AiGG 1: Wer bin ich? Wie unsere Identität unser Leben prägt

Im ersten Vortrag des AiGG-Glaubenskurses geht es um einen Sonnenschirm. Der spendet nicht nur Schatten. Er ist auch ein perfektes Bild für die Gefühlsdynamik, die – bewusst oder unbewusst – unser aller Leben prägt, die über die Stabilität unserer Beziehungen entscheidet und die (oft unerkannt) hinter so manchen unserer Konflikte steckt. Und vor allem geht es um die alles verändernde Antwort, die Jesus auf die zentralste Frage unseres Lebens gibt: Wer bin ich?

Den Vortrag als Audio hören:

Vertiefend zu diesem Thema:

Das Lied zum Thema: „Kinder des Vaters“

Das Akkordsheet zum Lied als PDF zum Download

Umkämpfte Einheit (4): Stolz-Riesen und Selbstwert-Zwerge

Wo Menschen miteinander leben gibt es Konflikte. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Menschen sind nun einmal sehr verschieden. Sie kommunizieren unterschiedlich. Und deshalb gibt es Missverständnisse, Enttäuschungen, Verletzungen. Gut, dass Jesus uns gelehrt hat, zu beten: „Vergib uns unsere Schuld – wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ Das Problem ist leider: Viele Konflikte lassen sich nicht einfach durch eine kurze Aussprache und Vergebung lösen, weil die Ursachen viel tiefer liegen als nur ein Missverständnis oder ein Kommunikationsproblem. Es ist extrem wichtig, diese tieferen Konfliktursachen zu kennen, um besser damit umgehen zu können.

Meine Erfahrung ist: Die 2 häufigsten und schwerwiegendsten Konfliktursachen in christlichen Gemeinden und Gruppen sind nicht der Musikgeschmack, die Gottesdienstgestaltung oder die Gemeindeform, ja nicht einmal Theologie und Bibelauslegung. Sie heißen vielmehr: Selbstwertmangel und Stolz.

Aber warum führt Selbstwertmangel zu Konflikten? Das kann man am besten mit einem Plastikschirmständer erklären: Wenn er mit Wasser gefüllt ist, ist er schwer und standfest. Aber ohne Wasser kippt der Schirm schon beim kleinsten Windhauch um.

Unser menschliches Herz funktioniert genauso. Wir alle haben einen Liebes- und Wertschätzungstank in unserem Herzen. Wenn er voll ist, ist unser Leben stabil. Dann juckt es uns nicht sonderlich, wenn jemand mal ungeschickt mit uns umgeht. Denn wir fühlen uns geliebt. Wir finden uns selbst O.K. Da wirft uns das unreife Gerede oder die fehlende Beachtung von jemand anderem nicht um!

Aber wenn unser Liebestank leer ist werden wir instabil. Dann begegnen wir unseren Mitmenschen permanent in einer Habacht-Stellung und fragen uns unbewusst: Werde ich heute wieder nicht beachtet? Werde ich heute wieder nicht wertgeschätzt? Und dann genügt eine kleine falsche Bemerkung, und schon kippt unser labiles Selbstwertgefühl wie ein Sonnenschirm im Wind, dessen Ständer leer ist. Dann sind wir beleidigt und frustriert, werden aggressiv oder wir ziehen uns zurück in unser Schneckenhaus.

Aber was wir in unserem Frust übersehen ist: Das wahre Problem war gar nicht die ungeschickte Bemerkung unseres Mitmenschen. Das wahre Problem ist mein leerer Liebestank, der dazu führt, dass ich mit den ganz normalen Widrigkeiten im menschlichen Miteinander nicht umgehen kann!

Es ist nicht einfach, mit instabilen Menschen umzugehen, die einen leeren Liebestank haben und deren Selbstwert ramponiert ist. Selbstwert-Zwerge können mit ihren Befindlichkeiten die Einheit in unseren Gruppen und Gemeinden ganz schön durcheinanderbringen. Das gilt aber genauso für die Stolz-Riesen:

Blogbild Stolz-Riesen

Ich hätte früher nie gedacht, dass ich ein Problem mit Stolz haben könnte. Es hat lange gedauert, bis ich mir das eingestehen konnte. In meinem Christsein gab es eine Phase mit vielen neuen Entdeckungen wie z.B. Lobpreis oder Geistesgaben. Plötzlich erschien mir das Christentum in meiner Kirchengemeinde flach, kraftlos, begrenzt, oberflächlich, einfach eine Stufe niedriger als das, was ich jetzt kennengelernt hatte.

Schon bald kam es zu Konflikten in unserer Gemeinde. Manche Christen wollten diese neuen Entdeckungen mit uns teilen, andere haben angefangen, das zu bekämpfen. Und ich habe gedacht: Die, die da nicht mitmachen wollen, die blicken halt nicht durch, diese armen Kreaturen. Unbewusst habe ich sie verachtet.

Wir wollten dann eine freie Gemeinde gründen. Aber unsere Gemeinschaft ist zerbrochen. Es gab Streit und schlimme Verletzungen. Ich stand vor einem Scherbenhaufen. Als wir zurückgekehrt sind in unsere Kirchengemeinde hat Gott mich an Situationen erinnert, in denen wir anderen Leuten gegenüber unglaublich arrogant aufgetreten waren. Ich musste zu einigen Menschen gehen und sie um Vergebung bitten.

Seither ist viel Einheit gewachsen in unserer Gemeinde, obwohl wir eine Mischung aus sehr unterschiedlich geprägten Christen sind. Offensichtlich muss Gott uns erst von unserem hohen Ross herunter holen, damit Einheit wachsen kann.

Spiegel Medaille Stolz Selbstwert

Stolz und Selbstwertmangel sind also DIE 2 Hauptursachen für misslingende Gemeinschaft. Das Verrückte ist: Sie sind oft Kehrseiten von ein und derselben Medaille! Wir Menschen kompensieren unseren brüchigen Selbstwert oft durch dominantes Auftreten, Besserwisserei, Überlegenheitsgefühle, negatives Reden oder Verachtung von Anderen. Wir müssen unbedingt umkehren und Buße tun, wenn wir solche Tendenzen an uns entdecken!

Schirm mit Kanne farbig beschriftetAber vor allem müssen wir uns zu Jesus begeben, der allein unseren Herzens-„Schirmständer“ wirklich füllen, unseren brüchigen Selbstwert heilen und unser Herz stabil und einheitsfähig machen kann! Denn Menschen werden unseren Tank niemals wirklich füllen können! Wenn wir das von Menschen erwarten, werden wir sie überfordern und es wird in einem großen Frust für alle enden.

Jesus hat gesagt: „Wer an mich glaubt, wird nie wieder Durst haben.“ ER ist die Quelle, die uns den Wert gibt, den wir brauchen, um eine stabile Identität und einen gesunden Selbstwert zu entwickeln. Diese göttliche Liebes- und Wertschätzungsquelle brauchen wir in unseren Gemeinden und Gruppen, damit eine stabile Gemeinschaft wachsen kann. Wenn wir mit seiner Liebe gefüllt sind haben einheitssabotierende Stolz-Riesen und Selbstwert-Zwerge keine Chance mehr!

Teil 5 von „Umkämpfte Einheit“ beschäftigt sich mit der „Achan-Falle“. Ich habe schon so viele Gruppen und Gemeinden an dieser Falle zerbrechen sehen, dass es mir das Herz bricht. Schluss damit! Wenn wir die Dynamik verstehen, die uns in diese Falle lockt, werden wir nicht länger in sie hineintappen.

Siehe auch:

Wie unser Herz gefüllt und unser Leben stabil werden kann

Oder: Das Geheimnis des Plastiksonnenschirmständers

Besitzen Sie einen Plastiksonnenschirmständer? Dann wissen Sie: So ein Ding ist eigentlich überhaupt nicht stabil. Stellt man einfach so einen Schirm hinein genügt ein kleiner Windhauch – und schon kippt er um. Aber der Clou ist: Er ist wie ein Tank, den man mit Wasser füllen kann. Ist er erst einmal gefüllt wird er so schwer, dass der Schirm auch im Wind stabil stehen bleibt!

Ein Plastiksonnenschirmständer ist ein wunderbares Bild für die Dynamik, die sich permanent bewusst oder unbewusst in unseren Gefühlen abspielt. Denn auch unser Herz ist wie ein Tank, der gefüllt werden will. Und die ganze Stabilität unseres Lebens hängt davon ab, ob er gefüllt ist oder nicht!

Eltern können das gut bei ihren Kindern beobachten. Permanent kämpfen sie um unsere Aufmerksamkeit: „Mama, schau mal, was ich gemalt hab!“ „Papa, spielst Du mit mir?“ „Mama, jetzt bin aber ich dran!“ „Papa, kuck mal, ich kann schon auf einem Bein stehen!“ Auch wenn uns das manchmal nervt dürfen wir nie vergessen: Unsere Liebe und Wertschätzung ist für sie genauso wichtig wie Kleidung und Essen! Es füllt ihr Herz wie einen Tank mit Selbstwert und Identität. Ohne diese „Grundnahrungsmittel des Herzens“ wird ihr Herz verunsichert und ihr Leben instabil.

Auch wenn wir Erwachsene es nicht mehr so offen zeigen: Der Durst nach Liebe, Aufmerksamkeit und Wertschätzung ist bei uns genauso groß. Und die Stabilität unseres Lebens hängt genauso davon ab, ob dieser Durst gestillt wird oder nicht. Mit gefülltem Herzenstank und einem stabilen Selbstwert ist es kein großes Problem für uns, wenn Menschen mal schlecht mit uns umgehen. Solange wir uns insgesamt geliebt und wertgeschätzt fühlen tun wir uns leicht, zu vergeben. Das macht unsere Beziehungen stabil und belastbar.

Aber wenn unser Herzenstank leer ist befinden wir uns permanent in einer Hab-Acht-Stellung. Wir befürchten, wieder nicht geliebt, wieder nicht geschätzt und wieder nicht beachtet zu werden. Dann genügt schon eine kleine ungeschickte Bemerkung – und unsere Gefühle kippen wie ein unbefestigter Sonnenschirm im Wind. Manche Menschen verziehen sich dann beleidigt ihr Schneckenhaus. Andere werden aggressiv. Aber in jedem Fall liegt ein großes Missverständnis vor! Denn das eigentliche Problem war gar nicht die ungeschickte und vielleicht wirklich dämliche Bemerkung unseres Mitmenschen sondern unser leeres Herz! So viele Konflikte in Ehen, Familien, Firmen und Gemeinden lassen sich in Wahrheit auf einen leeren Herzenstank und eine verletzte Identität zurückführen.

Was wir dabei unbedingt verstehen müssen ist: Menschen können unseren Herzenstank niemals vollständig füllen, auch nicht die besten Eltern oder der einfühlsamste Partner. Michael Jackson hatte Millionen von Fans, die ihm grenzenlose Liebe und Wertschätzung entgegenbrachten. Trotzdem blieb sein Leben instabil. Wenn wir nur von Menschen erwarten, dass sie unseren Tank füllen, überfordern wie sie – und wir werden selbst immer wieder enttäuscht. Dadurch zerstören wir gerade die Beziehungen, die uns doch eigentlich am wichtigsten sind.

Aber wer füllt dann unseren Herzenstank? Jesus hat dazu ein gigantisches Versprechen gemacht: „Wer an mich glaubt, wird nie wieder Durst haben!“ Gleich an mehreren Stellen im Johannesevangelium verspricht Jesus, dass er die Quelle ist, die den großen Durst unseres Herzens für immer stillt. Die große Frage ist: Wie geht das praktisch?

Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Das Wissen, dass wir einen liebevollen himmlischen Vater haben, in dessen Augen wir wertvoll, schön und kostbar sind, bleibt ja zunächst einmal etwas Abstraktes für uns Christen. Wir können Gott nicht sehen. Wir können seine Stimme nicht hören. Wir können uns nicht in seine Arme kuscheln. Vielleicht hatten wir schon einmal ein warmes Gefühl während einem schönen Gottesdienst. Aber das genügt bei weitem nicht, um eine verunsicherte Seele nachhaltig stabil zu machen.

Und doch gibt es Hoffnung. Jesus sagte, dass wir „glauben“ müssen, damit unser Durst gestillt wird. Glauben bedeutet in der Bibel immer viel mehr als „Für-wahr-halten“. Das ist nicht nur eine Kopfsache. Glauben hat in der Bibel immer mit Vertrauen zu tun. Und Vertrauen kann nur in einer Beziehung wachsen. Anders gesagt: Dieses Lebenswasser fließt dann in unseren Herzenstank, wenn wir eine enge, vertraute Herzensbeziehung mit Gott entwickeln. Eine Beziehung, in der die Liebe Gottes für uns greifbar, spürbar, erlebbar wird.

Meine Erfahrung ist: Eine solche Gottesbeziehung ist möglich. Sie kann immer mehr wachsen. Wie jede Beziehung geht sie zwar durch Höhen und Tiefen. Aber trotzdem trägt sie. Jesus sagte, dass diese Liebesbeziehung zu Gott wirklich das wichtigste überhaupt ist (Markus 12, 29-30). Sie ist die Quelle, die wirklich unseren Durst stillen und unser Leben stabil machen kann. Diese Beziehung will ich nie, nie mehr verlieren, immer wieder neu entdecken und immer mehr vertiefen.

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