Worthaus macht universitäre Theologie populär – auch unter Evangelikalen. Eine Analyse der Worthaus-Vorträge zeigt: Die evangelikale Bewegung steht vor einer grundlegenden Entscheidung, wenn sie nicht in den Abwärtsstrudel der liberal geprägten Kirchen mit hineingezogen werden möchte.
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Warum dieser Artikel?
Ich mag es nicht, wenn selbsternannte „Irrlehrenjäger“ in jeder christlichen Initiative die Haare in der Suppe suchen. Niemand ist fehlerlos. Wir leben alle aus Gottes unverdienter Gnade. Wir sollten unser Hauptaugenmerk auf das Original richten und nicht auf Fälschungen. Seit ich eine Zeit lang unter einigen gesetzlich-traditionellen Christen ziemlich zu leiden hatte, ist mir Weite und Liebe zur Vielfalt wichtig geworden. Ich gehöre zur Leitung einer evangelisch-landeskirchlichen Gemeinde, in der wir sehr verschieden geprägt sind. Aber gemeinsam teilen wir die Liebe zu Jesus und das Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Bibel. Auf diesem gemeinsamen Fundament können wir Differenzen in einzelnen Lehrinhalten und im Frömmigkeitsstil fröhlich aushalten und gemeinsam erfolgreich Gemeinde bauen.
Aber was mir wirklich das Herz bricht ist, dass ich sonst in meiner Landeskirche so viel trostlosen Zerfall sehen muss. Mit Schmerzen höre ich, wie der theologische Pluralismus so oft genau das Fundament der Einheit zerstört, das meiner Gemeinde so viel Segen bringt. Christen wandern ab, weil sie bei Pfarrern keine verständliche und keine tröstliche Botschaft mehr hören und weil sie ihrer Kirchenleitung nicht mehr vertrauen, die sich scheinbar mehr um Politik als um das Evangelium kümmert. Nicht einmal mehr in den allerzentralsten Glaubensfragen gibt es Einheit. Selbst der Jubel über die Auferstehung Jesu ist keine selbstverständliche gemeinsame Grundlage mehr. Kein Wunder, dass es überall Spaltungstendenzen gibt und Gemeinden eingehen, weil man nicht mehr gemeinsam an einem Strang ziehen kann.
Angesichts dieser Not macht es mich traurig, wenn ich sehe, dass offenbar auch immer mehr evangelikale Hoffnungsprojekte in ein Fahrwasser hineingeraten, das nach meiner Überzeugung zwangsläufig schrittweise ihre Ausstrahlung und Einheit untergraben wird. Genau deshalb müssen wir über Worthaus reden. Dringend.
Worthaus – Was ist das?
Worthaus ist eine frei zugängliche, sich ständig erweiternde Mediathek mit theologischen Vorträgen. Im Juni 2019 waren bereits 128 Vorträge von 19 verschiedenen Theologinnen und Theologen abrufbar. Etwa zwei Drittel der Vorträge werden vom emeritierten Professor für evangelische Theologie Siegfried Zimmer gehalten, der in Württemberg bereits durch die GospelHaus– und Nachteulengottesdienste bekannt geworden war.
Fast alle Referenten bei Worthaus kommen aus der universitären evangelischen oder katholischen Theologie. Eine Ausnahme ist der zweithäufigste Worthaus-Sprecher Prof. Thorsten Dietz. Er lehrt an der evangelischen Hochschule Tabor, die sich dem Pietismus verpflichtet fühlt, zum Gnadauer Gemeinschaftsverband gehört und sich bis zum Jahr 2018 noch zur Konferenz bibeltreuer Ausbildungsstätten zählte. Dietz wirbt leidenschaftlich für Worthaus: „Es ist ja nicht nur himmlische Fügung, dass Menschen durch Träume und ähnliches zu Worthaus finden – daher liken, posten, teilen.“
Worthaus-Referenten sind auch auf evangelikalen Großveranstaltungen wie z.B. dem „Freakstock“ anzutreffen. Schon die Gründung von Worthaus ist auf Vorträge von Prof. Zimmer auf dem evangelikalen Spring-Ferienfestival zurückzuführen. Prof. Zimmer berichtet, Worthaus habe „viele, viele zehntausend Hörer“. Bei einer freikirchlichen Konferenz hätten alle anwesenden 30 bis 35 Pastoren gemeldet, dass sie regelmäßig Worthaus hören. Sein Eindruck ist: „Die Pastorenfortbildung läuft eigentlich über Worthaus.“ 1 Worthaus ist also auch unter Evangelikalen angekommen – obwohl Prof. Zimmer selbst ausdrücklich warnt: „Auf keinen Fall evangelikal“ 2. Wie ist dieser Widerspruch zu erklären?
Gibt es eine „Worthaus-Theologie“?
Eine einheitliche Worthaus-Theologie gibt es nicht. Die verschiedenen Referenten sind unterschiedlich geprägt. Allerdings fällt das erst auf den zweiten Blick auf. Denn Debatten um Meinungsverschiedenheiten gibt es bei Worthaus ebenfalls nicht. Alle Vorträge werden in der Mediathek gleichermaßen beworben. Da Siegfried Zimmer die große Mehrheit der Vorträge hält, prägt er das Portal natürlich auch insgesamt. Allen Vorträgen gemeinsam ist zudem die insgesamt positive Grundeinstellung zu universitärer Theologie. Gerade bei Siegfried Zimmer steht diese Wertschätzung in scharfem Kontrast zur immer wieder formulierten Abwertung konservativer bzw. „fundamentalistischer“ Frömmigkeit.
Gleichwohl wollte Worthaus in einem gewissen Sinn von Beginn an sehr „bibeltreu“ sein. Durch die Berücksichtigung moderner bibelwissenschaftlicher Erkenntnisse sollte gar ein „unverstellter Blick“ auf die Bibel gewonnen werden. Biblische Textgattungen sollten sauber unterschieden werden. Durch Berücksichtigung des historisch-kulturellen Umfelds sowie der Entstehungsgeschichte der biblischen Texte sollte viel fundierter beleuchtet werden, was die biblischen Texte wirklich sagen wollten (z.B. ob die Geschichten historisch gemeint waren oder nicht). „Fernab aller Tradition und ideologischer Annahmen geht es hier um eine bewusste Reflexion von Glaubenssätzen und Auseinandersetzung mit der Bibel im Spiegel der Erkenntnisse der theologischen Forschung“ schrieben die Worthaus-Macher. „Dabei steht bewusst alles zur Disposition. In gewisser Hinsicht beginnt alles von vorn. Es gibt keine Tabus.“ Der Anspruch bei der Worthausgründung war also: Hier wird alles vorurteilsfrei in Frage gestellt, um zu fundierten Überzeugungen zu gelangen. Statt die Bibel durch vorurteilsbeladene Brillen zu lesen soll ein ungetrübter, wissenschaftlich fundierter Blick auf die biblischen Texte gefördert werden.
Eine möglichst objektive Klärung der ursprünglichen Aussageabsicht der biblischen Texte ist natürlich auch für konservative Zuhörer interessant, die ja zuallermeist längst nicht so wissenschaftsfeindlich sind, wie oft behauptet wird. Die Frage ist allerdings: Ist theologische Forschung ohne außerwissenschaftliche Vorannahmen überhaupt möglich? Und wird in den Worthaus-Vorträgen tatsächlich so vorurteilsfrei gearbeitet?
Denkvoraussetzungen bei Worthaus
In den ersten Jahren hatte Worthaus auf seiner Webseite 5 Thesen veröffentlicht, aus denen sich einige grundlegende Denkvoraussetzungen ableiten ließen:
Die Bibel ist nicht ohne weiteres verständlich
Da der Blick auf die Bibel „oftmals durch Glaubenssätze, Ideologien, falsche Annahmen und Unkenntnis der biblischen Entstehungsgeschichte verstellt“ sei (These 2) ist es „nicht selbstverständlich, die Botschaften der Bibel richtig zu verstehen.“ (These 3) „Denn bei genauerer Betrachtung sind die meisten Dinge, mit denen wir es zu tun haben, eben nicht einfach, sondern ziemlich komplex. Und das gilt auch ganz besonders für die biblischen Texte und den christlichen Glauben. Wer das bestreitet, ist bei Worthaus falsch.“ Deshalb werden in vielen Worthaus-Vorträgen die Erkenntnisse aus der modernen Bibelwissenschaft als grundlegend angesehen, um die Bibel richtig interpretieren zu können. Tatsächlich habe praktisch die gesamte Kirche viele Bibeltexte 1800 Jahre lang falsch interpretiert und „Millionen von Christen“ tun es bis heute, sofern sie keinen Kontakt zur universitären Theologie haben.3
Die Bibel ist fehlerhaft und widersprüchlich
Die historisch-kritische Praxis an den Universitäten beschränkt sich allerdings nicht auf eine vorurteilsfreie Erforschung der Bibel. Es geht häufig auch um echte Kritik an der Bibel auf der Basis von außerbiblischen Denkvoraussetzungen.4 Entsprechend geht auch in vielen Worthaus-Vorträgen die Bibelkritik sehr viel weiter, als nur die wahre Aussageabsicht der Bibel unter Berücksichtigung der damaligen Zeit und Kultur herauszuarbeiten. Selbst eindeutig historisch gemeinten Texten in den Evangelien (von Lukas als „Augenzeugenberichte“ charakterisiert, Luk. 1, 2) sprechen Worthaus-Referenten die Historizität ab,5 was neben den Konsequenzen für die Glaubwürdigkeit der Bibel natürlich auch gravierende theologische Konsequenzen hat, da die Geschichtlichkeit oft wesentlicher Bestandteil der theologischen Aussage ist6.
Folgerichtig enthält die Bibel aus Sicht einiger Worthausreferenten natürlich auch theologische Fehler und Widersprüche. So äußert Dr. Breuer: Paulus habe viel Kluges, aber auch Unkluges geschrieben. Manche seiner Argumente seien gar „einigermaßen hanebüchen“, weshalb man allein mit Bibelstellen auch keinen theologischen Standpunkt begründen könne7. Auch für Prof. Zimmer enthält die Bibel „hunderte von Fehlern“ 8. Insbesondere müsse man die Bibel überall da ablehnen, wo sie der Lehre Jesu widerspricht: „Im Konfliktfall argumentieren wir ohne jedes Zögern mit Jesus Christus gegen die Bibel.“ 9 Entsprechend formuliert die Worthaus-These 4: „Ein geschlossenes Weltbild auf der Grundlage der Bibel ist nicht machbar.“
Aber ist Jesus Christus in den Worthaus-Vorträgen tatsächlich der verlässliche Wahrheitsanker, der uns helfen kann, die Bibel richtig zu deuten und ggf. auch zu kritisieren?
Jesus verschwimmt im historischen Nebel
In einem seiner Vorträge trennt Prof. Stefan Schreiber klar zwischen dem Jesus der Evangelien und dem „historischen Jesus“. Welche der biblischen Jesus-Zitate wirklich von Jesus stammen und welche ihm später in den Mund gelegt wurden, muss individuell geprüft werden.10 Dr. Breuer räumt diesbezüglich ein, dass es kein einziges Zitat von Jesus gibt, dessen historische Echtheit nicht schon von Theologen bezweifelt worden wäre.11 Ob Jesus sich selbst als Messias sah ist für Prof. Schreiber völlig unklar.10 Wer Jesus war, wie er sich selbst sah und was er tatsächlich gelehrt hat, verschwimmt hier also im historischen Nebel. Somit kann auch die Person Jesus Christus kein eindeutiges Unterscheidungskriterium für richtig und falsch in der Bibel mehr sein. Viele Aussagen in Worthaus-Vorträgen belegen, dass damit der theologischen Willkür letztlich Tür und Tor geöffnet wird:
Worthaus geht „ans Eingemachte“
Leider kommt bei Worthaus kaum zur Sprache, dass in der universitären Bibelwissenschaft letztlich sämtliche Kernsätze des apostolischen Glaubensbekenntnisses in Frage gestellt wurden und werden.12 Auch in Worthaus-Vorträgen werden zahlreiche Kernsätze des Glaubens abgeräumt, die in der weltweiten und historischen Kirche fast durchgängig als klare, eindeutige Aussagen der Schrift verstanden wurden und werden:
- Jesu Tod am Kreuz sei eindeutig kein stellvertretendes Sühneopfer für die Schuld der Menschheit gewesen. Paul Gerhardts Lied „O Haupt voll Blut und Wunden“ transportiere eine irrige Passionsfrömmigkeit.13 Im Abendmahl feiern wir im Kern die „Kontaktfreudigkeit“ und „Zuwendungslust“ Jesu.14
- Eine Kamera habe am österlichen Grab nichts filmen können. Himmelfahrt und Pfingsten seien keine historischen Ereignisse gewesen.5
- Das Heil sei nicht exklusiv nur in Jesus Christus zu finden.15, 23
- Der Tod sei nicht nur eine Folge der Sünde sondern Teil von Gottes guter Schöpfung.16
- Der Himmel sei kein fassbarer Ort. Man könne dort keine Bekannten wieder treffen. Erst recht gäbe es keine wie auch immer geartete Hölle.17 Der Glaube an eine ewige Verdammnis zeuge von einem „eiskalten Glauben“ und primitiver Moral.18
- Der Teufel sei (sehr wahrscheinlich) keine Person. Wer in der Schlange im Schöpfungsbericht den Teufel erkennt sei „balla balla“.19
Schon aus diesen wenigen Beispielen wird deutlich: Bei Worthaus wird dem theologischen Pluralismus der modernen Bibelkritik keine wirksame Grenze gesetzt. Vielmehr zeigt sich auch hier, wie die praktisch gelebte moderne Bibelkritik die Tür zu einem unklaren und letztlich anderen Evangelium öffnet.
Umdeutung von Begriffen
Vor diesem Hintergrund ist es auf den ersten Blick überraschend, wenn Prof. Zimmer immer wieder betont, dass für ihn selbstverständlich die ganze Bibel durch und durch wahres Wort Gottes sei und dass sie trotz aller Fehler und Widersprüche in den wesentlichen Aussagen so klar sei, dass sich alle Christen in den heilsentscheidenden Punkten einig seien.8 Dieses Versprechen kann aber – wenn überhaupt – nur durch eine Umdeutung von Begriffen eingehalten werden:
- Unter der Einheit der Schrift versteht Prof. Zimmer nicht eine theologische Einheit (in der sich die Aussagen letztlich zu einem großen Ganzen ergänzen), sondern eine „dialogische Einheit“, in der auch zahlreiche theologische Widersprüche ihren Platz hätten.20
- Unter der Wahrheit der Bibel verstehen einige Worthaus-Referenten nicht etwa Fehlerlosigkeit21. Die Bibel sei vielmehr insofern wahr, dass sie von Jesus Christus zeugt. Und für die Bibel selbst sei ja Jesus Christus die Wahrheit, nicht die Bibel.22
Darüber hinaus gibt es viele Beispiele von Begriffsumdeutungen, die einige theologische Aussagen zwar traditionell klingen lassen aber trotzdem gänzlich abweichen von den traditionellen Sichtweisen und Auslegungsprinzipien evangelikaler Theologie.23
Abkehr vom reformatorischen Erbe
Prof. Wilfried Härle bezeichnet sich selbst als Luther-Fan. Prof. Zimmer sagt, er sei ein „Schüler Luthers“. Entsprechend beruft er sich immer wieder auf den Reformator24. In der Tat hat auch Luther die Bibel kritisiert, wo sie seiner Ansicht nach nicht das lehrt, „was Christum treibet“. Allerdings gibt es einen grundlegenden Unterschied: Wenn ein biblisches Buch Luthers Ansicht nach nicht zur Botschaft Jesu Christi gepasst hat, dann hat Luther angezweifelt, ob es zum biblischen Kanon gehört. Aber kanonische Bücher hatten für die Reformatoren selbstverständlich absolute und irrtumsfreie Autorität.25 Sie waren für ihn in ihrer Aussage so klar, dass auch Laien sie verstehen konnten. Und sie waren so wahr, dass sie nur durch weitere Bibeltexte und nicht durch außerbiblische menschliche Maßstäbe ausgelegt und interpretiert werden durften. Prof. Armin Baum bemerkt daher zurecht: „Für das von ihm vertretene Modell sollte sich ZIMMER nicht auf LUTHER berufen. […] Der von ZIMMER befürwortete Ansatz, dass auch kanonische Schriften theologische Fehler aufweisen und fehlerhafte Aussagen sogar als „Gottes Wort“ zu gelten haben, ist meines Erachtens nicht reformatorisch.“ 26
Mit der Übersetzung der Bibel in die Alltagssprache hatte Luther die Bibel in die Hand der einfachen Menschen gelegt. Damit hat er eine weitreichende geistliche Erneuerungsbewegung ausgelöst und letztlich die Grundlage für die heutige Denk- und Religionsfreiheit geschaffen. Beim Hören der Worthausvorträge entsteht hingegen immer wieder das Bild: Laien, die nicht eingeweiht sind in moderne Theologie, Archäologie, historische Wissenschaften und antike Sprachen, können sich selbst eigentlich gar kein abschließendes Bild von den Aussagen der Bibel machen. Schließlich habe sich ja sogar die ganze Kirche in vielen Punkten 1800 Jahre lang geirrt!3 Von einer für jeden Laien verständlichen Klarheit der Schrift, die Luther so wichtig war, kann von daher kaum noch die Rede sein, wie sich auch in den Worthaus-Thesen 2-5 zeigt. Die Gefahr dabei ist, dass den theologisch nicht Gebildeten die Bibel aus der Hand genommen, der Zugang zur Bedeutung biblischer Aussagen versperrt und damit eine der zentralsten Errungenschaften der Reformation verspielt wird.27
Konservative Klischees und Pappkameraden
Prof. Zimmer will ein Brückenbauer sein. Er will auch Konservative mit der Bibelwissenschaft versöhnen. Seine Darstellung konservativer Christen ist in den Worthaus-Vorträgen jedoch meist klischeehaft und undifferenziert. Ein Hauptvorwurf ist die angebliche vollständige Ablehnung sämtlicher bibelwissenschaftlichen Methoden und eine „Vergöttlichung“ der Bibel, die die Vorrangstellung der Person Jesus Christus gegenüber der Bibel ablehnt. Die „Fundamentalisten“ in den konservativen Kreisen hätten letztlich ein islamisches Schriftverständnis und würden an eine „Vierfaltigkeit“ glauben: Vater, Sohn, Heiliger Geist und Bibel.8
Mit diesem Vorwurf stellt sich Prof. Zimmer in eine alte Tradition. Schon C.H. Spurgeon schrieb 1891 in seinem Kampf gegen das Vordringen liberaler Bibelkritik: „Wer an der Unfehlbarkeit der Schrift festhält, den bezichtigen sie der ‚Bibliolatrie‘ (= Vergötterung der Bibel).“ 28 Prof. Armin Baum kommentiert diesen Vorwurf wie folgt: „Um im evangelikalen Lager Theologen ausfindig zu machen, die die moderne Bibelwissenschaft ablehnen und den Vorrang Jesu vor der Bibel bestreiten, muss man sicherlich sehr lange suchen. Dass man dabei fündig wird, halte ich nicht für ganz ausgeschlossen. Evangelikale Theologen, die im von Zimmer definierten Sinne fundamentalistisch denken, sind jedoch eine ausgesprochen rare Spezies.“ 29
Anders gesagt: Hier werden „fundamentalistische Pappkameraden“ produziert, die mit der Realität wenig zu tun haben, auf die dann aber umso heftiger eingedroschen wird, wie Michael Kotsch in seinem Kommentar zu Zimmers Vortrag „Die schwule Frage“ schreibt: „In etwa einem Viertel seines Vortrags bringt Zimmer seinen – man kann es leider nicht anders nennen – Hass auf konservative Christen zum Ausdruck. […] Siegfried Zimmer bezeichnet konservative Christen als „dümmlich“, „engstirnig“, „tragisch“, „bibelverkorkst“ und „rechthaberisch“. Sie […] haben kein Interesse, sich zu informieren […] bei ihnen wird die Bibel „dumm zitiert“. Sie „liegen fürchterlich daneben“ in ihrem Umgang mit der Bibel, weil sie „nicht einmal das ABC historischer Hintergrundkenntnis“ mitbringen. Mit ihrer Theologie betrieben sie „schwerste Bibelmanipulation“. […] Bei den konservativen Christen wird die Bibel „missbraucht“ und „instrumentalisiert“. Sie „haben die Bibel in ihrem Schwitzkasten“ und „bauen eine eigene Ideologie auf“, behauptet Zimmer. Aber nicht genug! Konservative Christen gehen mit der Bibel um „wie die islamischen Salafisten“ mit dem Koran. Sie gehören „in Nachbarschaft zu Zeugen Jehovas und Mormonen“. Diese Evangelikalen seien generell „unseriös“, „fehlgeleitete Leute“, die nicht so genau hinschauen.“ 30 Solche grob beleidigenden Aussagen finden sich leider in einer Reihe von Worthaus-Vorträgen.
Kann man mit Jesus die Bibel kritisieren?
Dieser Artikel bietet nicht den Raum, das Bibelverständnis der Worthaus-Referenten differenziert und fundiert zu analysieren und zu beantworten. Dazu gibt es gute Literatur31. Nur ein zentraler Punkt sei hier kurz genannt: Wenn Prof. Zimmer empfiehlt, mit Jesus die Bibel zu kritisieren, stellt sich natürlich die Frage: Wie ist denn Jesus selbst mit dem Alten Testament umgegangen? War Jesus denn tatsächlich bibelkritisch? Dazu schreibt der Theologe Ron Kubsch: „Zimmer bietet keine überzeugenden Belege dafür, dass Jesus die alttestamentlichen Schriften zum Gegenstand seiner Kritik gemacht hat. Jesus ist nicht gekommen, um „das Gesetz oder die Propheten“ zu kritisieren oder „aufzulösen“, „sondern um zu erfüllen“ (Mt 5,17). Für Jesus verfällt nicht „ein einziges Jota oder ein einziges Häkchen“ vom Gesetz, bis Himmel und Erde vergehen (Mt 5,18). Jesus unterscheidet eindeutig zwischen menschlicher Überlieferung und dem Wort Gottes, das Mose im Auftrag seines Herrn gesprochen hatte (vgl. Mt. 7,10-13). John Wenham kommt in seiner umfangreichen Untersuchung ‘Jesus und die Bibel‘ zu dem Ergebnis, dass für Jesus Christus die Schriften des Alten Testaments wahr, autoritativ und inspiriert sind und dasjenige, was in ihnen geschrieben steht, Gottes Wort ist.“ 32 Auch Prof. Gerhard Maier betont in seinem Standardwerk Biblische Hermeneutik: „Jesu Praxis und Lehre erlaubt es uns nicht, die Schrift und Christus als einen Gegensatz aufzufassen.“ Der Ansatz von Siegfried Zimmer, die Lehre Jesu für Sachkritik an der Bibel zu verwenden, widerspricht somit fundamental dem reformatorischen Prinzip, dass die Bibel sich selbst auslegt („Sacra scriptura sui ipsius interpres“).
Worthaus lohnt sich – wenn es kritisch genossen wird
Es lohnt sich, sich Worthaus-Vorträge anzusehen! Die überwiegend kurzweiligen und lebendig vorgetragenen Beiträge sind oft hochinteressant und stellen insgesamt definitiv einen horizonterweiternden Bildungs-Beitrag dar. Nur wer sich mit den theologischen Diskussionen unserer Zeit befasst, kann einen eigenen fundierten Standpunkt entwickeln und vertreten. Einbunkern und Abschotten ist eine Haltung, die bei Worthaus zurecht kritisiert wird. Wichtig ist nur (ganz im Sinne von Prof. Zimmer): Auf keinen Fall einfach nachplappern sondern prüfen und selber denken (siehe dazu im Anhang die interaktive Tabelle mit fundierten Kommentaren zu Worthaus-Vorträgen). Denn man darf nicht verdrängen, dass der Worthaus-Cocktail zwar verführerisch schmeckt, aber für Evangelikale aus 2 Gründen trotzdem vergiftet ist:
Ist Worthaus wissenschaftlich und intellektuell überlegen?
In vielen Worthaus-Vorträgen werden die dort gemachten Lehraussagen als wissenschaftlich, vernünftig, objektiv, vorurteilsfrei, reflektiert und differenziert dargestellt. Dagegen werden Konservative/Evangelikale/Fundamentalisten (diese Begriffe werden in Worthaus-Vorträgen oft so gebraucht, als ob sie austauschbar wären) immer wieder als denkfaul, eingebunkert, bildungsfeindlich, dümmlich, durcheinander, subjektiv und auf Vorurteilen und Prägungen basierend dargestellt (siehe auch die 1. Worthaus-These). Diese immer wieder anklingende Geste der intellektuellen Überlegenheit ist deshalb unangemessen, weil natürlich auch die Worthaus-Referenten mit subjektiven Vorverständnissen und Auslegungsschlüsseln arbeiten.4 Statt der Rede vom angeblichen „unverstellten Blick“ wäre es angemessener, stärker auch die eigenen Denkvoraussetzungen und Glaubensentscheidungen offen zu legen. Wo das sachliche Anerkennen unterschiedlicher Herangehensweisen an die Bibel durch das Verächtlichmachen anderer Haltungen und Denkweisen ersetzt wird, da werden die Gräben in der Christenheit vertieft statt überbrückt – eine Gefahr, die übrigens in allen theologischen Lagern anzutreffen ist.33
Worthaus: Ein trojanisches Pferd?
Der populärwissenschaftliche Anstrich lässt die Worthaus-Vorträge attraktiv und zugleich vernünftig und überlegen erscheinen. Sie entlassen den frommen Hörer zudem aus einer Menge von Konflikten in Bezug auf schwierige Bibelstellen oder z.B. bei Themen wie Homosexualität und die Ursprungsfrage (Schöpfung und Sündenfall). Mit dem Versprechen, die heilsentscheidenden Inhalte der Bibel unangetastet zu lassen und fest zur Wahrheit, Klarheit und Einheit der Schrift zu stehen, macht Worthaus sich auch unter Konservativen salonfähig – auch wenn dieses Versprechen immer wieder massiv gebrochen wird. Mit dieser Mixtur hat Worthaus das Zeug zum trojanischen Pferd, das den theologischen Pluralismus mitten in die evangelikale Bewegung tragen kann.
Die evangelikale Bewegung am Scheideweg
Der überbordende theologische Pluralismus der modernen Theologie und die Abkehr von einem textgetreuen Verständnis der Bibel ist ohne Zweifel eine Hauptursache für den Niedergang der von nichtevangelikaler und liberaler Theologie geprägten Kirchen in der ganzen westlichen Welt, weil er unüberbrückbare Gräben aufreißt, die die Gemeinden spalten. Deshalb werden sich freie Ausbildungsstätten wie die evangelische Hochschule Tabor, die sich traditionell zur evangelikalen Bewegung zählt, ebenso wie die evangelikale Bewegung insgesamt entscheiden müssen, wie sie mit Worthaus umgehen wollen. Totschweigen wird nicht gelingen, denn schon jetzt ist Worthaus nicht nur ein Internet-Hit sondern prägt durch seinen wachsenden Einfluss auf die evangelikalen Ausbildungsstätten längst auch die zukünftigen evangelikalen Multiplikatoren und Leiter.
Worthaus kann die evangelikale Bewegung vielleicht ein wenig aus der Schusslinie des Zeitgeistes holen. Aber der Preis ist hoch. Worthaus ist ein Spaltpilz, weil viele der dort vertretenen Thesen mit evangelikaler Theologie und Frömmigkeit grundsätzlich unvereinbar sind. Worthaus wird, wenn es unkritisch aufgenommen wird, der evangelikalen Bewegung die Kraft und die Spitze nehmen, weil es ihre Botschaften verunklart und im Extremfall sogar durchstreicht.
Meine feste Überzeugung ist deshalb: Wenn sich die evangelikale Bewegung den bei Worthaus vertretenen theologischen Standpunkten weiter öffnet, wird sie letztlich das Schicksal der liberal geprägten Kirchen in der ganzen westlichen Welt teilen: Keine klare Botschaft mehr, keine Einheit mehr – und folglich zunehmend auch keine Mitglieder mehr. Deshalb ist es jetzt unbedingt notwendig und im besten Sinne „not-wendend“, sich von Worthaus einerseits im notwendigen Maße abzugrenzen und gleichzeitig in den Gemeinden die reichhaltigen Schätze aus den kirchlichen Bekenntnissen, den Schriften der Kirchenväter, der Reformatoren und der großen evangelikalen Theologen selbstbewusst und offensiv bekannt zu machen.
Danke für die fachlich kompetente Prüfung des Artikels und alle guten Anregungen, Kommentare und Korrekturen:
- Ron Kubsch
- Reinhard Junker
- Holger Lahayne
- David Brunner
- Martin Till
Anmerkungen und Quellen:
1: In Hossa Talk Nr. 105 „Siggi wehrt sich“, ab 1:34:00
2: „Auf keinen Fall evangelikal. Der Preis ist leider zu hoch“ sagt Prof. Siegfried Zimmer am Ende seines Vortrags „Aufbruch in eine Erneuerung des christlichen Glaubens“ 1:10:10
3: So habe die Kirche z.B. 1800 Jahre lang die Gleichnisse Jesu irrtümlich allegorisch gedeutet (und sogar die Evangelienschreiber selbst hätten diesen Fehler gemacht!), und auch heute täten das bedrückenderweise immer noch Millionen von Christen, die keinen Kontakt zur Universitätstheologie haben (Prof. Zimmer in: „Ein Beispiel zur Arbeitsweise der modernen Bibelwissenschaft“ ab 24.12). Auch habe die Kirche bis ins 19. Jahrhundert praktisch durchgängig die falsche Lehre vertreten, dass der Tod nur eine Folge der Sünde und kein Schöpfungswerk Gottes sei (Prof. Zimmer: Ist der Mensch unsterblich erschaffen worden?)
4: Mit den weit verbreiteten außerwissenschaftlichen Vorannahmen in der universitären Theologie und den resultierenden Konsequenzen befasst sich der Artikel „Stolz und Vorurteil – Wie wissenschaftlich ist die Bibelwissenschaft“ (blog.aigg.de/?p=3940)
5: So lehrt z.B. Dr. Breuer: Jesu Grab war voll! „Ich bin überzeugt: Wenn man damals eine Videokamera am Grab Jesu installiert hätte, wäre nichts zu sehen gewesen. Nichts!“ Auch bei den Erscheinungen des Auferstandenen hätte eine Videokamera nichts gefilmt. Nur „sehr konservative Christen“ legten Wert auf das leere Grab. Aber eigentlich sei es genau wie die Jungfrauengeburt für den Glauben nicht von Bedeutung. Zwar sei der Tod Jesu ein historisches Ereignis, aber Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten auf keinen Fall. Die Tagesangaben zwischen diesen Ereignissen hätten nur metaphorische Bedeutung. Die Auferstehung war nur eine „Erkenntnis“ der Jünger, dass Jesus im Geist unter ihnen ist. Auch Paulus Begegnung mit dem auferstandenen Jesus sei eine „legendarische Ausschmückung“ von Lukas. In Dr. Thomas Breuer: Worauf gründet sich der Glaube an die Auferweckung Jesu von den Toten?
6: Dazu schreibt z.B. der Alttestamentler C. John Collins: „Die Theologie kann nicht von der Geschichte getrennt werden, was wir an der Tatsache erkennen können, dass eine dieser ‚theologischen Wahrheiten‘ darin besteht, dass derjenige, der die Welt erschaffen hat, der gute Gott ist, der sich selber Israel offenbart hat, und nicht die launischen Götter anderer Völker – eine historische Behauptung!“ (C. John Collins (2011) Did Adam and Eve really exist? Who they were and why you should care. Wheaton, Illinois, S. 36., zitiert von Reinhard Junker in „Entmythologisierung für Evangelikale: Haben Adam und Eva wirklich nicht gelebt? 2014, S. 9) Siehe dazu auch der Artikel „Streit um das biblische Geschichtsverständnis“ (blog.aigg.de/?p=4414)
7: Im Vortrag von Dr. Thomas Breuer „Die Bedeutung des Kreuzestodes aus heutiger Perspektive“
8: In Prof. Zimmer: Warum das fundamentalistische Bibelverständnis nicht überzeugen kann
9: Aus Siegfried Zimmer „Schadet die Bibelwissenschaft dem Glauben?“ 2012, S. 93
10: Wie schwierig die Definition der Unterscheidungskriterien ist und wie problematisch im Einzelfall die Unterscheidung echter Jesus-Zitate von nachträglichen Deutungen Jesu ist, wird dargelegt im Vortrag von Prof. Stefan Schreiber: „Auf der Suche nach dem historischen Jesus“
11: „Wir werden fast keinen Spruch Jesu finden, wo alle Theologen sagen: Das ist tatsächlich ein Originalwort Jesu.“ Dr. Thomas Breuer in: „Die Bedeutung des Kreuzestodes Jesu aus heutiger Perspektive“ 1:09:50
12: Genau dies kritisiert auch Dr. Armin D. Baum in seinem Text „Schadet die Bibelwissenschaft dem Glauben? Eine Rückmeldung an Siegfried Zimmer.“ (Ichthys 46, 2008, S. 86): „Die Tatsache, dass mit bibelwissenschaftlichen Argumenten nahezu jede Aussage des Apostolischen Glaubensbekenntnisses bestritten worden ist und bestritten wird, kommt praktisch nicht in den Blick.“ Andererseits gibt es unter den Universitätstheologen natürlich auch konservative Vertreter mit evangelikalen hermeneutischen Ansätzen. Es gibt also nicht DIE Universitätstheologie. Festzustellen ist jedoch: Der Graben zwischen evangelikaler und universitärer Theologie ist tief, wie Prof. Christoph Raedel vom Arbeitskreis für evangelikale Theologie (AfeT) berichtet. „Zwischen universitärer und evangelikaler Theologie bestehe eine Art „Ekelschranke“. Auf beiden Seiten gebe es Entfremdungsprozesse und Berührungsängste.“ (zitiert aus idea Spektrum vom 27.09.2017)
13: „Jesu Tod an sich ist sinnlos. … Erlösend ist nicht der Tod am Kreuz, erlösend ist allein die Liebe Gottes.“ Dr. Thomas Breuer in „Die Bedeutung des Kreuzestodes aus heutiger Perspektive“ 1.13.10
14: In Prof. Siegfried Zimmer: „Vom Sinn des Abendmahls“
15: Diese Ansicht wird ausführlich erläutert von Prof. Klaus von Stosch in seinem Vortrag: „Viele Religionen – Eine Wahrheit?“
16: In Prof. Siegfried Zimmer: Ist der Mensch unsterblich erschaffen worden?
18: In Prof. Siegfried Zimmer: „Gottes Liebe und Gottes Gericht: Wie passt das zusammen?“
19: In Prof. Siegfried Zimmer: „Gott und das Böse“
20: Dazu schreibt Dr. Armin D. Baum: „Für ZIMMER finden sich in der Bibel neben einer einheitlichen Grundbotschaft auch zahlreiche theologische Widersprüche. Die Einheit der Bibel sei „eine dialogische Einheit […] In dieser von Gott getragenen Gesprächsgemeinschaft haben auch kontroverse Positionen ihren Platz. […] Im Unterschied zu dieser von ZIMMER befürworteten Hermeneutik geht ein evangelikales Schriftverständnis von der Annahme aus, dass die Bibel – bei aller Unterschiedlichkeit der innerbiblischen Gesprächsbeiträge – nicht nur in ihren zentralen Aussagen, sondern insgesamt eine theologische Einheit darstellt und als solche respektiert werden will. Johannes warnt seine Leser ausdrücklich davor, zu „den Worten der Weissagung dieses Buches“ etwas hinzuzufügen oder etwas von ihnen wegzunehmen (Offb. 22, 18-19). Paulus hat für seine apostolische Botschaft einen vergleichbaren Anspruch erhoben (Gal. 1,1.8.11ff.; 1. Kor. 2, 13; 7, 17; 11,2.3.4; 14, 37 f.; 2. Kor. 13, 3; 1. Thess. 2, 13; 2. Thess. 2, 15; 3,6.14).“ In Dr. Armin D. Baum in seinem Text „Schadet die Bibelwissenschaft dem Glauben? Eine Rückmeldung an Siegfried Zimmer.“ Ichthys 46 (2008), S. 82-83
21: Evangelikale Theologie bekennt sich „zur göttlichen Inspiration der heiligen Schrift, ihrer völligen Zuverlässigkeit und höchsten Autorität in allen Fragen des Glaubens und der Lebensführung.“ (Theologische Grundlage des Arbeitskreises für evangelikale Theologie) Begriffe wie „Zuverlässigkeit“, „Wahrheit“, „Fehlerlosigkeit“ oder „Irrtumslosigkeit“ werden aber auch unter Evangelikalen immer wieder heiß diskutiert. Differenzierend vermerkt schon die sog. „Chicago-Erklärung“: „Wir verwerfen ferner die Auffassung, dass die Irrtumslosigkeit infrage gestellt werde durch biblische Phänomene wie das Fehlen moderner technischer Präzision, Unregelmäßigkeiten der Grammatik oder der Orthographie, Beschreibung der Natur aus dem Blickwinkel der subjektiven Beobachtung, Berichte über Unwahrheiten, durch den Gebrauch des Stilmittels der Hyperbel oder gerundeter Zahlen, thematischer Anordnung des Stoffes, unterschiedlicher Auswahl des Materials in Parallelberichten oder der Verwendung freier Zitate.“ (Artikel XIII). Heinzpeter Hempelmann vermerkte in der 14. seiner „18 Thesen und 10 Säulen zu einer Hermeneutik der Demut“: „Der Akzent bei der Bestimmung „Unfehlbarkeit“ liegt also nicht in der Behauptung einer in jedem Fall und in jeder Hinsicht notwendig gegebenen sachlichen Richtigkeit.“ Damit wollte er den biblischen Wahrheitsbegriff gegen einen seiner Meinung nach ihr fremden mathematisch-logischen Wahrheitsbegriff abgrenzen. Trotzdem galt auch für ihn (im Gegensatz zu Prof. Zimmer): „Die Bibel ist unfehlbar. Sowohl philosophische wie theologische Gründe machen es unmöglich, von Fehlern in der Bibel zu sprechen. Mit einem Urteil über Fehler in der Bibel würden wir uns über die Bibel stellen und eine bibelkritische Position einnehmen. Was dem Anspruch der Erweiterung unserer Erkenntnis dienen soll, würde durch ein solches Procedere gerade um seine erkenntnisproliferative Spitze gebracht und machte eine Auslegung der Heiligen Schrift als solche sinn-, zweck- und ergebnislos.“ (These 15)
22: Diese Position wird z.B. vertreten von Prof. Wilfried Härle in seinem Vortrag „Ist die Bibel Gottes Wort? Bibelauslegung, Bibelkritik und Bibelautorität“ Holger Lahayne schreibt dazu: „Erst ganz am Schluss beantwortet Härle die Frage des Vortrags. „Die Bibel ist durch ihren Inhalt Gottes Wort, indem sie Jesus Christus als das Menschgewordene Wort Gottes bezeugt. Indem sie das tut, wird sie und ist sie Wort Gottes.“ Die Bibel sei also im Kern funktionell Gottes Wort. Die Autorität der Bibel sei darin begründet, dass sie die Kraft hat, Glauben zu wecken und Hoffnung zu geben (ähnlich übrigens auch Christian A. Schwarz in Die dritte Reformation, Teil 2, Kap. 2). All dies erinnert an die Aussagen, die Bullinger im Zweiten Helveticum zur Gemeindepredigt macht, die insofern auch Gottes Wort ist, als sie das Wort Gottes recht auslegt und zum Glauben führt und ihn wachsen lässt. Gott nutzt dieses Instrument, um Glauben zu wecken. An sich sind die Worte menschlicher Prediger aber sicher nicht Gottes Wort. Die Predigt bezieht sich zurück auf das göttliche Wort, das seine Autorität wesensmäßig auch, aber nicht nur von seiner Funktion herleitet. Es stimmt ja beides: Weil die Bibel den Glauben wirkt, hat sie Autorität. Aber andersherum gilt genauso – und davon sagt Härle kein Wort: Weil das Wort an sich Gott zum Autor hat, kann es überhaupt so wirken. Weil Gott sich in seinem Wort durch menschliche Zeugen bezeugt, wirkt das Wort der Bibel.“ (Holger Lahayne in „Ist die Bibel Gottes Wort?“)
23: So schrieb mir z.B. ein Worthaus-Referent auf meine Nachfrage, ob für ihn denn das „Solus Christus“ noch gilt: „Es gilt, wenn ich unter Christus den Logos verstehe. Dieser ist in Jesus da, so dass ich in Jesus in allem mit dem Logos konfrontiert werde. Das bedeutet aber nicht, dass Jesus mit dem Logos identisch ist. Jesus ist ganz und gar der Logos. Aber der Logos ist nicht nur Jesus. Der Logos hat schon zu den Propheten gesprochen, als er noch gar nicht mit Jesus hypostatisch geeint war. Von daher solus Christus: Ja! Aber das impliziert nicht: solus Iesus!“
24: Besonders in „Prof. Siegfried Zimmer: Luthers Verständnis des Wortes“
25: Dazu schreibt Dr. Armin D. Baum: „Während es demnach nach evangelikaler Überzeugung im zwischen Theologen geführten Diskurs zahllose Irrtümer und Fehler, kontroverse Positionen und Widersprüche gibt, stehen die inspirierten Propheten und Apostel des Alten und Neuen Testaments mit ihrem Wahrheits- und Offenbarungsanspruch auf einer höheren Ebene. So besagt es das klassische christliche Schriftverständnis, dass bereits die Kirchenväter und Reformatoren vertreten haben. LUTHER schrieb 1520 in seiner Assertio omnium articulorum: „Welch große Irrtümer sind schon in den Schriften aller Väter gefunden worden? Wie oft widerstreiten sie sich selbst? Wie oft weichen sie voneinander ab? […] Niemand hat eine mit der Schrift gleichwertige Stellung erlangt […] Ich will […], dass allein die Schrift regiert […] Dafür habe ich als besonders klares Beispiel das des Augustinus, […] [der] in einem Brief an den Heiligen Hieronymus sagt: ‚Ich habe gelernt, allein diesen Büchern, welche die kanonischen heißen, Ehre zu erweisen, so dass ich fest glaube, dass keiner ihrer Schreiber sich geirrt hat. Andere aber, wie viel sie auch immer nach Heiligkeit und Gelehrtheit vermögen, lese ich so, dass ich es nicht darum als wahr, glaube, weil sie selbst so denken, sondern nur insofern sie mich durch die kanonischen Schriften oder einen annehmbaren Grund überzeugen konnten“. Aus Dr. Armin D. Baum in seinem Text „Schadet die Bibelwissenschaft dem Glauben? Eine Rückmeldung an Siegfried Zimmer.“ Ichthys 46 (2008), S. 83
26: Dr. Armin D. Baum in „Schadet die Bibelwissenschaft dem Glauben? Eine Rückmeldung an Siegfried Zimmer.“ Ichthys 46 (2008), S. 83
27: Besonders deutlich wird dieses Problem und die daraus resultierenden weitreichenden Konsequenzen beim Streit um die Bedeutung des Kreuzestodes Jesu, wie der Artikel „Das Kreuz – Stolperstein der Theologie“ (blog.aigg.de/?p=3887) berichtet.
28: C.H. Spurgeon „Finales Manifesto“ Fontis Verlag 2015, S. 24
29: in Dr. Armin D. Baum in „Schadet die Bibelwissenschaft dem Glauben? Fortsetzung eines schwierigen Gesprächs“ S. 6
30: aus Michael Kotsch: „Diffamierung als „bestes“ Argument“
31: Besonders empfohlen seien hier im direkten Zusammenhang mit Worthaus und Prof. Siegfried Zimmer:
- Armin D. Baum: „Schadet die Bibelwissenschaft dem Glauben? Eine Rückmeldung an Siegfried Zimmer“ sowie „Schadet die Bibelwissenschaft dem Glauben? Fortsetzung eines schwierigen Gesprächs“
- Ron Kubsch: „Sollte Gott gesagt haben? Was steckt hinter der Bibelkritik?“ Edition Evangelium 21
- Reinhard Junker: „Bibelwissenschaft und Glaube“
32: Ron Kubsch: „Sollte Gott gesagt haben? Was steckt hinter der Bibelkritik?“ S. 22
33: Dazu schreibt Dr. Armin Baum: „Selbstverständlich kann auch ein nicht-evangelikales Schriftverständnis in einem „fundamentalistischen“ Sinne wirksam werden. Dies geschieht beispielsweise, wenn die Frage der übernatürlichen Offenbarung Gottes in der Geschichte nicht prinzipiell offen gehalten, sondern von vornherein negativ entschieden wird. Es geschieht, wenn die Wissenschaftlichkeit eines exegetischen Beitrags nicht aufgrund der Methode oder der Argumente, sondern anhand erzielter oder vorausgesetzter Einzelergebnisse beurteilt wird. Es geschieht, wenn versucht wird, bibelwissenschaftliche Beiträge aus anderen theologischen Lagern aufgrund ihrer theologischen Herkunft nicht zur wissenschaftlichen Diskussion zuzulassen. Es geschieht auch dann, wenn althergebrachte Überzeugungen aus Bequemlichkeit nicht mehr zur Diskussion gestellt werden. Derartige Gefahren und Missstände werden gelegentlich auch innerhalb des nichtevangelikalen Lagers selbstkritisch benannt. So diagnostizierte der Neutestamentler Dieter Sänger in Teilbereichen seiner Disziplin „einen gefährlichen Trend, der ein Grundprinzip wissenschaftlicher Arbeit auszuhebeln drohte: die Bereitschaft nämlich, positionelle Differenzen zu respektieren, die Stichhaltigkeit von Argumenten vorbehaltlos zu prüfen und sich gegebenenfalls von ihnen korrigieren zu lassen … die Beharrlichkeit, mit der missliebige Forschungspositionen und hermeneutische Alternativen ignoriert, abgekanzelt oder schlicht für absurd erklärt wurden, um sich ihrer zu entledigen, nährte bei mir den Verdacht, sie sollten von vornherein diskreditiert und so ins theologische Abseits befördert werden“. Auch hier gilt: Vor fundamentalistischen Versuchungen müssen nicht nur evangelikale, sondern Christen und Theologen aller Prägungen auf der Hut sein.“ Aus Dr. Armin D. Baum in „Schadet die Bibelwissenschaft dem Glauben? Fortsetzung eines schwierigen Gesprächs“ S. 8
Danke für diesen guten und notwendigen Artikel!!
Wenn AIGG gute Argumente hätte, dann bräuchte man nicht so zu hetzen.
Was muss Dr. biol. M. Till eine solche Angst treiben?
… immer dieselbe Argumentation: Angstgetrieben. Angst vor universitärer Theologie, Angst vor Homosexualität, Angst vor …
Das ist zu billig.
Herzlichen Dank.
Nur ein Hinweis zur erwähnten „Konferenz bibeltreuer Ausbildungsstätten“: Auf ihrer Konferenz in Brake 2016 haben sich die Mitgliedsschulen eingehend den Thesen von Siegfried Zimmer zur Homosexualität gewidmet – und diese wissenschaftlich vollständig demontiert.
„wissenschaftlich“ 😀
Du sagst es, Peter. 🙂
Wissenschaftliches Arbeiten setzt voraus, dass man sich mit einem Thema möglichst objektiv und vorurteilsfrei auseinandersetzt und dafür alle Mittel einsetzt, die einem zur Verfügung stehen und sich auch in anderen Bereichen bewährt haben (z.B. aus der Literaturwissenschaft). Da „bibeltreu“ einige Dogmen beinhaltet, können sie per se nicht objektiv sein. Deshalb sind diese Ausbildungsstellen zurecht nicht in der Wissenschaft anerkannt. Solange sie es nicht schaffen ihre Tabuzonen abzulegen, werden sie nie an einer wissenschaftlichen Diskussion teilhaben können.
Das Dogma der Bibeltreuen ist, dass jede Stelle der Bibel vollständig Gottes Wort ist und deshalb besonderen Schutz bei der Bibelauslegung braucht. Bestimmte rote Linien dürfen nicht übertreten werden:
1. „Es darf keine Fehler in der Bibel geben (inhaltlich, naturwissenschaftlich, sprachlich, argumentativ).“ Es darf einfach nicht sein.
2. „Die Bibel darf sich an verschiedenen Stellen nicht widersprechen.“ Manche bibeltreuen versuchen das mit einer sich weiterentwickelnden Heilsgeschichte glattzubügeln, aber das Paradigma bleibt: Keine Widersprüche.
3. Es dürfen Aussagen in der Bibel nicht kritisiert werden, da jede Aussage in der Bibel „göttlich“ ist. Ein Streiten mit biblischen Aussagen ist unerwünscht. Wer das macht, „verwässert die Bibel“ und „lehnt sich gegen Gott (bzw. sein Wort)“ auf.
4. Bestimmte wissenschaftliche Methoden sind Tabu und dürfen auf die Bibel nicht angewendet werden. Dazu zählen alle diachronen Methoden wie z.B. Traditionsgeschichte oder Textlinguistische Fragestellungen.
Bevor gleich eine Gegenrede kommt wie: „Aber, aber: Die Universitäten und Hochschulen arbeiten auch nicht immer nur objektiv und vorurteilsfrei“.
Ja, kein Mensch kann komplett objektiv sein. Aber sie versuchen es und erlegen sich keine Tabuzonen auf. Das ist der entscheidende Unterschied!
Dort wo sie Sachen nicht bedenken oder eigene Vorstellungen einfließen lassen, bekommen die Wissenschaftler an staatlichen Hochschulen von ihren Kollegen einen auf den Deckel. Dort muss nicht eine Einheit auf Konferenzen beschworen werden, sondern es findet eine offene, echte und kontroverse Diskussion statt.
Es wäre schön, wenn die Bibeltreuen Ausbildungsstellen endlich ihre Pseudowissenschaft beenden und sich der richtigen offenen Diskussion stellen. Nur dann haben sie eine Chance, dass sie auch mal ernstgenommen werden.
Universitäre Theologie, die sich dem methodischen Atheismus unterwirft, arbeitet ganz genauso mit einer wissenschaftlich nicht beweisbaren Denkvoraussetzung wie evangelikale Bibelwissenschaft. Denn sie geht davon aus, dass die Bibel ganz natürlich zustande kam (H. Conzelmann & A. Lindemann: „Arbeitsbuch zum Neuen Testament“ (10. Auflage, Seite 3): „Die biblischen Texte werden methodisch nicht anders behandelt als andere literarische Zeugnisse, insbesondere solche der Antike. Die Bibelwissenschaft bedient sich derselben Methoden wie die Altertumswissenschaften“). Wenn die Evangelikalen recht haben sollten, dass Gott bei der Entstehung der Bibel eine wichtige, womöglich entscheidende Rolle gespielt hat, dann wäre klar, dass die universitäre Methode zwangsläufig zu völlig falschen Ergebnissen führen muss, weil sie von falschen Voraussetzungen ausgeht. Ob Gott die Bibel inspiriert hat oder nicht ist und bleibt letztlich eine Glaubensentscheidung. Natürlich darf es einen Wettbewerb geben zwischen den unterschiedlichen Herangehensweisen. Jede Seite darf versuchen, bessere Belege zu finden, dass der vorliegende Bibeltext zu einem bestimmten hermeneutischen Ansatz passt. Und jede Seite sollte sich schonungslos den Fakten stellen. Persönlich halte ich es trotz einiger offener Fragen für so gut wie ausgeschlossen, dass die Bibel ohne Gott zustande gekommen sein könnte. Die Gründe habe ich in meinem Artikel „10 Gründe, warum es auch heute noch vernünftig ist, der Bibel zu vertrauen“ dargelegt. Wenn man aber von vornherein sagt, dass man die Evangelikalen ja gar nicht ernst nehmen könne und sie als „Pseudowissenschaftler“ diffamiert, dann wird ein fairer, respektvoller Dialog und wissenschaftlicher Wettbewerb wohl nicht möglich sein.
Markus, die Herangehensweise an der Bibel der universitären Theologie hat in der Form eine Berechtigung, weil Sie sich dabei keine Tabuzonen auferlegt. Solange eine Methode (Die HKM = Historisch-Kritische-Methode, ist ja genau genommen eine Vielzahl von einzelnen Methoden) sich bewährt hat und nicht durch eine bessere ersetzt werden kann, sollte allles erlaubt sein, einen Bibeltext genau und offen zu analysieren.
Auf einem anderen Stern steht dabei die Offenbarungsebene des Bibeltextes. Was der Bibeltext den Gläubigen sagt, kann die HKM alleine nicht bewerkstelligen. Dafür ist die HKM ja auch nicht da. Diese Methoden wollen auf den Grund gehen und keine Glaubensaussagen treffen. Ich bin jedoch der Meinung, dass Glaubensaussagen umso schöner werden, wenn man vernünftig die HKM angewendet hat und nicht aus dem „Bauch heraus“ interpretiert.
Ich kenn keinen Theologen der universitären Theologie, der nicht glaubt, dass Gott seine Finger bei der Bibel im Spiel hatte. Das ist, wie du zurecht sagst, eine Glaubensaussage. Inwiefern verändert jetzt aber dies der methodische Ansatz? Das ist ja nicht der Unterschied, auch wenn du den so darstellst.
Der Unterschied ist ein Schriftfundamentalismus, der meint, dass die Bibel insofern Gottes Wort ist, dass man sich direkt an Gott vergeht, wenn man Bibelstellen auch mal kritisch bespricht.
Pseudowissenschaft ist natürlich arg überspitzt formuliert. Ihr tut euer Bestes. Sicher. Aber selbst wenn die unabhängige Theologie euch Bibeltreuen in den wissenschaftlichen Dialog integrieren würde, währt ihr in den Augen aller anderer Wissenschaften weiterhin nicht ernstzunehmen. Weil ich nicht offen an die Bibel herangehen könnt/wollt (Das du als Wissenschaftlicher diesen Grundsatz übertrittst, macht dich zu einer speziellen Ausnahme deines Berufsstandes).
Und genau hier liegt übrigens auch meine Kritik an diesem Blogbeitrag. Es gibt sehr sehr sehr wenig Uniprofessoren, die bereit sind, sich mit Evangelikalen Theologen auseinanderzusetzen. Es bestehen dabei einfach zu viele Feindbilder. Siegfried Zimmer ist einer der wenigen, der sich dem Dialog mit der evangelikalen Welt stellt. Sicher, er gewinnt mit seiner Art nicht jeden und manche fühlen sich vor den Kopf gestoßen, aber man kann auch lernen darüber hinwegzusehen und das Positive sehen: Hier wäre ein Dialog möglich. Anstatt also die andere Seite sofort bekämpfen zu wollen, könnte man ja auch den Faden aufgreifen und Siegfried Zimmer mal anrufen oder zum Gespräch bitten.
Hm, keine Tabuzonen? Wirklich? Warum dann diese „Ekelschranken“ zu evangelikaler Theologie (Anhang Punkt 12)? Warum wird in Worthaus-Vorträgen dann z.B. gesagt: Über Wunder kann ein Historiker nicht reden. Warum nicht? Was ist, wenn Gott eben doch Wunder getan hat, die historisch erlebbar waren, die Menschen als reale Geschichte dokumentiert haben? Ich glaube nicht, dass man die historische von der theologischen Offenbarungsebene trennen kann (siehe auch Anhang 6). Wenn das Grab leer war und Jesus sichtbar, anfassbar mit Menschen gegessen hat, dann hat das auch eine andere theologische Aussage als wenn die Auferweckung nur in den Gedanken der Jünger geschah. Ich gehe noch weiter: Dieser Unterschied ist existenziell relevant für jeden Bibelleser. Zum einen für seine eigene Auferstehungshoffnung und zum anderen für die Glaubwürdigkeit der biblischen Texte insgesamt. Denn wenn Lukas sagt, dass er hier Augenzeugenberichte wiedergibt (also wenn die Aussageabsicht eindeutig und ausdrücklich als historisch gekennzeichnet wird) und wenn dann aber doch alles höchstens im übertragenen Sinn eine Bedeutung hat, dann wird es irgendwann äußerst konstruiert, das alles trotzdem als irgendwie „wahr“ zu bezeichnen. Wenn der historische Jesus nicht wusste, ob er der Messias ist, dann hat auch das natürlich gravierende theologische Konsequenzen für unser Bild von Jesus. Man könnte noch viele Beispiele nennen. Und noch einmal: Wer glaubt, man würde mit der Bibel richtig und sachgemäß umgehen, wenn man sie genau wie jedes andere antike Werk behandelt, der trifft damit selbstverständlich eine Glaubensaussage. Denn niemand kann beweisen, dass die Entstehung der Bibel mit der Entstehung anderer antiker Werke vergleichbar war. Meiner Meinung nach ist das Gegenteil richtig: Es gibt massive, überdeutliche Anzeichen, dass es grundlegende, kategoriale Unterschiede zwischen der Bibel und anderen antiken Schriften gibt, die nur den Schluss zulassen: Hier war Übernatürliches, hier war Gott am Werk. Und wer das ausblendet, geht falsch mit der Bibel um und kommt zu falschen Schlussfolgerungen. Es ist wie bei einem abstrakten Kunstwerk: Wenn ein wildes Farbenchaos von einem Kleinkind stammt muss ich es anders interpretieren als wenn es von einem bekannten Künstler stammt, sonst komme ich zu völlig falschen Ergebnissen. Deshalb ist universitäre Theologie eben nicht neutral. Sie basiert auf bestimmten Denkansätzen, die auch heute noch von der Aufklärung mit geprägt sind. Das soll keine Kritik sein. Jeder ist frei, seinen hermeneutischen Ansatz zu definieren und zu schauen, ob sich das in der Praxis bewährt. Aber es wäre demütig, ehrlich und redlich, das offen zu legen und zu akzeptieren: Meine Hermeneutik basiert auf Glaubensentscheidungen. Es könnte auch andere sinnvolle Ansätze geben. Die Diffamierung des evangelikalen Ansatzes als engstirnig, denkfaul, ängstlich etc. etc. zeugt m.E. leider nicht von der notwendigen Demut.
Warum die „Wissenschaft“ der KbA in dieser Frage lächerlich machen?
Was geschieht denn auf der anderen Seite? Gerade die „Pro-Diversity-Fraktion“, um den Bogen mal weit zu spannen, hat frappierend wenig Argumente echter, wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse rund um die Thematik der Homosexualität. Objektiv und vorurteilsfrei. Scheint, als wäre das für die Wissenschaft eine No-Go-Area. Es wird bei dieser Fragestellung oftmals fast fundamentalistisch mit nicht hinterfragbaren Dogmen gearbeitet. Insofern bietet zB die Behauptung einer im Normalfall angeborenen homosexuellen Neigung extrem viel Angriffsfläche für wissenschaftliche Gegen-Argumentation. Wenn sich denn mal jemand traut…
Und die hermeneutischen Anstrengungen, die Theologen unternehmen, um die diversen biblischen Aussagen rund um dieses Thema zu relativieren, lassen sich natürlich auch kritisch (und damit „wissenschaftlich“) hinterfragen.
Also – vor dem Auslachen der „Bibeltreuen“ bitte zuerst einmal mit den Argumenten der KbA auseinandersetzen, die in Brake herausgearbeitet wurden. Sonst ist so eine Reaktion etwas albern.
1.Korinther 1,18 Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden ist’s eine Gotteskraft.
Aber wer weiss schon, ob das so in der Bibel steht und der Paulus das auch so gesagt hat?
Danke für diesen gut begründeten, mit vielen Quellen versehenen und logisch nachvollziehbaren Beitrag.
Ehrlich gesagt bin ich entsetzt, dass es Bestrebungen aus dem evangelikalen Lager gibt, die HKM zur Glaubensvoraussetzung im Umgang mit der Bibel zu machen. Hat die HKM doch der schriflichen Form der Offenbarung Gottes die Grundlage entzogen und wurde zu einer der wesentlichen Ursachen für die leeren Kirchenbänke! Soll es so auch den Evangelikalen gehen? „Wenn dein Wort nicht mehr soll gelten, worauf soll der Glaube ruhn?“ schrieb Zinzendorf schon im 18. Jh..
Jesus, als Referenz des christlichen Glaubens, nahm die Schrift das AT als Autorität ernst. Die Schrift selbst bezeichnet sich „als von Gott eingegeben“, 2.Tim 3,16. Natürlich ist das eine Glaubensaussage, aber das leugnet auch niemand. Glaube ist schlicht der Kern des Christentums, „Abraham hat Gott geglaubt, und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet.“ Rö 4,3
Ich hoffe und bete, dass diese Denkrichtung keinen größeren Einfluss gewinnt als den, sich über die Grundlagen des christlichen Glaubens bewusster zu werden.
Warnung und reine Apologetik der eigenen Glaubenssätze.
schwarz-weiß Malerei , als gäbe es nur eine richtige Seite und einen rein formellen positiven Kommentar. Leider wieder alle „evangelikalen“ Klischees bedient. Dabei muss man sich mal den Mist (ja genau Mist) anhören, der sonntäglich in vielen dieser Gemeinde verkündet wird, oder bei gebildeteren Pastoren, zum Schutz der Schafe, unterschlagen wird.
Denn meine Erfahrung ist, dass man sich nicht nur gegen liberale Ansätze abgrenzt, es geht ja schon bei orthodoxen Optionen los ( wie zB. verschiedenen Endzeitauslegungen, Gerichts- oder Sühnemodellen) die durch die Kirchngeschichte hindurch akzeptiert waren aber vom evangelikalen Lager genauso kategorisch bekämpft werden.
Naja , der Same der Angst und des Misstrauens dürfte wohl gesät sein, wieder mal „den guten Kampf gekämpft“.
Hm, wenn’s gegen die Evangelikalen geht, geht’s offenbar nicht ohne Kraftausdrücke…
Tobias: Welchen sachlichen Gehalt hat Ihr Kommentar? Wo ist das konkrete Eingehen auf, was _Markus_ geschrieben hat? Warum Emotionalisierung mit Unterstellung von „Angst“ und „Misstrauen“, wo doch von Markus sachliche Argumente gebracht wurden? Wo ist Schwarzweißmalerei? Welche Klischees?
2. Tim 3,1–5: (1)Denk daran: Wenn das Ende dieser Welt vor der Tür steht, wird es schwere Zeiten geben.
(2)Dann werden die Menschen selbstsüchtig, geldgierig, prahlerisch und eingebildet sein. Sie werden ihre Mitmenschen beleidigen, ihren Eltern nicht gehorchen und vor nichts mehr Ehrfurcht haben. Sie sind undankbar,
(3)lieblos und unversöhnlich, verleumderisch, unbeherrscht und gewalttätig, sie hassen das Gute,
(4)sind untreu und unzuverlässig und aufgeblasen vor Überheblichkeit. Sie kümmern sich nicht um das, was Gott Freude macht, sondern suchen nur, was ihre eigene Lust vermehrt.
(5)Sie geben sich zwar einen frommen Anschein, aber die Kraft wirklicher Frömmigkeit kennen sie nicht. Halte dich von diesen Menschen fern!
Ich bin kein Theologe und habe mir auch keinen Vortrag angehört. Ich sollte wohl nicht mitreden dürfen.
Ich kann nur vorausschicken, dass ich, wenn ich Jesus im NT nicht so kennengelernt hätte, wie ich über ihn gelesen habe, Atheist geworden wäre. Gerade die Worte des NT haben mich von Jesus überzeugt. Vielleicht bin ich auch so ein Bibelfundamentalist, der von einigen hochgestellten Theologen irgendwie geringschätzig angesehen werde.
Man kann ja jedes Wort des Bibel auf die gedankliche Ebene ohne jeden historischen Kontext erfassen wollen. Ich denke, dass es auf das Wollen ankommt, ja auf Menschen guten Willens.
Markus hat m. E. vollkommen Recht. Letztlich ist doch die Frage entscheidend: Wie glaubwürdig sind die Zeugen um die Auferstehung, die Himmelfahrt und das Pfingstereignis unabhängig vom Geschehen selbst. Erst die Zeugen machen doch im Grund das Geschehen erst glaubwürdig. Und wenn ich solch gravierende Ereignisse erlebt hätte, hätte ich sie auch so bezeugen können. Dazu brauche ich keine Aus- und Vorbildung, dazu brauche ich kein Studium, sondern nur eine staunende Offenheit für das Erlebte. Da geht der auferstandene Jesus durch verschlossene Türen. Wahr oder nicht wahr? Für mich eine Selbstverständlichkeit. Wir haben es doch bei Jesus mit ganz anderen Dimensionen zu tun.
Würde ein weltliches Gericht, wenn es die Bibel zugrunde legt, also die überlieferten Zeugenaussagen, zu einem Feststellungsurteil kommen, ob die Wunder historisch glaubhaft geschehen sind?
Die Verkündigungsszene kann ja nur durch Maria selbst bezeugt worden sein, weil ja sonst niemand zugegen war. Der Engel hat sich wohl schon in himmlische Gefilde zurückgezogen und fällt als Zeuge aus. Maria jedoch hat Jesus bis zu seinem Tod begleitet und ist unter dem Kreuz gestanden. Ist das Zeugnis der Maria glaubwürdig?
Die Wunder Jesu sind für den Glauben m. E. elementar wichtig. Das Eingreifen Gottes in die weltliche Struktur kündet eben von einem Gott, der von Menschen eben nicht erfassbar ist und vielleicht auch nicht vollends erfassbar sein will. Er will durch Jesus nur seinen liebenden Charakter in einmaliger Weise herausstellen lassen. Er will durch seinen Sohn sich selbst das AT-Antlitz möglicherweise ein wenig aufpolieren, salopp gesagt. Er will in seinem Sohn seinen wahren Charakter aufscheinen lassen, der an einigen Stellen im AT durchaus fragwürdig war.
Der Auferstehungsglaube ist selbstverständlich nur durch den historischen Kontext überhaupt wert geglaubt zu werden. Ich denke, dass die Theologen, die diese Dinge nur noch auf die mentale Ebene herunterziehen, den Menschen eine große Hoffnung nehmen. Wird die Auferstehung nur „geglaubt“ ohne Zeugenbeweise zu haben, wirkt sie nur noch konstruiert, hat sie ihren Glanz verloren und letztlich wird der Mensch durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Hoffnungslosigkeit des irdischen Jammertals zurückgeworfen.
Ebenso die Himmelfahrt. Die Jünger blickten nach oben. In den Gottesdiensten auch der kath. Kirche wird dieses Ereignis eben auch nur noch als Methapher gesehen, nicht als historisches Ereignis. Ich sehe das völlig anders. Selbstverständlich traue ich dem historischen Jesus ein langsames Entschwinden in die Höhe zu. Na, wenn ich es erlebt hätte, hätte ich ihm auch nach oben nachgeschaut, solange ich hätte eben ihn erkennen können.
Zungen wie von Feuer, Xenoglossie beim Pfingstfest, das Gegenteil der Sprachverwirrung aus Babylon sind Ereignisse, die Menschen staunen lassen. Meint hier irgend jemand, dass Jesus, wenn er keine Wunder gewirkt hätte, so einen Zulauf bekommen hätte? Die Menschen hätten ihn doch bei dem, was er sagte, höchstens als Irren abgetan. Erst die Wunder machen seine Worte glaubhaft. „…dann glaubt doch um meiner Werke willen“, sagte er einmal schon fast resignierend ob des Unglaubens. Hat Jesus da nicht seine Wundertaten gemeint?
Das NT ist recht kurz. Wie schwer es ist mündliche Überlieferung in die Jetztzeit herüberzuretten ohne Aufnahmegerät ist heute schwer vorstellbar. Mir fällt beim Lesen des Bibel auf, dass Jesu Worte so gut wie nie belanglos sind, Geschwätz oder Smalltalk. Sowohl Wunderberichte als auch Worte wie die Bergpredigt fallen im täglichen Gerede so überdimensional auf, dass sie im Kern wiedergebbar waren. Die Worte des letzten Abendmahls sind so einprägsam, dass sie kaum vergessen werden konnten. Seine Worte im Joh. Evg. über seine Beziehung zum Vater ragen heraus und prägen sich ein. Nie wurde so etwas Unerhörtes gehört oder behauptet. Das hat ihn ja auch schließlich den Tod eingebracht nach damaligen Gesetzen der Gotteslästerung.
Die Worte Jesu am Kreuz waren für die Frauen unter dem Kreuz und dem Jünger ebenfalls einprägsam.
Die Auferstehung, dieses Großereignis, die aus niedergeschmetterten Jüngern echte Glaubensaktivisten machten, ließen so manches Wort, das Jesus gesprochen hat, wieder aufleuchten. Ein Ereignis wie die Verklärung Jesu erlebt man nicht alle Tage. So können wir fortfahren.
Alles nur noch auf kritisch historische Methode herunterbrechen zu wollen nach dem Motto: „Was nicht sein darf, kann nicht sein (ergänzt: weil wir uns nicht mit der Wissenschaft anlegen wollen)“, mit dem Prädikat „Nicht glaubhaft“ zu versehen und dem m. E. auch etwas hochmütigen Ansatz, dass nur der Mensch Gott richtig interpretieren kann und ihm zu verbieten, hier auf Erden die physikalischen Gesetze nicht durchbrechen zu dürfen, obwohl ihm die Schöpfereigenschaft zuerkannt wird, scheint wohl kaum glaubhaft.
Das waren u. a. meine Gedanken, die mich veranlasst haben, zu glauben. Ja, vielleicht schotte ich mich gedanklich ab, um diesen meinen Glauben erhalten zu wollen. Ja, dazu stehe ich. Und im NT habe ich eine für mich fundierte Grundlage gefunden, diesem Jesus, der da aufstrahlt, mehr zu glauben als Theologieprofessoren, die ja im Grunde letztlich auch nichts anderes tun, als zu interpretieren und nur zu anderen Ergebnissen kommen, die m. E. jedoch dem Glauben eher abträglich sind.
Danke für diese Gedanken. Sehr wertvoll. Meine volle Zustimmung.
Werter Markus, danke für Ihren Dank.
Hinzufügen möchte ich noch, dass Menschen, die dem NT im Großen und Ganzen wörtlich glauben, Jesus besser verstanden haben als theoretisch aufbereitete Glaubensgedanken dies je könnten, wenn sie die Mehrdimensionalität mit einbeziehen. Die historisch kritische Methode bietet vielleicht sehr viel Hintergrundwissen über die damalige Zeit. Jedoch sind wir letzten Endes doch auf die Zeugen des NT angewiesen. Die Wunder, die Jesus getan hat, haben ja nicht nur die wunderbare Auswirkung auf die Geheilten, auf die ehemals Besessenen, diese Wunder haben ja immer gleichzeitig eine höhere Dimension zur Folge. Wie oft hat Jesus diese Wunder gerade mit dem Glauben in Verbindung gebracht, somit gerade auch mit der Transzendenz. Jesus sagt nie irgendetwas Eindimensionales. Jesus geht es immer um das Seelenheil der Menschen, nicht nur im ihr leibliches Wohlergehen. Er schafft die irdische Not der Menschen ja nicht ab. Er zeigt nur in den Wundern seine göttliche Autorität, aber immer in Verbindung mit dem Wohl der Seele der Menschen. Das macht seine und die göttliche Liebe zu uns zu einzigartig.
Ich persönlich finde es auch nicht in Ordnung, die Hölle theologisch gedanklich zu verbannen, vor der Jesus an mehreren Stellen so eindringlich gewarnt hat. Er hat seine Macht im Grunde nur durch seine Anwesenheit den Dämonen gegenüber gezeigt. Wer theologisch begründen will, dass jeder in den Himmel kommt, egal, was er getan hat und die Hölle einfach negieren will, der impliziert letztlich: Ich kann mich als Mensch benehmen wie ich will. Gott liebt mich immer hier und im Jenseits und ich brauche keinerlei Verantwortung für mein Leben zu übernehmen. Ein theologisches Wiegen in falscher Sicherheit eines geistigen Schlaraffenlandes ist ein fataler Irrweg. Wer sich auf Erden bewusst gegen Gott entscheidet, wird nicht in den Genuss seiner himmlischen Liebe und Geborgenheit, nach der sich im Grunde schon jetzt hier auf Erden jeder sehnt, kommen. Die Barmherzigkeit Gottes macht da Halt, wo sich der Mensch gegen ihn entschieden hat.
Damit will ich die permanente Höllenpredigt nicht unterstützen, um einen Angstglauben zu reaktivieren. Aber als mahnendes Voraugenhalten der Konsequenz sollte sie schon benutzt werden dürfen, weil sie zu den Glaubenswahrheiten zählt.
In dem Maße, indem sich der Mensch Jesus zuwendet, in dem Maße verliert die Hölle auch ihren Einfluss.
Zuletzt noch dieser unseelige Vergleich zwischen Salafisten und den Bibelfundamentalisten. Salafisten lassen Hass gegen alles Nichtmuslimische korangemäß ins Herz. Bibelfundamentalisten sollten Liebe in ihr Herz einlassen, die Liebe Jesu. Und Bibelfundamentalisten sollten die Professoren durchaus respektieren als Mensch und Christ, aber sich durchaus kritisch mit ihren Lehren auseinandersetzen dürfen. Letztlich war weder der Professor noch der Bibelfundamentalist zugegen, als Jesus gepredigt und Wundertaten vollbracht hat. Uns bleibt im Grunde hüben wie drüben nur der Glaube. Und die Menschen, die die Worte Jesu ernst nehmen und sie in ihrer Tiefe zu verstehen suchen, (nicht immer wörtlich wie Augenausreißen bei Sündenbegehung) sind auf der sicheren Seite.
Ein letzter Gedanke:
Die 21 koptischen Märtyrer und der französische Priester, die vom IS ermordet wurden: Hatten Sie wohl einen „verkündeten“ Jesus oder einen realen Jesus im Sinn, als sie für ihn in den Tod gingen? An wen kann ich mich halten, an eine Projektion von Jesus oder darf ich mich in Notsituationen am echten NT-Jesus festhalten. Wie soll ich einen Jesus lieben lernen, der nur als Mensch irgendetwas gesagt hat, was auf Gott hindeutet. Also ich kann die Liebe zu Jesus eher entwickeln, wenn ich glaube, dass dieser Jesus nicht blutleer daherkommt. Und wir haben ja nicht nur die Bibel als Zeugnis.
Und wenn Jesus in wunderbarer Weise einem Muslim erscheint, wurde mir noch nie bekannt, dass diese Erscheinung auf die Lehre dieser Theologen hingewiesen hat.
Es gibt viele Berichte, wie Muslime zu Christen wurden. Sie haben sich mit Sicherheit nicht mit den Thesen dieser Theologen auseinandergesetzt. Sie lernen den Jesus des NT kennen.
https://www.youtube.com/watch?v=I-_NcNsZrAo
Dieser Mann hat garantiert nicht die Ausarbeitungen der modernen Theologen gelesen. Nur Jesus des NT hat die Kraft, die Seele eines Menschen zu berühren und zu füllen.
Ein ausgezeichnet aufklärender Artikel!
Ich habe Prof. Zimmer persönlich referieren gehört und beobachtet, wie er sehr talentiert die Zuhörer „einschäumt“, dass sie seine direkten und indirekten kritischen Anmerkungen zur Schrift und zu den Aussagen der altkirchlichen und reformatorischen Glaubensbekenntnisse kaum wahrnehmen und schlucken. Der erzählende, unterhaltsame, ja, spannende Vortragsstil überblendet alles und damit werden die heute als peinlich empfundenen Anstößigkeiten biblischer Worte und Geschichten „humorvoll“ beseitigt. Für die noch Zweifelnden wird zur Beruhigung gesagt, dass man die Bibel wirklich für Gottes Wort nehme. Dazu kommt dann noch der Faktor des Mitleids und der Anerkennung mit einem fast erblindeten Referenten, dem man keine massiv kritischen Fragen stellt.
Es ist doch ganz einfach: die Gemeinden/Kirchen schrumpfen da, wo sie der liberalen Theologie folgen. Von daher ist es nur eine Frage der Zeit bis sich diese ganzen Fragen von selbst klären. Die Kirchensteuer wird fallen, das ist ja nur noch eine Frage der Zeit, die klare Trennung von Kirche und Staat wird kommen, die Universitäts-Theologie als Grundlage für das Pfarramt wird keine Bedeutung mehr spielen und die Gemeinden / Kirchen werden sich selbst finanzieren müssen. Liberale Freikirchen werden aber in Deutschland nicht überleben, die EMK (Mitgliederverlust, Überalterung) ist das beste Beispiel für diese Entwicklung.
Schade nur, dass einige erst dann umdenken werden und vielleicht dann doch erkennen, dass die Offenbarung Gottes in seinem Wort wohl besser doch beachtet werden sollte.
Hallo lieber Markus und Geschwister,
danke für diese Diskussion.
Wenn mein Nachbar Bauer Müller, mir erklärt,
dass er fest an die Bibel glaube und so lebe wie es dort geschrieben steht
(und wie er es sich von seinem Pastor erklären lasse),
ist das möglicherweise für den frommen Bauern ein machbarer Weg.
Wenn er die Unfehlbarkeit der Bibel, insbesondere dass man/frau ihr
„Nichts wegnehmen dürfe“ und auch „Nichts hinzufügen dürfe“
mit der Begründung:
“ … den Worten der Weissagung dieses Buches etwas hinzuzufügen
oder etwas von ihnen wegzunehmen (Offb. 22, 18-19)
bedeute vermehrte Plagen oder anteiligen Verlust am Himmel …“
ehrfurchtsvoll in eine Unantastbarkeit der heiligen Schrift umwandelt,
ist das o.k. Der fromme Bauer weiß es nicht besser.
Dass aber auch ein Dr. Armin Baum so einen Blödsinn publiziert,
oder unlängst ein deutscher Inlandsmissionar
damit im Gespräch die Richtigkeit der Bibel beweisen wollte, ist erbärmlich.
Dass die o.g. Aussage der Offenbarung sich nur
auf die Offenbarung selbst bezieht ist doch sonnenklar (-:
War im Buch der Offenbarung
diesem Zusammenhang vielleicht besonders nötig,
weil ja gerade die Offenbarung sehr vielen Spekulationen unterliegt.
Die bisweilen sehr harsche Kritik von S. Zimmer
gegen Fromme/Evangelikale /Fundamentalisten etc.:
„… bei ihnen wird die Bibel „dumm zitiert“. Sie „liegen fürchterlich daneben“
in ihrem Umgang mit der Bibel, weil sie
„nicht einmal das ABC historischer Hintergrundkenntnis“ mitbringen.
Mit ihrer Theologie betrieben sie „schwerste Bibelmanipulation“. […]
Bei den konservativen Christen wird die Bibel „missbraucht“ und
„instrumentalisiert“ … (siehe oben),
… ist aus meiner langen langen Erfahrung mit o.g. Geschwistern
nicht ganz unbegründet.
Der eigentliche schlimme selbstzerstörerische Missbrauch
von der oben angegriffenen Gruppe, eigentlich von fast Allen ist:
Wir leben nicht in einer innigen vertrauten Beziehung
zu unserem Vater im Himmel wie Jesus,
und leben auch nicht aus dieser Beziehung heraus wie Jesus;
wir sehen nicht den „Vater tun“ und wissen nicht wie er denkt,
wir sehen die Welt und uns selbst nicht aus seiner Perspektive,
wie kennen weder Gott noch Jesus und irren wie Schafe,
weil die vom Vater gewollte und gewünschte
innige Kindschaftsbeziehung zu ihm fehlt.
ANSTATT diese Beziehung / Nähe zum Vater zu (er-)leben
missbrauchen wir die Bibel als Antwortbuch auf unsere Fragen,
als Rezeptbuch für ein gelungenes Leben, als Anker in der Not,
als Totschlagknüppel gegen Andere …
Aber all das will das Wort Gottes garnicht sein.
In der Bibel hat Gott sich vorgestellt –
in verschiedenen Situationen verschiedenen Menschen
und immer anders …
ähnlich wie die ersten Liebesbriefe eines Bräutigams an seine Braut –
aber erst in der Beziehung wird das eigentliche Feuer gelebt.
Wir können ewig lang über das geschriebene Wort diskutieren –
wenn wir den Vater nicht sehen, nicht fühlen, nicht hören,
nicht mit ihm leben von Montag zu Montag,
keine Wunder erleben, selbst keine Vollmacht haben,
andere Menschen nicht zu ihm bringen … ist alles umsonst
und letztendlich nur fromme wortreiche Lüge. Ekelhaft !
Unser Auftrag und Status ist als seine Kinder/Botschafter in der Welt
sein Reich zu repräsentieren
– nicht zu lamentieren (siehe These 5 hier auf AiGG).
Wo sind die 7000 ?
Mit liebem Gruß von der Ostsee
Andi (Denker, Christ und Aussteiger)