatten allerhöchsten Respekt vor ihren Heiligen Schriften. Es kann keinen Zweifel geben, dass die Autoren des Neuen Testaments den Text des Alten Testaments insgesamt als Wort des lebendigen Gottes angesehen haben. Man sieht immer wieder, dass für sie die Wendungen ›Die Schrift sagt‹ und ›Gott sagt‹ untereinander austauschbar waren. Sie haben also nicht unterschieden zwischen göttlicher Offenbarung und dem biblischen Text. Das war für sie identisch.

Und auch zum Charakter des Neuen Testaments finden wir Aussagen in der Bibel. Paulus schreibt zum Beispiel im Brief an die Thessalonicher: „Und darum danken auch wir Gott unablässig, dass, als ihr von uns das Wort der Kunde von Gott empfingt, ihr es nicht als Menschenwort aufnahmt, sondern, wie es wahrhaftig ist, als Gottes Wort.“

Das ist ja eine absolut steile Behauptung, die Paulus da macht. Er sagt: Bei der Botschaft, die ihr von mir hört, da spricht Gott selbst. Das ist Gottes Wort.

Und auf der letzten Seite unserer Bibel schreibt Johannes folgendes: „Und ich versichere jedem, der die prophetischen Worte dieses Buchs hört: „Wenn jemand dem, was hier geschrieben steht, irgendetwas hinzufügt, wird Gott ihm die Plagen zufügen, die in diesem Buch beschrieben werden.“  (Offenbarung 22,18) Und das geht ja noch weiter! Johannes schreibt: Etwas weglassen ist genauso schlimm. Johannes sagt also: Dieses ganze Buch hat prophetischen Charakter. Da gibt es absolut nichts hinzuzufügen und nichts wegzulassen.

Und da spüren wir: Diese Leute sind mit einem Anspruch und einer Autorität aufgetreten, die sich kein normaler Theologe jemals erlauben dürfte. Wenn ich in mein Buch am Ende einen solchen Satz gesetzt hätte, dann hätte es der Verlag hoffentlich sofort aus dem Programm genommen.

Diese Leute sind mit einem Anspruch und einer Autorität aufgetreten, die sich kein normaler Theologe jemals erlauben dürfte.

Die Bibel: Ganz Menschenwort und ganz Gotteswort

Also können wir festhalten: Die Bibel enthält nicht einfach nur Erfahrungsberichte oder kluge Lehren. Diese Möglichkeit lässt uns dieses Buch nicht. Wenn jemand von sich behauptet, dass Gott durch ihn spricht, dann haben wir letztlich nur 3 Möglichkeiten, damit umzugehen: Entweder, da hat jemand gelogen. Oder da ist ein durchgeknallter religiöser Schwärmer am Werk. Aber denken wir noch einmal an die gerade besprochenen Eigenschaften der Bibel: Die einzigartige Glaubwürdigkeit der Zeugen. Die drastische Ehrlichkeit. Die durchgängige Geschichte. Die zahllosen erfüllten Vorhersagen. Und noch vieles mehr, was wir aus Zeitgründen heute nicht besprechen konnten: Die herausragende Ethik. Das zutreffende Welt- und Menschenbild. Die vielen Texteigenschaften von authentischen Augenzeugenberichten. Und so weiter, und so weiter (im Artikel „10 Gründe, warum es auch heute noch vernünftig ist, der Bibel zu vertrauen“ habe ich das noch sehr viel ausführlicher dargelegt). All das passt nicht zu einem Buch von Lügnern und Schwärmern! Aber wenn das so ist, dann bleibt nur noch eines: Die Bibel ist genau das, was sie zu sein beansprucht: Sie ist ganz Menschenwort und zugleich ganz Gotteswort. Sie ist heilige Schrift. Wort des lebendigen Gottes. Und wenn wir heute in diesem Buch Fehler finden, dann sind das vielleicht Fehler in der Übersetzung oder in unserer Auslegung. Unsere Auslegung wird niemals fehlerfrei sein. Aber wenn die Bibel recht hat mit ihrer Aussage, Gottes Wort zu sein, dann können wir uns niemals über den Text der Bibel stellen und für uns beanspruchen, wir könnten in ihr sachliche Fehler benennen und in den biblischen Texten über richtig und falsch entscheiden. Das steht uns dann nicht zu. Da verheben wir uns.

Wenn die Bibel recht hat mit ihrer Aussage, Gottes Wort zu sein, dann können wir uns niemals über den Text der Bibel stellen und für uns beanspruchen, wir könnten in ihr sachliche Fehler benennen und in den biblischen Texten über richtig und falsch entscheiden. Das steht uns dann nicht zu. Da verheben wir uns.

Ist die Bibel fehlerlos? Was sagt die Wissenschaft dazu?

Jetzt höre ich immer wieder: Hände weg von dieser Behauptung, die Bibel wäre fehlerloses Wort Gottes. Denn wenn die Wissenschaft nachweist, dass da doch ein Fehler drin ist, dann würden wir ziemlich dumm dastehen mit unserem Glauben. Nun, ich bin ja ein großer Wissenschaftsfan. Aber wir müssen aufpassen, dass wir die Fähigkeiten der Wissenschaft auch nicht überschätzen. Ich bin ja gelernter Naturwissenschaftler. Und Naturwissenschaftler betreiben ihre Beweisführung vor allem mit 2 Instrumenten: Mit Beobachtung und mit wiederholbaren Experimenten. Aber in der Bibelwissenschaft ist diese Art der Beweisführung schwierig. Niemand kann in eine Zeitmaschine sitzen und beobachten, was damals wirklich passiert ist. Und weil es sich um einmalige historische Ereignisse handelt kann man dazu auch keine wiederholbaren Experimente machen. Die historischen Wissenschaften arbeiten mit Indizien. Und jeder Kommissar weiß, dass Indizien, die heute noch eindeutig zu sein erscheinen, morgen schon in einem ganz anderen Licht erscheinen können.

So war das übrigens auch bei diesen Fehlern, von denen ich am Anfang gesprochen hatte: Im Jahr 2014 hat der israelische Wissenschaftler Amichai Labin eine Arbeit publiziert, in der er nachweist, dass die lichtunempfindliche Zellschicht in der Netzhaut lichtleitende Eigenschaften besitzt und dass sie sogar gezielt dafür sorgt, dass die verschiedenen Wellenlängen des Lichts genau zu den richtigen lichtempfindlichen Sinneszellen gelangen. Wir sehen in Wahrheit also besser und nicht schlechter, weil die Netzhaut genau so gebaut ist, wie sie gebaut ist. Und im Jahr 2016 hat der Bibelbund eine genaue Analyse des Texts und der Wortbedeutung der verschiedenen Berichte über die Bekehrung des Paulus veröffentlicht. Dabei wurde deutlich: Dieser scheinbare Widerspruch ist in Wahrheit gar kein Widerspruch. Denn die genaue Übersetzung von Apostelgeschichte 22 bedeutet gar nicht, dass die Begleiter die Stimme nicht gehört hätten, sondern dass sie sie nicht verstanden haben. So übersetzt auch die neue Genfer Übersetzung: „Meine Begleiter verstanden aber nicht, was die Stimme sagte, die mit mir sprach.“ Von einem Fehler kann hier also keine Rede sein.

Die Indizienlage zeigt: Die Bibel ist ein buchgewordenes Wunder Gottes

Ja, es gibt immer noch Stellen, die ich nicht verstehe. Aber die Gesamt-Indizienlage ist doch überwältigend eindeutig: Die Bibel ist ganz Menschenwort und ganz Gotteswort, geschrieben von einzigartig glaubwürdigen, von Gottes Geist inspirierten Zeugen, die mit einer drastischen Ehrlichkeit über einen Zeitraum von 1.600 Jahren eine durchgängige Geschichte erzählt haben, die zahlreiche erfüllte Vorhersagen enthält und die bis heute zahllose Menschen aus allen Kulturen der Welt bewegt, begeistert und verändert. Die Eigenschaften der Bibel sind insgesamt so einzigartig und spektakulär, dass ich mich nur in Ehrfurcht und Staunen beugen kann vor diesem buchgewordenen Wunder Gottes. Das ist kein Buch, das Menschen ohne die Inspiration des Heiligen Geistes hätten hervorbringen können.

Die Gesamt-Indizienlage ist überwältigend eindeutig: Die Bibel ist ganz Menschenwort und ganz Gotteswort, geschrieben von einzigartig glaubwürdigen, von Gottes Geist inspirierten Zeugen, die mit einer drastischen Ehrlichkeit über einen Zeitraum von 1.600 Jahren eine durchgängige Geschichte erzählt haben, die zahlreiche erfüllte Vorhersagen enthält und die bis heute zahllose Menschen aus allen Kulturen der Welt bewegt, begeistert und verändert. Die Eigenschaften der Bibel sind insgesamt so einzigartig und spektakulär, dass ich mich nur in Ehrfurcht und Staunen beugen kann vor diesem buchgewordenen Wunder Gottes. Das ist kein Buch, das Menschen ohne die Inspiration des Heiligen Geistes hätten hervorbringen können.

Wir haben wirklich allen Grund, diesem Wort voll und ganz zu vertrauen und unser Leben und die Kirche Jesu darauf zu bauen.

Warum dieses Thema so grundlegend wichtig ist

Wissen Sie: Ich bin so froh, dass wir heute zusammen sind, um über die Bibel zu sprechen. Ich habe dieses Thema viele Jahre als nicht so wichtig angesehen. Andere Themen haben mich bewegt: Anbetung und Lobpreis. Gemeindebau. Einheit unter Christen. Diese Themen sind mir immer noch enorm wichtig. Aber in den letzten beiden Jahren ist mir immer deutlicher geworden, dass es kein Zufall war, dass ausgerechnet die Auseinandersetzung um die Bibel im Zentrum der Reformation gestanden hat.

In meiner Kirche wird gerade ja viel darüber nachgedacht, wie denn die Kirche wieder wachsen kann gegen den Trend. Und dann wird gesprochen über mehr Digitalisierung, über Influencer im Internet, über soziologische Analysen und frische Formen von Gemeinde. Und das ist alles gut. Und trotzdem spüren wir alle auch: Wirklich viel ausrichten werden wir damit nicht. Logisch. Denn das Problem ist doch: Der Kampf, in dem die Kirche Jesu seit jeher steht, ist in erster Linie ein geistlicher Kampf. Gerade in dieser Woche habe ich in meiner persönlichen Bibellese wieder gelesen, wie Paulus geschrieben hat: „Wir kämpfen nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut, sondern gegen die bösen Mächte und Gewalten der unsichtbaren Welt.“ Diesen Kampf gewinnt man nicht allein mit menschlichen Mitteln. Paulus sagt: Was ihr braucht ist das Schwert des Geistes, das Wort Gottes. Und dazu: Betet allezeit.

Ohne Gebet und Gottes Wort ist alles nichts

Und je länger ich im Gemeindebau aktiv bin, umso mehr sind es genau diese beiden Dinge, die mir wirklich Hoffnung machen: Die Macht des Gebets und die Kraft von Gottes lebendigem Wort. Wo diese beiden Dinge auf dem Rückzug sind, da ist die Kirche Jesu auf dem Rückzug. Gebet und Gottes Wort ist nicht alles im Gemeindbau. Aber ohne Gebet und Gottes Wort ist alles nichts. Und ich fürchte: Wenn wir das nicht klarkriegen, dass wir die Ehrfurcht vor Gottes heiligem Wort wieder aufrichten in unseren Kirchen und Gemeinden, dann bleiben all die anderen Bemühungen um Gemeindewachstum am Ende vergebliche Liebesmüh.

Je länger ich im Gemeindebau aktiv bin, umso mehr sind es genau diese beiden Dinge, die mir wirklich Hoffnung machen: Die Macht des Gebets und die Kraft von Gottes lebendigem Wort. Wo diese beiden Dinge auf dem Rückzug sind, da ist die Kirche Jesu auf dem Rückzug. Gebet und Gottes Wort ist nicht alles im Gemeindbau. Aber ohne Gebet und Gottes Wort ist alles nichts.

In einem Grundlagentext hat die EKD im Jahr 2017 geschrieben: „Die Reformatoren waren grundsätzlich davon ausgegangen, dass die biblischen Texte wirklich von Gott selbst gegeben waren.“ Leider hat die EKD diese richtige Feststellung kombiniert mit der Aussage, dass die biblischen Texte wegen der historisch-kritischen Forschung heute nicht mehr so damals als Wort Gottes verstanden werden könnten. Und ich bin mehr denn je überzeugt: Genau da liegt der Kern des Problems.

Für die Reformatoren hieß Sola Scriptura noch: Die Schrift bezeugt nicht nur die Offenbarung, nein, sie IST offenbartes Wort Gottes. Und deshalb hat sie in der Kirche Jesu das letzte Wort.

Die Schrift bezeugt nicht nur die Offenbarung, nein, sie IST offenbartes Wort Gottes. Und deshalb hat sie in der Kirche Jesu das letzte Wort.

Ich habe diese Sehnsucht, diesen großen Wunsch: Lassen Sie uns an allen Orten, von denen wir kommen, wieder leidenschaftlich dafür aufstehen, dafür beten und arbeiten, dass die gelebte Liebe zu Christus, die Macht des Gebets und die Kraft des offenbarten Wortes Gottes wieder das Fundament ist, auf dem die Kirche Jesu gebaut wird. Einen anderen Grund kann niemand legen als der, der gelegt ist, das ist Jesus Christus. Und von ihm wissen wir einzig und allein durch die Bibel.


Der Vortrag basiert auf Argumenten, die in den folgenden AiGG-Artikeln ausführlicher erläutert werden:

Dazu zwei aktuelle Buchempfehlungen:

Bildergebnis für kein grund zur skepsis gustafsson         Bildergebnis für puolimatka glaube wissenschaft

Das schwarze Loch und der Vater des Lichts

Ist Jesus wirklich auferstanden? Hat ein Schöpfer die Welt erschaffen? Mit wissenschaftlichen Mitteln können wir das nicht prüfen. Gott und seine Wunder entziehen sich einer naturwissenschaftlichen Beobachtung. An die Schöpfung und die Auferstehung können wir nur glauben – oder auch nicht.
 
Wirklich?
 
Vor einigen Tagen haben Wissenschaftler ein “Foto” eines schwarzen Lochs veröffentlicht. Vom schwarzen Loch ist auf dem Bild allerdings nichts zu sehen. Schwarze Löcher entziehen sich einer direkten Beobachtung, denn sie sind so stark, dass sie alles um sich herum aufsaugen, sogar das sie umgebenden Licht. Untersuchen und bildlich darstellen kann man nur die Auswirkungen des schwarzen Lochs: Heiße Gaswirbel, die schwarze Löcher umkreisen und darauf hinweisen, dass sich im Zentrum ein unfassbar starkes Kraftfeld befindet.
 
Auch die Auswirkungen der Schöpfung können wir untersuchen:
 
Und wir können die Auswirkungen der Auferstehung untersuchen:
 
  • Eine extrem dynamische Bewegung, die direkt am Ort und in der Zeit des Geschehens begann, der schon nach 30 Jahren der Brand Roms in die Schuhe geschoben wurde, die nach 300 Jahren gegen massivste Widerstände den gesamten Mittelmeerraum erobert hatte und den römischen Kaiser zwang, das Christentum zur Staatsreligion zu machen
  • Zahllose Zeugen, die bereit waren, für die Botschaft der Auferstehung alles aufzugeben und den Märtyrertod zu sterben – inklusive dem leiblichen Bruder Jesu (wie der Nichtchrist Josephus berichtet)
  • Zahllose Menschen, die völlig entgegen ihren Traditionen plötzlich anfingen, den Auferstehungssonntag statt den Samstag zum Feiertag zu machen und einen elend gekreuzigten Zeitgenossen als Gott und Herrn anzubeten
Was ist im Zentrum all dieser Beobachtungen? Zufall? Einbildung? Betrug? Alle Versuche, die Fakten auf natürlichem Weg zu erklären sind kläglich gescheitert. Es ist offensichtlich: Im Zentrum von all dem ist die stärkste Kraft des Universums: Gott selbst, der das Leben erschaffen und den Tod überwunden hat.
 
Die Wissenschaft kann den Schöpfer und den Herrn des Lebens nicht untersuchen. Aber sie kann die Spuren untersuchen, die er hinterlassen hat. Wo sie es mit offenem Herzen tut stößt sie nicht auf ein schwarzes Loch – sondern auf den Vater des Lichts.

Weiterführend zum Thema Schöpfung:

Weiterführend zur Auferstehung Jesu:

Das geplante Universum – Wie die Wissenschaft auf Schöpfung hindeutet

In den letzten Monaten sind mir eine Reihe von Theologen begegnet, die der Überschrift dieses Artikels wohl entgegnen würden: Wer mit der Wissenschaft die Existenz eines Schöpfers begründen will begeht von vornherein einen grundlegenden Kategorienfehler. Denn Wissenschaft und Religion bewegen sich auf 2 vollständig verschiedenen Ebenen.

Richtig daran ist: Mit Mitteln der Naturwissenschaft ist das Wesen und der Charakter eines Schöpfers ebenso wenig greifbar wie die Wunder, von denen die Bibel berichtet. Denn naturwissenschaftliche Methoden erfassen nur das Beobachtbare, das festen Gesetzmäßigkeiten gehorcht und deshalb überall auf der Welt in Experimenten wiederholbar ist. Was die Wissenschaft aber sehr wohl untersuchen kann sind die Spuren, die ein Schöpfer möglicherweise hinterlassen hat. In ihrem Buch „Das geplante Universum“ haben sich Markus Widenmeyer, Tobias Holder, Boris Schmidtgall und Peter Trüb auf diese Spurensuche gemacht und dabei eindrücklich dargelegt, wie stark gerade die Naturwissenschaft dafür spricht, dass das Leben und das Universum auf das Wirken eines intelligenten Geistes zurückgehen müssen. Denn wer mit den Augen eines Naturwissenschaftlers auf das Universum, die Erde und die Lebewesen schaut, stößt dort regelmäßig auf höchst funktionale Konstruktionen, die ganz offenkundig gezielt lebensfreundlich konzipiert sind und die gemäß all unserer Erfahrung und unserer empirischen Forschung unmöglich ein Resultat von absichtslosen, zufälligen Prozessen sein können. „Der Eindruck intelligenter Planung ist überwältigend“ schrieb der Physiker Paul Davies angesichts unseres Universums“ (zitiert auf S. 132).

Um diese These zu untermauern betrachten die Autoren die Welt aus mathematischer, physikalischer, chemischer und biologischer Sicht. Obwohl das Buch auch für Laien gut lesbar ist merkt man schnell: Diese Leute sind vom Fach! Markus Widenmeyer hat Chemie und Philosophie studiert. Tobias Holder promovierte am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung. Boris Schmidtgall ist Chemiker, Peter Trüb ist ein Teilchenphysiker, der zwischenzeitlich mit der Berechnung von 22,4 Billionen Dezimalstellen der Zahl pi sogar einen Weltrekord aufgestellt hatte. Eine erste bedeutende Feststellung des Autorenteams stammt dementsprechend auch aus dem Feld der Mathematik: „Gemeinsam mit großen Wissenschaftlern wie Galileo Galilei oder Eugene Wigner kann man mit Fug und Recht sagen, dass unser Universum in der Sprache der Mathematik geschrieben ist.“ (S. 35) In einem „ungeplanten Universum“ ist das ebenso wenig selbstverständlich wie die Tatsache, dass es Naturgesetze gibt. Wer hat diese Gesetze „erlassen“? Und warum folgen sie vergleichsweise simplen, symbolisch elegant darstellbaren mathematischen Formeln? „Naturgesetze sind natürlich naturwissenschaftlich erfassbar. Sind sie aber wirklich auch naturwissenschaftlich erklärbar?“ (S. 11) Dazu stellen die Autoren fest: Nur der Theismus ist „im Einklang mit der Tatsache, dass Naturgesetze keinen abschließend erklärenden, sondern im Grunde nur einen beschreibenden Charakter haben.“ (S. 13)

Absolut faszinierend ist darüber hinaus, dass die Naturgesetze ebenso wie die Naturkonstanten und die Massen der Elementarteilchen höchst präzise genau so „konstruiert“ und fein aufeinander abgestimmt sind, dass biologisches Leben möglich ist. Die Tatsache, dass die Masse in unserem Universum weder in sich zusammensackt noch unkontrolliert auseinanderdriftet sondern stabile Strukturen für einen lebensfreundlichen Planeten bildet, ist extrem erstaunlich. In einem „zufälligen Universum“ dürfte man das niemals erwarten.

Auch in der Chemie setzt sich dieses Muster fort: „ An den Beispielen Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Phosphor haben wir gesehen, dass viele Elemente maßgeschneiderte, einzigartige und dabei nach allem, was wir wissen, unverzichtbare Eigenschaften für eine komplexe, funktionale Chemie besitzen, wie sie für organisches Leben nötig ist. … Eine geringfügige Veränderung der Parameter, die dem Baukastensystem zugrunde liegen, würde das ganze System zusammenbrechen lassen.“ (S. 101)

Alle diese perfekten Eigenschaften der Elemente würden aber nichts nützen ohne den extrem außergewöhnlichen energetischen Zustand des Universums: „Der … Zustand des Universums ist … mit einem Ritt auf der Rasierklinge zu vergleichen – und zwar in einer ganz extremen Weise. Weder ist die Energie statistisch gleichmäßig über den Raum verteilt, noch liegt sie räumlich zusammengeklumpt … Vielmehr liegt die Energie hochgradig ungleichmäßig vor, äußerst weit entfernt von einem Gleichgewichtszustand“ … und zwar konzentriert auf einen „Volumenanteil von rund 10-44 des Universums; andererseits ist sie aber auf rund 1080 Portionen verteilt.“ (S. 70/71) „Der Zustand unseres Universums ist also eine Besonderheit mit einer statistischen Unwahrscheinlichkeit, die jede Vorstellung sprengt, nämlich eins zu 10 hoch 10123!“ (S. 72)

Für mich als Biologen ist darüber hinaus natürlich die Frage nach der Entstehung des Lebens besonders spannend. Dazu stellen die Autoren fest: „Charles Darwin ahnte nicht ansatzweise, welche Komplexität biologischem Leben zugrunde liegt. Auch heutige Ingenieure können von vergleichbaren Konstruktionen auf technischer Ebene nur träumen.“ (S. 75) Entsprechend hat kein Biologe bis heute eine auch nur einigermaßen vielversprechende Idee, wie die phantastisch komplexen molekularen Maschinen, die in jeder einzelnen unserer Zellen höchst zuverlässig arbeiten, durch absichtslose Prozesse von selbst entstanden sein könnten.

Die bemerkenswerteste Eigenschaft unseres Universums ist wohl der Umstand, dass wir Menschen einen selbst-bewussten Geist haben, der über das Universum und seine Herkunft nachdenkt, der Mathematik und Philosophie betreibt und nach Moral, Ethik, Liebe und Schönheit fragt. Wie kann geistlose Materie Geist hervorbringen? Auch hier zeigt sich die Stärke der These einer geistigen Verursachung des Universums: „Der Theismus … steht … harmonisch mit der Tatsache im Einklang, dass es mit uns Menschen Geist in der Welt ohnehin gibt.“ (S. 140)

Nun ist all das im strengen Sinne natürlich kein Beweis für Gott. Schließlich ist nicht immer das richtig, was augenscheinlich naheliegend ist. Könnte es für die Feinabstimmung des Universums vielleicht trotzdem eine rein materielle Erklärung geben? Die Autoren behandeln verschiedene solcher Erklärungsversuche. Der berühmteste ist wohl das sogenannte „Multiversum“. Dieses Konzept geht „von der spekulativen Annahme aus, dass es einen Mechanismus gibt, der unendlich viele oder zumindest unvorstellbar viele Teiluniversen hervorbringt. Dabei soll der Mechanismus idealerweise nicht nur die Anfangsbedingungen, sondern auch die Naturkonstanten und vielleicht auch einige Aspekte der naturgesetzlichen Struktur variieren.“ (S. 120) Die Idee dahinter ist: Auch der unwahrscheinlichste Zufall wird irgendwann wieder wahrscheinlich, wenn die Anzahl der Optionen, in denen dieser Zufall eintreten könnte, ausreichend groß ist. So populär dieser spekulative Erklärungsversuch auch ist: Er erklärt eigentlich gar nichts. Denn: „Ein reales Multiversum setzt … zuerst ganz konkret ein produzierendes System für unzählige Dinge voraus.“ (S. 123) Woher kommt dieses produzierende System mit seinen feinabgestimmten Eigenschaften? Das grundlegende Problem des Multiversum-Ansatzes betrifft auch alle anderen Erklärungsversuche, die immer wieder vorgebracht werden: Es löst das Problem der Unwahrscheinlichkeit nicht, es verschiebt es nur! Entsprechend folgern die Autoren: „Erklärungsversuche der Feinabstimmung müssen an irgendeiner Stelle von speziellen Naturgesetzen und Randbedingungen ausgehen, die nicht weiter erklärbar sind. In diesen wäre dann die ganze Information der strukturellen Ordnung des Universums verpackt, sie selbst bleibt radikal unerklärt. … Bei allen innerweltlichen Erklärungen muss (mindestens) ein ähnliches Maß an Komplexität und Spezifität vorausgesetzt werden, wie es eigentlich zu erklären wäre. Der enorm unwahrscheinliche Zufall bleibt bestehen und kann substanziell nicht wegerklärt werden.“ (S. 150)

Die Autoren folgern deshalb zurecht: „Wir wissen, dass das Hervorbringen von komplexen, für einen bestimmten Zweck präzise maßgeschneiderten Objekten etwas mit Intelligenz und Geist zu tun hat. Das wissen wir zumindest in allen Fällen, bei denen der Ursprung der Objekte geklärt ist. Wir wissen, dass das Entwickeln und Anwenden mathematischer Konzepte ebenso etwas mit Intelligenz und Geist zu tun haben. Sowohl für die maßgeschneiderte Struktur einer Leben ermöglichenden Physik und Chemie als auch für die mathematischen Konzepte, die unser Universum regieren, ist es naheliegend, eine intelligente Person, einen Schöpfer anzunehmen.“ (S. 134) „Wir schlussfolgern, dass ein transzendentes, geistiges Wesen von sehr großer Intelligenz und Macht dieses Universum gewollt, geplant und hervorgebracht hat. Und dieses Wesen nennen wir Gott.“ (S. 150)

Sind wir Menschen ganz bewusst gewollte Geschöpfe? Oder sind wir Produkte des Zufalls und „Zigeuner am Rande des Universums“, das „für seine Musik taub ist und gleichgültig gegen seine Hoffnungen, Leiden oder Verbrechen“[1]? Diese Fragen sind für jeden Menschen existenziell. Sie sind eng mit der Frage nach unserer Identität, nach dem Sinn des Lebens, dem Wert und der Würde des Menschen verknüpft. Auch die Fragen nach Moral, Ethik, nach der Realität des freien Willens und der Verantwortung des Menschen hängen eng damit zusammen. Die Frage nach unserer Herkunft ist deshalb selbstverständlich auch für den christlichen Glauben höchst relevant. Nach vielen Jahrzehnten, in denen die Naturwissenschaft zumeist als überlegener Feind des Christentums dargestellt wurde, ist es eine bedeutende Nachricht, dass die Naturwissenschaft heute deutlicher denn je bestätigt, dass die biblische Annahme eines Schöpfers von den wissenschaftlichen Fakten klar gestützt wird. Es ist traurig, dass dieser Umstand bislang auch unter Christen noch so wenig bekannt ist und von einigen Theologen sogar immer noch bekämpft und belächelt wird[2]. Noch trauriger ist, dass unseren Schülern nach wie vor häufig das völlig schiefe Bild vermittelt wird, dass man die „Hypothese Gott“ für die Erklärung der Existenz des Universums und des Lebens nicht brauche[3].

Der Rückschluss von der naturwissenschaftlichen Faktenlage auf einen Schöpfer beruht dabei nicht – wie oft behauptet – auf immer kleiner werdenden Erklärungslücken. Es geht nicht um einen „Lückenbüßergott“, der eines Tages dem wachsenden wissenschaftlichen Fortschritt vollends zum Opfer fällt. Wer so argumentiert, übersieht mindestens 3 Dinge:

  • Erstens handelt es sich bei den ungeklärten Fragen ja nicht um „Lücken“, denn das würde ja nahelegen, dass die meisten Dinge schon erklärt wären. Neben all den Ungereimtheiten der Evolutionstheorie (z.B. der hochgradig diskontinuierliche Fossilbericht[4]) geht es bei den offenen Fragen ja um die absolut zentralen und grundsätzlichen Themen, die sich im Blick auf die Entstehung des Universums und des Lebens stellen: Wie kann hochspezifische Ordnung, zweckdienliche Information, Zielgerichtetheit und Geist durch geist- und ziellose, zufällige Prozesse entstehen?
  • Zweitens sind diese ungeklärten Fragen in den letzten 160 Jahren seit Darwin ja gerade nicht kleiner sondern mit dem wachsenden Wissen über die Komplexität des Lebens, die Feinabgestimmtheit des Universums und das Wesen von digitaler Information immer größer geworden – was im Trend für die Annahme spricht, dass schlüssige materialistische Erklärungen nachhaltig nicht gefunden werden können.
  • Drittens verzichtet die Annahme eines geistigen Verursachers ja gerade darauf, ungeklärte Fragen durch außerwissenschaftliche Annahmen „wegzuerklären“, so wie es der Materialismus tut mit der Annahme, dass man in Zukunft ganz bestimmt noch materialistische Erklärungen für die offenen Fragen finden werde. Das Zulassen der Option einer geistigen Verursachung wäre hingegen nur dann außerwissenschaftlich, wenn man aufgrund einer philosophischen Entscheidung den methodischen Atheismus der Naturwissenschaft derart verabsolutiert, dass auch ein punktuelles Schöpfungshandeln von vornherein prinzipiell ausgeschlossen wird. Das käme aber einer Beschneidung des freien, ergebnisoffenen wissenschaftlichen Denkens und Forschens gleich.

Die Annahme eines schöpferischen Geistes beruht nicht auf dem, was wir nicht wissen sondern auf dem, was wir wissen: Hochspezifische Ordnung und zweckdienliche codierte Information lässt gemäß allen unseren Beobachtungen, Erfahrungen und empirischen Ergebnissen immer auf einen geistigen Verursacher schließen. Der Rückschluss von den Eigenschaften unserer Welt auf einen Schöpfer ist deshalb in hohem Maße vernünftig und faktenbasiert. Ich finde: Gerade junge und sinnsuchende Menschen sollten die eindrücklichen Fakten dazu kennen, damit sie die Chance haben, sich selbst ein Bild zur Frage nach ihrer Herkunft und ihrer Identität machen.

Ich kann deshalb dem äußerst fundierten und zugleich spannenden und gut lesbaren Buch „Das geplante Universum“ nur eine möglichst weite Verbreitung wünschen.

Das Buch „Das geplante Universum – Wie die Wissenschaft auf Schöpfung hindeutet“ ist 2019 bei SCM-Hänssler erschienen und kann hier bestellt werden.


[1] So schreibt es der Nobelpreisträger Jaques Monod in „Zufall und Notwendigkeit“, Übersetzung: Friedrich Griese, Piper Verlag, München 1971

[2] So äußert z.B. der Theologe Siegfried Zimmer: „So einfach ist es nicht, dass man sagt: Ich kucke die Welt an, und wie wenn ich ein Bild irgendwo sehe, dann sag ich doch auch, das hat jemand gemalt, und wenn ich die Welt ankucke, dann sag ich, das hat jemand gemacht. Gell: Die lieben Christlein legen es sich so hübsch naiv zurecht.“ Im Vortrag: „Die erste Schöpfungserzählung (1. Mose 1,1-2,4a) – Teil 2“ Weimar: 21. Mai 2018, online unter https://worthaus.org/worthausmedien/die-erste-schoepfungserzaehlung-1-mose-11-24a-teil-2-8-4-2/ ab 10:37

[3] Gemäß dem berühmten Ausspruch des französischen Mathematikers, Physikers und Astronomen Pierre-Simon Laplace, der im Gespräch mit Napoleon geäußert haben soll: „Gott? Diese Hypothese habe ich nicht nötig!”

[4] Siehe dazu den AiGG-Artikel: „Evolution – Welterklärungsmodell am Abgrund?“ https://blog.aigg.de/?p=4140

Echte Liebe

Stell Dir einen Mann vor, der sagt: “Ich liebe diese Frau! Aber ich liebe nur Teile von ihr. Was mir an ihr nicht gefällt, das ignoriere ich einfach. Oder ich versuche, sie zu ändern.”
Wir würden sagen: Das ist keine Liebe. Das ist ein Egotrip. Es geht Dir doch nur um Dich und Deine Bedürfnisse. Echte Liebe selektiert nicht. Sie sagt Ja zum ganzen Menschen, so wie er ist. Sie stellt diesen Menschen in den Mittelpunkt, nicht die eigenen Vorlieben.

Bei Christus gilt das gleiche. Wir können nicht sagen: Ich liebe Jesus, aber nur, wenn er von der Feindesliebe spricht und Kinder segnet. Doch wenn er die Händler im Tempel schlägt und von der Hölle redet, dann ignoriere ich das lieber.

Wir können auch nicht sagen: Ich liebe sein Wort. Aber ich nehme darin nur das ernst, was mir gut gefällt. Die schwierigen Stellen ignoriere ich. Oder ich interpretiere sie einfach um und erkläre sie für überholt.
Das ist ein Egotrip. Echte Liebe sucht den echten Jesus, so wie er ist, in allen seinen Facetten, wie die Bibel ihn uns beschreibt von 1. Mose 1 bis Offenbarung 22. Sie will immer mehr über Jesus lernen und das eigene Bild von ihm korrigieren lassen. Sie nimmt sein Wort wichtiger als Menschenworte, selbst wenn sie laut, fordernd und besserwisserisch daherkommen. Denn kein Mensch weiß etwas über Jesus, außer es wird ihm von Gott und seinem Wort offenbart.

Echte Liebe sagt: Ich liebe diesen Jesus. Ihm will ich folgen. Und wer mir etwas über ihn beibringen will, der soll es aus seinem Wort heraus tun. Denn nur auf ihn kann und will ich mich verlassen – im Leben und im Sterben.

Können Christen heute noch an Adam, Eva und die Arche glauben?

Ist es angesichts der modernen wissenschaftlichen Er­kennt­nisse nicht vernunfts- und wissenschaftsfeindlich, die Erzählungen der biblischen Urgeschichte für historisch zu halten?

Dieser Artikel ist hier auch als PDF zum Download verfügbar

Wer heute noch an Adam, Eva und die Arche glaubt, gilt inzwischen auch in vielen christlichen Kreisen im besten Fall als skurril, im schlechtesten Fall als ein Feind von Vernunft und Wissenschaft. Tatsächlich gibt es Beispiele von erschreckender Wissenschaftsfeindlichkeit unter Christen. Neulich schrieb mir jemand: In seiner Gemeinde sei gelehrt worden, dass der Teufel die Dino-Knochen vergraben habe, um den Menschen den Glauben an die Bibel zu vermiesen. Zum Glück ist derart schräger Unfug selten. Relativ weit verbreitet ist aber leider die Praxis, solche Fragen totzuschweigen. Die Folge ist am langen Ende, dass Menschen unsere Gemeinden und Gemeinschaften verlassen, weil sie diese Fragen nicht unter den frommen Teppich kehren wollen oder können.

Deshalb müssen wir uns dringend dieser Frage stellen: Wie sollen moderne, aufgeklärte Christen umgehen mit den teils krassen Unterschieden zwischen den biblischen Berichten zur Urgeschichte und den Erkenntnissen der modernen Wissenschaft, wenn Sachkritik an der Bibel[1] aus Glaubensgründen nicht in Frage kommt?

Der Glaube an eine „junge Erde“: Die Faktenlage

Etwa 1800 Jahre lang hat praktisch die gesamte Kirche Jesu den biblischen Bericht über die Entstehung der Erde „wörtlich“[2] ernst genommen und geglaubt, dass sich die Geschichten von Adam, Eva, dem Sündenfall, der weltweiten Sintflut und der babylonischen Sprachverwirrung tatsächlich in etwa so ereignet haben. Weltweit gesehen gilt das auch heute noch für die Mehrheit der Christen. Vielen ist dabei durchaus bewusst, wie problematisch es ist, die gesamte Weltgeschichte, Archäologie und Geologie in einen Zeitraum von etwa 6.000 bis 10.000 Jahren zu pressen. Zwar gibt es eine Reihe von historischen Indizien, die durchaus für eine Historizität der biblischen Urgeschichte sprechen.[3] Auch in der Biologie und Geologie gibt es Fakten, die im Modell einer „jungen Erde“ sogar deutlich besser erklärt werden können (z.B. das Phänomen der „lebenden Fossilien“ oder der wiederbelebbaren Sporen in uralten Fossilien, in denen längst alle biologischen Materialen hätten zerfallen sein müssen). Richtig ist auch, dass es für einige geologische Phänomene, denen man früher eine Dauer von Jahrmillionen zuschrieb, inzwischen sehr überzeugende Kurzzeitmodelle gibt.[4] Andererseits deuten einige Fakten auch klar auf ein deutlich höheres Alter der Erde hin: Die radiometrischen Datierungen, die Entfernung der Sterne im Universum (deren Licht dann noch gar nicht bei uns angelangt sein dürfte) und einige geologische Phänomene, für die es bislang keine befriedigende Kurzzeitmodelle gibt.

Das naturhistorische Standardmodell: Nicht weniger problematisch

Fakt ist aber auch: Mit dem Problem schwerwiegender ungelöster Fragen sind die Anhänger einer jungen Erde keinesfalls allein. Ich kenne kein einziges Modell zur Entstehung des Kosmos, der Erde und der Organismenvielfalt, das nicht mit vergleichbar schwerwiegenden und grundlegenden Problemen zu kämpfen hätte. Das gilt gerade auch für das naturhistorische Standardmodell, in dem das Eingreifen eines wie auch immer gearteten Schöpfers oder Designers von vornherein aus Prinzip grundsätzlich ausgeschlossen wird. Die Probleme dieses Modells, das die Entstehung komplexer physikalischer und biologischer Systeme bis hin zum menschlichen Bewusstsein ausschließlich durch ungerichtete, absichtslose und somit letztlich zufällige Prozesse erklären möchte, sind in den letzten 150 Jahren nicht kleiner sondern im Gegenteil stetig größer geworden.[5] Noch nie wussten wir so viel darüber, wie unfassbar komplex und fein aufeinander abgestimmt die Elemente des Universums und des Lebens sind. Entsprechend groß ist die Ratlosigkeit in Bezug auf die Frage, wie diese hochkomplexen Systeme entstehen konnten.[6]

Die oft geäußerte Annahme, dass sich diese offenen Fragen in der Zukunft schon noch klären und die Erklärungslücken immer kleiner werden, entspricht seit Jahrzehnten nicht der wissenschaftlichen Realität. Durch Wissenszuwachs werden diese „Lücken“ größer, weil der Erklärungsbedarf einerseits zunimmt, andererseits die Defizite erklärender Evolutionstheorien immer offenkundiger werden. Und Tatsache ist natürlich auch: Mit der Behauptung, dass zukünftige Erkenntnisse die Probleme meines Welterklärungsmodells schon noch lösen werden, könnte man schlichtweg JEDES Modell zur Entstehung der Welt verteidigen und gegen JEDE Kritik immun machen. Dieses Pseudoargument trägt daher zum wissenschaftlichen Wettbewerb der verschiedenen Modelle absolut nichts bei, im Gegenteil: Es blockiert den Dialog und das ehrliche, offene Argumentieren.

Theistische Evolution: Ist der Mix aus Schöpfung und Evolution die Antwort?

Nicht wenige Christen wollen sich heute nicht entscheiden zwischen Schöpfung und Evolution. Stattdessen vertreten sie einen Mix aus beiden Modellen und bezeichnen dies als „theistische Evolution“. Dabei wird angenommen, dass Gott die Evolutionsprozesse benutzt habe, um die Organismenvielfalt zu erschaffen. Wie diese göttlichen Eingriffe in den Evolutionsprozess genau vonstatten gegangen sein sollen, wird dabei meist nicht näher erklärt.

Vertreter dieses Modells glauben oft, auf diese Weise Glaube und Naturwissenschaft versöhnen zu können. Dabei scheint ihnen nicht immer bewusst, dass sie mit dieser Sichtweise in der „Scientific Community“, also der akademischen naturwissenschaftlichen Welt, letztlich genauso im Abseits stehen wie die Anhänger einer Schöpfung ohne Evolution. Denn der akademische Wissenschaftsbetrieb ist nun einmal strikt naturalistisch ausgerichtet. Egal ob mit oder ohne Evolution: Wer mit göttlichen Eingriffen rechnet wird immer vom gleichen Schicksal heimgesucht: Keine Publikationen, keine Fördergelder, keine Vorträge an wissenschaftlichen Symposien, somit auch keine wissenschaftliche Karriere und kein Einfluss auf die wissenschaftliche Diskussion.[7] Kein Wunder, dass einige Vertreter der theistischen Evolution das Schöpfungshandeln Gottes inzwischen gänzlich auf die Zeit des Urknalls oder auf quantenphysikalische und somit äußerlich nicht fassbare Prozesse beschränken und behaupten: Gott habe nicht zielgerichtete Prozesse gebraucht, um sein Ziel der Erschaffung des Menschen zu erreichen – ein innerer Widerspruch und ein Dilemma, das letztlich nicht schlüssig aufgelöst werden kann. Reinhard Junker hat zudem in Anlehnung an J. G. West dargelegt, dass diese Denkweise das Modell der theistischen Evolution letztlich in eine frappierende Nähe zu gnostischen Lehren bringt.[8]

Wenig bekannt scheint unter den Anhängern einer theistischen Evolution auch zu sein, dass die Faktenlage in der Fossilienforschung („Paläontologie“) gerade nicht zur These einer schrittweisen Höherentwicklung der Lebewesen passt und somit auch einer theistischen Evolution widerspricht. So berichtet der Paläontologe Dr. Günter Bechly, dass die Baupläne der unterschiedlichen Tiergattungen im Fossilienbericht fast immer plötzlich und explosionsartig auftauchen.[9] Um diesem Befund gerecht zu werden müsste man eher von abschnittsweisen, über Jahrmillionen verteilten Schöpfungsakten ausgehen. Stimmt der biblische Schöpfungsbericht aus 1. Mose 1 also doch, nur dass (vielleicht in Anlehnung an 2. Petrus 3, 8) die „Tage“ nicht 24 Stunden sondern Jahrmillionen dauerten? Was auf den ersten Blick verlockend klingt, wirft aus biblischer und ethischer Perspektive eine ganze Reihe schwieriger Fragen auf[10]:

  • Wie passt dieses Modell zur biblischen Lehre, dass der Tod nicht Teil von Gottes guter Schöpfung sondern Folge der Sünde des Menschen ist (Römer 5, 12; Römer 8, 20ff.; 1. Korinther 15, 20ff.)? Wie kann dann noch der Zusammenhang zwischen Adam und Christus aufrecht erhalten werden, der für die Theologie von Paulus so zentral ist?
  • Warum sind viele der geschaffenen Tier- und Pflanzenformen längst schon wieder ausgestorben, bevor die Schöpfung zu ihrem „sehr guten“ Abschluss kam? Was sagt es über den Charakter Gottes, wenn Gott die Überproduktion von Nachkommen und ihren Tod durch Auslese der Schwächeren geradezu als Schöpfungsmethode verwendet?
  • Warum beginnt und endet Gottes Geschichte mit den Menschen in einem vergleichsweise winzigen Zeitabschnitt der gesamten Schöpfungs- und Menschheitsgeschichte?
  • Gibt es gar keine klare, grundsätzliche Abgrenzung zwischen Mensch und Tier, da beide doch nahe verwandt sind? Befindet sich der Mensch in einer Höherentwicklung? Sind wir selbst die „Neandertaler der Zukunft“? Gibt es Menschen, die höher entwickelt sind als andere? Wie passt das zur biblischen Lehre, dass alle Menschen gleichermaßen als Gottes Ebenbild geschaffen wurden?

Mischformen und Abwandlungen

Zwischen den geschilderten drei Erklärungsansätzen zur Entstehung unserer Welt gibt es noch zahlreiche Abwandlungen und Mischformen.[11] So geht zum Beispiel der bekannte Theologe Timothy Keller davon aus, dass Adam und Eva tatsächlich das historisch erste Menschenpaar nach dem Ebenbild Gottes waren, dass sie aber gleichzeitig das letzte Glied einer langen evolutionären Entwicklung darstellten.[12] Aufgrund bestimmter textlicher Eigenschaften des ersten Schöpfungsberichts in 1. Mose 1 argumentiert Keller dafür, dass die Aussageabsicht dieses Textes anders als die nachfolgenden Kapitel metaphorisch sei und nicht historisch. Daher sieht er auch Möglichkeiten, die Annahme einer „alten Erde“ mit der Aussageabsicht der biblischen Autoren zu vereinbaren und gleichzeitig an Adam und Eva als reale geschichtliche Personen zu glauben.

Auch wenn dieser Ansatz verschiedene neue Fragen und Probleme aufwirft[13] zeigt sich daran: Es gibt Theologen, die sowohl der Aussageabsicht der Schrift vertrauen und trotzdem in Bezug auf die tatsächlich abgelaufene Erdgeschichte zu unterschiedlichen Sichtweisen gelangen. Welches Modell am Ende sowohl mit der Aussageabsicht der Bibel als auch mit den Spuren aus der Entstehungsgeschichte der Erde am besten vereinbar ist, das kann, soll und wird auch unter Bibeltreuen weiter engagiert diskutiert werden.

Außerwissenschaftliche Vorurteile: ALLE müssen sich ehrlich machen!

Das geht aber nur auf Basis einer nüchternen, ehrlichen Bewertung aller Fakten. Und es geht nur, indem jede Seite sich offen und ehrlich den Tatsachen stellt – gerade auch denen, die dem eigenen Weltbild entgegenstehen (wie es nach meiner Erfahrung z.B. die Studiengemeinschaft Wort und Wissen seit vielen Jahren in vorbildlicher Weise tut). Und das geht nur, wenn man andere Sichtweisen nicht von vornherein lächerlich macht, wie es Kritiker der vorherrschenden naturalistischen Ursprungsforschung leider oft erleben müssen.[14]

Für eine faire Debatte wäre es außerdem wichtig, ehrlich die außerwissenschaftlichen Vorent­scheidungen offen zu legen, die letztlich  in jedem Modell zur Entstehung unserer Welt eine erhebliche Rolle spielen:

  • Bibeltreue Christen haben sich zum Beispiel entschieden, der Aussageabsicht der Bibel vorbehaltlos zu vertrauen. Wenn ein Bibeltext historisch gemeint ist, dann wird er auch dann historisch ernst genommen, wenn wissenschaftliche Fakten aktuell dieser Annahme entgegenstehen.
  • Der akademische Wissenschaftsbetrieb hat sich entschieden, grundsätzlich ausschließlich natürliche Ursachen für die Entstehung unserer Welt in Erwägung zu ziehen. An diesem wissenschaftlich nicht begründ- und belegbaren Ausschluss göttlichen Wirkens hält man fest, selbst wenn wissenschaftliche Fakten aktuell dieser Annahme entgegenstehen.[15]

Außerwissenschaftliche Vorurteile sind also keine Spezialität bibeltreuer Christen. Sie sind auch im Wissenschaftsbetrieb ganz normal und für sich genommen überhaupt kein Grund, jemanden als vernunfts- oder wissenschaftsfeindlich zu diskreditieren. Wichtig ist nur, sich offen, ehrlich und vorurteilsfrei den Fakten und dem wissenschaftlichen Diskurs zu stellen, sich ergebnisoffen an der Erforschung der Ursprungsfragen zu beteiligen und dabei eigene außerwissenschaftliche Denkvoraussetzungen ehrlich offen zu legen. Es wäre schön, wenn dies auf allen Seiten gleichermaßen geschehen würde.

Warum ich Naturwissenschaft genial finde UND der Bibel vertraue

Ich bin ein großer Naturwissenschaftsfan! Ich bin tief beeindruckt von den gewaltigen naturwissenschaftlichen Erfolgen der letzten Jahrhunderte. Als Bibelleser bin ich von diesen Erfolgen auch nicht wirklich überrascht. Es war ja gerade das Christentum, das durch die biblische Trennung zwischen Schöpfer und Schöpfung wegbereitend für die Entstehung der modernen Naturwissenschaft war[16]. Speziell bei den Ursprungsfragen sehe ich die Festlegung auf den Naturalismus allerdings kritisch – und somit natürlich auch die Theorien, die auf der Basis dieses außerwissenschaftlichen Vorurteils entstanden sind. Die Naturwissenschaft ist zwar ungeheuer erfolgreich bei der Frage, WIE die Welt FUNKTIONIERT. Äußerst mager sehen ihre Erfolge aber aus bei der Frage, WOHER sie kommt und wie sie ENTSTANDEN ist. Gerade bei den Fragen nach dem Woher und Wohin finde ich es sehr vernünftig, die Begrenztheit menschlicher Erkenntnisfähigkeit besonders gut im Blick zu behalten. Wir wären nicht die erste Generation, die bei diesen Themen breit akzeptierte wissenschaftliche Sichtweisen gründlich revidieren muss. Günter Bechly hat diesbezüglich jüngst darauf hingewiesen, dass gerade die Evolutionsforschung aktuell in einer grundlegenden Krise steckt, die hinter den Kulissen und zum Teil sogar schon ganz offen diskutiert wird.[17]

Können Christen heute noch an Adam, Eva und die Arche glauben? Ja, natürlich! Und zwar ohne ihren Verstand an der Kirchengarderobe abgeben zu müssen. Es gibt so viele gute Gründe, warum es auch heute noch absolut vernünftig ist, den Aussageabsichten der Bibel vollständig zu vertrauen.[18] Deshalb können natürlich auch aufgeklärte Christen zu dem begründeten Schluss kommen, dass ein realer historischer Hintergrund hinter den biblischen Erzählungen in 1. Mose 1-11 den biblischen Texten und den wissenschaftlichen Fakten insgesamt am besten gerecht wird. Wer solche Christen lächerlich macht oder ihnen von vornherein Vernunfts- oder gar Wissenschaftsfeindlichkeit unterstellt ist nicht nur respekt- und lieblos, sondern offenbart auch ein trauriges Halbwissen in Bezug auf die heutige Sach- und Faktenlage.


Buchempfehlung: Im von Reinhard Junker herausgegebenen Sammelband “Genesis, Schöpfung und Evolution” finden sich eine Reihe von qualitativ hochwertigen Artikeln zu Themen rund um die biblische Urgeschichte – sachlich, fundiert und trotzdem zumeist auch für Laien verständlich. Bezogen werden kann das Buch hier beim SCM-Verlag.

Anmerkungen:

[1] Also z.B. die Ablehnung der Historizität biblischer Texte, obwohl sie aufgrund ihrer Texteigenschaften und ihres Kontexts von den biblischen Autoren offenkundig historisch gemeint sind und auch von anderen biblischen Autoren historisch gelesen werden – siehe dazu der AiGG-Artikel „Streit um das biblische Geschichtsverständnis“

[2] Zur Definition des Begriffs „wörtlich“ im Zusammenhang mit Bibelauslegung siehe der AiGG-Artikel „Ist die Bibel unfehlbar“?

[3] Siehe dazu der AiGG-Artikel: „Geschichten, die die Welt bewegen“

[4] Übersichtlich zusammengestellt von Manfred Stephan in „Einige Befunde aus verschiedenen Wissenschaften, die zu einer kürzeren Erdgeschichte passen oder der Aktualismus in Frage stellen“ W+W-Disk.-Beitr. 4/08; vgl. auch die Artikelsammlung zu „Gültigkeit und Grenzen geologischer Zeitbestimmung“

[5] Einige der zentralen Probleme wurden im AiGG-Artikel „4 Dinge, für die ich Atheisten bewundere“ kurz dargestellt.

[6] Dazu äußerte der US-amerikanische Chemiker Prof. James M. Tour im Jahr 2016: „Diejenigen die denken, dass die Wissenschaft die Details des Ursprungs des Lebens verstanden hätte, sind vollständig uninformiert. Niemand versteht es. … Die Basis, auf der wir als Wissenschaftler stehen, ist so wackelig, dass es das Beste wäre, die Situation ganz offen als das zu bezeichnen, was es ist: Ein Rätsel.“ (ab 1:07:13 im Vortrag: The Origin of Life: An inside story“, 2016)

[7] Den ideologischen Charakter des Gottesausschlusses in der universitären Ursprungsforschung und die massiven Folgen für wissenschaftliche Karrieren belegt der äußerst sehenswerte und Film „Expelled – Intelligenz streng verboten“ sowie der persönliche Erfahrungsbericht des Paläontologen Günter Bechly

[8] Reinhard Junker (2011) in Theistische Evolution und moderne Theologie: „Nichts Neues unter der Sonne“

[9] Näheres dazu im AiGG-Artikel „Evolution – ein Welterklärungsmodell am Abgrund?“

[10] Eine ausführliche Kritik des Konzepts „theistische Evolution“ findet sich im Buch „Leben durch Sterben? Reinhard Junker 1994. Eine detaillierte kritische Betrachtung moderner Konzepte von theistischer Evolution findet sich im Artikel „Theistische Evolution nach Denis Alexander und nach BioLogos“ von Reinhard Junker (2012) aus: Junker, R. (Hrsg.) Genesis, Schöpfung und Evolution. Studium Integrale. Holzgerlingen, 3. Auflage 2017 (so auch Text aus Anm. 8)

[11] Eine Übersicht gibt dazu das Video von Stephan Lange „Wie alt ist die Erde: 6000 oder 4,6 Milliarden Jahre?“

[12] Dargelegt in seinem Buch „Adam, Eva und die Evolution“, 2018

[13] siehe dazu die Rezension des Buchs „Adam, Eva und die Evolution“ von Dr. Reinhard Junker

[14] So erzählt Dr. Günter Bechly im äußerst empfehlenswerten 30-minütigen Interview, wie er aufgrund seines wachsenden Zweifels an der vorherrschenden naturalistischen Erklärung zur Entstehung der Welt letztlich seinen Job am Naturkundemuseum in Stuttgart verlor.

[15] Von besonderer Bedeutung ist dazu die oft scharf und emotional geführte Diskussion um das Design-Argument, ausführlich diskutiert von Markus Widenmeyer & Reinhard Junker unter „Der Kern des Design-Arguments in der Biologie und warum die Kritiker daran scheitern“ 12 / 2016

[16] Siehe dazu der AiGG-Artikel „Das bestätigte Weltbild“

[17] Siehe dazu der AiGG-Artikel „Evolution – Welterklärungsmodell am Abgrund?“

[18] Siehe dazu der AiGG-Artikel „10 Gründe, warum es auch heute noch vernünftig ist, der Bibel zu vertrauen“