Himmel auf Erden

Warum wir die Gemeinschaft, nach der wir uns sehnen, so oft selbst zerstören

Kennen Sie den Film „Castaway – verschollen“? Tom Hanks spielt darin einen Mann, der auf einer einsamen Insel wie Robinson Crusoe ums Überleben kämpft. Eines Tages spülen die Wellen noch einige Pakete aus seinem abgestürzten Flugzeug an den Strand. In einem findet er einen Volleyball der Marke Wilson. Tom Hanks malt ihm ein Gesicht auf und ab sofort ist „Wilson“ sein täglicher Gesprächspartner. In der dramatischsten Szene des Films verliert er Wilson auf dem Meer. Als Zuschauer leidet man intensiv mit – obwohl es doch nur um einen Volleyball geht! Das hat mir deutlich gemacht: Wir Menschen können nicht alleine sein! Wir brauchen ein Gegenüber. Wir sind auf Beziehung und Gemeinschaft mit einem „Du“ angelegt – selbst wenn das „Du“ nur ein Volleyball ist!

In Römer 12, 5 erklärt Paulus: “Jeder Einzelne ist auf alle anderen angewiesen.” Das heißt: Jeder braucht Hilfe, Trost, Ergänzung und Ermutigung von Anderen. Deshalb ermahnt Paulus auch immer wieder: „Helft euch gegenseitig bei euren Schwierigkeiten und Problemen.“ (Galater 6, 2) Und noch öfter ruft uns die Bibel auf, dass wir einander lieben sollen, und zwar nicht nur irgendwie sondern so wie Jesus uns geliebt hat (Joh. 13, 34): Beständig (1. Petrus 4, 8) und mit aufrichtiger Zuneigung (Römer 12, 10). Die Gemeinschaft der Christen ist Gottes große Tankstelle für unseren Liebestank! Gott will jeden von uns dafür gebrauchen, unsere Mitmenschen mit seiner Liebe zu beschenken.

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Allein geht man ein! Das spüren wir alle intuitiv. Wir haben alle Sehnsucht nach gelingenden Beziehungen, in denen wir uns getragen und geborgen wissen dürfen. Und wir alle spüren: Eine liebevolle Gemeinschaft ist so attraktiv, dass sie von ganz alleine wachsen würde. Die große Frage ist: Warum gelingt gute Gemeinschaft trotzdem so selten? Die Bibel redet ungeheuer viel über diese Frage. Dabei zeigt sie uns 2 Hauptgefahren für gelingende Gemeinschaft, die wir unbedingt kennen sollten:

Die erste beschreibt Jakobus in Jakobus 4, 1: „Was verursacht die Kriege und Streitigkeiten unter euch? Sind es nicht die vielen Begierden, die in euch kämpfen? … Ihr seid neidisch auf das, was andere haben … Doch euch fehlt das, was ihr so gerne wollt, weil ihr Gott nicht darum bittet.“ Jakobus sagt: Mangelgefühle sind ein Hauptgrund für Streitigkeiten! Sie lösen all diese Reaktionen aus, die Gemeinschaft zerstören: Neid, Eifersucht, das Gefühl, zu kurz zu kommen und vernachlässigt zu werden.

Dass Menschen Mangel erleben ist ja normal. Das Problem ist, dass wir Gott nicht bitten, unseren Mangel auszufüllen! Statt aus der Quelle der Liebe Gottes zu trinken erwarten wir von anderen Menschen, dass sie unseren Mangel ausfüllen sollen. Das muss zwangsläufig zu Frust und Enttäuschungen führen. Je weniger Menschen in einer Gemeinschaft gelernt haben, ihren Herzens-Liebestank direkt mit der Liebe Gottes zu füllen, umso mehr Mangel entsteht in dieser Gemeinschaft. Und umso mehr Verteilungskämpfe gibt es um Lob, Aufmerksamkeit, Anerkennung und Beachtung. Und entsprechend gibt es mehr Konflikte, Streit und Auseinandersetzungen.

Deshalb ist es traurig, dass viele Christen denken, dass sie sich mit dem Thema der Liebe Gottes nicht mehr beschäftigen müssten. Denn in unseren Gemeinschaften sehen wir Liebes-Mangelwirtschaft an allen Ecken und Enden. Das beweist, dass wir vielleicht mit dem Verstand etwas über die Liebe Gottes wissen, aber wir erleben sie noch viel zu wenig in unseren Herzen. Das müssen wir ändern! Dann werden auch unsere Gemeinschaften zu Orten, in denen Menschen Gottes Liebe begegnen und heil werden können.

Aber das ist noch nicht die ganze Geschichte. Die Bibel nennt noch eine 2. Hauptursache für unsere Gemeinschaftsprobleme: Stolz! Stolz ist die alte Ursünde der Menschheit, Gott gleich sein zu wollen. Dieser Wunsch hat schon Adam und Eva das Paradies und die Gemeinschaft mit Gott gekostet. Und er führt auch heute noch dazu, dass wir statt fröhlicher Gemeinschaft Streit, Spaltung und Probleme haben.

Unser Stolz hat viele Facetten: Wir beurteilen Andere und richten über sie. Wir fühlen uns Anderen überlegen. Wir glauben, dass wir im Mittelpunkt stehen sollten und Beachtung und Lob verdient haben. Wir stellen uns gerne als perfekt, souverän und fehlerlos dar. Dabei steht all das doch nur Gott allein zu!

Die Fassaden und Masken, mit denen wir unser perfektes Image pflegen, schaffen Distanz. Unser Geltungsbedürfnis geht Anderen auf die Nerven. Das Herabschauen auf Andere, das Urteilen und Richten erzeugt Mauern des Misstrauens. All das zerstört die Gemeinschaft, nach der wir uns doch eigentlich so sehr sehnen. Jeder von uns kennt diese Medaille Stolz Mangelzerstörerische Dynamik. Und trotzdem sind wir alle so anfällig dafür!

Mangelgefühle und Stolz sind also die 2 Hauptfeinde guter Gemeinschaft. Letztlich sind sie 2 Seiten der gleichen Medaille. Denn wer keinen Mangel an Liebe und Selbstwert hat, der hat es gar nicht nötig, stolz und überheblich zu sein. Die gute Nachricht ist: Für unser 2-faches Problem gibt es auch eine zweifache Therapie: Gottes Liebe und das Kreuz!

Durch Gottes Liebe wächst in uns ein stabiler Selbstwert, der …

… sich seines Werts gewiss ist auch ohne ständig im Mittelpunkt zu stehen.
… sich nicht aus der Bahn werfen lässt, wenn er von anderen Menschen enttäuscht wird.
… stark genug ist, vergeben und instabile Menschen aushalten zu können.
… über seine Schwächen lachen kann und sie nicht hinter Fassaden verstecken muss.
… zufrieden ist und in sich ruht, auch wenn nicht alles nach den eigenen Wünschen läuft.

Durch das Kreuz wächst in uns ein zerbrochenes Herz, das …

… sich seiner eigenen Fehler und seiner Schwäche wohl bewusst ist.
… kein Überlegenheitsgefühl mehr kennt.
… um seine Ergänzungsbedürftigkeit weiß.
… sich deshalb nur im Team wirklich wohl fühlt.
… sich einfach nicht mit Streit, Spaltung und Misstrauen im Leib Christi abfinden kann.

Menschen mit einem stabilen Selbstwert und einem zerbrochenen Herz: Das sind die Friedensstifter, nach denen Gott sucht, um Gemeinschaften zu formen, in denen Menschen der Liebe des Vaters begegnen und heil werden können.

In Psalm 133 sagt Gott: Sein Segen ist dort, wo seine Kinder in Einheit zusammen sind. Genau dort ist Jesus schon jetzt mitten unter uns. Genau dort können wir schon jetzt ein Stück Himmel auf Erden erleben. Diese wundervolle Erfahrung wünsche ich uns allen!

Mehr dazu:

Mach uns eins

1. Jeder, der hier bei uns steht ist von Dir geliebt.
Jeder, der zu Dir gehört ist an Deinem Leib ein Glied.
Wir brauchen Dich als unser Haupt, dass Du uns zusammenfügst.
Wir nehmen uns einander an, so wie Du uns, Herr, annimmst.

Refr.:  Mach uns eins, eins in Dir, o Herr.
Mach uns eins, eins in Dir, unser Herr.
Nimm fort, was uns trennt, brich den Stolz mit Deiner Liebe,
dass die Welt erkennt, dass Du uns regierst.

2. Jesus, Du hast uns gezeigt, was wahre Liebe ist,
als wir noch Deine Feinde war’n und Du für uns gestorben bist.
Herr, lehre uns vergeben und zu lieben so wie Du:
Bedingungslos und ohne Falsch. Jesus komm, verbinde uns!

Bridge:   Jesus, wir brauchen Dich jetzt hier!
Denn wahre Einheit wächst nur dort, wo Du regierst.

Wir sind eins, eins in Dir, o Herr.
Wir sind eins nur in Dir, unser Herr.
Nimm fort, was uns trennt, brich den Stolz mit Deiner Liebe,
dass die Welt erkennt, dass Du uns regierst.

Umkämpfte Einheit (4): Stolz-Riesen und Selbstwert-Zwerge

Wo Menschen miteinander leben gibt es Konflikte. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Menschen sind nun einmal sehr verschieden. Sie kommunizieren unterschiedlich. Und deshalb gibt es Missverständnisse, Enttäuschungen, Verletzungen. Gut, dass Jesus uns gelehrt hat, zu beten: „Vergib uns unsere Schuld – wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ Das Problem ist leider: Viele Konflikte lassen sich nicht einfach durch eine kurze Aussprache und Vergebung lösen, weil die Ursachen viel tiefer liegen als nur ein Missverständnis oder ein Kommunikationsproblem. Es ist extrem wichtig, diese tieferen Konfliktursachen zu kennen, um besser damit umgehen zu können.

Meine Erfahrung ist: Die 2 häufigsten und schwerwiegendsten Konfliktursachen in christlichen Gemeinden und Gruppen sind nicht der Musikgeschmack, die Gottesdienstgestaltung oder die Gemeindeform, ja nicht einmal Theologie und Bibelauslegung. Sie heißen vielmehr: Selbstwertmangel und Stolz.

Aber warum führt Selbstwertmangel zu Konflikten? Das kann man am besten mit einem Plastikschirmständer erklären: Wenn er mit Wasser gefüllt ist, ist er schwer und standfest. Aber ohne Wasser kippt der Schirm schon beim kleinsten Windhauch um.

Unser menschliches Herz funktioniert genauso. Wir alle haben einen Liebes- und Wertschätzungstank in unserem Herzen. Wenn er voll ist, ist unser Leben stabil. Dann juckt es uns nicht sonderlich, wenn jemand mal ungeschickt mit uns umgeht. Denn wir fühlen uns geliebt. Wir finden uns selbst O.K. Da wirft uns das unreife Gerede oder die fehlende Beachtung von jemand anderem nicht um!

Aber wenn unser Liebestank leer ist werden wir instabil. Dann begegnen wir unseren Mitmenschen permanent in einer Habacht-Stellung und fragen uns unbewusst: Werde ich heute wieder nicht beachtet? Werde ich heute wieder nicht wertgeschätzt? Und dann genügt eine kleine falsche Bemerkung, und schon kippt unser labiles Selbstwertgefühl wie ein Sonnenschirm im Wind, dessen Ständer leer ist. Dann sind wir beleidigt und frustriert, werden aggressiv oder wir ziehen uns zurück in unser Schneckenhaus.

Aber was wir in unserem Frust übersehen ist: Das wahre Problem war gar nicht die ungeschickte Bemerkung unseres Mitmenschen. Das wahre Problem ist mein leerer Liebestank, der dazu führt, dass ich mit den ganz normalen Widrigkeiten im menschlichen Miteinander nicht umgehen kann!

Es ist nicht einfach, mit instabilen Menschen umzugehen, die einen leeren Liebestank haben und deren Selbstwert ramponiert ist. Selbstwert-Zwerge können mit ihren Befindlichkeiten die Einheit in unseren Gruppen und Gemeinden ganz schön durcheinanderbringen. Das gilt aber genauso für die Stolz-Riesen:

Blogbild Stolz-Riesen

Ich hätte früher nie gedacht, dass ich ein Problem mit Stolz haben könnte. Es hat lange gedauert, bis ich mir das eingestehen konnte. In meinem Christsein gab es eine Phase mit vielen neuen Entdeckungen wie z.B. Lobpreis oder Geistesgaben. Plötzlich erschien mir das Christentum in meiner Kirchengemeinde flach, kraftlos, begrenzt, oberflächlich, einfach eine Stufe niedriger als das, was ich jetzt kennengelernt hatte.

Schon bald kam es zu Konflikten in unserer Gemeinde. Manche Christen wollten diese neuen Entdeckungen mit uns teilen, andere haben angefangen, das zu bekämpfen. Und ich habe gedacht: Die, die da nicht mitmachen wollen, die blicken halt nicht durch, diese armen Kreaturen. Unbewusst habe ich sie verachtet.

Wir wollten dann eine freie Gemeinde gründen. Aber unsere Gemeinschaft ist zerbrochen. Es gab Streit und schlimme Verletzungen. Ich stand vor einem Scherbenhaufen. Als wir zurückgekehrt sind in unsere Kirchengemeinde hat Gott mich an Situationen erinnert, in denen wir anderen Leuten gegenüber unglaublich arrogant aufgetreten waren. Ich musste zu einigen Menschen gehen und sie um Vergebung bitten.

Seither ist viel Einheit gewachsen in unserer Gemeinde, obwohl wir eine Mischung aus sehr unterschiedlich geprägten Christen sind. Offensichtlich muss Gott uns erst von unserem hohen Ross herunter holen, damit Einheit wachsen kann.

Spiegel Medaille Stolz Selbstwert

Stolz und Selbstwertmangel sind also DIE 2 Hauptursachen für misslingende Gemeinschaft. Das Verrückte ist: Sie sind oft Kehrseiten von ein und derselben Medaille! Wir Menschen kompensieren unseren brüchigen Selbstwert oft durch dominantes Auftreten, Besserwisserei, Überlegenheitsgefühle, negatives Reden oder Verachtung von Anderen. Wir müssen unbedingt umkehren und Buße tun, wenn wir solche Tendenzen an uns entdecken!

Schirm mit Kanne farbig beschriftetAber vor allem müssen wir uns zu Jesus begeben, der allein unseren Herzens-„Schirmständer“ wirklich füllen, unseren brüchigen Selbstwert heilen und unser Herz stabil und einheitsfähig machen kann! Denn Menschen werden unseren Tank niemals wirklich füllen können! Wenn wir das von Menschen erwarten, werden wir sie überfordern und es wird in einem großen Frust für alle enden.

Jesus hat gesagt: “Wer an mich glaubt, wird nie wieder Durst haben.” ER ist die Quelle, die uns den Wert gibt, den wir brauchen, um eine stabile Identität und einen gesunden Selbstwert zu entwickeln. Diese göttliche Liebes- und Wertschätzungsquelle brauchen wir in unseren Gemeinden und Gruppen, damit eine stabile Gemeinschaft wachsen kann. Wenn wir mit seiner Liebe gefüllt sind haben einheitssabotierende Stolz-Riesen und Selbstwert-Zwerge keine Chance mehr!

Teil 5 von “Umkämpfte Einheit” beschäftigt sich mit der “Achan-Falle”. Ich habe schon so viele Gruppen und Gemeinden an dieser Falle zerbrechen sehen, dass es mir das Herz bricht. Schluss damit! Wenn wir die Dynamik verstehen, die uns in diese Falle lockt, werden wir nicht länger in sie hineintappen.

Siehe auch: